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Hunger,Plagen,Flut und Pest-das fatale 14-Jahrhundert
25.07.2015, 09:43
Beitrag: #13
RE: Hunger,Plagen,Flut und Pest-das fatale 14-Jahrhundert
Die Archäologie hat herausgefunden, dass die überlieferten frühen Daten von verlassenen grönländischen Siedlungen alle nicht stimmen. Die Westsiedlung war nachweislich bis nach 1400 besiedelt (anstatt schon um 1350 verlassen, wie Ivar Bardsson berichtet), die Ostsiedlung bis nach 1500. Dort wurden noch lange nach Sigrids und Thorsteins Hochzeit große Festhallen gebaut, die der Halle Eriks des Roten in Brattahild (dem größten und wichtigsten Hof der Ostsiedlung) wenig nachstanden. die Leute waren also nach wie vor richtig reich.
DAs Verdriften nach Grönland entwickelten die Isländer zur Kunst, seit um 1360 der norwegische König Hakon VI. Magnusson den normalen Handel mit Grönland verbot. Alles was von der Insel ausgeführt wurde, sollte der königlichen Kasse zugute kommen. Björn Einarsson war 1387 ebenfalls abgedriftet worden - mit vier Schiffen, randvoll mit Handelswaren. Er zahlte, in Norwegen angekommen, die fälligen Strafen und kehrte noch reicher nach Island zurück, als er es zuvor eh schon gewesen war...

"Witzig" an der Geschichte ist, dass Björn Einarsson zusammen mit zwei weiteren reichen Isländern, Björn "hinn riki" Brynjolfsson und Thorstein Eyjolfsson, mow die Geschicke Islands leitete. Die drei waren die mächtigsten Männer ihrer Zeit, zudem verschwägert, denn Björn Einarsson hatte Thorsteins Tochter geheiratet. Thorstein Olafsson wiederum war der Enkel von Thorstein Eyjolfsson. Mit Sigrid Björnsdottir (Tochter Björns Brynjolfsson) und Thorstein Olafsson (Enkel Thorstein Eyjolfssons) gingen also die Nachkommen von zwei der um 1380/90 mächtigsten Männer Islands eine eheliche Verbindung ein - in Grönland!
Björn Brynjolfsson hatte nämlich umfangreiche Besitzungen auf Grönland, die er seiner Tochter Sigrid vererbte. 1406 lebte Sigrid auf Hvalsey in Grönland. Thorstein Eyjolfsson und Björn Brynjolfsson starben zwischen 1402 und 1404 an der Pest in Island, Sigrid war auf Grönland und vor der Seuche sicher. Auch Thorstein Olafsson überlebte, ebenso Björn Einarsson, der Onkel von Thorstein Olafsson.
Zusammen mit weiteren überlebenden Mitgliedern der "Herrschaftsschicht" Islands reisten Björn und Thorstein 1405 noch Norwegen zur Hochzeit von Prinzessin Philippa von England und Erich von Pommern, dem designierten Nachfolger der Königin Margarete. Die Rückreise führte Björn über Rom und Venedig ins Heilige Land (daher sein Beiname "Jerusalemfahrer"), während Thorstein zusammen mit einigen seiner engsten Freunde und einem Verwandten von Sigrid Hvalsey ansteuerte (bzw. "sich dorthin verirrte"). Offensichtlich wollte er Sigrid davon unterrichten, dass sie mittlerweile Alleinerbin von Björn Brynjolfsson geworden war. Thorstein, durch den unerwartet frühen Tod seines Vaters in finanzielle Schwierigkeiten geraten, heiratete die reichste Erbin Islands und Grönlands 1408 auf Hvalsey. Ungefähr zu dieser Zeit wurde die dortige Festhalle erbaut bzw. erweitert...
Jedenfalls sind die Ereignisse Zeugnis dafür, dass Grönland Anfang des 15.Jhs. nach wie vor florierte. "Sigrids reicher Vater hatte seine älteste Tochter nicht in eine sterbende Gemeinde geschickt" (Saever S.163).
1410 reisten Sigrid und Thorstein aus Grönland ab - dies ist die letzte verbürgte Schifffahrt, die von Grönland ausging. Aber: Das Ehepaar reiste nicht etwa nach Island, wie man bei einer Flucht vor dem in Grönland drohenden Hungertod oder so vermuten könnte. Nein, sie packten ihre Schiffe voll mit grönländischen Exportwaren und fuhren stracks nach Bergen, wo sie ihre Waren gewinnbringend verkaufen konnten.
Sigrid und Thorstein ließen sich auf Akrar in Nordisland nieder, das Sigrid von ihrem Vater geerbt hatte. Ihr mütterliches Erbteil namens Thorleiksstead gehörte zukünftig ebenfalls zum Besitz Thorsteins, ihre Nachkommen gehörten weiterhin zur tonangebenden Schicht von reichen Häuptlingen, die Islands Geschicke noch mehrere hundert Jahre lang bestimmten. Ihre Besitztümer in Grönland wurden weniger bedeutsam für Sigrid und Thorstein, denn Fakt ist, dass zu Beginn des 15.Jhs. Norwegen - auch wegen der europäischen Katastrophen - den Kontakt zu Island und erst recht zu Grönland abbrechen ließ und die Isländer aufgrund von Pestwellen (1402-1404, 1494-1496; Grönland war davon nicht betroffen) zu wenig Männer hatten, um a) den Stockfischhandel mit Europa aufrecht zu erhalten und b) die eigenen Fischgründe gegen die Engländer zu verteidigen. Dass das auch zum Niedergang der grönländischen Höfe beitrug, liegt auf der Hand.
Es wwaren also - um das mal zusammen zu fassen - bestimmt nicht Hunger und Klimawandel, die die Menschen von den grönländischen Höfen vertrieb, sondern politische und wirtschaftliche Gründe, beeinflusst von den Seuchen des 14.Jhs, die aber Grönland nicht direkt betrafen.
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RE: Hunger,Plagen,Flut und Pest-das fatale 14-Jahrhundert - 913Chris - 25.07.2015 09:43

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