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Analphabetismus heute bei uns
12.09.2014, 17:07
Beitrag: #1
Analphabetismus heute bei uns
Ich lagere mal ein bißchen aus, da die Diskussion uns sonst den Thread zerhackt.

Im Zusammenhang mit Karl May wurde unseren Urgroßeltern folgendes unterstellt:
(10.09.2014 13:30)Bunbury schrieb:  Kann ich mir nicht vorstellen- in der breiten Masse zumindest nicht. Das Bürgertum vielleicht- aber Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten und 12 bis 14 Stunden für den täglichen Unterhalt arbeiten mussten, hatten nicht unbedingt die Muße sich mit Amerika zu beschäftigen ist....
...
(12.09.2014 13:10)Suebe schrieb:  Ich habe jetzt mal überregional Tenfelde/Ritter konsultiert.
"Der Arbeiter im Deutschen Kaiserreich"
Zur Schulbildung wird da angemerkt, dass im Jahre 1880 nur 0,024% der Rekruten nicht lesen und schreiben konnten.

http://www.zeit.de/gesellschaft/2011-02/...mus-studie
Sieht man sich den Link genauer an, ist da gegenwärtig eher ein gewaltiger Rückschritt zu verzeichnen, den man nicht allein auf Migranten schieben kann. Woran liegt das wohl?

Nun diskutiert mal schön weiter...

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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12.09.2014, 18:10
Beitrag: #2
RE: Analphabetismus heute bei uns
Nun, erst einmal ist die Erhebungsgrundlage eine andere. Sagt der Statistiker. 0,024 % der Rekruten des Jahres 1880 entspricht nicht 14,2 % der Erwerbstätigen des Jahres 2014.
Nicht nur, daß nicht alle Erwerbstätigen Rekruten sind wäre hier mal interssant zu sehen, (wieviele Männer eines Jahrgangs Rekruten sind), du müßtest darüber hinaus die Wahrhsceinlichkeiten für sagen wir 40 Jahre aufaddieren.

Dann kommst du zwar zugegebenermaßen vermutlich immer noch nicht ganz auf 14,2 %, aber die Relation ändert sich schon gewaltig...

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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12.09.2014, 18:34
Beitrag: #3
RE: Analphabetismus heute bei uns
(12.09.2014 18:10)Bunbury schrieb:  Nun, erst einmal ist die Erhebungsgrundlage eine andere. Sagt der Statistiker. 0,024 % der Rekruten des Jahres 1880 entspricht nicht 14,2 % der Erwerbstätigen des Jahres 2014.
Nicht nur, daß nicht alle Erwerbstätigen Rekruten sind wäre hier mal interssant zu sehen, (wieviele Männer eines Jahrgangs Rekruten sind), du müßtest darüber hinaus die Wahrhsceinlichkeiten für sagen wir 40 Jahre aufaddieren.

Dann kommst du zwar zugegebenermaßen vermutlich immer noch nicht ganz auf 14,2 %, aber die Relation ändert sich schon gewaltig...
Du kämpfst aber wirklich bis zuletzt...

Na gut, Rekruten waren männlich und 17/18 Jahre alt. Jeder Gesunde wurde gezogen, es gab damals keinen Zivildienst oder eine Gewissensprüfung. Wer verweigerte, war gesellschaftlich nicht nur unten durch, sondern wanderte in den Bau. Aber das kam damals m.W. kaum vor.

Nach deinem Einwand könnte man schlußfolgern dass a) die meisten heutigen Analphabeten Frauen sind oder b) das heutige Erwachsene in großem Maße das Lesen und Schreiben einfach verlernt haben. Aber das willst du doch wohl nicht behaupten, oder?

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12.09.2014, 19:03
Beitrag: #4
RE: Analphabetismus heute bei uns
Nein, ich will nur behaupten, daß du hier zwei grundsätzlich unterschiedliche Erhebungsgrundlagen benutzt.
Die Rekruten eines Jahrganges sagen nichts darüber aus, wieviele Frauen des gleichen Jahrgangs lesen und schreiben konnten, bei den Erwerbstätigen wird diese Unterscheidung nicht getroffen. Bei den Rekruten wird nur ein jahrgang betrachtet, bei den Erwerbstätigen alle zwischen 16 und 67, die nicht Schüler, Renter oder Arbeitslos sind also, letztendlich rund 50 Jahrgänge...
Von daher sind die Zahlen überhaupt nicht miteinander vergleichbar, und ein Schluss läßt sich daraus nicht ziehen.
Das ist ja das dumme an Statistiken....

Aber als Wissenschaftler ist dir das natürlich durchaus bewußt...

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12.09.2014, 19:10
Beitrag: #5
RE: Analphabetismus heute bei uns
Tja, dann fragen wir doch mal bei den Berufsschulen nach wie es in der Praxis der vergleichbaren Altersgruppe heute wirklich aussieht. Das Schreiben von SMS mit ihrer eigenen Kürzelsprache fördert wahrscheinlich nicht das Lese- und Textverständnis der deutschen Sprache.

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12.09.2014, 20:02
Beitrag: #6
RE: Analphabetismus heute bei uns
(12.09.2014 18:34)Arkona schrieb:  
(12.09.2014 18:10)Bunbury schrieb:  Nun, erst einmal ist die Erhebungsgrundlage eine andere. Sagt der Statistiker. 0,024 % der Rekruten des Jahres 1880 entspricht nicht 14,2 % der Erwerbstätigen des Jahres 2014.
Nicht nur, daß nicht alle Erwerbstätigen Rekruten sind wäre hier mal interssant zu sehen, (wieviele Männer eines Jahrgangs Rekruten sind), du müßtest darüber hinaus die Wahrhsceinlichkeiten für sagen wir 40 Jahre aufaddieren.

Dann kommst du zwar zugegebenermaßen vermutlich immer noch nicht ganz auf 14,2 %, aber die Relation ändert sich schon gewaltig...
Du kämpfst aber wirklich bis zuletzt...

Na gut, Rekruten waren männlich und 17/18 Jahre alt. Jeder Gesunde wurde gezogen, es gab damals keinen Zivildienst oder eine Gewissensprüfung. Wer verweigerte, war gesellschaftlich nicht nur unten durch, sondern wanderte in den Bau. Aber das kam damals m.W. kaum vor.

Nach deinem Einwand könnte man schlußfolgern dass a) die meisten heutigen Analphabeten Frauen sind oder b) das heutige Erwachsene in großem Maße das Lesen und Schreiben einfach verlernt haben. Aber das willst du doch wohl nicht behaupten, oder?

OT:
Na ja,
45% Prozent der Wehrpflichtigen fielen durch bei der Musterung im Kaiserreich. Da kann man also ohne weiteres Schlussfolgern, dass da die Begeisterung für Kaisers Rock auch nicht ganz so groß war, wie man uns später weißmachen wollte.

OK zum Thema,
Tenfelde/Ritter schreiben auch, dass es natürlich durchaus Fälle gab, dass zwischen Militärdienst und Tod das Lesen verlernt wurde.

Schreiben andererseits, dass noch um 1870 2-3 Prozent der Neueingezogenen Analphabeten waren, die Bildungsbemühungen demnach Wirkung zeigten.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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12.09.2014, 20:11
Beitrag: #7
RE: Analphabetismus heute bei uns
(12.09.2014 19:03)Bunbury schrieb:  Nein, ich will nur behaupten, daß du hier zwei grundsätzlich unterschiedliche Erhebungsgrundlagen benutzt.
Die Rekruten eines Jahrganges sagen nichts darüber aus, wieviele Frauen des gleichen Jahrgangs lesen und schreiben konnten,
./.

Wieder zurück zu Tenfelde/Ritter!
Natürlich sagt das etwas darüber aus, inwiefern junge Frauen lesen und schreiben konnten.
Denn die Schulpflicht galt Geschlechtsneutral.

Es ist übrigens das Merkmal des preußischen Beamtenstaates, dass Gesetze und Pflichten da für tatsächlich alle galten, die altdeutsche Duodez-Schlamperei hat da aufgehört.

Mein Beispiel aus dem begnnenden 18. Jahrhundert möge man sich auch nochmal anschauen. wo die Mädchen wie die Jungen zur Schule gingen.

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13.09.2014, 11:03
Beitrag: #8
RE: Analphabetismus heute bei uns
(12.09.2014 19:03)Bunbury schrieb:  Nein, ich will nur behaupten, daß du hier zwei grundsätzlich unterschiedliche Erhebungsgrundlagen benutzt.
Die Rekruten eines Jahrganges sagen nichts darüber aus, wieviele Frauen des gleichen Jahrgangs lesen und schreiben konnten, bei den Erwerbstätigen wird diese Unterscheidung nicht getroffen. Bei den Rekruten wird nur ein jahrgang betrachtet, bei den Erwerbstätigen alle zwischen 16 und 67, die nicht Schüler, Renter oder Arbeitslos sind also, letztendlich rund 50 Jahrgänge...
Von daher sind die Zahlen überhaupt nicht miteinander vergleichbar, und ein Schluss läßt sich daraus nicht ziehen.
Das ist ja das dumme an Statistiken....

Aber als Wissenschaftler ist dir das natürlich durchaus bewußt...


Das Gymnasium, das mich ab 1963 beherbergte, trug (trägt) einen Schriftzug in Goldbuchstaben "Realschule 1899" im Jahr darauf, 1900, wurde die Lateinschule und die Realschule zum "Realgymnasium" zusammengefasst. Die Lateinschule lässt sich vor Ort bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen.
Es war, wie wir heute sagen würden, ein Progymnasium, Abitur konnte man erst seit den 20erJahren ablegen, aber das vielgenannte "Einjährige".

Ich habe vorhin ein "Generalreskript" = Lehrplan für die württ. Elementarschulen = Volksschulen aus dem Jahr 1810 in Händen gehabt. "Lesen, Schönschreiben, Rechnen, Deutscher Sprachunterricht, Verstandesübungen, Religions- und Sittenlehre, Singen, Zeichnen, Erdbeschreibung, Naturgeschichte, Geschichte und einzelne Kenntnisse aus der Naturlehre" sollten da vermittelt werden. Und ich wage die Behauptung dass dies auch vermittelt wurde.
Um 1825 wurde die Sonntagsgewerbeschule eingeführt, für die Handwerkslehrlinge, des Sonntags 1,5 Stg. vor dem Vormittagsgottesdienst. Diese wurde ab 1895 durch eine "Allgemeine Fortbildungsschule" ersetzt, die mit einer 2-jährigen Schulpflicht für alle Absolventen der Volksschule galt.

Schon 1810 wurde eine "Industrieschule" eröffnet, speziell für Mädchen, Unterricht war 2mal Nachmittags 2-Stunden nach der Schule Unterricht in Handarbeit und Hausarbeit.
Ab 1868 gab es eine weibliche Fortbildungsschule auf freiwilliger Basis, Unterricht in gewerblichem Aufsatz, Buchführung und Rechnen, Zeichnen und Französisch. Wegen starkem Zulauf ab 1878 2-Klassig.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, was ich noch schreiben soll....

Das auch unter heutigem Stand gesehen recht hohe Bildungsniveau der Bevölkerung im 19. Jahrhundert ist zig-fach nachgewiesen und überliefert.
Aber trotzdem. Huh
Könnte es sein, dass du aus einem streng katholischen Umfeld stammst?

nicht dass ich hier in ein Wespennest stechen will, aber die Bildungsfeindlichkeit von Teilen der kath. Geistlichkeit im 19. Jahrhundert ist ja bekannt.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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13.09.2014, 16:33
Beitrag: #9
RE: Analphabetismus heute bei uns
(13.09.2014 11:03)Suebe schrieb:  Das Gymnasium, das mich ab 1963 beherbergte, trug (trägt) einen Schriftzug in Goldbuchstaben "Realschule 1899" im Jahr darauf, 1900, wurde die Lateinschule und die Realschule zum "Realgymnasium" zusammengefasst. Die Lateinschule lässt sich vor Ort bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen.
Es war, wie wir heute sagen würden, ein Progymnasium, Abitur konnte man erst seit den 20erJahren ablegen, aber das vielgenannte "Einjährige".

Halt, momentmal- ich habe nie behauptet, daß es vor 1900 keine Schulen gab. Die Frage geht nicht darum, ob es Schulen gab, sondern wer worin unterrichtet wurde. Wenn ich mir irre, lasse ich mich gerne eines besseren belehren, aber an ein flächendeckendes Proabi glaube ich nicht...
1592 gab es erstmals in dem herzogtum Pflaz- Zweibrücken die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Jungen. Württemberg hat eine allgemeine Schulfplicht schon recht früh eingeführt, um 1649, in Preußen dagegen gab es bis 1918 nur eine Unterrichts-, aber keine Schulpflicht. (Vielleicht mit ein Grund, warumd as Abi aus Baden- Würtemberg bis heute mehr gilt als eines aus dem Norden...Wink) Eine einheitliche flächendeckende Schulpflicht in Deutschland gab es aber erst mit der Weimarer Verfassung 1910.



(13.09.2014 11:03)Suebe schrieb:  Ich habe vorhin ein "Generalreskript" = Lehrplan für die württ. Elementarschulen = Volksschulen aus dem Jahr 1810 in Händen gehabt. "Lesen, Schönschreiben, Rechnen, Deutscher Sprachunterricht, Verstandesübungen, Religions- und Sittenlehre, Singen, Zeichnen, Erdbeschreibung, Naturgeschichte, Geschichte und einzelne Kenntnisse aus der Naturlehre" sollten da vermittelt werden. Und ich wage die Behauptung dass dies auch vermittelt wurde.

Wobei man natürlich berücksichtigen muss, daß sich das heute nach sehr viel mehr anhört als damals gewesen sein dürfte, insbesondere was Naturgeschichte und Naturlehre anbetraf. Viele wichtige Entdeckungen waren zu jener Zeit noch nicht gemacht bzw noch nicht allgemein anerkannt.

Die von dir beschriebene Schule war aber dann wohl die Ausnahme- die Volksschulen des 19 Jahrhunderts waren schlecht ausgerüstet. Ein durchschnittlicher Wochenplan sah 12 Stunden Lesen und Schreiben, 6 Stunden Religion, 5 Stunden rechnen und 3 Stunden Singen von Kirchenliedern. Schule war im 19 Jahrhundert noch Häufig eine kirchliche Aufgabe...

Ich wage dann doch mal zu behaupten, daß es das damals kein Bildiungsparadies war. Die Klassen waren groß, altersgemischt- und ganz sicher gab es niemanden, der versuchte, jemanden, der es nicht konnte, bei der Stange zu halten...

(13.09.2014 11:03)Suebe schrieb:  Schon 1810 wurde eine "Industrieschule" eröffnet, speziell für Mädchen, Unterricht war 2mal Nachmittags 2-Stunden nach der Schule Unterricht in Handarbeit und Hausarbeit.
Ab 1868 gab es eine weibliche Fortbildungsschule auf freiwilliger Basis, Unterricht in gewerblichem Aufsatz, Buchführung und Rechnen, Zeichnen und Französisch. Wegen starkem Zulauf ab 1878 2-Klassig..

Bei den Jungs rede ich nicht dagegen, mit deren Bildungsystem habe ich mich nicht näher beschäftigt.
Da ich mitten im Umbau stecke und eigentlich noch ein bißchen spachteln muss, habe ich jetzt auch nicht wirklich Zeit, mich in die entsprechende Literatur zu vertiefen.

Aber sofern du auf die schnelle mal bereit bist, bei tante Wiki unter dem Stichwort " Frauenbildung" nachzuschlagen, wirst du dort die Aussage finden, das das Schulsystem, das im 18. und 19. JHDt im Zuge der Institutionalsierung der (höheren) Bildung entstand, auschließlich für Jungen bestimmt war.
Der Unterricht für Mädchen war "Familiensache" und wurde allenfalls noch in evangelischen Gemeinden durch die Pastorsfrau ergänzt. Die unterrichtete allerdings ausschließlich Handarbeit und brachte den Mädchen bei, Buchstaben und Zahlen auf Tücher zu sticken. Aber das hatte nicht wirklich was mit "lesen" und "schreiben" zu tun.

Frauenbildung erfolgte auch im 19 Jahrhundert auschließlich unter dem Aspekt, die Mädchen auf ihre Aufgabe als Ehefrauen und Mütter vorzubereiten, auch in den Höheren Töchterschulen, deren Bildung ausschließlich Mädchen aus priviligierten Kreisen zukam.
Auch als die Bildungspläne später erweitert wurde, gescah das aussschließlich aus dem Gedanken heraus, daß die nun mehr wohl etwas gebildeteren jungen Männer sich nicht durch die geistlosigkeit ihrer Gattinen langweilten sollen.

Von da aus ist dann plötzlich nicht mehr ganz so weit zu den Aussagen, an die ich mich noch zu gut erinnern kann...

(13.09.2014 11:03)Suebe schrieb:  Das auch unter heutigem Stand gesehen recht hohe Bildungsniveau der Bevölkerung im 19. Jahrhundert ist zig-fach nachgewiesen und überliefert.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, was ich noch schreiben soll....

Is ja schon gut, du brauchst nicht mehr zu schreiben.Ich glaube dir gerne, daß es flächendeckende Bildungsangebote gab.

Ich sage dir aber auch, woran ich nicht glaube:
Daß die Kinder nach Ende des Unterrichts nach Hause gegangen sind, Hausaufgaben gemacht und dann gelesen haben...
Ich denke, man hat die Schule mitgemacht, auch weil man mußte, hat das genutzt, was man unmittelbar zum Leben brauchte und den rest dann wieder vergessen. (Ganz so, wie es ja auch heute der Fall ist.)

Aber wenn es dich beruhigt- ich glaube jetzt also durchaus, daß die breite Masse der bevölkerung lesen und schreiben konnte. Ich bezweifle aber dennoch, daß die breite Masse der Bevölkerung im Stande war, ein komplettes Buch am Stück zu lesen...
Ansonsten wäre das, was danach geschah, nicht so einfach zu erklären...
laß mir ein paar Tage Zeit, dann beschäftige ich mich noch ein wenig mit dem Bildungsniveau der Zeit...

(13.09.2014 11:03)Suebe schrieb:  Könnte es sein, dass du aus einem streng katholischen Umfeld stammst?

nicht dass ich hier in ein Wespennest stechen will, aber die Bildungsfeindlichkeit von Teilen der kath. Geistlichkeit im 19. Jahrhundert ist ja bekannt.

Nein, völlig daneben. Ich bin die erste in der Familie, sowohl väterlicher- wie auch mütterlicherseits, die nicht protestantisch getauft wurde. (Ich wurde gar nicht getauft). Katholiken gab es da nicht- bis mein Cousin eine solche heiratete deswegen von seinem Vater um ein Haar enterbt wurde...
Besagter Vater versagte seinem Sohn einen höheren Bildungsweg allerdings mit der Begründung "Was für mich gut genug war, muss für meinen Sohn auch gut genug sein"...

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13.09.2014, 18:12
Beitrag: #10
RE: Analphabetismus heute bei uns
Warum hatten dann einige periodische Druckerzeugnisse um 1880 (z.B. "Die Gartenlaube") eine Auflagenstärke ähnlich wie heute "Die Bunte"? War das etwa ein typisches "Männerblatt" oder haben diese überwiegend daraus ihren Frauen vorgelesen?

@Bunbury, du hast dir anscheinend das heutige Rollenklischee vom unterdrückten und (bewusst) dumm gehaltenen Hausmütterchen für Herd und Kinder vor über 100 Jahren gründlich angeeignet. Sonst würdest deine These nicht so vehement verteidigen, das hat ja schon was von Gender-Ideologie. Ganz so war es damals aber nunmal nicht, auch ohne Frauenwahlrecht und fehlende Universitätszulassung.

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13.09.2014, 18:13
Beitrag: #11
RE: Analphabetismus heute bei uns
Zitat:Wobei man natürlich berücksichtigen muss, daß sich das heute nach sehr viel mehr anhört als damals gewesen sein dürfte, insbesondere was Naturgeschichte und Naturlehre anbetraf. Viele wichtige Entdeckungen waren zu jener Zeit noch nicht gemacht bzw noch nicht allgemein anerkannt.

Die von dir beschriebene Schule war aber dann wohl die Ausnahme- die Volksschulen des 19 Jahrhunderts waren schlecht ausgerüstet. Ein durchschnittlicher Wochenplan sah 12 Stunden Lesen und Schreiben, 6 Stunden Religion, 5 Stunden rechnen und 3 Stunden Singen von Kirchenliedern. Schule war im 19 Jahrhundert noch Häufig eine kirchliche Aufgabe...

es ist die Elemetarschulordnung für das Königreich Württemberg von 1810
Ausnahmen sehen anders aus.

Zitat:Aber sofern du auf die schnelle mal bereit bist, bei tante Wiki unter dem Stichwort " Frauenbildung" nachzuschlagen, wirst du dort die Aussage finden, das das Schulsystem, das im 18. und 19. JHDt im Zuge der Institutionalsierung der (höheren) Bildung entstand, auschließlich für Jungen bestimmt war.
Der Unterricht für Mädchen war "Familiensache" und wurde allenfalls noch in evangelischen Gemeinden durch die Pastorsfrau ergänzt. Die unterrichtete allerdings ausschließlich Handarbeit und brachte den Mädchen bei, Buchstaben und Zahlen auf Tücher zu sticken. Aber das hatte nicht wirklich was mit "lesen" und "schreiben" zu tun.

Frauenbildung erfolgte auch im 19 Jahrhundert auschließlich unter dem Aspekt, die Mädchen auf ihre Aufgabe als Ehefrauen und Mütter vorzubereiten, auch in den Höheren Töchterschulen, deren Bildung ausschließlich Mädchen aus priviligierten Kreisen zukam.
Auch als die Bildungspläne später erweitert wurde, gescah das aussschließlich aus dem Gedanken heraus, daß die nun mehr wohl etwas gebildeteren jungen Männer sich nicht durch die geistlosigkeit ihrer Gattinen langweilten sollen.

Unterricht in "geschäftlicher Korrespondenz, Buchführung, Französisch...." seit 1868, ab 1878 zweizügig -
das ist der Vorläufer der Handelsschule, die man später Wirtschaftsschule nannte.
Natürlich ist das "Frauen-bezogen" der Handwerker und Kleingewerbetreibende brauchte eine Verwaltungskraft, und das ist bis heute sehr sehr oft seine Ehefrau.
(auch meine hat heute einen solchen Job, obwohl sie etwas ganz anderes studiert hat)


Zitat:Nein, völlig daneben. Ich bin die erste in der Familie, sowohl väterlicher- wie auch mütterlicherseits, die nicht protestantisch getauft wurde. (Ich wurde gar nicht getauft). Katholiken gab es da nicht- bis mein Cousin eine solche heiratete deswegen von seinem Vater um ein Haar enterbt wurde...
Besagter Vater versagte seinem Sohn einen höheren Bildungsweg allerdings mit der Begründung "Was für mich gut genug war, muss für meinen Sohn auch gut genug sein"...

Sorry, da lebte und lebe ich anscheinend tatsächlich in einer anderen Welt

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13.09.2014, 20:18
Beitrag: #12
RE: Analphabetismus heute bei uns
(13.09.2014 18:12)Arkona schrieb:  @Bunbury, du hast dir anscheinend das heutige Rollenklischee vom unterdrückten und (bewusst) dumm gehaltenen Hausmütterchen für Herd und Kinder vor über 100 Jahren gründlich angeeignet. Sonst würdest deine These nicht so vehement verteidigen, das hat ja schon was von Gender-Ideologie. Ganz so war es damals aber nunmal nicht, auch ohne Frauenwahlrecht und fehlende Universitätszulassung.

Ich habe damals nicht gelebt, ich habe mich nur immer dafür interessiert, wo diese Einstellung letztendlich herkommt. Ich fand die Sprüche immer ziemlich bescheuert, die ich da so gesagt bekommen habe. Also habe ich mich schon gefragt, warum das so ist. Ich habe vieles gelesen, habe mich mit dem Rollenbild der Frau in berühmten (in der Regel von von Männern)geschriebenen Theaterstücken und Romanen über die Jahrhunderte beschäftigt. Nichts, was ich gelesen habe, hat mich je auf den Gedanken gebracht, daß gebildete Frauen ein wünschenswertes Ergebnis einer schulbildung sein sollten.
Ich muss allerdings einräumen, daß ich sehr viel zeitgenössische Literatur aus dem englisch sprachigen Raum gelesen habe. Von daher kann es schon sein, daß es in Deutschland anders war. Nur- wenn ich mir ansehe, wie schnell sich die Nazi- Vorstellungen vom Heimchen am Herd durchgesetzt haben (und erstaunlicherweise auch bei Frauen), fällt es mir schwer zu glauben, daß diese Einstellung nicht zumindest im "Untergrund" schon vorhanden gewesen ist.
Sicherlich gab es Frauen, die gebildet waren- aber überall werden diese Frauen als Außenseiter gewissermaßen als Pariahs dargestellt. Lies mal die Literatur der Zeit. Gelobt wurden sie für ihre Klugheit nur, wenn das dem Mann nutzte...

ich wage jetzt einfach mal zu bezweifeln, daß du dich mit diesem Rollenbild jemals intensiv auseinandergesetzt hast. (Was im übrigen kein Vorwurf ist. Bei dir bestand ja die Notwendigkeit nicht.)


Das mit dem "dummgehaltenen" Frauen hast im übrigen du gesagt, nicht ich. Sie durften durchaus etwas wissen- wenn es für den Mann von Vorteil war. Oder wie sonst erklärst du dir die Tatsache, daß die Höheren Töchter Schulen zwar die Frauen auf die Ehe nicht aber auf ein Hochschulstudium vorbereiten sollen?

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13.09.2014, 20:28
Beitrag: #13
RE: Analphabetismus heute bei uns
(13.09.2014 18:13)Suebe schrieb:  es ist die Elemetarschulordnung für das Königreich Württemberg von 1810
Ausnahmen sehen anders aus.

Im Jahr 1810 gab es noch kein einheitliches Deutschland. Das Königreich Württemberg war, nach allem, was ich bisher lesen konnte, ein wirklicher Vorreiter in Sachen Schulpflicht.

Von daher kann es in einaderen deutschen Königreichen um 1810 durchaus anders ausgesehen haben. Und hat es wohl auch, wenn ich das beim überfliegen so richtig gelesen habe.

(13.09.2014 18:13)Suebe schrieb:  Unterricht in "geschäftlicher Korrespondenz, Buchführung, Französisch...." seit 1868, ab 1878 zweizügig -
das ist der Vorläufer der Handelsschule, die man später Wirtschaftsschule nannte.
Natürlich ist das "Frauen-bezogen" der Handwerker und Kleingewerbetreibende brauchte eine Verwaltungskraft, und das ist bis heute sehr sehr oft seine Ehefrau.
(auch meine hat heute einen solchen Job, obwohl sie etwas ganz anderes studiert hat)


Du kannst das schreiben und merkst nicht einmal, daß du mein "Rollenklische" wie Arkona das oben so schön nennt, voll bestätigst?

Hat sich nichts geändert gell? Die Frau darf dem Manne gerne als Hilfskraft unterstützen. Nur mehr sein, das darf sie nicht...

Ist nicht bös gemeint, nur resignierend...

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13.09.2014, 20:55
Beitrag: #14
RE: Analphabetismus heute bei uns
Dass Frauen bis zum Beginn des 20. Jahrhundert meist nicht zu den Universitäten zugelassen wurden, hatte m.E. rein traditionelle Gründe. Der Erwerb universitärer Bildung war, das gebe ich zu, die Ausnahme. Dazu hätte es einer finanziellen Unabhängigkeit durch ein reiches und wohlwollendes Elternhaus bedurft. Dem stand ferner entgegen, dass eine ledige 20jährige schon als alte Jungfer galt.

Der übliche Weg zu höheren Weihen war http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6here...hterschule und eventuell später ein Lehrerinnenseminar. Wobei die Absolventinnen dann meist eine Stelle als Hauslehrerin oder Gouvernante in reichen Privathaushalten erhielten. Das war eine Gelegenheit, in diesen Kreisen zu verkehren und eventuell sich eine "gute Partie" in Form eines schneidigen Offiziers oder jungen Fabrikantenerben zu angeln.

Wenn schon Klischee, dann richtig...

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13.09.2014, 23:06
Beitrag: #15
RE: Analphabetismus heute bei uns
So, und jetzt mit einer Mischung aus Ironie und Resignation eine kurze Zusammenfassung der Diskussion:

Zum Beleg, daß um 1880 herum das Bildungsniveau höher war als heute und fast jeder lesen und schreiben konnte, wurden Prozentzahlen miteinanderverglichen- 0,024 % der Rekruten eines einzelnen Jahrganges (1880) wurden die 14,2 der kompletten Erwerbslosen von heute gestellt.

Ich habe mich mit diesem Vergleich ernsthaft und sachlich auseinandergesetzt und festgestellt, daß beide Zahlen nicht mit einander vergleichbar sind.

Dies wurde von meinen beiden Mitdiskutanten mehr oder weniger ignoriert.

Zum weiteren Beleg wurde das Programm einer Schule aus Würtemberg von 1810 angeführt.

Auch damit habe ich mich auseinandergesetzt. Der sachlich richtige Einwand, daß es 1810 kein einheitliches Deutschland gab, wurde ebenso ignoriert wie die Tatsache, daß es in unterschiedlichen Königreichen unterschiedliche Bildungspläne gegeben hat und daß es eine allgemeine Schulpflicht in ganz Deutschland tatsächlich erst 1910 gab.

Es wurde eine weiterführende Mädchenschule als Beispiel für die Bildung von Mädchen angeführt. Dafür, daß das flächendeckend war, fehlt jeder Beleg.
Aber ich soll es als Beweis für die anfängliche Behauptung irgendwie akzeptieren.

Als ich das nicht tue, wurde mir dann von einem Mitdiskutanten gleich ein persönliches Problem unterstellt.

Wir haben also:
Behauptung
Gegenargument ignorieren.
Beispiel
Frage nach der Allgemeingültigkeit des Beispiels- ignorieren.
Persönlich werden.

Im übrigen in jeden Psychologielehrbuch der klassische Rollen- Streitablauf.

Gut, Jungs. Da es offensichtlich dadrum geht:

Um das Jahr 1880 herum konnten in Deutschland fast alle Menschen lesen, rechnen und schreiben und zwar besser, als sie das heute können. Jeder hat den Karl May gelesen, und Mädchen hatten natürlich die gleichen Bildungschancen wie Jungen.

Wenn ihr das so haben wollt, gut. Dann meinetwegen.
Ihr habt recht- und ich habe meine Ruhe.

Und ironischerweise beginne, meine Tante und Großtante zu verstehen. Was nützt es schon, wenn Mädchen lesen und denken können- am Endehaben die Männer immer recht...

Wie gesagt, ganz ernst gemeint ist das nicht, eher ein bißchen ironisch und resigniert.

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14.09.2014, 00:07
Beitrag: #16
RE: Analphabetismus heute bei uns
Um das von Suebe zitierte Elementarschulrecht von 1810 und die Bildungsmöglichkeiten von Mädchen in Württemberg noch mal ins richtige Verhältnis zu rücken, ein paar Fakten aus meiner Stadt - liegt in Württemberg.

Eine Schulpflicht bestand zwar, sowohl für Jungen als auch für Mädchen, diese ging aber nicht über die Elementarschule - Grundschule hinaus.

Eine Knabenoberschule (vergleichbar Realschule) existierte seit ca. 1850 eine Mädchenoberschule kam rund 100 Jahre später.

Eine Lateinschule für Knaben (vergleichbar Gymnasium) existierte seit 1495, eine Lateinschule für Mädchen gab es nie. Erst ab 1959 mit Eröffnung des städtischen Gymnasiums hatten die Mädchen in der Stadt Zugang zum Abitur. Davor mussten teilweise sehr weite Wegstrecken zurückgelegt werden.

Um 1870 herum wurden die Lateinschule für Knaben und die Knabenoberschule zu einem "Real-lyzeum" zusammengeschlossen. Die für die Zusammenlegung der Schule erforderlichen Räume wurden beschafft, in dem man die Mädchen-Elementarschule ausquartierte, übrigens das 4. Mal innerhalb weniger Jahre, und nun sogar ein ganzes Stück außerhalb der Stadttore.

1871 wurde eine neuartige Bildungsstätte durch einen Bürger (Niederländischer Generalkonsul ab 1850) in der Stadt geschaffen - "als Pflanzstätte wahrer und einziger Volksbildung" - zu der jeder ab 14. Jahren Zugang haben sollte, gleich welchen Geschlechts (!).(Allerdings war das Bildungsangebot für den interessierten und fortbildungswilligen Erwachsenen ausgelegt und war als Basis im Sinne einer schulischen Bildung nicht geeignet. Der Generalkonsul durfte nun mal keine Schule aufmachen, es blieb also bei einer Art Vorläufer-VHS) Für den Generalkonsul war ganz klar ein großer Handlungsbedarf hinsichtlich Bildungsgerechtigkeit für finanzschwächere Bürger bzw. deren Sprösslinge und vor allem für Mädchen erkennbar. Doch leider reichten seine Möglichkeiten nicht aus, um da nachhaltig etwas daran zu ändern.

1872 taten sich 3 Frauen der Stadt zusammen und eröffneten in oben genannter Bildungsstätte mit Unterstützung der Frau Generalkonsul ein "Arbeiterinnensemiar" um Mädchen aus einfacher Herkunft oft mit nur äußerst rudimentärer Schulbildung überhaupt eine Perspektive - sich nämlich bis zu einer halbwegs erträglichen Heirat als Hausmädchen in einem der besseren Häuser zu verdingen - zu geben.

Soviel zu den Bildungsmöglichkeiten, die Mädchen aus einfachen Verhältnissen bis ins 20. Jahrhundert hinein hatten.

Für die Mädchen, die aus besser gestellten Familien kamen, sah das im Zweifelsfall ganz anders aus. Da wurden gerne auch mal Privatlehrer eingestellt oder die Frau Pastorin bemüht. Bei entsprechender Hartnäckigkeit und gesellschaftlichem Rang der Familie war vielleicht auch mal tatsächlich mehr drin - siehe Maria von Linden.

Erstaunlich und bewundernswert, wie sich das Mädel durchgebissen hat, aber ich wage zu bezweifeln, dass sie als Tochter eines einfachen Schusters oder Landarbeiters diesen Bildungsweg auch nur im Ansatz hätte beschreiten können.

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14.09.2014, 00:07
Beitrag: #17
RE: Analphabetismus heute bei uns
(13.09.2014 23:06)Bunbury schrieb:  Zum Beleg, daß um 1880 herum das Bildungsniveau höher war als heute und fast jeder lesen und schreiben konnte, wurden Prozentzahlen miteinanderverglichen- 0,024 % der Rekruten eines einzelnen Jahrganges (1880) wurden die 14,2 der kompletten Erwerbslosen von heute gestellt.
Es geht ums Lesen und Schreiben (siehe Threadüberschrift), nicht um Bildung i.w.S., dass wir dabei etwas abgedriftet sind liegt an der Diskussion. Übrigens die 14,2% heutige Analphabeten betreffen Erwerbstätige. Bei Erwerbslosen sind es vermutlich noch mehr.

(13.09.2014 23:06)Bunbury schrieb:  Ich habe mich mit diesem Vergleich ernsthaft und sachlich auseinandergesetzt und festgestellt, daß beide Zahlen nicht mit einander vergleichbar sind.
Das hast du eben nicht. Ich muss keine Statistik treiben, um zur Aussage gelangen, dass die Analphabetenquote junger Erwachsener damals nicht wesentlich höher war. Selbst wenn man berücksichtigt, dass bei Kaiser Wilhelm nur derjenige Analphabet war, der schlichtweg nichtmal seinen Namen schreiben konnte.

(13.09.2014 23:06)Bunbury schrieb:  Der sachlich richtige Einwand, daß es 1810 kein einheitliches Deutschland gab, wurde ebenso ignoriert wie die Tatsache, daß es in unterschiedlichen Königreichen unterschiedliche Bildungspläne gegeben hat...
Und genau da sind wir in Deutschland heute immer noch. Schulbildung ist nach wie vor idiotischerweise Ländersache. Trotzdem war und ist das allgemeine Niveau in den einzelnen Landesteilen in etwa gleich.

(13.09.2014 23:06)Bunbury schrieb:  Als ich das nicht tue, wurde mir dann von einem Mitdiskutanten gleich ein persönliches Problem unterstellt.
...
Wie gesagt, ganz ernst gemeint ist das nicht, eher ein bißchen ironisch und resigniert.
Nenn doch das Kind beim Namen, ich war es. War mein Eindruck und losgeworden bin ich ihn durch deine Beiträge nicht. Als ob es hier partout ums Recht haben ginge...
Echte Argumente, sprich Fakten und Zahlen, kamen von deiner Seite übrigens nicht. Eher emotionale Einwände, allenfalls an der eigenen Familiengeschichte festgemacht.

Wäre vielleicht gut, wenn noch Beiträge von anderen Mitgliedern kommen würden.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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14.09.2014, 00:28
Beitrag: #18
RE: Analphabetismus heute bei uns
Die Zahlen sind tatsächlich nicht miteinander vergleichbar, da hilft auch keine Statistik mehr.

Zitat: Ich habe jetzt mal überregional Tenfelde/Ritter konsultiert.
"Der Arbeiter im Deutschen Kaiserreich"
Zur Schulbildung wird da angemerkt, dass im Jahre 1880 nur 0,024% der Rekruten nicht lesen und schreiben konnten.

Rekruten stellen eine ganz andere Datenbasis dar als Erwerbstätige

Rekruten:
- umfasst nur zwei Jahrgänge.
- Wehruntaugliche fallen raus
- Mädchen fallen raus

Erwerbstätige
- umfasst rund 50 Jahrgänge (Eintrittsalter ca. 16, Rentenalter ca. 65)
- umfasst sowohl Männer als auch Frauen
- umfasst auch Menschen anderer Nationalität
- umfasst Menschen mit Einschränkungen, die niemals wehrtauglich gewesen wären

Der Vergleich hinkt.

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14.09.2014, 02:45
Beitrag: #19
RE: Analphabetismus heute bei uns
Gibt es überhaupt Quellen, die belegen, dass 14,2 % der heutigen Erwerbsfähigen Analphabeten sind. Die Zahl scheint mir übertrieben hoch.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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14.09.2014, 07:17
Beitrag: #20
RE: Analphabetismus heute bei uns
(14.09.2014 02:45)Sansavoir schrieb:  Gibt es überhaupt Quellen, die belegen, dass 14,2 % der heutigen Erwerbsfähigen Analphabeten sind. Die Zahl scheint mir übertrieben hoch.

Das bezieht sich v.a. auf die Zahlen die D. in regelmäßigen Abständen an die OECD übermittelt. Dabei ist aber immer zu beachten, dass diese Zahl die funktionalen Analphabeten im erwerbsfähigem Alter darstellt und dieser Begriff wiederum nicht so ganz klar zu fassen ist, weil dabei die unterschiedlichen Grade des Nichtlesenkönnens zusammengefasst sind. Damit sind nicht die totalen oder primären Analphabeten gemeint, deren Zahl in den Industriestaaten ohnehin gegen Null geht, sondern die Menschen, welche nur einzelne Wörter oder einfache Sätze lesen können, jedoch keine größeren Texte zu verstehen vermögen.
Gerade beim größeren Textlesen oder auch beim Textverständnis gibt es natürlich einen großen Ermessensspielraum, wen man dann alles in die Gruppe der funktionalen Analphabeten reinpacken könnte.

Auch stelle ich mir ganz allgemein die Erhebungsbedingungen für diese Statistik ziemlich schwierig vor, denn es muss ja eine repräsentative Gruppe zusammengestellt werden, die dann den landesweiten Durchschnitt darstellt und mit dem man dann hochrechnen kann.
Sicher nicht so einfach und wahrscheinlich auch mit vergleichsweise großen Fehlertoleranzen versehen.
Keine Ahnung ob solche Fragestellungen in den Mikrozensusbefragungen vorgesehen sind oder wie das sonst in der Praxis umgesetzt wird. Aus den Melderegistern wird man diese Informationen wohl eher nicht ziehen können.

Speziell nachlesen kann man das z.B. beim BMfB, welches 2011 eine Studie (Leo) in Auftrag gegeben hatte - als .pdf runterladen dann direkt bei der Uni Hamburg.


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!

Eduard F. Mörike (1804-1875)
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