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Rudolf IV der Stifter
20.12.2016, 19:55
Beitrag: #1
Rudolf IV der Stifter
(20.12.2016 12:58)Suebe schrieb:  Details zu dem genannten Erzherzog würden mich interessieren, wie wäre es mit einem 3Thread zu dem Thema?
Könnte es evt. sein, dass da eine "böhmische" Sichtweise ungeprüft übernommen wurde?
Wenn ich das richtig sehe, sieht man dorten Luxemburg als Böhmische Herrscher, Habsburg dagegen als "Fremdherrscher" und "Ursurpatoren"

Rudolf IV der Stifter (Herzog resp. Erzherzog von Österreich, Herzog von Steiermark, Herzog von Kärnten, Herzog von Krain, Graf von Tirol) war resp. gilt als Gründer der Universität Wien. Er war mit Katharina von Luxemburg, einer Tochter Karls IV verheiratet. In zweiter Ehe heiratete Katharina den Wittelsbacher Otto V den Faulen, Herzog von Oberbayern und Markgraf von Brandenburg.

Bekannt ist Rudolf IV der Stifter vor allem aufgrund der Fälschung, welche für die über das Mittelalter hinaus wirksame Sonderrolle von Österreich im Deutschen Reich verantwortlich war.

Im sogenannten „Privilegium maius“ von 1356 erhob Herzog Rudolf IV der Stifter das Herzogtum Österreich analog eines Erzbistums zu einem sogenannten „Erzherzogtum“, eine Herrschaftsbezeichnung, die nie existiert hatte. Obwohl bereits Francesco Petrarca das Privilegium maius als Fälschung erklärte, wurden die Herzöge von Österreich in der Folge zu sogenannten „Erzherzögen“. Obwohl das Manöver, auch dank Petrarca, am Hof Kaiser Karls IV durchschaut wurde, machte später der Habsburger Kaiser Friederich III die Urkunden dennoch zu Reichsrecht, und der Erzherzogtitel wurde von den Habsburgern bis zum Ende der Monarchie geführt. Rudolfs Motivation zur Fälschung war im Übrigen hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass die Habsburger in der sogenannten „Goldenen Bulle“ von 1365, die die Ordnung für die Wahl der römisch-deutschen Könige enthält, nicht berücksichtigt wurden.

Davon abgesehen, war das „Privilegium maius“ ein höchst phantasievolles Konstrukt, welches ansatzweise sogar auf tatsächliche Privilegien aufbaute. Am 8. September 1156 wurde der Streit zwischen Welfen und Babenberger um das Herzogtum Bayern in Barbing bei Regensburg durch Kaiser Friedrich I Barbarossa entschieden. Dabei übergab der Herzog von Bayern, Heinrich IX, den man nach seinem Lieblingsausspruch „Jasomirgott“ nannte, in symbolisch-ritueller Art sieben Fahnenlanzen an den Stauferkaiser, der das ganze Bündel an seinen Vetter, den Welfen Heinrich den Löwen weiterreichte. Dieser nahm zwei davon heraus und gab sie zurück, worauf Barbarossa beide in die Hände des Babenbergers legte.

Bezeugt wurde damit, dass Jasomirgott zugunsten des Welfen auf Bayern verzichte, der Löwe ihm aber einen Teil des Landes wieder herausgebe, nämlich die Ostmark „ob und nid der Enns“. Diese selbst wurde anschliessend vom Kaiser in die „Mark Österreich“ umgewandelt und gleichzeitig zum Herzogtum erhoben. Neune Tage nach der Fahnenübergabe erhielt Jasomirgott noch den Brief, der seine neue Rechte bestätigte. Dazu gehörten eine ganze Reihe von Privilegien, wie sie für die damalige Zeit recht ungewöhnlich waren.

Die nunmehr österreichischen Babenberger sollten künftig ihren Besitz auch an weibliche Nachkommen vererben dürften. Zum Erscheinen bei kaiserlichen Hoftagen, der sogenannten „Hoffahrt“, waren sie nur verpflichtet, wenn diese in Bayern stattfanden. Ausserdem mussten sie lediglich an Heerfahrten teilnehmen, die in ihre unmittelbaren Nachbarländer führten. Und die Gerichtshoheit im eigenen Land erhielten sie ebenfalls zugesprochen. Das Pergament, auf dem alles niedergelegt und durch eine kaiserliche Bulle besiegelt wurde, trug den Namen „Kleiner Freiheitsbrief“ oder „Privilegium minus“.

Es ist zweifelhaft, ob es sich bei dem Privilegium minus, welches der habsburgische Herzog Rudolf IV hervorsuchte, noch um das Original handelte. Bereits der letzte Babenberger, Friedrich der Streitbare, dürfte es zu seinen Gunsten erheblich verändert haben. Dies wiederum brachte Rudolf IV den Stifter auf die Idee, noch ein bisschen mehr daran herumzuschrauben oder es sogar von Grund auf umzuschreiben. Er schnitt die Bulle Barbarossas ab, warf das Privilegium minus ins Feuer und gab einem Schreiber den Auftrag, an seiner Stelle ein neues Dokument mit völlig neuem Inhalt zu erstellen.

Der Staufer, so war darin zu lesen, habe den Babenbergern und somit auch seinen Nachfolgern aus dem Haus Habsburg nicht nur ein paar ungewöhnlich Privilegien, sondern eine geradezu beispiellose Sonderstellung zugebilligt. Sie seien, so habe er verfügt, dem Reich weder im Frieden noch im Krieg zu irgendwelchen Dienstleistungen verpflichtet, müssten an keinen Militäroperationen teilnehmen, wo immer sich auch stattfänden, und dürften den Hof- und Reichstagen fernbleiben, wenn sie keinen Grund sähen, dort zu erscheinen. Gefiele es ihnen aber doch, sich in der Versammlung der Fürsten zu zeigen, dann käme ihnen nach den Kurfürsten den höchsten Rang zu. Sie seien als „Pfalzerzherzöge“ zu behandeln und mit diesem Titel anzureden.

Das neue Papier wurde mit dem alten Siegel versehen und fortan nicht mehr als „Privilegium minus“, sondern als „Privilegium maius“, als grossen Freiheitsbrief bezeichnet. Der habsburgische Kaiser Friedrich III hat die Urkunde dann hundert Jahre später, 1453, durch sein Siegel echt gemacht. Unter den berühmten gefälschten Urkunden der europäischen Geschichte war es eine der prominentesten, vor allem aber einer der folgenreichsten.

Dass Rudolf IV, der sie verfertigen liess, einen besonderen Rang für Angehörige seines Hauses beanspruchte, mag noch verständlich erscheinen. Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV hatte ihn geärgert, weil sie Österreich die Kurwürde verweigerte – als Schwiegersohn des Kaisers hatte er wohl gehofft, diesen Status zu erlangen. Dass er aber Barbarossa unterstellte, er habe für die Babenberger den völlig unbekannten Titel „Pfalzerzherzog“ geschaffen, mutet etwas lächerlich an. Bereits von Erzherzögen hatte noch nie jemand gehört, und gar die Bezeichnung Pfalzerzherzog war eine Ausgeburt schieren Wunschdenkens. Dabei bediente sich Rudolf IV sowohl aus dem kirchlichen Begriffsschatz – „Erz“bischöfe waren ja mehr als gewöhnliche Bischöfe – wie auch aus dem weltlichen.

Offenbar befürchtete Rudolf, sein Machwerk sei damit aber noch nicht überzeugend genug, weshalb er noch ein paar weitere Freiheitsbriefe hinzufügte, die es ergänzen und absichern sollte. Jedes einzelne davon war ein besonderer Freiheitsbrief für Österreich. Den ersten versah er mit der Jahreszahl 1058 und einem gefälschten Siegel Kaiser Heinrichs IV. Chronologisch folgte dann das gefälschte Privilegium maius mit dem Datum 1156 und dem echten Siegel Barbarossas, darauf drei weitere in Eigenarbeit gefertigte Urkunden aus den Jahren 1228, 1245 und 1283, die sich alle aufeinander bezogen und den im jeweils älteren Papier aufgestellten Anspruch bestätigten. Krönung der ganzen Arbeit aber waren zwei Briefe, in denen Julius Cäsar und Kaiser Nero als Freunde der Götter und Verbreiter ihres Glaubens dem Land Österreich zusicherten, es solle für immer frei und von allen Abgaben entbunden sein. Francesco Petrarca, dem das Ganze als ausgewiesener bester Kenner der römischen Geschichte seiner Zeit vorgelegt wurde, meinte allerdings, wer an die Echtheit dieser Papiere glaube, sei „ein Erzschelm, ein brüllender Ochse und ein schreiender Esel“.

(20.12.2016 08:52)Teresa C. schrieb:  Stutzig hat mich allerdings eine Tafel gemacht, in der auf einen Gegner von Karl IV. näher eingegangen wird, seinen Schwiegersohn, (Erz-)Herzog Rudolf IV. von Österreich (besser bekannt als Rudolf der Stifter), Angehöriger jener Adelsfamilie, die als Habsburger bezeichnet werden. In der Ausstellung wird er übrigens als Rudolf IV. von Habsburg, Herzog von Österreich, bezeichnet, was so nicht ganz richtig ist, da er nach der Zählung eigentlich Rudolf VIII. von Habsburg ist.

Dieser Einwand versthe ich nicht ganz - ich habe jedenfalls immer nur von Rudolf IV und nicht von Rudolf VIII gehört.
Die Durchnummerierung bezieht sich meines Wissens immer auf die Titel innerhalb einer Adelsfamilie - und da ist der Stifter eben der vierte Herzog von Österreich mit dem Namen Rudolf aus dem Haus Habsburg. Ob er tatsächlich auch Graf von Habsburg war - und somit der achte Graf dieses Namens - weiss ich nicht.
Dass Rudolf I, König des HRR gleichzeitig Rudolf IV als Graf von Habsburg, das hingegen ist mir bekannt.

Das man die Personen mit dem Namen Rudolf innerhalb der Familie Habsburg durchnummeriert ist mir neu. Wenn das so sein sollte, müsste man aber die Rudolfs aus der Nebenlinie Habsburg-Laufenburg, die sich eine Generation vor Rudolf I / Rudolf IV abgespalten hatte, dazuzählen: Und dann wäre der Stifter auch nicht Rudolf VII.
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20.12.2016, 21:01
Beitrag: #2
RE: Rudolf IV der Stifter
Klasse, Danke dir.

Das war mir der Spur nach schon bekannt, aber bei weitem nicht so detailliert.

Wobei die Habsburger "Nicht-Kurwürde" ist ja schon bemerkenswert, sprich unverstädnlich. Es sei denn, da sollte ein Konkurrent "kleingehalten" werden.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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20.12.2016, 22:16
Beitrag: #3
RE: Rudolf IV der Stifter
(20.12.2016 21:01)Suebe schrieb:  Klasse, Danke dir.

Das war mir der Spur nach schon bekannt, aber bei weitem nicht so detailliert.

Wobei die Habsburger "Nicht-Kurwürde" ist ja schon bemerkenswert, sprich unverstädnlich. Es sei denn, da sollte ein Konkurrent "kleingehalten" werden.

Möglich wäre es. Ich halte das Konkurrenzverhältnis allerdings nicht für ausschlaggebend. Die Kurwürde ist in ihren Ursprüngen älter als die "Goldene Bulle". Karl IV hatte eigentlich nur bereits bestehende Gewohnheiten zementiert - und da hatte Österreich eben kein Kurrecht.

Das Kollegium der Kurfürsten wurde u.a. bereits um 1250 im Sachsenspielgel erstmals näher bezeichnet. Bereits damals wurde es von den Erzbischöfen von Köln, Mainz und Trier, dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem Herzog von Sachsen, dem Markgrafen von Brandenburg und, etwas später, dem König von Böhmen gebildet. Von Österreich war bereits damals nicht die Rede. Und die Luxmburger als Könige von Böhmen waren noch nicht abzusehen - über Böhmen herrschten noch die Přemysliden.

Ganz unabhängig von der Rolle Österreichs (oder auch Bayerns) ist die Zusammensetzung der Kurfürsten ein Rätsel. Die einzige, einigermassen plausible Erklärung für die Auswahl der Kurfürsten wäre ein Zusammenhang mit den Hofämtern - den sogenannten "Erzämtern" des HRR, die in ihrem Ursprung auf die Karolinger zurückgehen.
So waren die Bischöfe von Köln, Mainz und Trier eben "Erzbischöfe", der Markgraf von Brandenburg war Erzkämmerer des Kaisers, der Herzog von Sachsen der Erzmarschal und der Pfalzgraf bei Rhein Erztruchsess. Der König von Böhmen hatte seit der Zeit Kaiser Heinrichs V das Amt des Erzmundschenken inne.

Österreich hatte also auch damals kein Erzamt inne - was Rudolf der Stifter später eben mit der innovativen Erfindung eines "Erzherzogs" und eines "Erzgmarkgrafen" kompensierte.
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21.12.2016, 20:36
Beitrag: #4
RE: Rudolf IV der Stifter
(20.12.2016 19:55)Aguyar schrieb:  Francesco Petrarca, dem das Ganze als ausgewiesener bester Kenner der römischen Geschichte seiner Zeit vorgelegt wurde, meinte allerdings, wer an die Echtheit dieser Papiere glaube, sei „ein Erzschelm, ein brüllender Ochse und ein schreiender Esel“.
So wie sich das liest, die einzig mögliche Schlußfolgerung.

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22.12.2016, 15:20
Beitrag: #5
RE: Rudolf IV der Stifter
Was die Privilegium maius-Fälschung und Petrarca betrifft, verweise ich erstmals auf folgenden Thread http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...eitsbriefe, in dem ich mich dazu bereits geäußert habe.

Was Herzog Rudolf IV. von Österreich (besser bekannt als Rudolf der Stifter und als Graf von Habsburg sicher nicht Rudolf IV., denn das war bereits König Rudolf I.) betrifft, werde ich gerne heute Abend noch einen Post einstellen, aber ich bitte um Verständnis, dass diese Erstellung etwas länger dauern wird und ich jetzt aus Reallife-Gründen erstmals etwas anderes erledigen muss.
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22.12.2016, 16:08
Beitrag: #6
RE: Rudolf IV der Stifter
(20.12.2016 22:16)Aguyar schrieb:  Ganz unabhängig von der Rolle Österreichs (oder auch Bayerns) ist die Zusammensetzung der Kurfürsten ein Rätsel. Die einzige, einigermassen plausible Erklärung für die Auswahl der Kurfürsten wäre ein Zusammenhang mit den Hofämtern - den sogenannten "Erzämtern" des HRR, die in ihrem Ursprung auf die Karolinger zurückgehen.
So waren die Bischöfe von Köln, Mainz und Trier eben "Erzbischöfe", der Markgraf von Brandenburg war Erzkämmerer des Kaisers, der Herzog von Sachsen der Erzmarschal und der Pfalzgraf bei Rhein Erztruchsess. Der König von Böhmen hatte seit der Zeit Kaiser Heinrichs V das Amt des Erzmundschenken inne.

Die Auswahl der Kurfürsten erfolgte einerseits tatsächlich nach den Erzämtern, andererseits nach Gesichtspunkten von Karls Hausmacht- und Bündnispolitik in den 1350er Jahren. Er war noch ein „Pfaffenkönig“, der darauf achtete, dass die Interessen der Kirche gewahrt werden. Ebenso war er an guten Beziehungen zu den Päpsten Clemens VI. und Innozenz VI. interessiert. Aus diesen Gründen wurden drei Erzbischöfe zum Kurfürsten bestimmt.

Von 1307 bis 1354 fungierte als Erzbischof von Trier Karls Großonkel Balduin von Luxemburg, einer der bedeutendsten Politiker des 14. Jahrhundert, der nicht zu Unrecht als der Architekt des luxemburgischen Aufstiegs gilt. Er und sein Nachfolger Boemund von Saarbrücken waren stabile Verbündete Karls im Westen des Reichs, auf die Karl schon wegen der Sicherung der Grafschaft Luxemburg angewiesen war.

Als ein ebenso zuverlässiger Verbündeter erwies sich Gerlach von Nassau, der zwar von 1346 bis 1353 einen Gegenerzbischof bekämpfen musste, danach sicher als Mainzer Erzbischof als ein wichtiger Parteigänger Karls erwies. Der Erzbischof von Köln, Wilhelm von Gennep , wandelte sich sogar vom Gegner zum Verbündeten Karls. Der von ihm initiierte Maas-Rhein-Landfrieden war Vorbild für Karls Innenpolitik.

Vier Erzbischöfe hätten es nicht sein dürfen, da sonst der jeweilige Papst jede Königswahl genutzt hätte, einen ihn genehmen König zu installieren. Der König wäre immer ein „Pfaffenkönig“ gewesen. Deshalb verzichtete Karl darauf, den Erzbischof von Magdeburg zum Kurfürsten zu befördern. Stattdessen wurde der Herzog von Sachsen-Wittenberg zum Kurfürsten ernannt. Der Askanier Rudolf I. († 1356) hatte sich als langjähriger Verbündeter Karls bewährt. Die Erhebung der Markgrafschaft Brandenburg zum Kurfürstentum war ein Zugeständnis an die bayrischen Wittelsbacher. Zu den pfälzischen Wittelsbacher hatte Karl eigentliche gute Beziehung, er war ja auch zwischen 1349 und 1353 mit Anna von der Pfalz verheiratet. Nach deren Tod verschlechterte sich das Verhältnis, da Karl den Ausbau Neuböhmens vorantrieb und deswegen die Oberpfalz beanspruchte. Die Übertragung der Kurwürde an die Pfalz (und wohl noch andere Regelungen und Zugeständnisse) lösten das Problem und Ruprecht I. von der Pfalz blieb im Lager des Kaisers.

Dass der König von Böhmen Kurfürst wurde, lag nur daran, dass Karl selbst böhmischer König war und seinem Nachfolger auf alle Fälle die eine Stimme zusichern wollte. Böhmen war kein Teil des Reiches, wurde aber durch die Kurstimme fest an das HRR gebunden.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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22.12.2016, 17:13
Beitrag: #7
RE: Rudolf IV der Stifter
(22.12.2016 16:08)Sansavoir schrieb:  Die Auswahl der Kurfürsten erfolgte einerseits tatsächlich nach den Erzämtern, andererseits nach Gesichtspunkten von Karls Hausmacht- und Bündnispolitik in den 1350er Jahren. Er war noch ein „Pfaffenkönig“, der darauf achtete, dass die Interessen der Kirche gewahrt werden. Ebenso war er an guten Beziehungen zu den Päpsten Clemens VI. und Innozenz VI. interessiert. Aus diesen Gründen wurden drei Erzbischöfe zum Kurfürsten bestimmt.
Ich bezweifle dass Karls IV "Kirchenfreundlichkeit" Schuld daran war, dass die Erzbischöfe Kurfürsten waren. Bereits der Sachsenspielgel bezeichnet 1250 die Erzbischöfe als Kurfürsten - rund 100 Jahre vor Karl). Und die Erzbischöfe waren ja nicht nur Erzbischöfe sondern eben auch Träger eines Erzamtes. Der Erzbischof von Mainz war Erzkanzler für Deutschland, der Erzbischof von Köln Erzkanler für Italien (Reichsitalien) und der Erzbischof von Trier Erzkanzler für Burgund (gemeint sind die ehem. Gebiete der Königreiche Hoch- und Niederburgund, nicht das Herzogtum Burgund).

(22.12.2016 16:08)Sansavoir schrieb:  Dass der König von Böhmen Kurfürst wurde, lag nur daran, dass Karl selbst böhmischer König war und seinem Nachfolger auf alle Fälle die eine Stimme zusichern wollte. Böhmen war kein Teil des Reiches, wurde aber durch die Kurstimme fest an das HRR gebunden.

Der König von Böhmen galt seit den Tagen Heinrichs V als Kurfürst und hatte bereits damals das Erzamt des Schenken inne - lange vor Karl V. Und selbstverständlich war Böhmen ein Teil des Reiches wenn es auch eine Sonderrolle einnahm. Schliesslich war es u.a. auch deshalb zum kriegerischen Konflikt zwischen dem ersten habsburgischen König Rudolf I und dem böhmischen König Ottokar II Přemysl gekommen, weil dieser Rudolf seine Kurstimme (Ottokar wollte selbst deutscher König werden) verweigert hatte. Da Ottokar II gleichzeitig, als Mann einer Babenbergerin, das Erbe der Babenberger für sich beanspruchte und Österreich, Steiermark, Kärtnen und Krain erobert hatte, gab Rudolf (nach seinem Sieg über Ottokar auf dem Marchfeld) die Gelegenheit, seine Söhne mit Österreich und Steiermark zu belehnen.

Bereits der böhmische Herzog Wenzel I der Heilige, g. 935, war Vasall Heinrich I des Finklers, und sein Nachfolger, Boleslaw I der Grausame, war Vasall Ottos I des Grossen. Zwischenzeitlich gelang es den böhmischen Herzögen zwar, eine unabhängigere Rolle einzunehmen, seit Heinrich V aber war Böhmen ein fester Bestandteil des HRR wie Oberitalien auch. Möglicherweise sieht die borussische Geschichtsschreibung dies etwas anders - was für mich (und nicht nur für mich) aber nur ein weiterer Hinweis darauf ist, dass eine nationale Sichtweise der mittelalterlichen Geschichte eben den tatsächlichen damaligen Gegebenheiten nicht gerecht wird. Im Gegensatz zu Böhmen (inkl. Mähren), Oberitalien und auch zweitweise Teilen der Provence (Arleat) waren hingegen Ungarn, Polen (inkl. Schlesien) oder die Gebiete der Deutschritter nie Teile des HRR. Die Sonderrolle Böhmens innerhalb des HRR bestand im Wesentlichen darin, dass ein zusätzlicher König innerhalb des deutschen Königreichs (auch wenn dieser nicht Kaiser war) existierte. Andere Gebiete des HRR konnten keinen Königstitel für sich reklamieren (bis Napoleon kam). Der Titel eines Königs von Preussen war in nachmittelalterlicher nur möglich, weil dieser auch Herrscher über das ehemalige Deutschritterordensgebiet war, welches wie gesagt nie Bestandteil des HRR war.
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22.12.2016, 19:46
Beitrag: #8
RE: Rudolf IV der Stifter
Vielleicht ist die Zusammensetzung der Kurfürsten nur deshalb für viele ein Rätsel, weil von einer Vorstellung ausgegangen wird, die auf einer Fehlannahme beruht. Die Institution Kurfürsten wurde nicht von Karl IV. geschaffen, und er hat offensichtlich auch gar nicht bestimmt (bzw. bestimmen können), wer Kurfürst ist. (Dass Karl später Reichsstädte verpfändete, um seinem Schwiegersohn Otto von Bayern sein Kurfürstentum Brandenburg abzukaufen, kann übrigens als Hinweis gesehen werden, dass die Institution Kurfürsten sich ganz anders zusammengesetzt hätte, wenn Karl IV. die Fürsten und ihre Länder selbst hätte bestimmen können.)

Mit der Goldenen Bulle wurden jedenfalls keine neuen Kurfürstentümer geschaffen, sondern offensichtlich nur die bereits seit über 100 Jahren bestehenden Verhältnisse verschriftlicht. Alle Kurfürstentümer, die in der Goldenen Bulle als solche festgelegt sind, sind bereits mindestens 100 Jahre früher als Kurfürstentümer nachgewiesen, und bei dem weltlichen Kurfürstentümern ist auffallend, dass alle Dynastien ihr Kurfürstentum in der Zweiten Generation ausübten. (Das traf auf Karl selbst übrigens auch zu, der Böhmen von seinem Vater geerbt hatte, oder Otto, der Brandenburg von seinem Onkeln übernommen hatte.)
Zur Rolle der Kurfürsten im 13. Jahrhundert siehe Jörg K. Hoensch: Přemysl Otakar II. von Böhmen. Der goldene König. Verlag Styria, Graz u.a. 1989. Zwar geht es in dieser Arbeit nicht in erster Linie um das Thema Kurfürsten, aber im Zusammenhang mit der Lage im HRR während des Interregnums und der Wahl von Rudolf I. wird deutlich, dass Kurfürsten schon damals existiert haben müssen.

Wenn aber alle Kurfürstentümer (auch die drei Kur-Erzbistümer), die in der Goldenen Bulle aufgelistet sind, schon im 12. Jahrhundert als solche nachgewiesen sind, kann Karl IV. diese nicht selbst geschaffen haben und er konnte wohl auch mit der Goldenen Bulle nicht irgendeinen Einfluss darauf nehmen.

Was die Regelungen in der Goldenen Bulle betrifft, so wird gerne übersehen, dass die "Sonderrechte" keineswegs nur "Zuckerl" für die Kurfürsten waren, sondern nachvollziehbare, praktische Gründe hatten. Da sämtliche Regelungen offensichtlich Bezug auf die Doppelwahl von 1314 nehmen, habe ich den Eindruck, dass der Zweck der Regelungen (und vielleicht der Goldenen Bulle) ursprünglich der war, eine Wiederholung einer solchen Wahl zu verhindern. (Auffällig ist zumindest, dass in der Goldenen Bulle alles das verboten oder geregelt ist, dass diese Doppelwahl möglich gemacht hat: Privilegie für die Kurfürsten, wie die Unteilbarkeit der Kurterritorien, die aber auch sicherstellen, dass die Kurstimme auch wirklich nur im Besitz einer bestimmten Person ist; ein festgelegter Ort, wo die Wahl gemeinsam stattzufinden hat; Verpflichtung der Kurfürsten auf gemeinsames Handeln; Bestimmungen, wie bei einer Stimmengleichheit vorzugehen ist etc.)

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Auf der unrichtigen Annahme, Karl IV. hätte mit der Goldenen Bulle die Kurfürstentümer selbst geschaffen, dürfte dann (vermutlich im 19. Jahrhundert) das Märchen entstanden sein, dass die Herzöge von Österreich (Habsburger) bei der Vergabe der Kurfürstenwürden leer ausgegangen wären und Rudolf der Stifter (aus Wut natürlich, was denn sonst) eine Urkunde gefälscht hätte. Denn leer ausgehen setzt voraus, dass eine Chance etwas zu kriegen bestanden hätte, und da die sieben Kurfürstentümer 1356 alle vergeben waren, wie hätten die Österreicher da auf legalen Weg zu einer Kurstimme kommen können?

(Wenn die Kurfürsten bereits 1209 aktiv in Erscheinung getreten sind, was ich irgendwo gelesen, aber bisher nicht überprüft habe, ist übrigens klar, warum die Österreicher keine Kurfürsten waren, ihr Aufstieg begann erst mit der Wahl von Rudolf I. zum König des HRR, und der war zum Zeitpunkt seiner Wahl nur ein Graf und hatte nicht einmal den Rang eines Reichsfürsten. Zu dieser Zeit aber sind die Kurfürstentümer aus der Goldenen Bulle längst als Institution nachgewiesen.

Offensichtlich gibt es inzwischen auch bereits Arbeiten, die sogar behaupten, Rudolf IV. hätte von dieser Goldenen Bulle gar nichts gewusst, als er mit dem Privilegium maius für seine Familie eine Art "Programm" in Bezug auf ihre politische Stellung schuf. Dass er nichts gewusst hat, bezweifle ich persönlich zwar, aber dass die Privilegium maius-Geschichte nicht unbedingt eine Reaktion auf die Goldene Bulle war, wäre jedenfalls vorstellbar.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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22.12.2016, 20:16
Beitrag: #9
RE: Rudolf IV der Stifter
(22.12.2016 19:46)Teresa C. schrieb:  Mit der Goldenen Bulle wurden jedenfalls keine neuen Kurfürstentümer geschaffen, sondern offensichtlich nur die bereits seit über 100 Jahren bestehenden Verhältnisse verschriftlicht.

So ist es. Und das Rudolf der Stifter nicht unbedingt dirket auf die Goldene Bulle regiert hat, ist ebenfalls denkbar. Ihm muss klar gewesen sein, dass er an den überkommenen Verhältnissen nicht rütteln konnte. Das Mittelalter dachte tradtitionell d.h. je älter ein "Recht" war - und wenn es auch nur ein Gewohnsrecht war - desto unantastbarer war es. Aus diesem Grund hat Rudolf ja auch nicht eine Kurwürde für sich verlangt resp. die Schaffung eines achten Kurfürstentums für Österreich gefordert (das hätte er ja theor. auch machen können) sondern mit der Erfindung eines "Erzherzogs" eine Sonderrolle ins Leben gerufen. Vermutlich einerseits inspriert von den "Erzbischöfen" und andererseits von den "Erzämter", obwohl im Gegensatz zu Kanzler, Marschall, Mundschenk etc. der Herzog kein Hofamt war.
Und weil eben ein Recht mit zunehmenden Alter unagreifbarer wurde, ist er konsequenterweise nicht bei Barbarossa und dem "kleinen Freiheitsbrief" stehen geblieben, sondern hat gleich noch Julius Cäsar und Nero bemüht. Insofern ist eigentlich alles erklärbar.
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23.12.2016, 04:01
Beitrag: #10
RE: Rudolf IV der Stifter
Da es in diesem Thread um Rudolf den Stifter geht, nun zu ihm.

Wie bei den meisten Persönlichkeiten des Mittelalters gibt es keine wirklich Angaben zu seinem Charakter und seiner Persönlichkeit in zeitgenössischen Quellen, die als zulässig einzustufen sind. Die Beurteilung durch spätere Generationen (bis in die Gegenwart) hing von deren politischer Einstellung ab und von den "Zeitgeist-Moden".

Da er kein König oder Kaiser war, ist er international wenig präsent und wird gewöhnlich auf die Rolle eines Gegenspielers von Karl IV. und auf seine Rolle als "Verfasser" des als Privilegium maius bekannten Urkundenwerkes reduziert, wobei sein Bild seit dem 19. Jahrhundert stark von der parteiischen preußischen Geschichtsschreibung wie auch das anderer Habsburger verzeichnet wurde. Im 21. Jahrhundert wurde diese durch die "Glorifizierung" der Luxemburger weitergeführt, als deren Begleiterscheinungen auch eine Diffamierung der Habsburger zu beobachten ist. Das wurde gerade durch die bayrisch-tschechische Landesausstellung (leider) wieder bestätigt.

In der "österreichischen" Geschichtsschreibung wurde Rudolf IV. dagegen positiv gesehen, was allerdings natürlich nicht überraschend ist und natürlich ebenfalls subjektive Gründe hatte. In der Republik Österreich war er bis zu deren EU-Beitritt der einzige Habsburger, der im Geschichtsunterricht durchgenommen wurde, obwohl er weder König noch Kaiser war.

Eine faire und sachliche Darstellung dürfte sicher nicht einfach sein, wäre aber überfällig.
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Was wissen wir über diesen Fürsten, der immerhin bis ins 20. Jahrhundert erstaunlicherweise nicht gänzlich vergessen wurde, obwohl er weder König noch Kaiser war?

Herzog Rudolf IV. von Österreich (zu seiner Zeit hatte seine Familie längst begonnen, sich nach ihrem wichtigsten Herrschaftsgebiet zu nennen, was übrigens bei anderen Dynastien auch so gehandhabt wurde, eine Bezeichnung der Familie nach der Stammburg wurde erst im 18. Jahrhundert vor allem im wissenschaftlichen Rahmen üblich) lebte im 14. Jahrhundert. Zu dieser Zeit war seine Familie längst etabliert und zählte zu den bedeutendsten Adelsfamilien des Heiligen Römischen Reichs.

Er war ein Urenkel von König Rudolf I. (HRR) (als Graf von Habsburg noch Rudolf IV.), ein Enkel von König Albrecht I. und ein Neffe von Herzog Friedrich I. oder König Friedrich (III.), besser bekannt als Friedrich der Schöne, dem nach seinem Scheitern im Kampf um die Königskrone zumindest ein "ehrenvoller" Rückzug zugestanden worden war (und der späteren Historikern sogar als rechtmäßiger König galt.

König Rudolf I. war zum Zeitpunkt seiner Königswahl nur ein einfacher Graf, der nicht einmal dem Rang eines Reichsfürsten besaß. Die Ehen zweier Töchter mit zwei Kurfürsten, möglicherweise ein Preis, den er für seine Wahl zu hatte, werden für ihn daher kaum ein besonderes Opfer gewesen sein. Mit den Herzogtümern Österreich und Steiermark, die er durch den für ihn erfolgreichen Kampf mit dem damaligen König von Böhmen für seine Familie gewinnen konnte, belehnte er später mit Zustimmung der anderen Fürsten seine beiden Söhne. Da seine Familie dort ihre Herrschaft langfristig behaupten konnte, gelang so der erfolgreiche Aufstieg in den Stand der Reichsfürsten.

Als Herzog von Österreich wird König Rudolf I. ebenfalls als Herzog Rudolf I. gezählt, obwohl er streng genommen diesen Titel nicht selbst geführt hat. Da aber die Grafen von Habsburg sich in der Folge sich nach dem Herzogtum Österreich benannten (sozusagen der neue Familienname, nachdem sie dort die Herrschaft übernommen hatten), wird er natürlich auch zu den Herzögen von Österreich gezählt.

Unter den Grafen von Habsburg finden sich die Namen Rudolf und Albrecht relativ häufig. Rudolf der Stifter, der denselben Namen wie sein Urgroßvater trägt, war ein älteste Sohn von Herzog Albrecht II. von Österreich (1298-1358), zu dem ich vor einiger Zeit ein Jux-Rätsel eingestellt und auch einiges in einem anderen Thread hier http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=7232 gepostet habe.

Herzog Albrecht II. von Österreich, Beinamen "der Lahme" oder "der Weise" (nicht zu verwechseln mit König Albrecht II., der war als Herzog von Österreich bereits Albrecht V.) galt späteren Generationen als einer der sympathischsten, aber auch recht erfolgreichen Habsburger. Nach einer Untersuchung seiner Gebeine litt er an einer äußerst schmerzhaften chronischen Polyarthritis. Schon der Umstand, dass Symptome seiner Krankheit überliefert sind, ist aufschlussreich, da Krankheiten nach Möglichkeit im Spätmittelalter und wohl auch früher vertuscht wurden. Offensichtlich war eine Vertuschung in seinem Fall nicht möglich. Dass er zeitweise bewegungsunfähig war, hat ihn keineswegs daran gehindert, eine erfolgreiche Politik zu führen. Unter seiner Herrschaft, die ca. 28 Jahre dauerte, kamen das Herzogtum Kärnten und die Mark bzw. das Herzogtum Krain an die Familie, außerdem setzte er entscheidende Schritte, die es seinem Sohn Rudolf später möglich machten, die Herrschaft über die Grafschaft Tirol zu übernehmen.

Durch seine Ehe mit Gräfin Johanna von Pfirt gewann er mit Blick auf die damaligen "Lande" seiner Familie strategisch wichtige Herrschaften im Elsaß. Die Ehe dürfte nach dem Erfordernissen seiner Zeit recht harmonisch gewesen sein, allerdings dauerte es 15 Jahre, bis das erste Kind, eben Rudolf geboren wurde. (Aus dem, was überliefert ist, ist offen, ob die beiden zunächst keine Kinder hatten oder es nur Fehlgeburten gab.) Die beiden hatten noch weitere Kinder, darunter mindestens drei weitere Söhne.

Rudolf wurde 1339 geboren, vermutlich in Wien, er war noch relativ jung, als er seine ersten Herrscheraufgaben übernahm und er hatte wohl insofern Glück, als sein Vater zumindest lange genug am Leben war, dass er nach dessen Tod problemlos die Nachfolge (ohne eine Regierung durc einen Vormund) antreten konnte. Zudem hinterließ dieser eine recht intakte Herrschaft. Da seine Brüder zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig waren, hatte er auch nicht das Problem, sich mit ihnen ein gemeinsames Herrschaftsmodell einigen zu müssen.

Rudolf IV. war mit Katharina von Luxemburg, einer Tochter von Karls IV. aus dessen 1. Ehe, verheiratet. Er hatte keine Nachkommen mit ihr, doch lässt der Umstand, dass Katharina mehrmals zwischen ihm und ihrem Vater vermittelte und dass sie sich offensichtlich auch nach seinem Tod noch in Österreich aufgehalten hat, darauf schließen, dass die Beziehung der beiden zumindest im Rahmen dessen war, das damals als gute Ehe galt. 1364 schloss er mit seinem Schwiegervater Kaiser Karl IV. den Brünner Erbvertrag, der die gegenseitige Erbfolge zwischen den Herzögen von Österreich (Habsburger) und der Königen von Böhmen (Luxemburger) vorsah, der erste dieser Erbverträge, der zwischen beiden Familien geschlossen wurde.

Katharina war nach Rudolfs Tod mit dem Wittelsbacher Otto V. "dem Faulen", Herzog von Oberbayern und Markgraf von Brandenburg, verheiratet, dem ihr Vater später Brandenburg abkaufte, wofür er eine Menge "Reichsgut", vor allem Reichsstädte, verpfändete und dadurch übrigens die Stellung des Königs des HRR zugunsten seiner Hausmacht entscheidend schwächte. Ihre zweite Ehe blieb ebenfalls kinderlos. Über ihr weiteres Leben, sie überlebte auch ihren zweiten Ehemann und wurde sehr alt, gibt es kaum gesicherte Informationen, sie starb erst 1395, ob sie tatsächlich im Stephansdom begraben wurde, ist nicht eindeutig bewiesen. (Allerdings ist sie als Figur auf dem Kenotaph für ihren Mann im Wiener Stephansdom dargestellt und ihre Stifterfigur ist mit der von Rudolf am Singertor des Stephansdoms noch heute zu sehen.)

Auf Rudolf und das als "Freiheitsbriefe" bekannte "Privilegium maius" habe ich bereits in einem anderen Thread gepostet (der Link dazum siehe mein erstes Posting in diesem Thread).

Das Privilegium maius besteht aus fünf Urkunden (daher auch die Bezeichnung "Freiheitsbriefe"). Wenn also oft von der Urkunde die Rede ist, ist zumindest das so nicht richtig.

Das "Privilegium maius" wurde auch keineswegs von Francesco Petrarca zur Fälschung erklärt oder von ihm als solche etwa entlarvt, überliefert ist von Petrarca lediglich eine abfällige Bemerkung über den Inhalt einer in einen der Freiheitsbriefe inserierten Urkunde, wobei nicht ganz klar ist, da ist Sekundärliteratur widersprüchlich, ob Petrarca alle Freiheitsbriefe von Karl IV. erhalten hat oder nur den mit der inserierten Urkunde.

Tatsächlich als Fälschung wurden die "Freiheitsbriefe" erst im 19. Jahrhundert entlarvt, als Folge einer Material-Analyse, bei der sich herausstellte, dass die Urkunden alle auf einem Material geschaffen wurden, das aus der Zeit Rudolfs stammte.

Karl IV. hat Teile der "Freiheitsbriefe" sehr wohl bestätigt, wobei natürlich über seine Beweggründe dazu nur mutmaßen können. Bestätigte er die Punkte, die ihm berechtigt erschienen? Musste er gewisse politische Rücksichten nehmen? Oder spielten da auch persönliche Gründe eine Rolle?

Bei der (ersten) späteren Bestätigung durch König Friedrich III. (Rudolfs Großneffen) im Jahr 1442 geschah diese mit ausdrücklicher Zustimmung der Kurfürsten. (Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Entdeckung, die erst vor einigen Jahren gemacht wurde, Hinweise finden sich in der Biographie von Koller. Nach dieser scheint Friedrich nicht nur die Freiheitsbriefe ein wenig "verbessert" zu haben, sondern es gab zwei Ausfertigungen, die in Details von einander abweichen. Zumindest ist nicht auszuschließen, dass Friedrich III. den Kurfürsten eine Version zur Bestätigung vorgelegt hat, aber die andere verwendete.)
Zum Jahreswechsel 1452/53 führte er eine weitere Bestätigung durch, die allerdings mit dem Land Herzogtum Österreich und dessen Erhebung zum Erzherzogtum nichts zu tun hatte.

Zuvor waren die "Freiheitsbriefe" bereits Rudolfs anderem Großneffen, dem späteren König Albrecht II. durch König Sigmund bestätigt worden, wobei diese Bestätigung, über die ich bisher nichts Konkretes gefunden habe, vielleicht im Zusammenhang mit internen Konflikten innerhalb der Herzöge von Österreich zu sehen ist.

Über die tatsächliche Motivation Rudolfs zu der Schaffung dieser Urkunden ist nichts überliefert. Behauptungen dazu sind daher Mutmaßung oder weniger nett ausgedrückt reine Spekulation.

Die Qualität seiner Schöpfung gilt jedenfalls als beachtlich, die Personen, die diese "Freiheitsbriefe" geschaffen haben, sind leider unbekannt, müssen aber wahre Meister gewesen sein, die neben der künstlerischen Leistung auch eine Menge Fachwissen und Kenntnisse, darunter auch "historische" Kenntnisse zur Gestaltung von Urkunden hatten und denen es jedenfalls gelang, ein Bündel Urkunden zu schaffen, das für die damalige Zeit tatsächlich überzeugend wirkte.
Abgesehen davon aber ist weder überliefert, wann und wo die "Freiheitsbriefe" geschaffen wurden. Behauptungen wie dass Rudolf die Bulle Barbarossas abschnitt oder das Privilegium minus persönlich ins Feuer geworfen hätte, sind eindeutig in die Rubrik Märchen einzustufen, da nicht belegt.

Das Privilegium minus hat eine eigenen Geschichte, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Mehr dazu unter http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=7287.

Es stellt sich aber die Frage, ob diese Urkundenschöpfung wirkliche eine so schlimme Tat war, für die Rudolf so negativ gesehen wird, vor allem, wenn berücksichtigt wird, dass die Erstellung von gefälschten oder verfälschten Urkunden offensichtlich zu seiner Zeit durchaus üblich war. Daneben stellt sich auch die Frage, wer dadurch tatsächlich Schaden hatte, auf das Ganze gesehen.

Interessant ist, dass allerdings auch bei Rudolfs weiteren Taten die Wertung negativ ausfällt, die nun wirklich nicht negativ sind, oder bei anderen Fürsten offensichtlich in Ordnung sind oder schön geredet werden.

Dass Karl IV. für ihn auch ein Vorbild war, was ist daran negativ? Ob Rudolf wirklich alles nur machte, weil er in Konkurrenz zu seinem Schwiegervater stand und diesen zu übertreffen gedachte? Denn z. B. die Idee, eine Universität zu gründen, war für seine Länder keineswegs etwas Schlechtes? Karl IV. war durch seinen Aufenthalt in Paris entscheidend geprägt worden und hatte von dort einiges mitnehmen können, dass er später in seinem Königreich Böhmen verwirklicht hat. Spricht es nicht eigentlich für Rudolf, dass er, wie auch sein Schwiegervater für Neuerungen aufgeschlossen war?

Außer den "Freiheitsbriefen" versuchte Rudolf noch andere Ziele zu verwirklichen. Schon die Babenberger hatten versucht, Wien zu einem Bischofssitz zu machen und ihre Herzogtum Österreich aus der Abhängigkeit der Bistümer Passau und Salzburg zu lösen. Rudolf griff diese Idee auf, dass die Bischöfe von Passau und Salzburg davon nicht begeistert waren und alles taten, dass er da nicht durchkam, ist verständlich. Immerhin aber hatte das auf einem anderen Gebiet Folgen. Der Bau des Stephandoms in Wien erhielt neue Impulse.

Dass Rudolf Interesse daran hatte, die Herrschaft der Österreicher durch den Gewinn weiterer Gebiete zu vergrößern, was machten eigentlich seine Zeitgenossen? Gerade sein Schwiegervater ist da sehr tüchtig gewesen, Ludwig der Bayer ebenfalls, um nur einige prominente Beispiele zu nennen.

Auffallend ist, dass er (wie übrigens auch Karl IV.) dabei weniger auf erobern setzte, sondern weniger brutalen Methoden den Vorzug gab, bei ihm: Kauf und Verhandlungen. Mit Tirol "erbte" er eine sehr attraktive Grafschaft.

Mit Barnabo Visconti, dem damaligen Stadtherrn von Mailand, vereinbarte Rudolf die erste Eheschließung zwischen einem Reichfürsten und einer Visconti-Tochter. (Zwar fand die Eheschließung zwischen Thaddea Visconti und Stephan III. von Bayern etwas früher statt, sie wurde aber erst später vereinbart.) Da der Stadtherr von Mailand ein geographischer Nachbar der Herzöge von Österreich war, dürfte dieses Eheprojekt, das nach Rudolfs Tod auch verwirklicht wurde, nicht nur pekuniäre, sondern auch politische Gründe gehabt haben.

Wenig später starb Rudolf mit nicht einmal 26 Jahren in Mailand. Die Todesursache ist nicht geklärt, gewisse Regelungen, die er vor seiner Abreise von Wien dorthin getroffen hatte, legen allerdings nahe, dass er mit seinem Ableben gerechnet haben könnte, was die Vermutung zulässt, dass er bereits gesundheitliche Probleme gehabt hat.)

Seine letzte Ruhestätte fand er in der Herzogsgruft des Stephandoms in Wien, wobei seine inneren Organe in einer Kirche in der Nähe seines Sterbeortes beigesetzt wurden. (Das war damals, es gab noch keine Tiefkühlgeräte, eine durchaus übliche Vorgehensweise, wenn es notwendig war, einen Toten vom Sterbeort zum Begräbnisort überführen zu müssen. Mit den seit dem 17. Jahrhundert bei den Habsburgern üblichen Brauch hatte, Herz, Körper und innere Organe an drei verschiedenen Orten beizusetzen, hatte das noch nichts zu tun.)

Von seinem Leichentuch haben sich einige Teile erhalten, es handelte sich dabei um einen äußerst wertvollen orientalischen Stoff, der nur deshalb in den Handel gelangt war, weil er einen Webfehler enthielt.

Im Dommuseum in Wien ist heute noch ein zeitgenössisches Porträt von Rudolf zu besichtigen, das als das erste (Halb-)Frontalporträt des Abendlandes gilt und vor allem wegen seiner "realistischen" Darstellung als bemerkenswertes Kunstwerk gilt. (Zu sehen auf der Wikipedia.)

Im Unterschied zu den meisten Adeligen, die unter einem Beinamen bekannt wurden, ist bei ihm zumindest geklärt, wo dieser her ist. In einer Inschrift im Stephansdom in Wien wird er als "Fundator" bezeichnet. Der Name wird daher auf seine Förderung des Dombaus von Sankt Stephan bezogen, verbreitet ist auch, dass er sich auf die Gründung der Wiener Universität bezieht.

Wie bei den meisten Personen aus früherer Zeit, ist es heutiger Sicht schwierig, ein faires Urteil zu fällen, da den Übermittlungen der Zeitgenossen nicht vertraut werden kann. Hinzu kommt noch die wechselhafte Sicht späterer Generationen und "Zeitgeistmoden".

Auffallend ist jedenfalls, dass seine wichtigsten Projekte (Etablierung seiner Familie als ranghöchste Familie im Reich nach dem König / Kaiser, Gründung einer der ersten Universitäten jenseits der Alpen, "Erwerb" der gefürsteten Grafschaft Tirol (ein damals wichtiges Land) und Schaffung eines eigenen Landesbistums, inklusive Landesheiligen für das Herzogtum Österreich ob und unter der Enns), die er zumindest begonnen hat, ca. 100 Jahre nach seinem Tod alle verwirklicht waren.

Tirol kam unter ihm an seine Familie und konnte trotz einiger Krisen bis 1918 gehalten werden.

Die von ihm und seinen jüngeren Brüdern gegründete Wiener Universität, die seinen Namen trägt, war nicht nur eine der ersten Universitätsgründungen im deutschsprachigen Raum. Wenn die Karlsuniversität in Prag als "deutsche" Universität gezählt wird, war es die zweite Universitätsgründung, ansonsten die erste. Sie konnte sich auch trotz einiger anfänglicher Probleme (z. B. dass zunächst die theologische Fakultät verweigert wurde oder die problematische Finanzierung) dauerhaft etablieren, was allerdings vor allem seinem Bruder und Nachfolger, dem (Erz-)Herzog Albrecht III. vom Österreich, zu verdanken ist. (Aus dieser Gründung dürfte einer seiner Großneffen (Erz-)Herzog Albrecht VI. einiges gelernt haben, was er für seine eigenen Universitätsgründung in Freiburg im Breisgau nutzte.)

Das "politische" Programm der "Freiheitsbriefe" wurde mehr oder weniger von seinen Nachfolgern verwirklicht. Merkwürdig finde ich es übrigens, dass zumindest von Seiten der Reichsfürsten kaum irgendwelche Gegenmaßnahmen zu finden sind, das lässt zumindest die Frage zu, ob die ganze Brisanz dieser Fälschungen nicht später ein wenig überschätzt wurde. Unter der Herrschaft von Kaiser Friedrich III. wurde Wien auch ein eigenes Landesbistum.

Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass Rudolf IV. das Glück hatte, Nachfolger zu haben, die das, was er begonnen hatte, nicht nur zu verwirklichen versuchten, sondern denen das auch gelang, ist die Leistungsbilanz, so fragwürdig manches auch sein mag, gerade mit Blick auf die doch sehr kurze Dauer seiner Herrschaft erstaunlich.

Quellen:
- Wilhelm Baum: Rudolf IV. der Stifter. Seine Welt und seine Zeit. Styria, Graz 1996
- Österreich Chronik von Walter Kleindel (Die Ausgabe, die ich habe, ist zwar aus den 1970er Jahren und manches Detail daher von der neueren Forschung überholt, aber als Überblickwerk zur "österreichischen" Geschichte noch immer eines der besten, wenn es um Fakten geht und eine übersichtliche, sachliche Darstellung.)

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23.12.2016, 12:10
Beitrag: #11
RE: Rudolf IV der Stifter
Zitat:Mit Barnabo Visconti, dem damaligen Stadtherrn von Mailand, vereinbarte Rudolf die erste Eheschließung zwischen einem Reichfürsten und einer Visconti-Tochter. (Zwar fand die Eheschließung zwischen Thaddea Visconti und Stephan III. von Bayern etwas früher statt, sie wurde aber erst später vereinbart.) Da der Stadtherr von Mailand ein geographischer Nachbar der Herzöge von Österreich war, dürfte dieses Eheprojekt, das nach Rudolfs Tod auch verwirklicht wurde, nicht nur pekuniäre, sondern auch politische Gründe gehabt haben.
Die dritte, Antonia heiratete Eberhard den Milden von Württemberg, und brachte gigantische 70.000 Gulden Mitgift ins damals notleidende Haus Württemberg. Die Inventur ihrer "Aussteuer" ist erhalten, sie brachte außer allerlei teuren Kleidern einen ganz erheblichen Packen an Büchern mit. Auch den Gartenbau hat die "Fraw von Meylant" den Quellen nach ganz erheblich beeinflusst.
Insgesamt scheint die Dame ein ganz erheblicher "Gewinn" gewesen zu sein.

Noch am Rande, das damals schon im Abstieg befindliche Haus Landau-Grüningen, eine württ. Nebenlinie (zeitweilig eher Hauptlinie) hat zsZ eine außereheliche Visconti-Tochter zur Frau bekommen.

Man möge mir den OT-Beitrag verzeihen, lediglich zur Bedeutung der Visconti-Ehen, wobei ich zur Wittelbacherin und zur Habsburgerin keine Details weiß, wird aber ähnlich gewesen sein. Vermute ich einfach mal.

Übrigens ein Klasse-Beitrag, Teresa!

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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23.12.2016, 12:32
Beitrag: #12
RE: Rudolf IV der Stifter
Zitat:(Aus dieser Gründung dürfte einer seiner Großneffen (Erz-)Herzog Albrecht VI. einiges gelernt haben, was er für seine eigenen Universitätsgründung in Freiburg im Breisgau nutzte.)

Das sieht man im "Ländle" anderst.
Hier hält man die Ehefrau des Albrecht für die "Ideengeberin" die als geborene Pfalzgräfin die Heidelberger Uni ja erlebt hatte.
Was insofern, da ihr Sohn aus erster Ehe die Tübinger Uni gründete, schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat.
Übrigens eine sehr bemerkenswerte Frau, die Mechthild von der Pfalz.

Aber jetzt genug der Einwürfe.

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23.12.2016, 14:08
Beitrag: #13
RE: Rudolf IV der Stifter
(23.12.2016 12:32)Suebe schrieb:  
Zitat:(Aus dieser Gründung dürfte einer seiner Großneffen (Erz-)Herzog Albrecht VI. einiges gelernt haben, was er für seine eigenen Universitätsgründung in Freiburg im Breisgau nutzte.)

Das sieht man im "Ländle" anderst.
Hier hält man die Ehefrau des Albrecht für die "Ideengeberin" die als geborene Pfalzgräfin die Heidelberger Uni ja erlebt hatte.
Was insofern, da ihr Sohn aus erster Ehe die Tübinger Uni gründete, schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat.
Übrigens eine sehr bemerkenswerte Frau, die Mechthild von der Pfalz.

Aber jetzt genug der Einwürfe.

Ich habe mich dazu bereits in meinem Thread zu Albrecht VI. hier im Forum geäußert (und dort auch Sekundärliteratur) angeführt. Zumindest nach den Quellen, die zur Gründung der Universität vorliegen, lässt sich eine direkte Beteiligung von Mechthild nicht nachweisen.

(Ich bin übrigens inzwischen auf eine Theorie gestoßen, wonach die Idee aus Mechthild die Universitätsgründerin (oder -mitgründerin) zu machen, eine Reaktion auf Reformbestrebungen von Kaiser Joseph II. gewesen sein dürfte, mit dem die Universität Freiburg offensichtlich wegen seinen Plänen zur Reformierung von Universitäten im Konflikt war, wobei die Mutter von Joseph II. das Vorbild gewesen sein könnte.) Aber darüber sollten wir doch besser im Albrecht-Thread diskutieren.

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23.12.2016, 14:48
Beitrag: #14
RE: Rudolf IV der Stifter
(23.12.2016 12:10)Suebe schrieb:  
Zitat:Mit Barnabo Visconti, dem damaligen Stadtherrn von Mailand, vereinbarte Rudolf die erste Eheschließung zwischen einem Reichfürsten und einer Visconti-Tochter. (Zwar fand die Eheschließung zwischen Thaddea Visconti und Stephan III. von Bayern etwas früher statt, sie wurde aber erst später vereinbart.) Da der Stadtherr von Mailand ein geographischer Nachbar der Herzöge von Österreich war, dürfte dieses Eheprojekt, das nach Rudolfs Tod auch verwirklicht wurde, nicht nur pekuniäre, sondern auch politische Gründe gehabt haben.
Die dritte, Antonia heiratete Eberhard den Milden von Württemberg, und brachte gigantische 70.000 Gulden Mitgift ins damals notleidende Haus Württemberg. Die Inventur ihrer "Aussteuer" ist erhalten, sie brachte außer allerlei teuren Kleidern einen ganz erheblichen Packen an Büchern mit. Auch den Gartenbau hat die "Fraw von Meylant" den Quellen nach ganz erheblich beeinflusst.
Insgesamt scheint die Dame ein ganz erheblicher "Gewinn" gewesen zu sein.

Noch am Rande, das damals schon im Abstieg befindliche Haus Landau-Grüningen, eine württ. Nebenlinie (zeitweilig eher Hauptlinie) hat zsZ eine außereheliche Visconti-Tochter zur Frau bekommen.

Man möge mir den OT-Beitrag verzeihen, lediglich zur Bedeutung der Visconti-Ehen, wobei ich zur Wittelbacherin und zur Habsburgerin keine Details weiß, wird aber ähnlich gewesen sein. Vermute ich einfach mal.

Übrigens ein Klasse-Beitrag, Teresa!

Mir ist nur bekannt, dass ihre Schwestern Viridis (die "Habsburgerin"), Thaddea und Maddalena (die "Wittelsbacherinnen") eine Mitgift in der selben Höhe erhalten haben. Eine Behauptung aus einem Fachbuch, dessen Historizität sehr zweifelhaft ist (Hellmut Andics, Die Frauen der Habsburger), Viridis wäre im Unterschied zu ihren Schwestern eine uneheliche Tochter gewesen (und die sich Leopold III. von Österreich verliebte), halte ich für Quark. Erstens gibt es offensichtlich Belege, dass dieses Eheprojekt noch Rudolf IV. (seinem Bruder) in die Wege geleitet wurde (was eine Liebesgeschichte völlig unglaubwürdig als Grund völlig unglaubwürdig macht) und zweitens, wenn ich mir die damaligen Eheprojekte bei den "Habsburgs" ansehe, ist es nicht gerade glaubwürdig, dass die sich im Fall Visconti mit schechterer "Ware" zufrieden gegeben hätten.

Wird berücksichtigt, dass Barnabo Visconti und seine Familie in Mailand sicher einflussreich waren, aber noch Stadtherren (erst unter seinem Neffen, der ihn übrigens gestürzt hat, wurde Mailand zum Herzogtum erhoben), dürften die ungewöhnlich hohen Mitgiften wahrscheinlich der Preis gewesen sein, dass die vier Visconti-Damen über ihrem Stand verheiratet werden konnte. Dabei dürfte die Ehevereinbarung zwischen Rudolf IV. von Österreich und Barnabo Visconti (bei der auch politische Gründe aufgrund der "Nachbarschaft" eine Rolle gespielt haben dürften) diese "Messalliancen" vielleicht erst salonfähig gemacht haben (und ein wesentlicher Schritt in Richtung Mailand wird Herzogtum gewesen sein).

Interessant ist übrigens, dass eine fünfte wesentlich jüngere Schwester (Elisabetta Visconti) später ebenfalls einen Herzog von Bayern (Ernst von Bayern-München, ihr Sohn war jener Albrecht III., der durch seine Verbindung mit Agnes Bernauer bekannt ist) heiratete, aber wesentlich weniger Mitgift bekam, als ihre Schwestern. Allerdings erfolgte diese Eheschließung erst nach dem Sturz ihres Vaters, das könnte der Grund gewesen sein.

Lustig finde ich in diesem Zusammenhang übrigens die Legende vom wilden gewalttätigen Visconti-Blut, das diese Damen vererbt haben sollen. Fast alle Söhne (inklusive einer Tochter) sollen dieses wilde Blut geerbt haben, halbe Südländer gewesen sein, äußerst gewalttätig etc.

Aber die Visconti-Ehen wären wohl ein Thema für einen eigenen Thread.

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23.12.2016, 16:29
Beitrag: #15
RE: Rudolf IV der Stifter
Zitat:Mir ist nur bekannt, dass ihre Schwestern Viridis (die "Habsburgerin"), Thaddea und Maddalena (die "Wittelsbacherinnen") eine Mitgift in der selben Höhe erhalten haben. Eine Behauptung aus einem Fachbuch, dessen Historizität sehr zweifelhaft ist (Hellmut Andics, Die Frauen der Habsburger), Viridis wäre im Unterschied zu ihren Schwestern eine uneheliche Tochter gewesen (und die sich Leopold III. von Österreich verliebte), halte ich für Quark. Erstens gibt es offensichtlich Belege, dass dieses Eheprojekt noch Rudolf IV. (seinem Bruder) in die Wege geleitet wurde (was eine Liebesgeschichte völlig unglaubwürdig als Grund völlig unglaubwürdig macht) und zweitens, wenn ich mir die damaligen Eheprojekte bei den "Habsburgs" ansehe, ist es nicht gerade glaubwürdig, dass die sich im Fall Visconti mit schechterer "Ware" zufrieden gegeben hätten.

Der Barnabo Visconti hat seine unehelichen Töchter natürlich nicht im Hochadel untergebracht. Der Ludwig (Lutz) von Landau-Grüningen verheiratet mit Elisabetta Visconti (Mutter verm. Beltrameda Cassa) wird in den Quellen nirgends mehr Graf genannt. Er war als Condottieri im Dienste ital. Städte tätig. zdZ ein beliebter Beruf unter dem Adel Deutschlands (es waren insgesamt wohl Tausende) die alle unter erheblichen finanziellen Druck geraten waren.
Die uneheliche Elisabetta soll 12.000 Gulden Mitgift bekommen haben.
Schon ein Unterschied zu den 70.000 die der "Vetter" Eberhard einstreichen konnte.

Die Elisabetta soll übrigens im Kreuzgang des Klosters Heiligkreuztal beerdigt sein, Hauskloster der Landau-Grüningen.
Wer mal in die Gegend kommt, so ca. 7 km von der Heuneburg, ein komplett erhaltenes hochgotisches Kloster, Teiche dabei (Fastenzeit) ein kleiner Klosterort, nur wenig Besucher. Kannst im Sommer mitten im Ort in den Teichen baden...
Ein richtiger Geheimtipp.

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27.12.2016, 22:14
Beitrag: #16
RE: Rudolf IV der Stifter
Eine gute, da wohltuend sachliche Quelle zu Rudolf dem Stifter ist der Artikel in der Neuen Deutschen Biograpie, im Internet abrufbar unter https://www.deutsche-biographie.de/gnd11...ndbcontent.

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28.12.2016, 10:41
Beitrag: #17
RE: Rudolf IV der Stifter
(23.12.2016 16:29)Suebe schrieb:  Der Barnabo Visconti hat seine unehelichen Töchter natürlich nicht im Hochadel untergebracht. Der Ludwig (Lutz) von Landau-Grüningen verheiratet mit Elisabetta Visconti (Mutter verm. Beltrameda Cassa) wird in den Quellen nirgends mehr Graf genannt. Er war als Condottieri im Dienste ital. Städte tätig. zdZ ein beliebter Beruf unter dem Adel Deutschlands (es waren insgesamt wohl Tausende) die alle unter erheblichen finanziellen Druck geraten waren.
Die uneheliche Elisabetta soll 12.000 Gulden Mitgift bekommen haben.
Schon ein Unterschied zu den 70.000 die der "Vetter" Eberhard einstreichen konnte.

Es gehörte zur Politik von Bernabo Visconti, seine unehelichen Töchter an Condottieri zu verheiraten. Abgesehen von Elisabetta/Isotta mit Lutz Landau wurde Donnina mit John Hawkwood und Riccarda mit Betrand de La Salle verheiratet.
Bernabo soll insgesamt (ist hist. nicht gesichert) - mit allen illegitimen und legitimierten - 36 Kinder gehabt haben. Von ihm existierte ein zeitgenössisches Lide mit der Strophe "links von Po, rechts vom Po, alles Kinder von Bernabo". Dasselbe Liebe wurde allerdings auch von Nicolo III von Este gesungen.
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28.12.2016, 10:50
Beitrag: #18
RE: Rudolf IV der Stifter
(23.12.2016 14:48)Teresa C. schrieb:  Wird berücksichtigt, dass Barnabo Visconti und seine Familie in Mailand sicher einflussreich waren, aber noch Stadtherren (erst unter seinem Neffen, der ihn übrigens gestürzt hat, wurde Mailand zum Herzogtum erhoben), dürften die ungewöhnlich hohen Mitgiften wahrscheinlich der Preis gewesen sein, dass die vier Visconti-Damen über ihrem Stand verheiratet werden konnte.

Ich glaube nicht, dass die Visconti vor dem Herzogstitel nicht "standesgemäss" waren. Neben Habsburger, Wittelsbacher und Württemberger haben auch die Plantagenets (Violante, Tochter von Galeazzo II, dem Bruder von Bernabo, heiratete Lionel von Clarence, Sohn von Eduard III) und die Könige von Zypern Visconti-Töchter (Bernabos Tochter Violante heiratete Peter II den Dicken von Lusignan) geheiratet - vom italienischen Hochadel ganz zu schweigen. Übrigens war Bernabos Tochter Antonia, bevor sie Eberhard III den Milden heiratete, mit Friedrich III von Aragon verlobt. Eine weitere Tochter Bernabos, Eloisa, war ebenfalls Königin von Zypern (verh. mit Janus von Lusignan) und Lucia, ebenfalls Tochter von Bernabo, war mit Ludwig II von Valois-Anjou (König von Neapel) verlobt gewesen.
Es existiert im Übrigen eine These, Lucia sei mit Konrad VI von Grüningen-Landau verheiratet gewesen. Ist allerdings nicht mehr als eine These.
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20.01.2017, 16:03
Beitrag: #19
RE: Rudolf IV der Stifter
Ich habe den Eindruck, dass diese Frage der Ebenbürtigkeit in vielen Fällen im Spätmittelalter nicht so eindeutig ist bzw. für uns heute vielleicht gar nicht mehr erkennbar ist.

Nehmen wir z. B. die Grafen von Cilli, eine Adelsfamilie aus dem heutigen Slowenien. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass sie eigentlich unbedeutende Grafen waren, die halt das Glück hatten, im Königreich Ungarn einigen Einfluss zu haben, weswegen der spätere König / Kaiser Sigmund, als er noch ausschließlich ungarischer König war, eine Dame aus ihrer Familie heiratete. Daraufhin wurde die Familie von ihm gefördert, wobei er so auch erfolgreich die Habsburger bzw. deren leopoldinischen Familienzweig schädigen konnte, als die Grafen aufgrund von Besitzungen bzw. Lehen in den Herzogtümern Steiermark, Kärnten und Krain deren Untertanen waren. Indem Sigismund "gegen das Reichsrecht" seinen Schwager und dessen Neffen 1436 zu Reichsgrafen erhob, erlangten sie den (unverdienten) Höhepunkt ihrer Karriere. Als Reichsgrafen waren sie den Dynastien wie den Habsburgern oder den Wittelsbachern de jure gleichgestellt.

Eine verbreitete historische Einschätzung sieht die Grafen von Cilli somit als (reichsferne) unbedeutende edelfreie Familie, denen die Protektion durch eine vorteilhafte Heirat den Aufstieg in den Hochadel verschaffte. Möglicherweise ist hier auch die Ursache für die schlechte Presse, die Barbara von Cilli hatte, in erster Linie zu finden. Dass diese Barbara den Ruf hatte, eine Schönheit zu sein, dürfte für spätere Generationen dann zu einer weiteren Legendenbildung geführt haben: Barbara als schöne Frau aus fragwürdigen Verhältnissen, der ein leichtsinniger königlicher Lebemann verfällt.

Dazu ein Beispiel aus der Literatur, dass die "schöne" Barbara, aber auch Sigismund in besonders übles Licht rückt. In dem historischen Roman "Herrmann von Unna" der in Sachsen ansässigen Schriftstellerin Benedikte Naubert (Christiane Benedikte Naubert (1752-1819) findet sich eine wahre "Schauergeschichte" über das Zusammenfinden der beiden: Statt um seinen ungarischen Thron, der schwer gefährdet ist, zu kämpfen, verbringt "Wenzels Bruder" seine Zeit damit, die schöne Barbara zu umgarnen bzw. sich von dieser umgarnen zu lassen. (Neuberts fiktiver Titelheld ist da wirklich am Verzweifeln, wo es für ihn doch so wichtig wäre, sich bewähren zu können, und nun zeigt sich für ihn, dass er durch seinen Wechsel vom "faulen" Wenzel zu dessen Bruder vom Regen sozusagen in die Traufe gekommen ist.)

Barbara ist hier eine moralisch zweifelhafte Person und verheiratet, um sie ins Bett zu kriegen (Barbara will zuvor von ihm geheiratet werden), ist Nauberts Sigismund nur zu gerne bereit, ihren Ehemann umzubringen. Nach erfolgter Tat wird geheiratet (und der Titelheld flüchtet, findet dann doch noch in Sigismunds Schwiegersohn einen guten Gefolgsherrn und gerät allerdings bald in neue Schwierigkeiten, die uns hier nicht zu kümmern brauchen.)

Jedenfalls wird die königliche Mordgeschichte noch besser (aus heutiger Sicht: schauriger). Nicht genug, dass das lasterhafte Paar Barbara und Sigismund ihre Ziele mit einem Mord verwirklicht und ungeschoren bleibt, die fiktive Heldin im Laufe der Handlung noch heraus, dass Sigismunds erste Frau, der er seine ungarische Krone verdankt (die rechtmäßige Herrscherin wäre sie, er ist nur der Gemahl und Mitregent der Königin und seit ihrem (im Roman angeblichen) Tod der Nachfolger bzw. Regent für die gemeinsame Tochter), noch am Leben ist. Er hat sie in ein Kloster gesperrt und für tot erklären lassen. Da Elisabeth von Luxemburg, historisch die Tochter von Barbara und Sigmund, im Roman allerdings eine relativ positive Figur ist, versteht sich natürlich von selbst, dass sie hier nicht die Tochter der bösen Barbara sein darf, sondern aus seiner ersten Ehe mit der "guten" und bedauernswerten Maria ist und keine Ahnung hat, dass ihre Mutter gar nicht tot ist.

Damit die geschichtlichliche Fakten am Schluss aber noch stimmen, gibt sich die gute Maria von Ungarn nach Aufdeckung damit zufrieden, dass ihre Tochter und ihr Schwiegersohn endlich wissen, dass sie noch am Leben ist und sie nun im Kloster, wo sie dann doch bleiben will, regelmäßig besuchen werden. Barbara und ihr Sigismund bleiben also letztlich ungeschoren und sind am Ende des Romans nicht mehr wichtig, die Leserschaft wird über diese "literarische" Ungerechtigkeit" damit getröstet, dass die Zukunft bei Elisabeth und Albrecht in besseren Händen sein wird.
(Nauberts Darstellung ist insofern interessant, als sie vor allem in Sachsen lebte, also keineswegs sich auf Anhieb ein persönliches oder lokal bedingtes Motiv feststellen lässt, dass die ausschließlich negative Zeichnung von Sigismund und Barbara erklärt, wobei ersterer eindeutig schlechter wegkommt als sein Halbbruder Wenzel.)

Nun, eindeutig belegt ist, dass die historische Barbara noch ein Kind war, als Sigismund sich mit ihr verlobt hat, er musste sich deshalb noch einige Jahre mit der tatsächlichen Eheschließung gedulden, ein Ehemann musste somit nicht beseitigt werden, zum Zeitpunkt der Eheanbahnung war vermutlich auch nicht vorhersehbar, wie es um das Äußere der zukünftigen Frau einmal bestellt sein würde.

Dass die Grafen von Cilli aber vermutlich keine armen, unbedeutenden Grafen waren, wie gerne angenommen wird, denen erst die Schönheit der "bösen" Barbara sozusagen den Aufstieg in den Reichsfürstenstand einbrachte, ist am Stammbaum zu erkennen. Da finden sich eine ganze Reihe von Ehen mit bedeutenden Adelsfamilien und vor allem mit Herrscherhäusern vom Balkan und dem Jagiellonen, mehrere davon offensichtlich bereits 14. Jahrhundert. Offensichtlich waren sie bereit im 14. Jahrhundert in Ost- und Südeuropa eine einflussreiche Adelsfamilie.

Mit den Stadtherren in den italienischen Städten könnte es vermutlich ähnlich gewesen sein. Daneben tauchen immer wieder Grafenfamilien auf, die angeblich nicht besonders bedeutend waren, aber die eine oder ander Ehe oder Verlobung in eine bedeutende Reichsfürstenfamilie lässt sich doch nachweisen.

Ziemlich sicher dürften bei Eheschließungen im Mittelalter nicht nur der Titel ausschlaggebend gewesen sein, sondern die tatsächliche Machtposition der Familie bzw. die Mitgiften. Daneben können auch politische Gründe eine Rolle gespielt haben. Dass die Republik Venedig mindestens zweimal eine Senatorentochter zu einer Tochter der Republik erheben ließ, um die Damen in der Folge mit einem König bzw. einem Großherzog zu verheiraten, dürfte sicher auch ein Versuch gewesen sein, so etwas wie eine standesgemäße Braut bieten zu können.

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30.06.2018, 10:34
Beitrag: #20
RE: Rudolf IV der Stifter
Ich habe vor einiger Zeit übrigens einen Aufsatz gelesen, wo es um die Frage geht, seit wann die Reichsstände sozusagen als das feststanden, was wir heute als "fixe Größe" bezeichnen würden. Nach diesem soll die tatsächliche Festlegung von Reichsständen und Klarstellung der tatsächlichen Positionen erst im 15. begonnen und sich im 16. Jahrhundert durchgesetzt haben. Für mich würde diese These folgende Beobachtungen stützen:

- Tatsächlich habe ich den Eindruck, dass die Positionen und Grenzen einzelner Herrschaftsgebiete und Territorien auf dem Areal des Heiligen Römischen Reiches sich erst seit dem 16. Jahrhundert eindeutig feststellen lassen.
- Einflussreiche wichtige Städte (damals bereits Reichsstädte oder später in diesem Rang) gab es zum Beispiel bereits im Hochmittelalter, dennoch wurde im 19. Jahrhundert das Spätmittelalter (das 15. Jahrhundert und besonders das erste Fünftel des 16. Jahrhunderts) als Blütezeit der Reichsstädte (und für das 19. Jahrhundert wichtig: des "städtischen" Bürgertums) gesehen.
- Auffällig ist auch, dass Erhebungen von Familien oder Personen in den Reichsadel durch den Kaiser seit Ende des 15. Jahrhunderts an politischer Brisanz verloren hatten. Für mich entsteht der Eindruck, dass die Erhebung in den Reichsadel zwar eine sehr ehrenhafte Sache war, die mit Verdiensten, Geld und Protektion erreichbar war, das sie aber keineswegs mehr politische Brisanz besaß und daher Konflikte auslösen könnte.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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