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Philippe Pétain - der Held des Front National?
24.06.2017, 18:35
Beitrag: #3
RE: Philippe Pétain - der Held des Front National?
Jetzt habt ihr aber ein kompliziertes, aber interessantes Thema begonnen.

Philippe Petain wurde 1945 zum Tode verurteilt. Charles de Gaulle (in seiner Funktion als Provisorischer Regierungschef 1944/46) begnadigte jedoch den 89-jährigen Petain zu einer lebenslangen Haftstrafe, die dieser auch bis zu seinem Tod 1951 absaß. Allgemein wird davon ausgegangen, dass de Gaulle Petain wegen dessen hohem Alter begnadigte. In den 1920er-Jahren galt de Gaulle als ein "Ziehsohn" Petains. Anfang der 1930er-Jahre entzweiten sich jedoch beide. Dies lag vor allem an in ihren unterschiedlichen Auffassungen in militärischen Angelegenheiten. De Gaulle setzte auf den Einsatz von Panzerverbänden und somit auf eine offensive Kriegsführung, Petain verharrte weiterhin auf seine im 1. Weltkrieg bewährten Defensivtaktiken. Zu einem endgültigen Bruch zwischen den beiden Männern kam es aber erst im Juni 1940, nachdem Petain im Auftrag des französischen Präsidenten Paul Lebrun die Waffenstillstandsverhandlungen mit den Deutschen führte und schließlich das Waffenstillstandsabkommen unterschrieb. Dies hatte de Gaulle nicht akzeptiert, er verließ Frankreich und organisierte von London aus den Widerstand der Exilregierung.

Obwohl de Gaulle selbst seine Entscheidung, Petain zu begnadigen, mit dessen hohen Alter begründete, ist dies sicher nicht die komplette Wahrheit. 1945 muss Petain gewirkt haben, wie ein Mann, der sein Zeitalter als "letzter Mohikaner" überlebt hatte. Er gehörte einer Generation von Marschällen und Generälen an, die etwa zwischen 1849 und 1862 als Bauernkinder geboren wurden und die nach dem verlorenen Krieg von 1870/71 die Möglichkeiten nutzten, Militärschulen wie Saint Cyr zu besuchen, danach ihre militärischen Erfahrungen in den Kolonien sammelten und etwa um 1900/10 ihren Aufstieg in die Generalität schafften. Diese Militärs führten praktisch mit dem Beginn des 1. Weltkriegs (also bereits seit 1914) eine Militärdiktatur in Frankreich ein, ähnlich wie die der 3. OHL in Deutschland 1916/18. Die meisten Generäle waren Anhänger von Offensiv-Taktiken, die schonungslos ihre Soldaten verheizten. Hierzu zählen z.B. Gallieni, Joffre, Nivelle, aber auch Foch. 1917 kam es deswegen zu Meutereien. Petain setzte sich für die Belange der Soldaten ein, als Oberkommandierender setzte er mehr auf die Defensive, sodass der Blutzoll der Soldaten nicht so hoch war, wie bei seinen Vorgängern. Petain und Foch gelten deshalb in Frankreich als die Oberkommandierenden, die den Sieg der Franzosen ermöglichten. Möglicherweise begnadigte de Gaulle Petain wegen dessen Verdienste im 1. Weltkrieg und der daraus folgenden Popularität bei den Veteranen aus dem 1. WK.

Als 75-Jähriger schied Petain aus dem Militärdienst aus. Seine Funktionen übernahm General Maxime Weygand. 1934 war Petain einige Monate Kriegsminister und 1939/40 amtierte er als französischer Botschafter in Spanien. Diesen Posten erhielt Petain wegen seiner guten Kontakten zu spanischen Militärs, die seit 1925/26 bestanden. Petain war in dieser Zeit Chef der französischen Truppen, die gemeinsam mit der spanischen Kolonialarmee in Marokko den Aufstand der Rif-Kabylen niederschlugen. Petain wurde jedenfalls für seine Verdienste vom spanischen König Alfonso XIII. ausgezeichnet. Ob Petain bereits 1925/26 den spanischen Diktator Franco kannte, weiß ich nicht. Ob es 1945 Absprachen zwischen de Gaulle und Franco in Bezug auf die Verfahrensweise gegen Petains gegeben hat, müsste untersucht werden, da die Ereignisse 1944/45 an der spanisch-französischen Grenze sicher noch nicht vollständig aufgeklärt sind.

Pierre Lavals politischer Aufstieg begann in den 1930er-Jahren. Er wird heute vor allem als eine Figur der Kollaboration, aber auch des Niedergangs der 3. Republik wahr genommen. 1940 amtierte er einige Monate als Stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister, aber aufgrund seiner zu pro-deutschen Politik wurde Laval von Petain aus der Regierung entlassen. 1942 wurde er zum Ministerpräsidenten des mittlerweile völlig vom Deutschen Reich abhängigen Vichy-Regime berufen. Lavals Regierungszeit endete im August 1944, danach wurde er mit Petain auf Schloss Sigmaringen verlegt. Im März 1945 wurde er nach Spanien ausgeflogen, das ihn nach Verhandlungen am 30. Juli 1945 an Frankreich auslieferte. Laval und einige andere Amtsträger des Vichy-Regimes wurden zum Tode verurteilt. Laval lastete man persönlich die Ermordung einiger Resistance-Kämpfer und die Deportation von Juden an.

Obwohl Petain und Laval gemeinsam für die Kollaboration des Vichy-Regimes stehen, haben beide nicht immer als Team gehandelt und zum Teil auch gegeneinander gekämpft. Petain repräsentierte das Regime eher für die Jahre 1940-42, er sorgte auch dafür, dass Laval entmachtet wurde. Laval regierte von 1942 bis 1944. Petain führte deswegen auch bei dem Prozess gegen ihn an, dass er mit der Ermordung politischer Gegner oder der Deportation der Juden nichts zu tun hatte. Das ist natürlich falsch, Petain deckte mit seiner Autorität das Handeln von Laval. Die pro-deutsche Ausrichtung des Vichy-Staates erklärte Petain als Folge der Vernichtung der französischen Flotte im Juli 1940 durch die Briten. Angeblich beabsichtigte Petain ein Bündnis mit Großbritannien und Italien, im Sinne des 1934 abgeschlossenen Stresa-Abkommens. Meines Erachtens war das schon 1934 unrealistisch, aber auf alle Fälle 1940. Petain behauptete außerdem, dass seine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich nur in der Aufstellung einer französischen Freiwilligen-Legion zur Unterstützung der deutschen Wehrmacht im Kampf gegen den Bolschewismus bestand.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Philippe Pétain - der Held des Front National? - Sansavoir - 24.06.2017 18:35

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