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Geschichten aus islamischen Staaten
11.06.2012, 18:10
Beitrag: #8
RE: Geschichten aus iislamische Staaten
So Teil 2 meiner Kurzbiographie:

Mit der Zeit gewann die hübsche und intelligente junge Frau auf den Sultan Abdul Hamid I. (1774 – 1789) großen Einfluss. Auch als dieser starb und sein Neffe Selim II. (1789 – 1807) den Thron bestieg, konnte sie ihren Einfluss halten. Der neue Herrscher machte eine sehr „französische“ Politik, er führte zahlreiche Reformen des Rechts-, Finanz-, Bildungs- und Militärwesens durch. Aimée selbst war im Grunde ihres Herzens immer noch eine Franzosin, sie unterhielt einen regen Briefwechsel mit französischen Verwandten und Bekannten, auch mit ihrer Cousine, die mittlerweile Kaiserin geworden war. Sie sorgte dafür, dass das Reich eine ständige Botschaft in Frankreich unterhielt. Doch als das osmanische Reich unter Selim II. einige innen- und außenpolitische Rückschläge erlebte, erhoben die Aufständischen einen Sohn Abdul Hamids I., Mustafa IV. (1807 – 1808) auf den Thron, worauf ein linientreuer Pascha versuchte, den Usurpator umzubringen und Selim wieder einzusetzen. Doch der alte Herrscher war mittlerweile gewaltsam zu Tode gekommen, worauf sich der Pascha darauf beschränkte, grausam Rache zu nehmen. Mustafa IV. wurde umgebracht und ein anderer Sohn Abdul Hamids I., nämlich Mahmud II. (1808 – 1839) als Sultan eingesetzt.
Dieser Mahmud war angeblich Aimées Sohn, und so wurde diese zur Sultansmutter, zur Valide Sultan. Ihre große Zeit war gekommen. Ihr neuer Titel sicherte ihr eine Menge informellen Einfluss und den Vorsitz des Harems. Sie war sicherlich nicht ganz unverantwortlich dafür, dass das Leben bei Hofe fast schon westeuropäische Formen annahm. Mahmud lebte fast in Einehe mit Besma, einer armenischen Sklavin und ehemaligen Badedienerin, mit der er sechs Kinder hatte. Er setzte die Reformen Selims II. fort und schuf ein ausgeklügeltes Quarantänesystem, dass Istanbul 1838 vor einer grausamen Pestepidemie schützte. Eine medizinische Akademie wurde gegründet und das Christentum unterstützt. Er gab sich als volksnaher Herrscher, man konnte ihn oft in einem Theater in Pera sehen. Einmal wurde von ihm sogar geplant, den Eunuchenhandel zu verbieten, was aber scheiterte. Hinter all diesen Entwicklungen steht zwar nicht ausschließlich, aber sicherlich zu einem bedeutenden Teil, das Engagement der französischen Pflanzertochter Aimée. Doch bald musste Mahmud dazu übergehen, seine Macht gewaltsam zu behaupten. Der Thronfolger Mustapha, dessen Mutter und alle von ihm schwangeren Sklavinnen wurden getötet.
Aimée du Buc de Rivéry starb acht Jahre nach dem Regierungsantritt ihres Sohnes, im Jahre 1817, im Alter von 49 Jahren. Die Todesursache ist unbekannt. Der Korrektheit halber möchte ich darauf hinweisen, dass Wikipedia als Todesdatum den 28. August, ein von mir zu Rate gezogenes Buch aber den Winter angibt. Vor ihrem Tod hatte Aimée einen christlichen Priester holen lassen, der ihr die Beichte abnahm. Als sie verschieden war, wurde sie mit großem Prunk in der Nähe der Hagia Sophia zu Grabe getragen. Sie war es gewesen, die, obwohl unfreiwillig von der Adeligen zur Sklavin geworden, durch ihr Wesen für die ersten neuzeitlichen Reformen im – wenn auch untergehenden – osmanischen Reich sorgte.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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