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Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde?
06.11.2021, 13:51
Beitrag: #8
RE: Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde?
Inzwischen habe ich damit begonnen, dass ich bei einer historischen Analyse stets versuche, den zeitlichen Ablauf (inklusive Daten) zusammenzufassen, und gerade dadurch schon eine ganze Menge interessanter Entdeckungen gemacht.

Zumindest sind bei Konrad von Kauffungen (früher Kunz von Kauffungen) einige Aspekte aufgefallen, die vielleicht Indizien dafür sein könnten, dass hinter dem Prinzenraub ursprünglich mehr gesteckt hat, was allerdings letztlich nicht zum Tragen kam, da es Kunz nicht gelang, mit den Prinzen das Königreich Böhmen zu erreichen.

Exkurs zu Namensschreibung: Kunz oder Konrad. Auf der Wikipedia / Diskussionsseite gibt es die Forderung, den armen Kunz doch endlich seinen richtigen Namen Konrad zu wiederzugeben. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion...Kauffungen

Der Altenburger Prinzenraub fand im Juli 1455 statt, wobei ich jetzt einmal davon ausgehen, dass zumindest die Eckdaten zwischen der Tat und der Hinrichtung von Kunz / Konrad von der Wikipedia stimmen. In diesem Fall entführt Kunz / Konrad mit zwei weiteren Rittern Wilhelm von Schönfels und Wilhelm von Mosen sowie Gefolge die beiden sächsischen Prinzen Ernst und Albrecht in der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 aus dem Altenburger Schloss.

Die Entführer brechen daraufhin ins Königreich Böhmen auf, wenig später schlagen sie (und wohl auch ihr Gefolge): Kunz ist nun mit Prinz Albrecht unterwegs, die beiden Wilhelme mit Prinz Ernst.

Kunz / Konrad wird wenig später bei Waschleithe gestellt und Prinz Albrecht befreit. Kunz / Konrad wird zunächst im Kloster Grünhain festgesetzt, der Amtshauptmann von Zwickau lässt ihn dann ins Schloss Osterstein bringen. Am 14. Juli 1455 wird er in Freiberg hingerichtet, also nicht einmal eine Woche nach der Entführung.

Die Wilhelme verstecken den Prinzen Ernst zunächst. Nachdem sie erfahren haben, dass Kunz gefangen genommen wurde, verhandeln sie und erreichen im Austausch gegen Prinz Ernst freien Abzug und Straffreiheit, müssen allerdings dafür ins Exil gehen. In diesem Zusammenhang wäre sicher interessant zu wissen, wohin die beiden Mittäter von Konrad / Kunz ins Exil gingen.

Hier stellen sich übrigens weitere Fragen:
Warum trennten sich Kunz und die Wilhelme? Warum teilen sie die Prinzen auf? War von Anfang an geplant, auf zwei verschiedenen Routen ins Böhmische Königreich zu gelangen oder war die Trennung eine Folge einer aktuellen Lage.

Interessant ist übrigens auch die Frage, warum Kunz, wo er doch der eigentliche Drahtzieher gewesen sein soll, eigentlich den Prinzen Albrecht bekam und die beiden Wilhelme den Prinzen Ernst. Ernst war nämlich der ältere der beiden, also wäre anzunehmen, dass Kunz als der Initiator sich natürlich diesen Prinzen behalten hätte.

Wenn Kunz und die Wilhelme bereits verfolgt wurden, stellt sich auch die Frage, ob sie einfach Pech hatten, weil die Entführung zum Beispiel beobachtet und daher sofort eine Verfolgung organisiert werden konnte oder ob sie die Entführung einfach schlecht geplant war. In diesem Zusammenhang wäre es sicher nicht uninteressant, zu wissen, ob Kunz die Fehde tatsächlich nicht termingerecht angekündigt hatte oder dies später nur behauptet wurde? (Klären lässt sich das sicher nicht, allerdings habe ich bei meiner Beschäftigung mit Kaiser Friedrich III. mehrmals festgestellt, dass in diesem Punkt damals durchaus mit Tricks gearbeitet wurde, wie den Fehdehandschuh an jene Residenz des Kaisers zu schicken, wo sich dieser gerade nicht aufhielt etc.)

Wie aber sah es mit den politischen Verhältnissen zu dieser Zeit im Königreich Böhmen aus? Vielleicht ist nicht uninteressant, dass Georg von Podiebrad damals noch nicht der König, sondern noch Verweser dieses Königreichs war. Eigentlicher König von Böhmen war damals noch Ladislaus Postumus, der erst 1457 starb, übrigens in Prag. Dort war er 1453 zum König von Böhmen gekrönt worden. Georg war es damals gelungen, seine Position als Verweser, in welche er durch Kaiser Friedrich III. (zurzeit von dessen Vormundschaft über Ladislaus) gelangt war, zu behalten.

Dieser König Ladislaus war, was die meisten in unserem Forum vermutlich aber ein Sohn von König Albrecht II. (Habsburger, Albrechtinische Linie) und Enkel von Kaiser Sigismund (Luxemburger), außerdem ein Cousin von Kaiser Friedrich III. (Habsburger, Leopoldinische Linie). Er war nicht nur König von Böhmen, sondern auch Herzog von Österreich (als Herrscher über das Herzogtum Österreich) und König von Ungarn. Während des böhmische Königreich und das Herzogtum Österreich zum Heiligen Römischen Reich gehörten, war das ungarische Königreich kein Teil des Heiligen Römischen Reiches, sondern unterstand nur dem Papst.

Ladislaus Postumus, bei dem aufgrund seines Alters gewöhnlich nicht klar ist, inwieweit er tatsächlich selbst regierte, hatte seit 1452 dauernd Konflikte mit Kaiser Friedrich III. Dieser war der Schwager des sächsischen Kurfürstens und somit der Onkel der entführten Prinzen.

Über die tatsächlichen Verhältnissen zwischen Friedrich dem Sanftmütigen und Ladislaus Postumus habe ich leider nichts gefunden. Berücksichtigt man den Umstand, dass die Wettiner wie auch Habsburger zu dieser Zeit kein "einiges Haus" waren, muss die Beziehung zwischen dem König und dem Kurfürsten nicht unbedingt schlecht gewesen sein.

Eindeutig nicht gut, dürfte allerdings die Beziehung zwischen Ladislaus und Herzog Wilhelm, den Bruder von Friedrich dem Sanftmütigen, gewesen sein. Wilhelm war mit Anna, einer älteren Schwester von Ladislaus verheiratet, erhob Ansprüche auf das Herzogtum Luxemburg (das gehörte damals bereits de facto dem Herzog von Burgund) und dürfte auch am Königreich Böhmen oder Teilen von diesen ein gewisses Interesse gehabt haben.

Es stellt sich daher die Frage, ob nicht vielleicht Ladislaus oder seine damaligen Ratgeber ein gewisses Interesse daran hatten, die Söhne des Kurfürsten, die zudem auch die Neffen des Kaisers waren, in ihre Gewalt zu bekommen. Berücksichtigt man außerdem, dass Ladislaus immerhin ungarischer König war und dieses Königreich nicht zum Reich gehörte, hätte es der geeignete Zufluchtsort für Kunz / Konrad und seine Familie sein können.
Möglicherweise hatte Konrad / Kunz von dieser Seite also eine gewisse Ermutigung erhalten, die ihn und seine Mittätern zu der Tat veranlassten,

War der Prinzenraub von Altdorf doch keine reine Verzweiflungstat, sondern eine hochbrisante politische Aktivitäten?

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde? - Teresa C. - 06.11.2021 13:51

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