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Troja, was ist wahr an dem Mythos?
19.04.2016, 07:19
Beitrag: #2
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Es spricht nichts dagegen, dass der Mythos um Troja einen historischen Kern hat.

Was die Ausgrabungen von Heinrich Schliemann betrifft, so wird heute davon ausgegangen, dass sich hier tatsächlich die Stadt Troja befand, und von der geografischen Lage her ist gut vorstellbar, dass um die Herrschaft dort aus politischen und wirtschaftlichen Gründen Krieg, wahrscheinlich sogar mehrere Kriege geführt wurden. Inwieweit diese Kriege um Troja direkt die Stadt betrafen (also eher von lokalgeschichtlicher Bedeutung waren) oder Teil einer größeren historischen Auseinandersetzung (z. B. altes Ägypten - Hethiterreich) waren, bleibt allerdings offen.

Wurde Troja letztlich durch einen Krieg endgültig zerstört? Ebenso gut ist vorstellbar, dass die Stadt nach dem Verlust ihrer strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung allmählich aufgegeben wurden und in der Folge verschwand.

Was die Siedlungsgeschichte von Troja betrifft, könnte vielleicht ein Vergleich mit der Zeit der "Völkerwanderung" ganz aufschlussreich sein. Es gibt auf dem Gebiet des früheren römischen Reiches eine ganze Reihe von römischen Kastellen / Siedlungen, die erst im Mittelalter wieder nachgewiesen sind, bei denen aber keineswegs klar ist, ob sie auch während der Völkerwanderung noch existiert haben.

Die heutigen Ausgrabungen zeigen, dass es nicht nur das eine Troja gab. Troja hatte somit eine mehrere Epochen übergreifende Geschichte.
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Was den Mythos betrifft, so dürfte er eine Fiktion oder Überlieferung sein, die allerdings auf einer oder mehreren wahren Begebenheiten entstanden ist. (Vielleicht bietet sich hier bereits der Vergleich mit einem historischen Roman an, der gewöhnlich auch irgendeinen historischen Kern hat, meistens aber doch mehr über seine Entstehungszeit verrät, als über die Zeit, in der er spielt. Oder der vielleicht mehr darüber verrät, wie eine Zeitepoche, ein Geschehnis und Ähnliches von einer oder mehreren späteren Generationen wahrgenommen wurden.

Die Ilias, die Homer zugeschrieben wird und übrigens nur eine Episode aus dem Trojanischen Krieg erzählt, ist so, wie sie überliefert wurde, sicher eine literarische / philosophische Gestaltung der Geschichte / Legenden um den Trojanischen Krieg und keineswegs ein authentischer Bericht darüber. (Was keineswegs ausschließen muss, dass Homers Akteure die Namen von Personen tragen, die zu seiner Zeit noch als historisch "belegt" galten.) Interessant, aber sicher nicht mehr zu klären ist, ob es Homers eigenen Idee war, seine Episode (über Achilles und seinen Kampf mit Hektor) vor dem Hintergrund des tatsächlichen Krieges spielen zu lassen, was der Trojanische Krieg für ihn noch gewesen sein dürfte, oder ob das bereits in seiner möglichen Quelle vorgegeben war.

Was das Trojanische Pferd betrifft - so ist die Geschiche, die sich dahinter verbirgt, keine so originelle. Viele Geschichten beginnen damit, dass es zu Beginn ein Problem bzw. eine Herausforderung gibt, das bzw. die unlösbar scheint. Dem Helden (der keineswegs immer eine eindeutig positive Figur ist) gelingt jedoch das scheinbar Unmögliche - er findet eine Lösung.

Ein Beispiel, wo dieses Thema allerdings bereits auf die Schippe genommen wird: Alexander der Große löst den Gordischen Knoten nicht auf, in dem er ihn etwa entwirrt, wie es zu erwarten gewesen wäre, sondern er löst den Gordischen Knoten, in dem er ihn einfach zerschneidet.

Varianten dieses Themas:
- Die Stadt, das Haus oder Burg oder auch anderes), die de facto nicht erobert / zerstört werden kann, dennoch findet sich der Held (oder Antiheld / Schurke), dem dies gelingt.
- Der Held oder der Schurke, der de facto unbesiegbar ist oder nicht getötet werden kann: auch hier findet sich der, dem diese Tat oder auch Untat gelingt.

Auf den Mythos von Troja übertragen, finden wir übrigens beide Varianten:

Da haben wir einerseits Troja, die Stadt, die von Göttern mit unzerstörbaren Mauern umschlossen wurde. Aber Odysseus (ein Vertreter des Typus des "dunklen" (ambivalenten) Helden hat eine Idee, wie die Mauern umgangen und die Stadt doch erobert werden kann.

Andererseits haben wir Hektor, den Verteidiger von Troja, der letztlich von Achilles getötet wird. (Wobei sich in späteren Gestaltungen in Bezug auf Achilles auch das Motiv vom unbesiegbaren Helden findet, der letztlich doch eine schwache Stelle hat, die ihm zum Verhängnis wird - seine Ferse, und die "Achillesferse" hat bis in die Gegenwart als der übliche Begriff für solchen Schwachstellen überdauert.)

Ein Merkmal des Mythos um den Trojanischen Krieg ist übrigens, dass alle wichtigen Positionen doppelt besetzt sind.

- Zwei Hindernisse sind zur Zerstörung von Troja zu überwinden: der Held Hektor (als ihr Verteidiger) und die Stadtmauern.

- Zwei "Helden" sind zur Zerstörung von Troja notwendig: der (ursprünglich wohl) "strahlende" Held Achilles und der (ursprünglich wohl) "dunkle" Held Odysseus. (Beide sind sicher nicht zufällig aus Randgebieten der "griechischen" Welt und bei beiden findet sich das Motiv, dass sie beinahe nicht am Krieg teilgenommen hätten.)

Auch bei der Entführung der "Schönen Helena", die im Mythos die Ursache für den Krieg ist, sind die Rollen der Akteure doppelt besetzt:
- Agamemnon ist der Anführer der "Griechen", sein Bruder Menelaos aber der Ehemann von Helena und somit der "Geschädigte".
- Hektor bzw. sein Vater Priamus sind die Anführer der "Trojaner", Hektors Bruder Paris aber der "Entführer".
...

Die Frage allerdings, inwieweit die Akteure/innen des Troja-Mythos von Anfang an mit einem tatsächlichen Krieg um die Stadt bzw. die Herrschaft Troja verknüpft waren, fürchte ich, wird sich nicht mehr beantworten lassen. Entwickelte sich der Mythos aus einer Zerstörung der Stadt Troja oder wurden Geschichte um einen Krieg erst später mit der Zerstörung der Stadt Troja verknüpft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass spätere Reiche bzw. Herrscherdynastien ihre Herkunft auf den Mythos von Troja zurückgeführt haben.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos? - Teresa C. - 19.04.2016 07:19

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