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Das Ende der (Westfränkischen-)Karolinger
18.04.2015, 22:04
Beitrag: #7
RE: Das Ende der (Westfränkischen-)Karolinger
Erst einmal ein großes Lob für die umfangreiche Ausarbeitung. Natürlich möchte ich auch Deine Aufforderung zur Mitarbeit bzw. Diskussion nachkommen. Beginnen möchte ich mit der Frage, wann der letzte westfränkische Karolinger starb?

Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Fest steht, dass 1021 mit dem Tod von Arnulf, Erzbischof von Reims, der letzte, allerdings illegitime männliche Karolinger starb. Arnulf war ein unehelicher Sohn des westfränkischen Königs Lothar, der bereits vor der Eheschließung Lothars mit Emma von Italien (966) geboren war. Aufgrund seiner nichtehelichen Herkunft wurde er für die kirchliche Laufbahn bestimmt. 988 wurde er als Nachfolger von Adalbero von Reims Erzbischof von Reims. 991 unterstützte Arnulf seinen Onkel Karl von Niederlothringen, mit dem er in Gefangenschaft geriet. Ebenso verlor er sein Amt als Erzbischof an Gerbert von Aurillac, dem damaligen Erzieher Ottos III und früheren Erzieher von Adalbero von Laon. Nachdem Gerbert von Aurillac mit Ottos Hilfe 999 Papst (Silvester II.) wurde, sorgte er dafür, dass Arnulf begnadigt wurde und wieder als Erzbischof von Reims eingesetzt wurde. Dies blieb Arnulf dann bis zu seinem Tod.

Karl von Niederlothringen muss spätestens 993 in der Gefangenschaft in Orleans verstorben sein. Genaues ist nicht bekannt, aber es hat während der Herrschaft von Hugo Capet immer oppositionelle Adlige gegeben, die für eine karolingische Restauration kämpften. Aber um 993 setzten sie sich anstatt für Karl für die Rechte von dessen (ebenfalls inhaftierten) jüngsten Sohn Ludwig ein. Dessen weiteres Schicksal ist auch ungewiss. Es gibt Angaben, die seinen Tod für 993 bzw. nach 993 annehmen, aber es gibt auch Thesen für 1012 und 1023. Ähnlich undurchsichtig ist es mit dem Todesdatum seines älteren Bruders Otto, der oft als letzter männlicher Karolinger geführt wird. Er soll von 991 bis 1005 oder 1012 als Herzog von Niederlothringen fungiert haben. Sollte er 1005 verstorben sein, ist es durchaus vorstellbar, dass ihm sein jüngerer Bruder Ludwig folgte, der dann 1012 starb oder ins Kloster ging, wo er 1023 verstarb. Historisch gesichert ist nur, dass im Jahr 1012 der ostfränkisch-deutsche König Heinrich II. Herzog Gottfried von Oberlothringen auch mit Niederlothringen belehnte. Dieser Gottfried war ein Sohn von Gottfried von Verdun und somit ein Angehöriger der Wigeriche (Ardennen-Grafen). Er entstammte also der gleichen Familie wie die Erzbischöfe Adalbero I. und Adalbero II. von Metz, Adalbero von Reims und Adalbero von Laon. Die Wigeriche mussten sich jedoch mit der Rivalität der Grafen von Löwen (Reginare) auseinandersetzen, die sich als natürliche Erben der Karolinger ansahen. Ihren Anspruch begründeten sie von ihrer Abstammung von Gerberga, der älteren Schwester von Otto und Ludwig von Niederlothringen bzw. Tochter von Karl von Niederlothringen, die mit Lambert den Bärtigen, Graf von Löwen verheiratet war. Ironie der Geschichte ist natürlich, dass 1247 mit Heinrich dem Kind, Herzog von Brabant ein Nachfahre Lamberts und Gerberga, somit ein Nachkomme der westfränkischen Karolinger erster Landgraf von Hessen wurde und somit wieder über ein Gebiet herrschte, dass bereits von Karl den Großen beherrscht wurde.

Die Grafen von Vermandois waren eine Nebenlinie der Karolinger. Sie stammten von Karl des Großen Sohn Pippin (Karlmann) von Italien ab, dessen Sohn Bernhard 818 von Ludwig den Frommen geblendet wurde. Deshalb betrachteten sich die Nachkommen Bernhards nicht mehr als Karolinger, sondern als eigenständige Familie. Sie führten in Konkurrenz zu den Karolingern und Robertinern/Kapetingern den Titel „comes (francia)“, anstatt „rex“ oder „dux“. Offiziell beanspruchten sie damit den dritten Rang im Westfrankenreich, tatsächlich betrachteten sie sich den Karolingern und Kapetingern als gleichwertig. Der vorletzte männliche Vertreter Heribert IV. starb um 1080. Er hinterließ einen geisteskranken Sohn, der um 1085 verstarb und eine Erbtochter Adelaide, die Hugo, den jüngeren Sohn des französischen König Heinrich I. heiratete. Hugo von Vermandois war einer der Führer des (für ihn tödlich endenden) Kreuzzuges von 1101. Seine Nachkommen aus der Ehe mit Adelaide werden kapetingische Vermandois genannt. Diese Linie erlosch 1214.

P.S.:Der zweite Teil dieser Ausarbeitung wird bald folgen.

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RE: Das Ende der (Westfränkischen-)Karolinger - Sansavoir - 18.04.2015 22:04

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