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Die keltische Einöde
04.10.2016, 09:48
Beitrag: #21
RE: Die keltische Einöde
(03.10.2016 21:58)Suebe schrieb:  Nun sollen die keltischen Eliten laut Cäsar sehr klein gewesen sein, der Status der übrigen Bevölkerung nicht wesentlich über den eines Sklaven hinausgegangen sein.

Das liefert einige Erklärungsansätze.

Caesars Urteil würde ich hier nicht ohne weiteres trauen. Er hat die keltische Gesellschaftsstruktur nach römischen Kriterien gemessen. Ja, die "Oberschicht" war relativ klein, aber nicht jeder, der mit den Händen arbeitet ist ein Sklave.
Caesar hat römische Bewertungen auf eine komplett andere Gesllschaftsstruktur übertragen- und er mußte natürlich auch sicherstellen, dass er als "Zivilisationsbringer" gilt.

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04.10.2016, 18:40
Beitrag: #22
RE: Die keltische Einöde
(04.10.2016 09:48)Bunbury schrieb:  
(03.10.2016 21:58)Suebe schrieb:  Nun sollen die keltischen Eliten laut Cäsar sehr klein gewesen sein, der Status der übrigen Bevölkerung nicht wesentlich über den eines Sklaven hinausgegangen sein.

Das liefert einige Erklärungsansätze.

Caesars Urteil würde ich hier nicht ohne weiteres trauen. Er hat die keltische Gesellschaftsstruktur nach römischen Kriterien gemessen. Ja, die "Oberschicht" war relativ klein, aber nicht jeder, der mit den Händen arbeitet ist ein Sklave.
Caesar hat römische Bewertungen auf eine komplett andere Gesllschaftsstruktur übertragen- und er mußte natürlich auch sicherstellen, dass er als "Zivilisationsbringer" gilt.


Tja, warum nicht.

Aber:
Die keltische "Zivilisation" ist mehrfach, meist lediglich sehr regional zusammengebrochen, ohne dass es bisher wirklich überzeugende Erklärungsmuster gibt.
Die Kulturträger-Schicht war, folgt man Cäsar, sehr klein.
Was das wegbrechen einer Kultur ja ganz erheblich erleichtert.
Die Bevölkerung, folgt man ebenfalls Cäsar, auf dem Stand von Heloten.
Die, das zeigt die Geschichte ansonsten auch, alle paar Generationen die Herrschenden "austauscht".
Und auch dies ist seit ca. 500 vor unserer Zeitrechnung mehrfach passiert.

So könnte doch ein Erklärungsmuster aussehen. Keineswegs zwingend, aber möglich.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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04.10.2016, 19:36
Beitrag: #23
RE: Die keltische Einöde
Ja, es wäre eine Möglichkeit und von "unten" betrachtet, eine fast zwingende. (von "unten" bezieht sich auf die geographische Lage). Ich war im Sommer in Armadale Castle mit einer großartigen Ausstellung zu den Inselkelten- und das ergibt einen ganz anderen Blickwinkel, wenn man von "oben" (auch wieder geographisch gemeint) draufschaut.
Das, was von der keltischen Kultur dort noch erfaßbar ist, ist etwas ganz fremdes, getragen von anderen Vorstellungen, anderen Hierarchien. Das Oberhaupt eines Stammes hatte eine ganz andere Stellung als Caesar sie als Anführer der römischen Legionen hatte. Und er/sie war nicht unangreifbar. Wenn der Anführer seine Aufgabe nicht richtig wahrnahm, dann blieb er nicht lange Anführer. Ein Stammesführer war seinem Stamm- und zwar auch den Bauern- Rechenschaft schuldig, dafür brachte der Stamm dem Anführer auch gewisse Opfer. Es bestand eine Art gegenseitiger Verpflichtung zwischen Stamm und Anführer. Aber ich merke gerade, dass ich mich unheimlich schwer tue, dieses Konzept zu beschreiben.
Aber nachdem ich es erfaßt hatte, war mir klar, dass Aussagen wie "Wenn Caesar Gallien nicht besiegt hätte, dann hätten die Kelten selbst ein großes Reich gebildet" völliger Humbug sind. Die Kelten hätten nie ein Großreich gebildet. Das gab ihre gesellschaftliche Struktur nicht her. Ein keltischer Bauer wäre keinem Großkönig gegenüber zur Loyalität verpflichtet gewesen, sondern immer nur seinem Stammesführer. Und die taten sich damit schwer, einen anderen Stammesführer als ihnen überlegen anzusehen.

Ich gehe aber vor allem davon aus, das Caesars Beschreibungen der nicht-elitären Bevölkerung abwertender war als es der Realität entsprach. Ein keltischer Bauer hatte deutlich mehr Rechte, auch gegenüber seinem Anführer, als es Caesar recht sein konnte, und die keltische Rechtssprechung verpflichtete auch den "Adeligen" gegenüber dem Bauern zum Schadensersatz.
Aber über Caesar sollten wir vielleicht an anderer Stelle weiter debattieren, hier ging es ja um die keltische Einöde. Da habe ich jetzt keine lokalen Kenntnisse, finde es aber sehr spannend, was ihr da so schreibt...

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04.10.2016, 20:28
Beitrag: #24
RE: Die keltische Einöde
Zitat:"Wenn Caesar Gallien nicht besiegt hätte, dann hätten die Kelten selbst ein großes Reich gebildet" völliger Humbug sind. Die Kelten hätten nie ein Großreich gebildet. Das gab ihre gesellschaftliche Struktur nicht her. Ein keltischer Bauer wäre keinem Großkönig gegenüber zur Loyalität verpflichtet gewesen, sondern immer nur seinem Stammesführer. Und die taten sich damit schwer, einen anderen Stammesführer als ihnen überlegen anzusehen.

genauso war es wohl auch rechts des Rheins.
Jede Menge Gruppen, Stämme wenn man so will, aber mehr war nicht, absolut nicht.
Gewaltiges gegenseitiges Mißtrauen.
Und vermutlich wussten sie warum.
Die ganzen Grabräubereien zB

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05.10.2016, 15:09
Beitrag: #25
RE: Die keltische Einöde
(04.10.2016 20:28)Suebe schrieb:  genauso war es wohl auch rechts des Rheins.
Jede Menge Gruppen, Stämme wenn man so will, aber mehr war nicht, absolut nicht.
Gewaltiges gegenseitiges Mißtrauen.
Und vermutlich wussten sie warum.
Die ganzen Grabräubereien zB

Ich weiß nicht, ob das wirklich Mißtrauen ist.
Es hat wohl etwas mit Gruppenprozessen zu tun. Ein Stamm, ein Clan, das ist eine Gruppe, der sich der Mensch zugehörig fühlen kann, die identitätsstiftend funktioniert. Die persönlichen Bindungen untereinander machten wohl viel des keltischen Lebens aus und wirkten identitätsstiftend- bei immer größeren Gruppen hätte man etwas anderes gebraucht, weil jeder einzelne mit zu wenigen anderen verbunden gewesen wäre. Selbst keltische Symbole bedeuteten nicht für jeden Stamm das gleiche.
Die Römer konnten ein Großreich bilden, weil sie identitätsstiftende Übersymbole, die für alle gemeingültige Werte symbolisierten.
ist jetzt aber nur eine These, weil ich mich noch nicht wirklich in Bücher zum Thema Sozialisierung eingelesen habe.

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05.10.2016, 16:21
Beitrag: #26
RE: Die keltische Einöde
(03.10.2016 21:58)Suebe schrieb:  Nun sollen die keltischen Eliten laut Cäsar sehr klein gewesen sein, der Status der übrigen Bevölkerung nicht wesentlich über den eines Sklaven hinausgegangen sein.

Das liefert einige Erklärungsansätze.

Das würde auf jedenfall erklären, warum das germanische Gesellschaftsmodell für die Masse der freien Bauern und Handwerker attraktiver war. Man kann sich fragen, wie die Unterschiede entstanden.
Sollten in Teilen Hessens, nördlich des Main, mal Keltische Fürsten z.B. auf dem Glauberg eine Herrschaft geführt haben, müßte eine Revolution die Fürstenherrschaft beendet habe o. es gab einen Demokratisierungsprozeß, so das nur noch Adlige mit weniger Rechten übrig blieben.

viele Grüße

Paul

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05.10.2016, 17:06
Beitrag: #27
RE: Die keltische Einöde
(05.10.2016 16:21)Paul schrieb:  
(03.10.2016 21:58)Suebe schrieb:  Nun sollen die keltischen Eliten laut Cäsar sehr klein gewesen sein, der Status der übrigen Bevölkerung nicht wesentlich über den eines Sklaven hinausgegangen sein.

Das liefert einige Erklärungsansätze.

Das würde auf jedenfall erklären, warum das germanische Gesellschaftsmodell für die Masse der freien Bauern und Handwerker attraktiver war. Man kann sich fragen, wie die Unterschiede entstanden.
Sollten in Teilen Hessens, nördlich des Main, mal Keltische Fürsten z.B. auf dem Glauberg eine Herrschaft geführt haben, müßte eine Revolution die Fürstenherrschaft beendet habe o. es gab einen Demokratisierungsprozeß, so das nur noch Adlige mit weniger Rechten übrig blieben.


Das kann durchaus so gewesen sein. Und würde so auch zusammenpassen.

Die "Revolutionen" scheinen mir überhaupt ein recht hervorstechendes Merkmal der südwestdeutschen Kelten gewesen zu sein. Die Heuneburg zB ist "lässig" 15mal wiederaufgebaut worden. In den diversen Hallstatt und Frühlatenezeiten.

Und das germanische Beispiel der Zeitenwende, so lang einer Spieß und Schwert tragen kann, ist er ein freier Mann, mag auf die Kelten der Unterschicht durchaus anziehend gewirkt haben.


Heute Nacht habe ich ein Statement Jörg Biels gelesen, dass die Viereckschanzen-Forschung der letzten 20 Jahre die "Helvetische Einöde" archäologisch bestätigen würde.

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05.10.2016, 21:34
Beitrag: #28
RE: Die keltische Einöde
(05.10.2016 16:21)Paul schrieb:  Sollten in Teilen Hessens, nördlich des Main, mal Keltische Fürsten z.B. auf dem Glauberg eine Herrschaft geführt haben, müßte eine Revolution die Fürstenherrschaft beendet habe o. es gab einen Demokratisierungsprozeß, so das nur noch Adlige mit weniger Rechten übrig blieben.

Der Fürstensitz auf dem Glauburg wurde verlassen.Einfach aufgegeben. Kampfspuren gibt es keine- ein Umsturz scheint also wenig wahrscheinlich.
Die einfache Bevölkerung außerhalb der befestigten Anlage blieb- zumindest ein Teil von ihnen. Es herrscht eine gewisse Siedlungskontinuität.

So, wie sich die Dinge darstellen, wurde der Glauburg von seiner Elite verlassen und ein Teil der Bevölkerung folgte. Warum ist vollkommen rätselhaft. Auch das scheint irgendwie Bestandteil der keltischen Kultur zu sein- dass man geht. Und ein Teil zurückbleibt...

Und ja, der ´berühmte Fürst vom Glauberg war Träger keltischer Kultur. Oder willst du etwa tatsächlich behaupten, dass es um 400 v. Chr. schon Germanen gab, die eine germanische Sprache sprachen?

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05.10.2016, 21:41
Beitrag: #29
RE: Die keltische Einöde
(05.10.2016 17:06)Suebe schrieb:  Die "Revolutionen" scheinen mir überhaupt ein recht hervorstechendes Merkmal der südwestdeutschen Kelten gewesen zu sein. Die Heuneburg zB ist "lässig" 15mal wiederaufgebaut worden. In den diversen Hallstatt und Frühlatenezeiten.

Wurde die Heuneburg 15 mal zerstört und dann wieder aufgebaut? Oder wurde sie verlassen und wieder aufgebaut?
Hier im Taunus sind die Kelten munter von Berg zu Berg gezogen. Befestigungsanlagen wurden gebaut, waren eine Weile in Gebrauch, wurden dann aufgegeben. Und einen Hang weiter wurde dann die nächste Festung aufgebaut, war eine Weile in Betrieb, wurde dann aufgegeben. Und noch einen Berg weiter ging das ganze wieder von vorne los... So hat man die Siedlungskontinuität zwischen den Anlagen auf dem Bleibiskopf, dem Altkönig und den beiden Hängen, auf denen die Heidetränke lag. Soweit ich weiß, tragen zwar alle Festungen Spuren von Kämpfen, aber keine wurde durch Kampf so weit beschädigt, dass sie anschließend aufgegeben wurde.
Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass im Innern Kämpfe stattgefunden haben, also keine Hinweise auf Revolutionen...

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06.10.2016, 09:04
Beitrag: #30
RE: Die keltische Einöde
Hätte auf der Heidetränke ein Fürst geherrscht, wäre das ein mächtiger König gewesen, der sicherlich ein bedeutendes Schloss hinterlassen hätte. Die Stadt muß eine bürgerliche Selbstverwaltung gehabt haben.
Es muß einen Thingplatz gegeben haben, wo sich die freien Männer der Region versammelt haben, um ihre Vertreter für die Stadtverwaltung und für den ubischen Ältestenrat bzw. die Matthiakerführung zu wählen.
Unabhängig von der Verwaltung/Herrschaftssystem muß es einen großen religiosen Verehrungsort gegeben haben. Gibt es dort Hügelgräber?

viele Grüße

Paul

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06.10.2016, 09:24
Beitrag: #31
RE: Die keltische Einöde
(06.10.2016 09:04)Paul schrieb:  Hätte auf der Heidetränke ein Fürst geherrscht, wäre das ein mächtiger König gewesen, der sicherlich ein bedeutendes Schloss hinterlassen hätte. Die Stadt muß eine bürgerliche Selbstverwaltung gehabt haben.
Es muß einen Thingplatz gegeben haben, wo sich die freien Männer der Region versammelt haben, um ihre Vertreter für die Stadtverwaltung und für den ubischen Ältestenrat bzw. die Matthiakerführung zu wählen.
Unabhängig von der Verwaltung/Herrschaftssystem muß es einen großen religiosen Verehrungsort gegeben haben. Gibt es dort Hügelgräber?

Weder Germanen noch Kelten kannten so etwas wie eine parlamentarische Demokratie. Die "freien Männer" haben weder ihre "Stadtverwaltung" noch sonst wen gewählt. Das Thing war vor allem Gerichtstag - d.h. es wurde Recht gesprochen. Daneben diente es der politischen Entscheidungsfindung und hatte auch kultischen Charakter (der sich oftmals in Besäufnissen äusserste). Die Freien einer Region waren zur Teilnahme verpflichtet. Der Vorsitz hatte entweder ein "König" oder zum Mindesten ein Clansführer inne - und dessen Herrschaft stand am Thing nicht zur Debatte - d.h. er konnte nicht gewählt oder abgewählt werden (zum Mindesten nicht per Stimmabgabe). Gewählt wurden (so wird vermutet und so berichtet es Tacitus) gelegentlich militärische Anführer für begrenzte Zeiträume. Aber dazu war kein Thing nötig.
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06.10.2016, 09:51
Beitrag: #32
RE: Die keltische Einöde
(06.10.2016 09:24)Aguyar schrieb:  Weder Germanen noch Kelten kannten so etwas wie eine parlamentarische Demokratie. Die "freien Männer" haben weder ihre "Stadtverwaltung" noch sonst wen gewählt. Das Thing war vor allem Gerichtstag - d.h. es wurde Recht gesprochen. Daneben diente es der politischen Entscheidungsfindung und hatte auch kultischen Charakter (der sich oftmals in Besäufnissen äusserste). Die Freien einer Region waren zur Teilnahme verpflichtet. Der Vorsitz hatte entweder ein "König" oder zum Mindesten ein Clansführer inne - und dessen Herrschaft stand am Thing nicht zur Debatte - d.h. er konnte nicht gewählt oder abgewählt werden (zum Mindesten nicht per Stimmabgabe). Gewählt wurden (so wird vermutet und so berichtet es Tacitus) gelegentlich militärische Anführer für begrenzte Zeiträume. Aber dazu war kein Thing nötig.

Da beschreibst du jetzt die Germanen eher der Völkerwanderungszeit.
Was zuvor war, ist auch bei denen eher "sagenhaft" einschl. Tacitus.

Bei den Kelten verstecken sich die Unterschichten so nachhaltig, dass sie bis heute "eigentlich" noch gar nicht entdeckt sind.
Es ist aber laut heutiger Meinung der Wissenschaft unübersehbar, dass sich die keltische Welt seit etwa 500 vC sehr in Bewegung gesetzt hat.
Bewegung in mehrfacher Hinsicht, Smile

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06.10.2016, 10:21
Beitrag: #33
RE: Die keltische Einöde
Die Städte brauchten eine Verwaltung, insbesondere die größeren, welche auch Stadtmauern unterhielten. Die Heidetränke, Bad Nauheim, Halle und die Dünsbergstadt sind ohne Stadtverwaltung nicht denkbar. Die Mauer, die Straßen, die Selbstverteidigung, die Bekämpfung der Kriminalität, die Müllentsorgung...mußte geregelt werden. Die Stadtwache erhielt sicher einen Lohn. Selbst Susadata, Wetflaria, Limburg... benötigten eine Stadtverwaltung.
Der ubische Ältestenrat verfügte auch über die ubische Handelsflotte und war in der Lage ein Heer gegen die Sueben(Markomannen und Quaden) aufzustellen. Die Zusammenarbeit der Regionen muß gewährleistet gewesen sein, auch um regionale Straßen und die Kriminalität auf den Handelswegen zu bekämpfen.

viele Grüße

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06.10.2016, 10:33
Beitrag: #34
RE: Die keltische Einöde
(06.10.2016 09:24)Aguyar schrieb:  Weder Germanen noch Kelten kannten so etwas wie eine parlamentarische Demokratie. Die "freien Männer" haben weder ihre "Stadtverwaltung" noch sonst wen gewählt. Das Thing war vor allem Gerichtstag - d.h. es wurde Recht gesprochen. Daneben diente es der politischen Entscheidungsfindung und hatte auch kultischen Charakter (der sich oftmals in Besäufnissen äusserste). Die Freien einer Region waren zur Teilnahme verpflichtet. Der Vorsitz hatte entweder ein "König" oder zum Mindesten ein Clansführer inne - und dessen Herrschaft stand am Thing nicht zur Debatte - d.h. er konnte nicht gewählt oder abgewählt werden (zum Mindesten nicht per Stimmabgabe). Gewählt wurden (so wird vermutet und so berichtet es Tacitus) gelegentlich militärische Anführer für begrenzte Zeiträume. Aber dazu war kein Thing nötig.

Bei den Kelten wird schon von Landtagen berichtet. Das spätere Köln, als ubische Stadtgründung, verfügte sicher über eine Selbstverwaltung, die im Bataveraufstand mit den Batavern und anderen Stämmen verhandelte und sich auch um den Hafen kümmerte.

viele Grüße

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06.10.2016, 12:02
Beitrag: #35
RE: Die keltische Einöde
(06.10.2016 09:51)Suebe schrieb:  Bei den Kelten verstecken sich die Unterschichten so nachhaltig, dass sie bis heute "eigentlich" noch gar nicht entdeckt sind.
Es ist aber laut heutiger Meinung der Wissenschaft unübersehbar, dass sich die keltische Welt seit etwa 500 vC sehr in Bewegung gesetzt hat.
Bewegung in mehrfacher Hinsicht, Smile

Ich stoße mich auch eher ein bißchen an den Begrifflichkeiten. Wink Du hast vorher von "Revolutionen" gesprochen- und Revolutionen sind Umstürze der gesellschaftlichen Ordnung. Für die gibt es aber keinen wirklich Anhaltspunkt.

Soweit meine Recherchen bisher ergeben haben, hatten die Kelten eine Gesllschaftsordnung, die sich am ehesten als "oligarcharisch" beschreiben läßt. d.h. es gab eine Führungselite, aus deren Mitte einer zum Oberhaupt bestimmt wurde. Der Posten war vermutlich erblich, aber hatte nichts absolutistisches An sich. Wenn der nachkomme seinen Verpflichtungen als Anführer nicht nachkam, dann wurde er schnell abgesetzt und ein anderer aus der Elite zum Herrscher bestimmt.
Es gibt Hinweise darauf, dass bei Entscheidungen, die den Stamm gewissermaßen zweitteilten, die Anführer beider Seiten entweder ein Duell austrugen (vielleicht spielten sie auch "SchnickSchnackSchnuck Big Grin) oder die Priester entschieden- jedenfalls verließ ein Teil des Stammes mit einem der beiden Anführer den Stammsitz und suchte sich anderweitig ein Auskommen.
Möglicherweise ist es das, was du als in "Bewegung" befindlich beschreibst. Umstürzlerisch im Sinne von "Gesellschaftsordnung verändrend nicht", sondern scheint ganz exakt den keltischen Bräuchen entsprochen zu haben...
Manchmal ist so eine Auseinandersetzung sicherlich auch blutig abgelaufen- allerdings wohl nicht immer

Das zweite, was wir klären sollten, ist, wie du dir die gesellschaftliche Struktur vorstellst. Es gibt einen Stammesführer und eine Elite (Krieger/ Priester)- und dann, wie du es in Bezug auf Caesar ausführst, eine Unterschicht.
Da kann aber ganz defintiv etwas nicht stimmen, weil eine Gruppe Menschen fehlt- die Handwerker. Alle archäologischen Ausgrabungen an keltischen Stätten haben Hinweie auf weit entwickelte "Kulturtechniken" ergeben. Ob es die Metall oder die Holzverabeitung war, oder auch Töpferwaren, Stoffe und dergleichen mehr- die Kelten sind in erster Linie über ihre Kunsthandwerke fassbar.
Wo stehen also die Handwerker? Dass die Schmiede vielleicht mit zur Elite gezählt werden, ist eine Möglichkeit. Aber die Stofffärberei und Holzschnitzerei dürfte nicht zur Elite gezählt haben. Und arme Sklaven entwickeln keine Möglichkeit, sich kunsthandwrklich zu betätigen. Also muss es etwas zwischen der Elite und der untersten Schicht gegeben haben...

Wenn Caesar nur Elite und Unterschicht nennt, mag das ein Rückschluss darauf gewesen sein, dass in Rom das Handwerk oft von Sklaven (und Freigelassenen) ausgeübt wurde. Oder aber es war ihm wichtig, darzustellen, dass er ein zwar kriegerisches, aber Rom in jeder Beziehung unterlegenes Volk "befriedet" hat. Eine Einstellung, die zweitausend Jahre Bestand hatte und erst jetzt allmählich widerlegt wird.

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06.10.2016, 13:18
Beitrag: #36
RE: Die keltische Einöde
(06.10.2016 10:21)Paul schrieb:  Die Städte brauchten eine Verwaltung, insbesondere die größeren, welche auch Stadtmauern unterhielten. Die Heidetränke, Bad Nauheim, Halle und die Dünsbergstadt sind ohne Stadtverwaltung nicht denkbar. Die Mauer, die Straßen, die Selbstverteidigung, die Bekämpfung der Kriminalität, die Müllentsorgung...mußte geregelt werden. Die Stadtwache erhielt sicher einen Lohn. Selbst Susadata, Wetflaria, Limburg... benötigten eine Stadtverwaltung.
Der ubische Ältestenrat verfügte auch über die ubische Handelsflotte und war in der Lage ein Heer gegen die Sueben(Markomannen und Quaden) aufzustellen. Die Zusammenarbeit der Regionen muß gewährleistet gewesen sein, auch um regionale Straßen und die Kriminalität auf den Handelswegen zu bekämpfen.

Natürlich hatten die Römer eine Stadtverwaltung. Ob die Kelten und Germanen so was hatten, ist Spekulation. Natürlich darf dies angenommen werden - aber es ist nicht zwingend, dass diese demokratisch gewählt werden musste etwa am Thing oder sonstwo. Schon die Existenz von Königen und Clansführer widerspricht einer nicht-feudalen Organisation. Eine urgermanische Demokratie ist ein Mythos.
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08.10.2016, 12:20
Beitrag: #37
RE: Die keltische Einöde
Zitat bunbury
Zitat:Ich stoße mich auch eher ein bißchen an den Begrifflichkeiten. Wink Du hast vorher von "Revolutionen" gesprochen- und Revolutionen sind Umstürze der gesellschaftlichen Ordnung. Für die gibt es aber keinen wirklich Anhaltspunkt.

Als die Lehmziegelmauer der Heuneburg bei gewalttätigen Auseinandersetzungen unterging, ist die kpl. Heuneburg abgebrannt. Ohne dass es Anzeichen von äußeren Einwirkungen gab.
Es muss also intern gewaltig gekracht haben.
Der Wiederaufbau erfolgte ganz anders, andere Grundrisse nicht mehr kleinteilig, die Mauer in traditioneller Holz-Erde-Bauweise.
Die Fachleute gehen davon aus, dass sich eine konservativere Richtung bei den Auseinandesetzungen durchgesetzt hatte.

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08.10.2016, 14:56
Beitrag: #38
RE: Die keltische Einöde
(08.10.2016 12:20)Suebe schrieb:  Als die Lehmziegelmauer der Heuneburg bei gewalttätigen Auseinandersetzungen unterging, ist die kpl. Heuneburg abgebrannt. Ohne dass es Anzeichen von äußeren Einwirkungen gab.
Es muss also intern gewaltig gekracht haben.
Der Wiederaufbau erfolgte ganz anders, andere Grundrisse nicht mehr kleinteilig, die Mauer in traditioneller Holz-Erde-Bauweise.
Die Fachleute gehen davon aus, dass sich eine konservativere Richtung bei den Auseinandesetzungen durchgesetzt hatte.

Erst mal danke für die Info.
Es gab also eine gewalttätige interne Auseinandersetzung.
Als Folge dessen ist die ganze Anlage abgebrannt. Ich vermute mal, dass keiner sagen kann, ob die Gebäude vorsätzlich in Brand gesteckt wurden oder ob ein Feuer außer Kontrolle geraten ist? Erfolgte der Wiederaufbau sofort oder lagen ein paar Jahre dazwischen?
Kannst du mir auch sagen, wann das ungefähr war? Rein aus Interesse, ich sammele derartige Daten und werde nicht so schnell auf die Heuneburg kommen.
Was eigentlich schade ist, das klingt nämlich ganz interessant...

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08.10.2016, 16:03
Beitrag: #39
RE: Die keltische Einöde
(08.10.2016 14:56)Bunbury schrieb:  
(08.10.2016 12:20)Suebe schrieb:  Als die Lehmziegelmauer der Heuneburg bei gewalttätigen Auseinandersetzungen unterging, ist die kpl. Heuneburg abgebrannt. Ohne dass es Anzeichen von äußeren Einwirkungen gab.
Es muss also intern gewaltig gekracht haben.
Der Wiederaufbau erfolgte ganz anders, andere Grundrisse nicht mehr kleinteilig, die Mauer in traditioneller Holz-Erde-Bauweise.
Die Fachleute gehen davon aus, dass sich eine konservativere Richtung bei den Auseinandesetzungen durchgesetzt hatte.

Erst mal danke für die Info.
Es gab also eine gewalttätige interne Auseinandersetzung.
Als Folge dessen ist die ganze Anlage abgebrannt. Ich vermute mal, dass keiner sagen kann, ob die Gebäude vorsätzlich in Brand gesteckt wurden oder ob ein Feuer außer Kontrolle geraten ist? Erfolgte der Wiederaufbau sofort oder lagen ein paar Jahre dazwischen?
Kannst du mir auch sagen, wann das ungefähr war? Rein aus Interesse, ich sammele derartige Daten und werde nicht so schnell auf die Heuneburg kommen.
Was eigentlich schade ist, das klingt nämlich ganz interessant...



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08.10.2016, 21:03
Beitrag: #40
RE: Die keltische Einöde
Neugierig bin, Haserl. Big Grin

Ich revanchiere mich auch- ich tippe gerade die ganzen Tafeln der Heidetränke ab... Ich stelle es aber erst rein, wenn es fertig ist....

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