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Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde?
09.11.2021, 01:20
Beitrag: #11
RE: Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde?
Das Problem ist wirklich, dass über die beiden Wilhelme nichts weiter bekannt ist. Praktisch kamen sie aus dem Nichts und nachdem sie den Prinzen Ernst an den Grafen von Hartenstein übergaben, verliert sich ihre Spur wieder.

Inwieweit der Prinz Ernst als der Ältere von den Entführern als die wichtigere Geisel angesehen wurde, ist auch eine Überlegung wert. Die Primogenitur hatte sich noch nicht völlig bei den Wettinern durchgesetzt.
Friedrich der Sanftmütige legte aber dafür die Grundsteine. Er forderte die bedingungslose Unterordnung seiner Brüder (hauptsächlich seines Bruders Wilhelm III.), des Adels und der Amtsträger unter seine Landesherrschaft. Hier ist auch die Ursache des Konfliktes, der zum Prinzenraub führte zu suchen. Kunz von Kaufungen war noch in den Traditionen des mittelalterlichen Lehnswesen verhaftet, Friedrich der Sanftmütige begann den Ausbau der Landesherrschaft mit der nötigen Härte durchzusetzen. Und in diesem Spannungsfeld bewegten sich alle Akteure des Prinzenraubs.

Der Graf von Hartenstein entstammte der Familie von Schönburg, die zum meißnisch-thüringischen Uradel zählte. Dass er den beiden - ebenfalls aus alten meißnisch-thüringischen Uradel stammenden - Wilhelmen die Straffreiheit ermöglichte, ist sicher der Herkunft aus dem gleichen Stand geschuldet. Das Geschlecht der Schönburgs besaß außerdem auch Güter in Böhmen - ihr Verhältnis zu späteren Landesherren war durchaus konfliktreich.

Ein anderer Akteur war Caspar von Schönberg, Bischof von Meißen und ein Onkel von Kunz von Kaufungen. Auch die Schönbergs gehörten zu meißnisch-thüringischen Uradel - die sich aber spätestens seit dem 16. Jahrhundert mit der Landesherrschaft der Wettiner arrangierten. Die Schönberg waren vom 16. bis 18. Jahrhundert Berghauptmänner von Freiberg, ein durchaus lukratives Amt. Ein Angehöriger dieser Familie diente in Frankreich den Königen Heinrich III. und Heinrich IV. als Feldherr - er begründete die Linie der Grafen de Schomberg.

Kommen wir aber zu den beiden Prinzen Ernst und Albrecht zurück, die ab 1464 gemeinsam das Kurfürstentum Sachsen regierten. Dass diese beiden Brüder relativ konfliktfrei miteinander regierten, lag wohl auch daran, dass der Jüngere dem Erzherzog Maximilian auf verschiedenen Feldzügen diente, während der Ältere die Regierungsgeschäfte wahrnahm. Formal bestand aber eine gemeinsame Herrschaft. Nach dem Tod ihres söhnelosen Onkels Wilhelm III. erbten beide die Landgrafschaft Thüringen. Offensichtlich war hier kein gemeinsames Regieren möglich und so entschlossen sich die beiden Brüder zur Teilung, die 1485 in Leipzig vollzogen wurde. Diese Leipziger Teilung war im Gegensatz zu ihren Vorläufern dauerhaft und prägte die mitteldeutsche Geschichte.

Und nun zu Prinz Ernst, dessen Erstgeburt vielleicht doch nicht so vorrangig war. Das gemeinsame Regieren oder das Aufteilen des Gesamtbesitz hatte bei den Wettinern Tradition. Als Friedrich II. von Meißen 1349 starb, teilten sich seine drei Söhne Friedrich III. der Strenge, Balthasar und Wilhelm I., der Einäugige die Herrschaft über die Markgrafschaft Meißen und die Landgrafschaft Thüringen. Ein vierter Bruder - Ludwig - war nacheinander Bischof von Halberstadt, dann Bischof von Bamberg, schließlich Erzbischof Mainz und 1381/82 Erzbischof von Magdeburg. Im Jahr 1381 starb Friedrich III. und es kam zur Chemnitzer Teilung von 1382.

In der Chemnitzer Teilung wurde festgelegt, dass Balthasar die Landgrafschaft Thüringen erhält und Wilhelm der Einäugige die Markgrafschaft Meißen. Die noch minderjährigen Söhne Friedrichs des Strengen - Friedrich der Streitbare, Wilhelm der Reiche und Georg erhielten zur gemeinsamen Verwaltung das Osterland, das Pleißnerland, die Stadt Jena und einige andere, nicht zusammenhängende Gebiete. Da der Jüngste - Georg - 1401 starb, herrschten nur noch Friedrich der Streitbare und Wilhelm der Reiche gemeinsam über ihre Gebiete.

Der Thüringer Landgraf Balthasar verstarb 1406, ihm folgte sein einziger Sohn Friedrich der Friedfertige, der 1440 kinderlos starb. Wilhelm der Einäugige starb 1407 kinderlos, so dass seine beiden Neffen Friedrich der Streitbare und Wilhelm der Reiche die Markgrafschaft Meißen erbten. Bei Wilhelm den Reichen ist nicht gesichert, ob er verheiratet war oder eine kinderlose Ehe führte. Fakt ist, dass Friedrich der Streitbare nach dem Tod seines Bruders seit 1425 Alleinherrscher in der Mark Meißen war. Seit 1423 war er außerdem Kurfürst von Sachsen, sein Herrschaftsgebiet erstreckte sich nun auch auf Sachsen-Wittenberg. Als er 1428 starb, lebten vier Söhne mit Erbansprüchen. Friedrich der Sanftmütige, Sigismund, Heinrich und Wilhelm III., der Tapfere. Heinrich starb noch jung und Sigismund musste eine kirchliche Laufbahn einschlagen. Er war einige Jahre Bischof von Würzburg und wohl eine Art schwarzes Schaf seiner Familie.

Als der Thüringer Landgraf Friedrich der Friedfertige 1440 starb, fiel die Landgrafschaft an Friedrich den Sanftmütigen und Wilhelm den Tapferen. Beide konnten sich nicht auf eine gemeinsame Verwaltung einigen - Wilhelm beanspruchte zusätzlich das Herzogtum Luxemburg. Jedenfalls kam es 1445 zur Altenburger Teilung, die letztlich zum Sächsischen Bruderkrieg von 1446 bis 1451 führte. Da Wilhelm 1455 noch keine Söhne hatte (und auch danach nicht haben wird) konnte man - auch aufgrund seiner zerrütteten Ehe - annehmen, dass er söhnelos stirbt, Thüringen an Kursachsen fällt und beide Prinzen entweder gemeinsam herrschen oder das Land erneut teilen. Deswegen kann ich mir vorstellen, dass beide Prinzen als gleich wertvoll angesehen worden sind.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde? - Sansavoir - 09.11.2021 01:20

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