Vertreibung in der Geschichte
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16.10.2012, 20:14
Beitrag: #1
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Vertreibung in der Geschichte
In dem geschlossenen Thread zum Tag der Deutschen Einheit,
hatte ich dies geschrieben: "Die Vertreibung ist eine "Erfindung" des 20. Jahrhunderts." dies hat bei Viriathus erheblichen Widerspruch ausgelöst, und er bat mich per PN dies, sobald der 3nd s.o. wieder geöffnet wäre, klarzustellen. Da ich nicht weiß, ob und wann er wieder geöffnet wird, dies hier. Es hat mich natürlich umgetrieben, und ich habe dies gefunden: Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts von Edgar Wolfrum,Cord Arendes W. Kohlhammer Verlag "Seite 24 Natürlich sind Vertreibungen keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Wellen von erzwungenen Völkerwanderungen gab es auch vorher" man gibt also grundsätzlich virithiatus recht. ein paar Zeile weiter unten. "Doch Massenvertreibungen als systematisch angewandtes Mittel von Politik und Kriegszielplanungen wurden erst in diesem Jahrhundert erfunden, und mit nationalistischem Wahn, rassistischer Ideologie, bürokratischem Vernichtungsterror, und verbrecherischer Energie verfolgt" und eigentlich meinte ich genau das. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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16.10.2012, 20:36
Beitrag: #2
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Besonders in der Völkerwanderung wurden immer wieder Völker von anderen vertrieben, sonst hätte sie gar nicht solche Ausmaße angenommen,
Sehr selten geschah das aber vor dem 20. Jahrhundert unter rassistischem Hintergrund. Obwohl? Kann es sein dass Griechen oder Römer planmäßig Völker vertrieben, weil es "Barbaren" waren? Kann ich nicht nachweisen, wäre aber ein Gedanke. Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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16.10.2012, 21:34
Beitrag: #3
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(16.10.2012 20:14)Suebe schrieb: Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts Wenn man es genauer betrachtet, stimmt obige Beschreibung schon für die Massenvertreibungen, die im 19. Jahrhundert stattfanden. Ich denke da vor allem an die nordamerikanischen Indianer, an die Buren oder an die Armenier im Osmanischen Reich. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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17.10.2012, 11:34
Beitrag: #4
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(16.10.2012 21:34)Sansavoir schrieb:(16.10.2012 20:14)Suebe schrieb: Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts Bei den Indianern und den Buren sind meine Kenntnisse sehr rudimentär, trau ich mir keine Einschätzung zu. Bei den Armeniern im Osmanischen Reich, ebenso bei den Juden im Russischen Reich würde ich die Vorkommnisse jedoch als Pogrom bezeichnen. Den Juden war die Auswanderung aus dem Zarenreich sogar verboten, die (illegalen) Auswanderungszahlen des 19. Jahrhunderts lassen sich lediglich über die Aufnahmeländer so ca. erfassen. Auch bei den Armeniern handelt es sich mW um Pogrome, nicht vergleichbar mit dem, was sich ab 1915 abspielte. (Gulbenkian, der vom RedLine-Abkommen, und Sachverständiger des Sultans für Bodenschätze in Mesopotamien, musste bei einem dieser Pogrome aus Istanbul flüchten) "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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17.10.2012, 23:44
Beitrag: #5
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(17.10.2012 11:34)Suebe schrieb: Bei den Indianern und den Buren sind meine Kenntnisse sehr rudimentär, trau ich mir keine Einschätzung zu. Bei den Indianern dachte ich vor allem an die fünf zivilisierten Stämme, von denen am bekanntesten die Cherokee und die Seminolen waren. Sie wurden trotz Friedfertigkeit in den 1830-er Jahre aus ihrer Heimat vertrieben. Viele Menschen überlebten diese Vertreibung nicht. Ursache der Vertreibung war die Politik des Präsidenten Andrew Jackson, der das Indianerland für Neusiedler benötigte. Diese Neusiedler waren zum Teil "kleine" Handwerker, Kaufleute usw. aus dem Osten der USA oder Einwanderer aus Europa. Diese Bevölkerungsschichten waren die Wähler Jacksons, der selbst dieser Schicht entstammte und sich mit Hilfe der Neusiedler gegen die herrschende großen Grundbesitzer behauptete, die bis 1829 alle sechs Präsidenten stellte. 1886 wurden die kriegerischen Apachen umgesiedelt. Nachdem die Kapkolonie 1806 unter britischer Herrschaft kam, war der Großteil der Buren nicht bereit, die britischen (modernen) Gesetze anzuerkennen. Dies verschärfte die Konflikte, vor allem nachdem 1836 die Sklaverei verboten wurde. Dies entsprach den Interessen der englischen Neusiedlern, die nicht von der Arbeit von Sklaven lebten und damit höhere Kosten auf ihren Farmen hatten. Das Verbot der Sklaverei entzog den eher klein- und mittelbäuerlichen Buren ihre wirtschaftliche Grundlage. Dies führte dazu, dass seit Ende der 1830-er Jahren die Buren ihre Heimat verließen. Die verschiedenen Trecks hatten große Opfer, sowohl in den Kämpfen gegen die nachrückenden Engländer als auch gegen die Zulus zu beklagen. 1880/81 führten die Konflikte zum 1. Burenkrieg, 1899 bis 1902 zum 2. Burenkrieg. Während des 2. Burenkriegs wurden erstmals Menschen in Konzentrationslagern interniert. Aber das ist nun schon Geschichte des 20. Jahrhunderts. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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18.10.2012, 14:52
Beitrag: #6
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Vertreibungen gab es auch aus religiösen Gründen.
Ob Indianer in Mittel-und Südamerika, Hugenotten aus Frankreich etc.pp. . Römer und Griechen vertrieben selten, sondern unterwarfen und versklavten die Völker, wenn sie sich nicht dem geltenden Recht (Römisches z.B.) unterwerfen wollten. solon |
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18.10.2012, 20:08
Beitrag: #7
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(17.10.2012 23:44)Sansavoir schrieb:(17.10.2012 11:34)Suebe schrieb: Bei den Indianern und den Buren sind meine Kenntnisse sehr rudimentär, trau ich mir keine Einschätzung zu. Die Cherokee hatten doch sogar eine eigene Universität. Ich habe vor Jahren auf den mMn kausalen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen und politischen Lage in Europa und den folgenden ansteigenen oder absinkenden Auswandererzahlen mit der US-Amerikanischen Indianerpolitik hingewiesen. Bin da allerdings bei der "Indianer-Spezialistin" nicht gut angekommen. Du bestätigst jetzt aber doch mehr oder weniger meine damalige Vermutung. Da müssen wir uns mal gelegentlich austauschen. In Russland gab es mit zeitlicher Verzögerung übrigens eine sehr ähnliche Entwicklung. Mit der Bauernbefreiung begann eine massive Wanderung nach Sibirien die 1908 mit rund 750.000 Menschen/p.a. ihren Höhepunkt erreichte. Die "Eingeborenen-Stämme" Sibiriens mussten in unwirtlichere Gegenden ausweichen und gingen überwiegend unter, da es auch nichts ähnliches wie die US-Reservate gab. Andererseits haben sich einige dieser Stämme in ökonomischen Nischen recht gut gehalten, und prosperieren bis heute. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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18.10.2012, 22:00
Beitrag: #8
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(18.10.2012 20:08)Suebe schrieb: Die Cherokee hatten doch sogar eine eigene Universität.Das stimmt, die Cherokee hatten eine eigene Universität. Ich denke auch, dass es einen Zusammenhang zwischen der aus Europa erfolgten Auswanderung und der US-amerikanischen Indianerpolitik besteht. Andrew Jackson, der ein Interessenvertreter der "kleinen Leute" war, betrieb eine rigorose Indianerpolitik. Abraham Lincoln war ebenso kein Indianerfreund, während seiner Regierung fanden z.B. Feldzüge gegen die Navajos und Sioux statt. Es ist schon so, dass im 19. Jahrhundert die Indianer zugunsten der Neusiedler aus Europa oder dem Osten der USA in unwirtliche Resevate abgedrängt wurden. (18.10.2012 20:08)Suebe schrieb: In Russland gab es mit zeitlicher Verzögerung übrigens eine sehr ähnliche Entwicklung. Mit der Bauernbefreiung begann eine massive Wanderung nach Sibirien die 1908 mit rund 750.000 Menschen/p.a. ihren Höhepunkt erreichte. Die "Eingeborenen-Stämme" Sibiriens mussten in unwirtlichere Gegenden ausweichen und gingen überwiegend unter, da es auch nichts ähnliches wie die US-Reservate gab. Andererseits haben sich einige dieser Stämme in ökonomischen Nischen recht gut gehalten, und prosperieren bis heute. Das stimmt. Die Entwicklung in Russland war ähnlich, wobei es interessant ist, dass sich die zaristische und sowjetische Politik gegenüber den sibirischen Völker nicht wesentlich unterschied. Die sibirischen Völker wurden entmündigt, sie mussten in zugewiesenen Orte leben und der Alkoholismus war weit verbreitet. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion versuchen Jakuten, Tschutschen, Nenzen usw. wieder an ihre alte Lebensweise anzuknüpfen und dies zum Teil erfolgreich. Es ist richtig, dass die Auswanderung nach der Bauerbefreiung zuungusten der sibirischen Urbevölkerung verlief, deren Kultur und Lebensgrundlage zerstört wurde. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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19.10.2012, 18:40
Beitrag: #9
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(18.10.2012 14:52)solon schrieb: Vertreibungen gab es auch aus religiösen Gründen. Nun wäre zu klären, inwiefern die Sklaverei angetan ist nicht mehr von Vertreibung zu sprechen. Es ist eine andere Form, aber ob ein Gallier nach Rom verschleppt sich weniger vertrieben vorkommt? Zudem: Was ist mit den Juden in Babylon? Daraus erwuchs sogar ein Gründungsmythos, denn wir noch heute in unseren Kirchen Ostern hören. Es ist doch offensichtlich, dass Vertreibungen niemals allein das 20. Jh. betrafen. Auch halte ich es für naiv zu glauben, dass damals zwar vertrieben wurde, aber mit weniger Toten. Und wenn, dann ist das sicherlich den weniger "effizienten" Mitteln geschuldet, kaum lebten damals andere Menschen als heute. Der vernetzte Mensch von heute gerät in Gefahr,
die globalisierte Welt als eine Ansammlung von Zitaten zu erleben. Doug Mack |
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19.10.2012, 20:12
Beitrag: #10
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(19.10.2012 18:40)Viriathus schrieb:(18.10.2012 14:52)solon schrieb: Vertreibungen gab es auch aus religiösen Gründen. Unter Sklaverei versteht man aber doch etwas anderes, versklavt werden wie ich das sehe doch eher Gruppen und nicht ganze Ethnien. Die Babylonische Gefangenschaft. Hat die was mit Ostern zu tun? Wenn ich das richtig sehe wurde auch nur die absolute Oberschicht nach Babylon verbracht. Keineswegs "alle" Juden. Wiki schreibt dies: "In Deutschland und Österreich verbindet man den Begriff „Vertreibung“ im Alltagsverständnis vor allem mit der Flucht, Ausweisung und Zwangsumsiedlung von Deutschen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches sowie aus dem Sudetenland, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Ergebnis alliierter Übereinkunft unter die Verwaltung der Volksrepublik Polen und der Sowjetunion gefallen waren beziehungsweise wieder Teil der Tschechoslowakei wurden." und hat diverse Begriffs-Definitionen zu bieten: " Vertreibung beinhaltet erzwungenes Verlassen eines Ortes oder Gebiets aufgrund von Ausweisung oder (staatlicher) Verfolgung. Da es neben massiver Verfolgung politische und gesellschaftliche Diskriminierungen oder rein ökonomisch begründeten Druck unterschiedlichsten Grades gegeben hat und gibt, ist es ohne Nachweis einer Ausweisung oder Gewaltandrohung oft schwer, Vertreibung gegenüber freiwilliger Auswanderung oder auch freiwilligem großräumigem Ortswechsel innerhalb eines Staates abzugrenzen. Deportation (lat. deportare „wegbringen“, „fortschaffen“): Ein Staat transportiert Menschen zwangsweise in andere Gebiete. Die Deportierten sind oft politische Gegner oder ethnische Minderheitn. Die Deportation ist somit die staatliche Verbringung von Menschen in andere Gebiete, die in der Regel aufgrund eines Gesetzes oder Erlasses, mitunter auch willkürlich zum Zwecke kollektiver Strafmaßnahmen, zwangsweiser Unterdrückung oder Isolation ausgesprochen wird. Ausweisung ist ein Verwaltungsakt mit dem Ziel, die Anwesenheit des Betroffenen in einem Land zu beenden und ihm Wiedereinreise und weiteren Aufenthalt zu verwehren. Ausweisungen stellen grundsätzlich Interessen eines Staates oder einer Gemeinschaft über das Wohl des Ausgewiesenen. Abschiebung ist der behördliche Vollzug einer in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellten Ausreisepflicht (Ausweisung). Flüchtlinge verlassen ihre Heimat nicht auf behördliche Anordnung, sondern um einer – möglicherweise lebensbedrohenden – Gefahr zu entgehen. Im Unterschied zu Vertriebenen werden sie nicht unmittelbar zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen. Falls Flüchtlingen oder Ausgewiesenen die Rückkehr in ihre Heimat verwehrt wird, unterscheidet sich ihre Lage nicht mehr von der Lage von Vertriebenen. Ethnische Säuberung etablierte sich mit der Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts bei Juristen und Historikern (und später auch in Medien und der Öffentlichkeit) als Begriff für Maßnahmen, die das Ziel haben, Bevölkerungsgruppen zu entfernen, die der Vorstellung der Behörden oder einer mächtigen Bevölkerungsgruppe von der sprachlichen oder kulturellen Zusammensetzung ihres Gemeinwesens widersprechen. Von den Methoden ist der Genozid mit Abstand die verbrecherischste, die Vertreibung aber auch hochgradig inhuman. Staatlich erzwungene Umsiedlung hat in Imperien auch häufig dem Zweck gedient, verschiedene Bevölkerungsgruppen zu mischen, um dadurch separatistischen Aktivitäten vorzubeugen. Neben vorrangig staatspolitisch motivierten Vertreibungen gab und gibt es auch immer wieder vorrangig wirtschaftlich motivierte im Rahmen großräumiger Änderungen der Flächennutzung. Beispiele sind große Staudammprojekte, in jüngerer Zeit etwa in der Volksrepublik China und in der Türkei, Tagebaue (etwa Ostdeutschland oder die Ville) sowie die Anlage von Großfarmen in Gebieten mit bisher traditionellen Wirtschaftsformen, etwa in Indonesien. Längst nicht immer sind die Behörden willens und in der Lage, Einwohnern, die diesen Projekten weichen müssen, angemessene Entschädigungen und attraktive neue Siedlungsgebiete zur Verfügung zu stellen." Zitatende noch der Link zu og Quelle http://books.google.de/books?id=KLwY_1u9...ts&f=false Bis 1964 hat die Bundesrepublik übrigens zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen unterschieden. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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20.10.2012, 09:50
Beitrag: #11
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Die Befriedung von Dakien wurde von den Römern mit Hilfe von Umsiedlungen forciert. Das ist zwar keine Vertreibung wie bei einem Bevölkerungsaustausch, aber es wurden doch ganze Völkerschaften angesiedelt.
Die Assyrer hatten es sich zum Prinzip gemacht, aufständische Provinzen durch Bevölkerungsaustausch zu befrieden. Das waren dann echte Vertreibungen. VG Christian |
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20.10.2012, 12:02
Beitrag: #12
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(20.10.2012 09:50)913Chris schrieb: Die Befriedung von Dakien wurde von den Römern mit Hilfe von Umsiedlungen forciert. Das ist zwar keine Vertreibung wie bei einem Bevölkerungsaustausch, aber es wurden doch ganze Völkerschaften angesiedelt. Von den Karpaten habe ich wenig Ahnung. Den Römern wird ähnliches Verhalten auch am Niederrhein vorgeworfen. Wobei, was an römischen Quellen auf uns gekommen ist, ist doch sehr selektiert, und mW oft durch die Spatenforschung nicht nachvollziehbar. Mein Beispiel wären in dem Fall die Burgunder, von der "Aktenlage" her ein klarer Fall von Vertreibung resp. Umsiedlung. Die Forschung weiß inzwischen aber, dass noch 50 Jahre später Nachzügler vom Mittelrhein in die Sabaudia gezogen sind. Und dass so mancher "Burgunder" rein äußerlich verm. eher als Hunne anzusprechen war. OT: Ich kenne einen, der derzeit damit beschäftigt ist, den Beweis zu erbringen, dass die Römer die Gegend zwischen Limes, Rhein und Bodensee erst 100 Jahre später aufgegeben haben, als bisher angenommen. Man wäre allgemein im römischen Machtbereich, auch in Gallien, in der Zeit zum Holzbau und anderen Wirtschaftsweisen übergegangen, "nichts ist so dauerhaft wie ein solides Loch" ![]() aber ob in dem Loch ein römischer oder germanischer Pfosten steckte, ist so einfach halt nicht zu beantworten. Der ist jedenfalls der Meinung, dass die Römer lediglich die genannten Punkte und das Grenzregime geändert hätten "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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21.10.2012, 20:17
Beitrag: #13
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Man muss bei dem Thema unterscheiden zwischen
1) Vertreibung 2) Genozid 3) Zwangsassimilation 4) Versklavung Oft treffen auch mehrere der Punkte auf einmal zu. Beispiele: 1) Die belgischen Kongogräuel unter Leopold II, die rund 10 Mio das Leben kosteten. Leopold ließ die Kongolesen schuften, um seinen eigenen unermesslichen Reichtum weiter zu steigern. Es ging v.a. um Kautschuk, den er so "gratis" bekam un mit horrenden Margen weiterveräußerte. Die Kongolesen wurden aber nicht vertrieben. 2) Die Nazis planten z.B. für das "Protektorat Böhmen und Mähren" eine Kombination aller vier Punkte. Sie rechneten damit, dass sie damit Ende der 1960er ihr "Ziel" erreichen würden. 3) Die Entdeutschung der Ostgebiete ist eine Kombination aus Vertreibung, Genozid, Zwangsassimilation (für die wenigen, die bleiben durften) und Versklavung (Deportation und Zwangsarbeit in sowjetischen Gulags) 4) Bei den Indianern Amerikas muss man in erster Linie von einem schleichenden Genozid sprechen, aber auch die übrigen Punkte sind in der amerikanischen Geschichte manifest. 5) Auch die kommunistischen Regime kombinierten o.a. Punkte, wobei hier insbsondere der (Klassen)Genozid und die Versklavung eine Rolle spielten. MfG, Titus Feuerfuchs |
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21.10.2012, 20:19
Beitrag: #14
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(16.10.2012 20:36)Maxdorfer schrieb: Besonders in der Völkerwanderung wurden immer wieder Völker von anderen vertrieben, sonst hätte sie gar nicht solche Ausmaße angenommen, Passt hier m.E. nur bedingt hinein, da die Völkerwnderung m.W. vorrangig durch eine extreme Mangelwirtschaft ausgelöst worden war, sprich es war die blanke Not, die jene Menschen antrieb. MfG, Titus Feuerfuchs |
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21.10.2012, 20:30
Beitrag: #15
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(17.10.2012 23:44)Sansavoir schrieb: [...]1886 wurden die kriegerischen Apachen umgesiedelt.[...] Aber zum wiederholten Male, von einem unwirtlichen Reservat ins nächste. Man gab den Indianern nur Land, das für die weißen Siedler keinerlei Wert hatte. MfG, Titus Feuerfuchs |
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21.10.2012, 20:37
Beitrag: #16
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(19.10.2012 20:12)Suebe schrieb: [...]Unter Sklaverei versteht man aber doch etwas anderes, versklavt werden wie ich das sehe doch eher Gruppen und nicht ganze Ethnien.[...] Würde ich so nicht sagen. Schwarzafrikaner (die sich jedoch aus vielen Ethnien zusammensetzen) z.B. wurden über Jahrhunderte hinweg versklavt. Ein Beispiel für die kollektive Versklavung einer ganzen Ethnie habe ich schon genannt - die Kogolesen im späten 19. und frühen 20. Jh. MfG, Titus Feuerfuchs |
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21.10.2012, 20:44
Beitrag: #17
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(16.10.2012 20:14)Suebe schrieb: In dem geschlossenen Thread zum Tag der Deutschen Einheit, Ich würde es so formulieren: Massenvertreibungen (dh. über eine Mio Menschen), die innerhalb kürzerster Zeit aufgrund v. nationalistischen u. rassistischen Motiven stattfanden, sind nicht zuletzt aufgrund des nationalistischen Denkens u. den neuen technischen Möglichkeiten (Eisenbahn, Funk, Motorisierung,...) ein Spezifikum des 20. J.h. MfG, Titus Feuerfuchs |
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21.10.2012, 21:34
Beitrag: #18
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RE: Vertreibung in der Geschichte
@Titus, wenn Nazideutschland Böhmen und Mähren versklaven wollte, hätten sie es von Anfang an getan oder zumindest im WKII vollzogen. Nur eins ist nachgewiesen, noch nie ging es der Industriearbeiterschaft in Böhmen und Mähren so gut wie zwischen 1939-1942, trotz dem Attentat, Zuckerbrot und Peitsche.
solon |
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21.10.2012, 22:32
Beitrag: #19
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(21.10.2012 21:34)solon schrieb: @Titus, wenn Nazideutschland Böhmen und Mähren versklaven wollte, hätten sie es von Anfang an getan oder zumindest im WKII vollzogen. Nur eins ist nachgewiesen, noch nie ging es der Industriearbeiterschaft in Böhmen und Mähren so gut wie zwischen 1939-1942, trotz dem Attentat, Zuckerbrot und Peitsche. Sehr zynischer Kommentar. Im November 1941 wurde das KZ Theresienstadt errichtet. Von dort aus wurden Zehntausende Juden in die Vernichtungslager in Polen deportiert. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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22.10.2012, 00:59
Beitrag: #20
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(21.10.2012 21:34)solon schrieb: @Titus, wenn Nazideutschland Böhmen und Mähren versklaven wollte, hätten sie es von Anfang an getan oder zumindest im WKII vollzogen. Den Plan gab es (habe die Quelle nicht mehr im Kopf, aber es war ein seriöse). Ein Teil (der als "arisch" genug galt) sollte zwangsassimliert werden, ein Teil sollte deportiert und ein anderer durch Zwangsarbeit aufgerieben werden. Ist ja auch anhand Hitlers sonstigen Plänen Osteuropa betreffend schlüssig, oder meinst du, er hätte den Tschechen spezielle Minderheitenrechte zugestanden, inklusive zweisprachiger Osrtsschilder und allem was dazu gehört? ![]() (21.10.2012 21:34)solon schrieb: Nur eins ist nachgewiesen, noch nie ging es der Industriearbeiterschaft in Böhmen und Mähren so gut wie zwischen 1939-1942, trotz dem Attentat, Zuckerbrot und Peitsche. Das ist ja auch nicht verwunderlich, lag doch der Großteil der tschechischen Industrie im deutschsprachigen Sudetenland, wo die "Deutsche Arbeiter Partei", die Vorgängerpartei der NSDAP, gegründet worden war Zudem war Hitler auf die tschechische Indsustrie angewiesen, wie auf einen Bissen Brot, kein Wunder dass er sich die Arbeiterschaft warmhielt. Weiters wurde das Protektorat erst kurz vor Kriegsbeginn annektiert, da hatte Hitler andere Interessen als die Germanisierung der sog. "Resttschechei". MfG, Titus Feuerfuchs |
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22.10.2012, 09:49
Beitrag: #21
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(21.10.2012 21:34)solon schrieb: 1939-1942, trotz dem Attentat, Zuckerbrot und Peitsche. Dieser Punkt stimmt so schon. Ende April 1945 als sich die Rote Armee dem Industriegebiet von Mährisch Ostrau näherte, wurden den Arbeitern dort 1 Monatslohn im Voraus ausbezahlt, damit keine direkte Not in der "Übernahme-Phase" aufkommen sollte. Zu den anderen Punkten hat @sansavoir schon Stellung genommen. Wobei, das ist kein Punkt auf das "Protektorat" beschränkt, ich kenne den Fall von ein paar "Zigeunern" die relativ unbeschadet die verfluchten 12 Jahre überstanden. Trotz vielerlei Versuchen. Sie haben in einer Munitionsfabrik gearbeitet. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.09.2014, 14:23
Beitrag: #22
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[geteilt] Presseschau "Slowenien wird deutsch"
Gemessen an den rund 12 Mio. deutschen Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten des DR sind das eher Peanuts. Besonders unrühmlich taten sich die Tschechen hervor. Die Tschechen waren das einzige von den Nazis besetzte Land, das keine eigene Widerstandsbewegung besaß wie z. B. die Resistance in Frankreich. Um dieses miese Image bei den Alliierten zu ändern, wurde das Attentat auf Heydrich gemacht. Aber auch danach lebten die Tschechen unter deutscher Besatzung relativ unangetastet, die Industriearbeiter erhielten Höchstlöhne. Nach der Kapitulation des DR quälten und massakrierten die Tschechen die wehrlosen Sudetendeutschen, ca. 270.000 von ihnen kamen so um. Erste starke Proteste der Amerikaner führten danach zu einer geordneten Vertreibung unter russischer Oberherrschaft. Verbrechen bleibe Verbrechen, egal wer sie begangen hat.
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26.09.2014, 16:56
Beitrag: #23
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RE: Presseschau "Slowenien wird deutsch"
Ich kann Liberaces Ausführungen aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Ich bin 1941 in Schlesien geboren und habe die Russen, die Polen und die Tschechen kennengelernt. Am schlimmsten waren die Tschechen. Die Russen haben uns oft vor den Polen beschützt.
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27.09.2014, 11:44
Beitrag: #24
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RE: Presseschau "Slowenien wird deutsch"
(26.09.2014 16:56)Harald schrieb: Am schlimmsten waren die Tschechen. Die Russen haben uns oft vor den Polen beschützt. Irgendwie nachvollziehbar, dass Tschechen und Polen am aggressivsten reagierten, als die Deutschen verloren hatten. Das mit den Polen und Russen musst du mir allerdings noch mal gründlicher erläutern. Besonders zu Beginn der "russischen" Zeit in Polen, also kurz nach Eroberung Polens durch die Rote Armee, sollen es doch eher die Russen gewesen sein, die die Deutschen malträtierten. Ebenso nachvollziehbar (nicht gemeint ist: verteidigbar!): die Russen waren das dritte Volk, das im deutschen Machtbereich unte rmassiven Verlusten zu leiden hatte. VG Christian |
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27.09.2014, 19:11
Beitrag: #25
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RE: Presseschau "Slowenien wird deutsch"
Wie du von Slowenien - aus dem allerdings ebenfalls Deutsche vertrieben wurden - auf Tschechien kommst, kann ich nicht nachvollziehen.
Da du da aber einige haarsträubende Ansichtetn postest, möchte ich doch drauf antworten. (26.09.2014 14:23)liberace schrieb: Verbrechen bleibe Verbrechen, egal wer sie begangen hat. Die Vertreibungen der Sudetendeutschen waren Unrecht. Das, was die Deutschen zuvor in Tschechien angerichtet haben, war ein Verbrechen. Dass die Tschechen sich nicht gewehrt haben, stimmt so nicht. Deine Aussage über das Heydrich-Attentat ist grob geschichtsverfälschend. Tschechien - einziges demokratisches Land Mitteleuropas vor der Besetzung durch die Deutschen und zum Teil den Deutschen preisgegeben, ohne dass man die Tschechen gefragt hätte - war das erste Land, das regelrecht besetzt wurde. Anfangs wurde das Land - nach der erzwungenen Trennung von der Slowakei - wie eine Kolonie regiert. Das mag den tschechischen Widerstand gedämpft haben. Als dann jedoch Heydrich nach der Ablösung des bisherigen tschechischen "Statthalters" begann, die Bevölkerung nach den NS-Rassekriterien zu durchforsten, wurde den Tschechen wohl endgültig klar, was die deutsche Herrschaft bedeutete. Folge: Das Attentat auf Heydrich. Dass die Sudetendeutschen vertrieben wurden, haben sie wohl zuvörderst der "Sudetendeutschen Partei" zu verdanken, die sich lautstark als Vertretung derjenigen Bewohner Tschechiens präsentierte, die von der Mehrheit unterdrückt würden und denen angestammte Rechte verweigert würden. Sie bezog sich dabei auf das Versprechen der Prager Regierung, aus der CS so eine Art Scheiz zu machen, was nicht erfolgt ist. In Sachen Rassismus war die SdP "eifriger" als die NSDAP selbst, ihr Programm ging teilweise über das hinaus, was das der NSDAP enthielt. Als das Sudetenland in das Reich "angeschlossen" wurde, gab es auch Vertreibungen - von Tschechen. Dass die SdP laut Wahlergebnissen die überwältigende Mehrheit der Sudetendeutschen vertrat, dürfte noch mehr dazu beigetragen haben, das jahrhundertelang recht gute Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen in Böhmen zu vergiften, und zwar nachhaltig. Gefallen haben dürfte die deutsche Besatzung Tschechiens den wenigsten Tschechen, vor allem, weil ihnen bekannt war, was die Oberen der SdP so rumtönten. Aber sie hatten auch schon die Habsburger ausgehalten, und so warteten die Tschechen wohl erst einmal ab, was da kommen würde. Wie gesagt, erst Heydrich brachte die Wende. Wie gesagt, die Vertreibungen - während derer zweifellos auch Verbrechen geschahen - waren Unrecht. Die Massaker der Deutschen in Lidice und Ležáky waren ohne Einschränkung Verbrechen, ebenso die Einrichtung des KZ Theresienstadt und diverser kleinerer KZs in Form von Außenlagern. Man sollte da schon genau unterscheiden. Im übrigen bitte ich hiermit die Moderation, die Mails, die sich auf Tschechien beziehen, aus diesem Strang auszugliedern. Slowenien ist hier das Thema, nicht Tschechien oder die Sudetendeutschen. VG Christian |
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28.09.2014, 03:47
Beitrag: #26
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(27.09.2014 11:44)913Chris schrieb:(26.09.2014 16:56)Harald schrieb: Am schlimmsten waren die Tschechen. Die Russen haben uns oft vor den Polen beschützt. Ich bin zwar nicht Harald, möchte aber mit einer Erzählung meiner Oma antworten. Sie und ihre Schwester mit insgesamt acht Kindern mussten am 21. Januar 1945 ihren damaligen Wohnsitz in der Nähe von Bromberg schlagartig verlassen, nur das Notwendigste durfte mitgenommen werden. Die auf dem Hof meines Urgroßvaters arbeitenden Polen halfen meiner Oma und ihrer Schwester, sie begleiteten sie noch die ersten Tage, ehe sie sich nach unbekannt zurückzogen. Mein damals 88-jähriger Urgroßvater blieb auf dem Hof mit einer Nichte meiner Oma, beide fielen den Russen in den Händen. Mein Urgroßvater starb dann am 21. Juni 1945 und wurde von der Nichte meiner Oma irgendwo in Polen vergraben, sie selbst kam nach Workuta, wo sie bis 1948 blieb und nur dank der Solidarität russischer Frauen überlebte. Meine Oma und meine Großtante schlossen sich einem Treck an, sie waren dann sowohl polnischen als auch russischen Übergriffen ausgesetzt, aber es gab auch Polen oder russische Soldaten, die den Kindern Nahrung und Süßigkeiten besorgten. Von März bis Mai/Juni 1945 internierten die Sowjets die Flüchtlinge des Trecks in einem Lager, danach zwangen sowjetische Soldaten die Flüchtlinge die Oder zu überqueren. Den Frauen mit Kindern wurden morsche Boote zur Verfügung gestellt, der Rest musste schwimmen. Rechts der Oder standen Russen, die mit Peitschen die Menschen ins Wasser trieben, links der Oder holten die Russen die Menschen wieder aus dem Wasser... Ich denke jede Familie ehemaliger Flüchtlinge bekam unterschiedliche Überlieferungen vermittelt. Das liegt sicher daran, dass sich einzelne Russen oder Polen unterschiedlich verhalten haben. Das Verhalten der sowjetischen Soldaten war oft abhängig von ihren Generälen und Offizieren, es gab welche, die die Gewalt gegen Deutsche förderten bzw. duldeten, es gab aber auch welche, die die Gewalt ihrer Soldaten unterbanden. Als 1992 mein Bruder aus der Ukraine seine damalige russische Freundin und heutige Frau nach Hause brachte, hatte er große Sorge, wie meine Oma reagieren würde. Aber sie umarmte nur meine Schwägerin und sagte, dass sie ja nichts für die Vertreibungen konnte. Beide kamen gut miteinander aus, meine Schwägerin durfte meine Oma auch "Oma" nennen, was normalerweise nur wir Enkel durften, aber das ist eine andere Geschichte. Die Großmutter meiner Schwägerin hatte da mehr Schwierigkeiten, es zu akzeptieren, dass sie einen deutschen Mann hat und in Deutschland nun lebte. Sie hat meine Schwägerin erst wenige Monate vor ihrem Tod verziehen. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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28.09.2014, 12:13
Beitrag: #27
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RE: [geteilt] Presseschau "Slowenien wird deutsch"
(26.09.2014 14:23)liberace schrieb: Gemessen an den rund 12 Mio. deutschen Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten des DR sind das eher Peanuts. Besonders unrühmlich taten sich die Tschechen hervor. Die Tschechen waren das einzige von den Nazis besetzte Land, das keine eigene Widerstandsbewegung besaß wie z. B. die Resistance in Frankreich. Um dieses miese Image bei den Alliierten zu ändern, wurde das Attentat auf Heydrich gemacht. Aber auch danach lebten die Tschechen unter deutscher Besatzung relativ unangetastet, die Industriearbeiter erhielten Höchstlöhne. Nach der Kapitulation des DR quälten und massakrierten die Tschechen die wehrlosen Sudetendeutschen, ca. 270.000 von ihnen kamen so um. Erste starke Proteste der Amerikaner führten danach zu einer geordneten Vertreibung unter russischer Oberherrschaft. Verbrechen bleibe Verbrechen, egal wer sie begangen hat. liberaces Statement über die Tschechen ist eine Ansammlung alter Vorurteile, bis heute verbreitet durch die Teile der sudetendeutschen Landsmannschaft und ihnen nahestehender Kreise. Solche Vorurteile sollten in einem seriösen Forum nicht ohne Widerspruch stehen gelassen werden. Ich mag hier eigentlich nicht mehr schreiben, um Konflikte zu vermeiden, mache hier aber eine Ausnahme, da dieses Forum fachlich gut ist, aber tschechische Geschichte weniger bekannt ist. Chris hat einiges richtig gestellt, ich will da weiteres ergänzen. Da ist einmal die alte Zahl von 270 000 toten Sudetendeutschen durch die Vertreibung - eine Anzahl, rein aus Statistiken aus verschiedener Volkszählungen (DR 1939, Tschechoslowakei 1950, BRD 1950, Schätzungen aus der DDR und amtliche Angaben aus Österreich) generiert, die ausser acht lässt, dass es Einwohner gab, die ihre Nationalitäten gewechselt haben. In Tschechien hätten es bis zu 600 000 sein können. Wenn also irgendwo eine Viertelmillion Deutsche in der Tschechoslowakei in den Statistiken „verschwunden“ sind, kann es sein, dass viele dann nach dem Krieg sich zur tschechischen Nationalität bekannt haben – aus nachvollziehbaren Gründen, und nachdem viele von ihnen 1939 sich zu Deutschen erklärt hatten. Die deutsch-tschechische Historikerkommission hat in ihrer Erklärung von 1997 die MAXIMALzahl von 30 000 erwähnt - einschliesslich Selbstmorde. Die Rote Armee hat sich dabei auch an Ausschreitungen beteiligt. Die Historikerkommission mahnte an, nicht mehr die Zahl von einer viertel Million toten zu erwähnen. http://de.wikipedia.org/wiki/Vertreibung...pferzahlen Natürlich gab es in der Tschechoslowakei eine Widerstandsbewegung - ohne die hätte man ja das Heydrich Attentat nicht durchführen können. Wovon hätten die Attentäter denn gelebt, das fast halbe Jahr zwischen Absetzung und Attentat? Ausserdem waren es auch Tschechen, die von Grossbritanien aus operierten, wohin sie geflohen waren. Jeder Widerstandskämpfer setzte das eigene Leben wie dasjenige der Familienangehörigen aufs Spiel. Nach dem Heydrich Attentat wurden ganze Familien von Widerstandskämpfern erschossen, was auch so bekannt gegeben wurde. https://www.youtube.com/watch?v=VZsV6Y1oGfM (ab 1.50 Benešs Rede zur Massaker von Lidice in England) Der Vergleich mit der Résistance in Frankreich hinkt in mancher Hinsicht, denn in Frankreich war die Besatzung weit weniger intensiv, hatte duch die Nähe zu GB und der langen Seeküste grosse logistische Vorteile und war bis Ende 1942 zum Teil unbesetzt. Waffen und sonstige Unterstützung konnten den Maquis viel leichter erreichen als das viel weiter weg entfernte Binnenland, das sich auch von der Landschaft (kein Gebirge, keine weiten Wälder) her sehr schelcht für Partisanenkampf eignete. Aber auch so gab es Widerstand: http://de.wikipedia.org/wiki/Tschechoslo...%80%931945 Nicht vergessen sollte man, dass die Tschechen nach den Polen das bedeutendste Kontingent an Nicht-Commonwealth Piloten in der Luftschlacht um England stellten, mehr als Franzosen. Der Kampfeswille war da, aber ohne Waffen kämpft es sich schlecht. http://en.wikipedia.org/wiki/Non-British...of_Britain Das Argument der Höchstlöhne ist ein weiteres sudetendeutsches Landmannschafts Argument, das absoluter Hohn ist. Es galt höchstens für Rüstungsarbeiter, aber das Geld in einem Krieg ist bei Rationierung ohnehin nicht viel Wert, nach dem Krieg war es durch die Währungsreform wertlos geworden. Heydrich liess gleich nach seinen Machtantritt im Herbst 1941 die Rationen für Rüstungsarbeiter erhöhen, bei gleichzeitiger Steigerung der Repression hatte dies den Rückgang der Sabotage zur Folge, die zuvor nach dem Überfall auf die Sowjetunion rasant angestiegen war. "Relativ unangetastet lebten die Tschechen" - nach Quellen bis zu 343 000 Toten ist also relativ unangetastet. Dagegen wären ja dann 30 000 wirklich "Peanuts". http://www.hagalil.com/czech/dachau/dachau-1.htm (Opferzahlen ganz unten, Artikel aber auch sonst lesenswert über Widerstand und Repression). Dass die tschechischen Hochschulen von 1939-1945 geschlossen waren, weil die Tschechen als Untermenschen keine solche Bildung mehr benötigen würden, gehört offenbar auch in die Kategorie relativ ungeschoren. http://de.wikipedia.org/wiki/Sonderaktion_Prag Man kann die Verbrechen, die von tschechischer Seite verübt wurden, sicher verurteilen, das haben schon Tschechen damals getan, wie Zdeněk Fierlinger, Frantíšek Peroutka, Pavel Tigrid, mein Vater (1922-2004) und vor allem der grossartige Přemysl Pitter, Träger des Bundesverdienstkreuzes und Inhaber eine Baumes in Jad Waschem, sowie 1989 auch Václav Havel. http://de.wikipedia.org/wiki/P%C5%99emysl_Pitter Man sollte aber deshalb nicht die tschechischen Widerstandskämpfer im In- wie Ausland vergessen ebenso wenig den Schrecken der Nazi Besatzung von Böhmen und Mähren verniedlichen, nur weil es in Polen oder der Sowjetunion noch viel schrecklicher war. Aber auch diejenigen nicht verachten, die einfach nur überleben wollten. Aber unter dem Schrecken leben mussten, "erschossen zu werden mitsamt seiner Familie", selbst wenn sie zu Unrecht denunziert worden sind. Ich sage ja auch nicht, dass alle Deutschen Nazis waren, es keinen Widerstand gab und Stauffenberg sowieso nur Hitler töten wollte, um die drohende Niederlage abzuwenden. Und Martin Niemöller, Dietrich Bonhoeffer, Geschwister Scholl, aber auch die Gebrüder Mann und Wenzel Jaksch kenne ich auch, wie mir bekannt ist, dass es noch viele namenlose Helden gab, auch Sudetendeutsche, wie etwa diese Dame http://www.ceskatelevize.cz/porady/10204...ute-osudy/ die im tschechischen Fernsehen als "unbekannte Heldin" vorgestellt wurde und nach dem Krieg als Antifaschistin anerkannt wurde, nicht vertrieben wurde, wie auch hier http://www.ackermann-gemeinde.de/aktuell...?tx_ttnews und hier http://derstandard.at/2153535 vergessen wir Tschechen nicht, dass es unter den Sudetendeutschen Widerstand und tapfere Menschen gab. |
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28.09.2014, 15:32
Beitrag: #28
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Ich habe hier keine Vorurteile von mir gegeben sondern eigene Erfahrungen, die ich als 4-, 5-jähriges Kind gemacht habe und die sich in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Ich lege auch nicht den geringsten Wert darauf, das von mit zu geben.
Wir, meine Mutter, meine Großeltern mütterlicherseits, mein zehn Jahre älterer Bruder und ich, sind vor den russischen Panzern ins Sudetenland geflüchtet und lebten dort ein paar Wochen zwischen Reichenberg und Friedland. Daher unsere Erfahrungen mit Tschechen. Wir kehrten dann in unser Heimatdorf zurück und lebten etwa ein halbes Jahr mit Polen und russischen Soldaten, die nach einiger Zeit verlegt wurden. Die Russen, ich wiederhole mich, schützten uns sehr oft vor den Polen. Mein Großvater wurde von der polnischen Miliz fast todgeprügelt, weil er unvorsichtigerweise äußerte, wenn die Amis kämen würden die Polen laufen bis sie die Hacken verlören. |
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28.09.2014, 15:43
Beitrag: #29
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Mich würde da nur noch genauer interessieren - wenn du darauf antworten willst selbstverständlich nur - wann und unter welchen Umständen euch Russen vor Polen schützten. Das kann eigentlich nicht in den ersten Wochen nach der Eroberung Polens durch die Rote Armee gewesen sein?
Oder doch? VG Christian |
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28.09.2014, 17:17
Beitrag: #30
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Wir lebten nicht in Polen, sondern in Schlesien. Die Polen kannten wir bis dahin nur als Erntehelfer. Die russische Armee ließ das Gebirge links liegen und zog weiter oderabwärts nach Berlin. Die erste durch die Partei angestachelte Wut der Russen war wohl schon verraucht, als sie zu uns kamen. Ein russischer Unteroffizier war mein bester Freund.
Wenn die Polen besoffen waren, und das kam häufig vor, ballerten sie wild in die Luft und wir hatten Grund uns zu fürchten. Die Russen kamen dann und beschützten uns. |
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28.09.2014, 19:12
Beitrag: #31
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Danke! Da hatten also die Offiziere ihre Soldaten schon wieder im Griff. In den ersten Wochen waren die Russen ja wie wild, bis Stalin aus Moskau die Offiziere zu härterem Vorgehen anwies und es dann sogar einige Todesurteile gegen Rotarmisten, die Deutsche erschossen, vergewaltigt usw. haten.
Deshalb auch meine Frage. VG Christian |
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29.09.2014, 20:07
Beitrag: #32
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Ich glaube mich erinnern zu können, (bei Bedarf such ich die Quelle) dass das Heydrich-Attentat verübt wurde, ohne britische Logistik wäre ja nichts gegangen, weil überraschenderweise unter Heydrich die Verhältnisse für die Czechen besser wurden.
Wobei die Berliner "Massenmörder aus Neigung" nach dem erfolgreichen Attentat ja auch wie erwartet reagierten. Aus den Berichten von Sudetendeutschen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die persönliche Art und Weise der Vertreibung, Vertriebene und Vertreiber kannten sich oft persönlich, die Erbitterung der Sudetendeutschen erheblich verstärkt hat. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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30.09.2014, 13:28
Beitrag: #33
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RE: Vertreibung in der Geschichte
In den östlichen Reichsgebieten ist ein Teil der Bevölkerung vor der Front ausgewichen und hat dann versucht zurückzukehren. Polen hat zum einen die Miliz aufgestellt, um sytematische Greueltaten und Massaker in Ostdeutschland und Zentralpolen zu verüben. Viele Männer wurden zur Zwangsarbeit nach Russland o. Warschau verschleppt. Frauen und Kinder wurden in Lagern interniert, in denen vor allem die Kleinkinder starben. Die Säuglinge hatten nichts verbrochen, für das sie hätten bestraft werden können.
"Humanitäre" Vertreibung gibt es nicht. viele Grüße Paul aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn) in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt |
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30.09.2014, 16:30
Beitrag: #34
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(29.09.2014 20:07)Suebe schrieb: Ich glaube mich erinnern zu können, (bei Bedarf such ich die Quelle) dass das Heydrich-Attentat verübt wurde, ohne britische Logistik wäre ja nichts gegangen, weil überraschenderweise unter Heydrich die Verhältnisse für die Czechen besser wurden. Die Logistik bestand lediglich darin, die Attentäter samt Waffen und gefälschter Ausweise einzufliegen. Für alles andere benötigte man das heimische Widerstandsnetz. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion stiegen die Sabotageakte in den Rüstungswerken. Deshalb wurde Heydrich nach Prag beordert, und führte neben brutaler Repression aber auch höhere Rationen für Rüstungsarbeiter und andere kriegswichtige Arbeiter und Landwirte ein. Dies liess die Sabotageakte sanken, worauf auch Grossbritannien die tschechoslowakische Exilregierung in London unter Druck setzte, dass es mehr Widerstand geben müsse - eine unfaire Forderung, setzte doch jeder Widerstandskämpfer sein Leben weit mehr aufs Spiel als jeder Frontsoldat, der sich ja je nach Aussichtslosigkeit des Kampfes ergeben durfte. Aber man war im Herbst 1941 an allen Fronten unter Druck. Man kann also nicht sagen, das die Verhältnisse für Tschechen allgemein besser wurden, sondern nur für diejenigen, die für das "Reich" wichtig waren und deshalb genug zu "fressen" kriegen sollten, wie sich Heydrich äusserte. Potentielle "Feinde des Reiches" liess Heydrich verhaften und erschiessen. (29.09.2014 20:07)Suebe schrieb: Wobei die Berliner "Massenmörder aus Neigung" nach dem erfolgreichen Attentat ja auch wie erwartet reagierten. Das sah auch der heimische Widerstand voraus, der auch gegen ein Attentat auf Heydrich war. Aber der Druck auf die Exilregierung war sowohl von britischer wie von sowjetischer Seite gross. Man flog dann verschiedene in Grossbritannien ausgebildete Soldaten ein, nicht nur für das Heydrich Attentat. Dass, wie es Thomas Mann ausdrückte, der Bluthund Heydrich den natürlichsten Tod für seine Gattung Mensch starb, war sicher gerecht. Die Konsequenzen waren schlimm, aber letztlich nicht durch die Allierten zu verantworten. Dass das Erschiessen ganzer Familien von Widerstandskämpfern dann auch noch im Rundfunk bekannt gab, wie auch das Massaker von Lidice, hat aber alle Alliierten überrascht. Lidice wurde deshalb zum Symbol, obwohl es natürlich vorher wie nachher viele andere Massaker gab, aber nicht durch die Nazi Propaganda instrumentalisiert wurde. https://www.youtube.com/watch?v=VZsV6Y1oGfM |
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30.09.2014, 16:43
Beitrag: #35
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(29.09.2014 20:07)Suebe schrieb: Aus den Berichten von Sudetendeutschen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die persönliche Art und Weise der Vertreibung, Vertriebene und Vertreiber kannten sich oft persönlich, die Erbitterung der Sudetendeutschen erheblich verstärkt hat. Schwer einzuschätzen. Wo dies der Fall war, kann man das nachvollziehen. Andererseits wurden die schlimmsten Taten von den Revolutionären Garden, der Svoboda Armee (die zuvor an der Ostfront war und dort sah, was die Deutschen taten) und den Milizen vollbracht. Ich habe auch schon Quellen gelesen, die berichteten, dass gerade wo sich die Leute kannten, Tschechen ihren Deutschen Nachbarn behilflich waren. Wohl schwer, sich ein repräsentatives Bild zu machen. |
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30.09.2014, 16:50
Beitrag: #36
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(30.09.2014 16:43)Marek1964 schrieb: Ich habe auch schon Quellen gelesen, die berichteten, dass gerade wo sich die Leute kannten, Tschechen ihren Deutschen Nachbarn behilflich waren. Hätte gar keine Rolle gespielt z.B. in Plan bei Marienbad, woher meine Informanten stammen. Da kamen nämlich Polizei (oder Militär?) von auswärts und hat die Vertreibung organisiert. Die tschechischen Nachbarn hätten sich gegen die eigene Obrigkeit stellen müssen, um die Deutschen zu verteidigen - wobei es in Plan offenbar gar keine tschechischen Nachbarn gab... VG Christian |
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01.10.2014, 20:30
Beitrag: #37
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Auch heute noch bleibt es dem aufmerksamen Beobachter nicht verborgen, dass die Tschechen (ists so besser?) ihr heutiges Staatsgebiet keineswegs völlständig besiedeln.
können? Zumindest die einstig sudetendeutschen* Gebiete dünner besiedelt sind als 1938. Für mich ist die Geschichte Böhmens und Mährens im 20. Jahrhundert das Musterbeispiel wohin Nationalismus in Verbindung mit Dummheit die Menschheit gebracht hat. *sudentendeutsch stimmt ja so eigentlich gar nicht, aber der Einfachheit halber bleiben wir am besten auch dabei. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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02.10.2014, 15:11
Beitrag: #38
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Vor etlichen Jahren ist mir mal ein übersetzter Ausschnitt aus einer Jugoslawischen Tageszeitung ca. 1946 untergekommen.
Eine Frau schrieb in einem Leserbrief, sinngemäß: "man soll doch die Deutschen (sie bezog sich natürlich auf die Jugoslawien-Deutschen) in Ruhe lassen, die selbst hätten doch eigentlich überhaupt nichts getan, und für den Hitler hätten die auch nichts gekonnt" Der Redakteur schrieb ziemlich geharnischt zurück, "was sie denn glauben würde, man bräuchte das Vermögen der Deutschen für den Aufbau des Sozialismus! Irgendwoher müsste das Geld dafür ja kommen, und dann doch am besten von den verfluchten Deutschen" Ich will hier kein Fass aufmachen, "wie übel man mit den Deutschen umgesprungen wäre" nur der Versuch einer Ursachenforschung. Die Juden waren für das Nazi-Reich ein Finanzierungsmittel für den Krieg. Mit dem besonderen Touch, dass da die Ausgeraubten gleich noch ermordet wurden. Zu Napoleons Zeiten waren es die geistlich/klerikalen Vermögen im HRR. Eine Liste die beliebig verlängerbar ist. Und, wie gesagt, die Suche nach politischen Gründen vernebelt lediglich. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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05.10.2014, 16:16
Beitrag: #39
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(01.10.2014 20:30)Suebe schrieb: Auch heute noch bleibt es dem aufmerksamen Beobachter nicht verborgen, dass die Tschechen (ists so besser?) ihr heutiges Staatsgebiet keineswegs völlständig besiedeln. Das stimmt. 3 Millionen innert zwei Jahren auszusiedeln ohne "Ersatz zu haben - was ja in Polen der Fall war - das war nicht zu schaffen. Dass das gleichzeitig ein wirtschaftlicher Kahlschlag war, war auch Beneš bewusst. (01.10.2014 20:30)Suebe schrieb: die Tschechen (ists so besser?) Besser, schlechter ... es ist einfach modernes Deutsch - wie schon gesagt, die "Czechen" habe ich in Quellen aus dem 19. Jahrhundert gelesen. (01.10.2014 20:30)Suebe schrieb: Für mich ist die Geschichte Böhmens und Mährens im 20. Jahrhundert das Musterbeispiel wohin Nationalismus in Verbindung mit Dummheit die Menschheit gebracht hat. Es fing an spätestens 1848. Dieser Gegensatz zweier Völker auf einem Gebiet konnte nie überwunden werden, auch wenn es immer Lichtblicke gab. Der erste Weltkrieg, aber dann vor allem Hitler, verhinderte jedoch jede Aussicht auf Zusammenleben. (01.10.2014 20:30)Suebe schrieb: *sudentendeutsch stimmt ja so eigentlich gar nicht, aber der Einfachheit halber bleiben wir am besten auch dabei.Ja, ich mag den Ausdruck auch nicht. Er enstand erst nach 1919 - aber Du hast Recht, er hat sich eingebürgert. |
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05.10.2014, 20:45
Beitrag: #40
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(05.10.2014 16:16)Marek1964 schrieb: ./. Vermutlich hat es in Konstanz angefangen. Aber schade ist es allemal. Die gemeinsam erzielten Leistungen sind phänomenal. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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06.10.2014, 18:02
Beitrag: #41
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(05.10.2014 20:45)Suebe schrieb:(05.10.2014 16:16)Marek1964 schrieb: Es fing an spätestens 1848. Schon vor 1848, aber schon im 19.Jh. entdeckten die Tschechen ihren Nationalismus. sie griffen dabei auf die Hussiten zurück, das stimmt, aber zwischen den Hussiten und dem 19.Jh. war eine Zeit, in der die Tschechen offenbar ganz zufrieden waren mit ihrem Status als Königreich oinnerhalb der Habsburger Monarchie. Bzw. die Bemühungen von Wien aus, den Tschechen das Tschechischsein auszutreiben, waren erfolgreich. Die tschechische Sprache wäre fast gänzlich verschwunden, wäre sie im 19.Jh. nicht neu belebt worden! VG Christian |
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07.10.2014, 13:52
Beitrag: #42
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(06.10.2014 18:02)913Chris schrieb: Schon vor 1848, aber schon im 19.Jh. entdeckten die Tschechen ihren Nationalismus. sie griffen dabei auf die Hussiten zurück, das stimmt, aber zwischen den Hussiten und dem 19.Jh. war eine Zeit, in der die Tschechen offenbar ganz zufrieden waren mit ihrem Status als Königreich oinnerhalb der Habsburger Monarchie. Bzw. die Bemühungen von Wien aus, den Tschechen das Tschechischsein auszutreiben, waren erfolgreich. Die tschechische Sprache wäre fast gänzlich verschwunden, wäre sie im 19.Jh. nicht neu belebt worden! Ganz freiwillig haben die Tschechen sich nicht den Habsburgern unterworfen. Eine besondere Bedeutung haben da die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges und der Westfälische Frieden. Im westfälischen Frieden wurde die Eigentumsverhältnisse von 1618 für das Reich anerkannt, also auch die Säkularisierungen im 16. Jahrhundert, die bereits im Passauer Vertrag von 1552 anerkannt worden sind. Eine Ausnahme war jedoch, dass dies für Böhmen und Mähren nicht galt. Hier wurden die Eigentumsverhältnisse von 1624 als verbindlich erklärt. Das bedeutet, dass alle Enteignungen nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) rechtlich anerkannt worden sind. Dies bedeutete aber auch, dass Teile des tschechischen Adels und Bürgertums ihre Bedeutung verloren hatten und diese bisherige führende Schicht durch eine katholische (meist deutsche) Elite ersetzt wurde. Diese neue Schicht sicherte wiederum den Verbleib der Tschechen innerhalb der Habsburgermonarchie ab. Dies führte schließlich zum Rückgang der tschechischen Sprache. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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09.10.2014, 10:59
Beitrag: #43
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(07.10.2014 13:52)Sansavoir schrieb:(06.10.2014 18:02)913Chris schrieb: Schon vor 1848, aber schon im 19.Jh. entdeckten die Tschechen ihren Nationalismus. sie griffen dabei auf die Hussiten zurück, das stimmt, aber zwischen den Hussiten und dem 19.Jh. war eine Zeit, in der die Tschechen offenbar ganz zufrieden waren mit ihrem Status als Königreich oinnerhalb der Habsburger Monarchie. Bzw. die Bemühungen von Wien aus, den Tschechen das Tschechischsein auszutreiben, waren erfolgreich. Die tschechische Sprache wäre fast gänzlich verschwunden, wäre sie im 19.Jh. nicht neu belebt worden! Vielen Dank für die Info der rechtlichen Regelung im Westfälischen Frieden, das wusste ich nicht, dass Böhmen in der Beziehung ausgenommen war. Wobei, ich glaube ich habe es hier auch schon mal geschrieben, persönlich bin ich der Meinung, dass ohne die Hussitenkriege Böhmen und Mähren eine Entwicklung ähnlich wie Brandenburg oder Pommern (überhaupt der deutsche Osten) gemacht hätte (oder neuer Lothringen), das Tschechische zur Hof- und Küchensprache geworden wäre, und irgendwann lediglich noch touristischen Zwecken gedient hätte. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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09.10.2014, 19:46
Beitrag: #44
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(05.10.2014 20:45)Suebe schrieb: Vermutlich hat es in Konstanz angefangen. Also die Verbrennung von Jan Hus. Übrigens hat Konstanz einen tschechischen Namen - Kostnice. Eine Anekdote: Als ich 1990 mit einer Studentenorganisation in der Tschechoslowakei war, gab es dort ein Lokalkomittee, dass mit Konstanz eine Partnerschaft hatte. Sie sprachen aber auch auf Slowakisch von "Konstanz", als ich dann ganz selbstverständlich von Kostnice sprach (was denen ein historischer Begriff war natürlich), wunderten sie sich, das es dasselbe sei... Mag sein, dass man das im Zuge der Steigerung des Nationalbewusstseins man das als ersten deutsch-tschechischen Konflikt verklärt hat, aber von meinem Vater wurde mir das so nicht beigrebracht. Es war vor allem etwas gegen die Katholiken. (06.10.2014 18:02)913Chris schrieb: Schon vor 1848, aber schon im 19.Jh. entdeckten die Tschechen ihren Nationalismus. sie griffen dabei auf die Hussiten zurück, das stimmt, aber zwischen den Hussiten und dem 19.Jh. war eine Zeit, in der die Tschechen offenbar ganz zufrieden waren mit ihrem Status als Königreich oinnerhalb der Habsburger Monarchie. Bzw. die Bemühungen von Wien aus, den Tschechen das Tschechischsein auszutreiben, waren erfolgreich. Die tschechische Sprache wäre fast gänzlich verschwunden, wäre sie im 19.Jh. nicht neu belebt worden! Naja, da denke ich mir, dass man das von Wien aus nicht so tragisch sah, wenn sich Wien so sehr bemüht hätte, die Sprache zu unterdrücken, wären nicht die ersten tschechischen Zeitungen schom im 18. Jrh erschienen: Die erste Zeitung in tschechischer Sprache erschien 1719. http://www.ceskatelevize.cz/ct24/kalenda...ke-noviny/ Und in Wien erschien 1761 die erste tschechischsprachige Zeitung - in Wien. In der Höhle des Adlers.. ![]() http://www.slavistik-portal.de/datenpool...ata=102801 Auch die Schlacht am Weissen Berg 1620 und das Enteignen der tschechischen Adels und Intelligenz war kaum national motiviert als vor allem religiös und machtpolitisch (Habsburger al Katholiken straften die "Verräter"), es wurden auch deutschsprachige Protestanten enteignet und hingerichtet. Im Nachhinein wurden diese Dinge wohl verklärt, ebenso die Hussitenkriege, übrigens von beiden Seiten, sudetendeutsche Pamphlete verunglimpfen bis heute die Hussiten, obschon es doch die ersten Reformatoren der korrupten Kirche waren. Ein Jahrhundert vor Luther. Im übrigen schliesse ich mich den Ausführungen von sansavoir an. Und bin der Meinung, dass es bis 1848 nicht wirklich Charakter nationaler Konflikte hatte, sondern eher gesellschaftlicher Natur war. |
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09.10.2014, 20:01
Beitrag: #45
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(05.10.2014 20:45)Suebe schrieb:(05.10.2014 16:16)Marek1964 schrieb: ./. Ja, wir hatten ja im Februar hier den Thread gehabt, bis wann war die KuK Monarchie zu retten, das wäre die Chance gewesen, einen gemeinsamen Wirtschafts- und Kulturrraum zu schaffen. Aber eben. Nach 1848 war das vielfach von Rivalität geprägt ,aber sicher nicht hoffnungslos, und wie Du richtig sagts, so manches ist auch gemeinsam erreicht worden. Aber da hätte es (mindestens) intelligentere Herrscher gebraucht (Habsburger) und vor allem keinen ersten Weltkrieg. |
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09.10.2014, 23:54
Beitrag: #46
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Die Hussiten waren spätestens unter Jan Zizka eine früh-tschechische Nationalbewegung, schon da gab es üble Pogrome gegen die deutschen Mitbürger. Das wurde früher auch entsprechend nationalistisch verklärt, bis 1989 und danach, Stichwort: Panslawismus.
„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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10.10.2014, 19:12
Beitrag: #47
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(09.10.2014 23:54)Arkona schrieb: Die Hussiten waren spätestens unter Jan Zizka eine früh-tschechische Nationalbewegung, schon da gab es üble Pogrome gegen die deutschen Mitbürger. Das wurde früher auch entsprechend nationalistisch verklärt, bis 1989 und danach, Stichwort: Panslawismus. Das ist auch mein Kenntnisstand. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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12.10.2014, 13:59
Beitrag: #48
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Die operettenhaft verfremdete Kaiserin Sisi hat das Unmögliche geschafft, die Aussöhnung mit den Ungarn. Vielleicht hätte der ermordete Kronprinz auch die Aussöhnung mit den Slawen erreicht. Gerade diese Möglichkeit war es ja, die ihm den Hass der serbischen Nationalisten einbrachte.
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14.10.2014, 21:10
Beitrag: #49
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RE: Vertreibung in der Geschichte
(10.10.2014 19:12)Suebe schrieb:(09.10.2014 23:54)Arkona schrieb: Die Hussiten waren spätestens unter Jan Zizka eine früh-tschechische Nationalbewegung, schon da gab es üble Pogrome gegen die deutschen Mitbürger. Das wurde früher auch entsprechend nationalistisch verklärt, bis 1989 und danach, Stichwort: Panslawismus. Das ist grob verzerrt. Die Hussiten waren eine religiöse und keineswegs nationale oder gar nationalistische Bewegung. Dass Jan Hus seine Predigten auf tschechisch hielt und nicht auf Latein, war kein Nationalismus, aber schlicht Volksnähe, wie hundert Jahre später Martin Luther ähnlich. Die Forderungen der Hussiten ware ausschliesslich religiöser Art. Die katholische Kirche führte nicht weniger als vier Kreuzzüge gegen die Hussiten, die sie alle verlor. Trotzdem laugte das das kleine Land aus. Die Reaktion waren in der Tat Raubzüge (aber keine Pogrome) in alle Himmelsrichtungen gegen die katholischen Länder. Das waren nicht nur Deutsche, aber auch Polen oder Ungarn. Die Raubzüge dienten der Finanzierung des für das kleine Land gewaltigen stehenden Heeres, das aber eben den vorangegangenen Kreuzzügen geschuldet war. Die Hussitenkriege sind ebenso wenige oder sehr als nationalistisch zu sehen wie der Dreissigjährige Krieg. |
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30.11.2014, 17:18
Beitrag: #50
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RE: Vertreibung in der Geschichte
Die Tschechen waren unter der deutschen Besatzung alles andere als Helden. Sie kamen mit der Zuckerbrot und Peitsche-Politik Heydrichs einigermaßen zurecht. Heydrich garantierte den Rüstungsarbeitern Höchstlöhne. Eine Widerstandbewegung à la Resistance gab es nie. Das ging der tschechoslowakischen Exilregierung in London gewaltig gegen den Strich, denn es verminderte ihr Ansehen bei den Alliierten ständig . Um das zu ändern wurde das Attentat auf Heydrich befohlen. Erst jetzt zogen die Nazis die Zügel an und der Hass potenzierte sich. Als die Deutschen dann im Mai 1945 mit dem Herannahen der Sowjetarmee immer mehr militärisch zusammen brachen, zeigten viele Tschechen, was sie unter "Heldentum" verstanden. Mit gnadenloser Brutalität quälten sie wehrlose Zivilisten und Kriegsgefangene. Das ganze gipfelte in den wilden Vertreibungen. Erst Proteste der Amerikaner machten die Lage für die Deutschen im Sudetenland erträglicher. Man kann es drehen und wenden wie man will, die Vertreibung der Sudetendeutschen 1945 war ein Verbrechen. Ich sprach einst mit einem Sudetendeutschen, der die Vertreibung in Aussig an der Elbe miterlebte. Er sagte auch, dass sich die anständigen Tschechen schämten über das, was damals geschah.
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