Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 1 Bewertungen - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
16.09.2012, 00:01
Beitrag: #1
Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
Blockwohnungsbau ist kein besonders beachtetes, geschichtliches Thema. Ich finde es ganz spannend, denn man erfährt viel über die sozialen Verhältnisse bei der Betrachtung von Wohnungen für ganz normale Leute.
Aktuell baut man auch keine Wohnblocks mehr, sondern Stadtvillen und ich behaupte mal als Aufhänger, dass man Mehrfamilienhäuser unseres Jahrzehnt später an den bodentiefen Fenstern erkennen und einordnen können wird. Ich lasse mich aber gern korrigieren.

Also 2010 - 2020 - Bodentiefe Fenster in Stadtvillen

Welche architektonischen Moden fallen euch zu den weiter zurückliegenden Jahrzehnten ein und was sagen sie uns über die sozialen Verhältnisse im jeweiligen Jahrzehnt?
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.09.2012, 12:26
Beitrag: #2
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
Von einer anderen Architekturmode sind sicher noch viele betroffen, die kleinen Küchen.
Bis weit in die 50er hinein, wurden für den Durchschnittshaushalt noch große Wohnküchen gebaut, mit gemütlicher Sitzecke, gern mit der obligatorischen Eckbank. Dann kamen die modernen Einbauküchen und Haushaltselektrogeräte und die Küche wurde zum reinen Arbeitsplatz, klein und abgeschlossen. Die Arbeit der Hausfrau sollte nicht gesehen werden.
Das Wohnzimmer zum Repräsentieren konnte dagegen nicht groß genug sein. Die Kinderzimmer waren kaum größer als die Küche, die Kinder in den späten 50/60ern sollten da auch nur schlafen und möglichst draußen spielen. Die tägliche Benutzung des protzigen großen Wohnzimmers mußte in den 60er erst gelernt werden, vorher wurde die "gute Stube" meist nur sonntags eingeheizt, ansonsten spielte sich das tägliche Leben in der Wohnküche ab.
Da ältere Wohnungen noch immer bewohnt sind, werden die Besitzer seit geraumer Zeit um ihre schönen großen Küchen beneidet, denn inzwischen hat man sich rückbesonnen auf die kommunikative Küche.
http://www.bertelsmann-bkk.de/lexikon.ht...exicon_pi1[guid]=67f7dfb13e9d4b8ac7e2ea6e93f559ed
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.09.2012, 12:57
Beitrag: #3
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
Jetzt wo du die Gute Stube erwähnst, fallen mir die "Sommerwohnungen" in den großen Stadthäusern so ab ca. 1700 ein.

Die meiste Zeit des Jahres wohnte man im vorderen Bereich des Hauses, wobei die Gute Stube im repräsentativsten Teil des Hauses untergebracht war. Dieser Bereich der Guten Stube lag meistens im ersten oder zweiten Obergeschoss und war von schon von außen durch Erker, Zierfachwerk, Auskragungen, Fensterkrönchen, etc. eindeutig erkennbar. In aller Regel war dieser Raum auch in Richtung des örtlichen Hauptgeschehens (Tor, Hauptstraße, Marktplatz, etc.) hin ausgerichtet. Außer der Küche, war die Stube auch meist der einzige beheizbare Raum und war häufig nur wichtigen Besuchern (z.B. Pfarrer) vorbehalten. Die eigentlichen "Aufenthaltsräume" der Familie lagen zwischen Küche und Guter Stube, um noch ein wenig Wärme von der Küche abzubekommen.

So ungefähr ab 1700 begannen gut betuchte Städter, eine zweite Gute Stube, sowie ein weiteres Esszimmer in den Etagen einzurichten, aber nach hinten zur Hofseite ausgerichtet. Im Sommer musste man öfter die Fenster öffnen und wollte dadurch ein wenig dem Lärm und dem Gestank, der vorne auf der Straße herrschte, entgehen. Vor allem, wenn man eben repräsentativen Besuch hatte, oder aber beim Essen saß.

nicht ärgern, nur wundern...
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.09.2012, 13:50
Beitrag: #4
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(18.09.2012 12:26)Renegat schrieb:  Da ältere Wohnungen noch immer bewohnt sind, werden die Besitzer seit geraumer Zeit um ihre schönen großen Küchen beneidet, denn inzwischen hat man sich rückbesonnen auf die kommunikative Küche.
http://www.bertelsmann-bkk.de/lexikon.ht...exicon_pi1[guid]=67f7dfb13e9d4b8ac7e2ea6e93f559ed
Die "Kommunikative Küche", ein sehr schöner Ausdruck.
Ist tatsächlich so. Wenn man sich in der glücklichen Lage befindet, solch eine große Küche zu haben, dazu noch genügend Freunde, Bekannte, nette Nachbarn, dann ist die Küche das Kommunikationszentrum. Dort wird geredet, gegessen, da wird der Wein getrunken.
Diese Küche sollte aber auch nicht zu modern eingerichtet sein. Naja, modern vielleicht schon, aber eben nicht zu steril daherkommen - alles in weiß und Edelstahl oder so ähnlich. Das kann sämtliche angenehme und kommunikationsfördernde Atmosphäre verhindern.

Diese "Guten Stuben" kenne ich noch von einer meiner Großmütter, so Ende der 60er. Die war sogar abgeschlossen, und darin soll es sogar einen Fernseher gegeben haben und natürlich auch das voluminöse UKW-Radio. Kinder hatten da drin eigentlich gar nichts verloren. Konnte ich nie verstehen.
Das Leben spielte sich eben in der Küche ab. Wobei auch nicht alle so waren. Bei meinen anderen Großeltern war es mehr anders herum. Das meiste in der Stube, in der Küche war meist nur die Oma, zum Schnipseln, Kochen und Backen.
Dann war das Klo 'ne Treppe tiefer bei den einen. Bei den anderen gar übern Hof. Wenn es wirklich drängte, konnte es schon zu spät sein - als Kind.

Ja, die Zeiten ändern sich, die Einkommensgefüge und damit auch die Wertevorstellungen. Die Werte entwickeln sich dabei sehr inhomogen.

Die "Moden" der Architekten reflektieren wahrscheinlich auch immer die Größe des Geldbeutels ihrer Hauptklientel und deren Intention. Der eine plant im sozialen Wohnungsbau, der andere für eine Lehrerfamilie oder einen gutverdienenden Mediziner. Der Nächste vielleicht für den schnell vermögend gewordenen Yuppi, überbezahlten Informatiker oder Kommunalpolitiker, die noch so große HightecKüchen ihr eigen nennen, aber niemanden haben, den sie dort beköstigen und mit denen sie an diesem Ort Spaß haben könnten.

Von daher ist Architektur ein Spiegel der Gesellschaft. War er aber schon immer.

Und du warst schön. In deinem Auge schien
sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen.
...
So kam dich meine Liebe krönen.
Und meine nächteblasse Sehnsucht stand,
weißbindig wie der Vesta Priesterin,
an deines Seelentempels Säulenrand
und streute lächelnd weiße Blüten hin.

(Rainer Maria Rilke)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.09.2012, 16:04
Beitrag: #5
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(18.09.2012 12:26)Renegat schrieb:  Da ältere Wohnungen noch immer bewohnt sind, werden die Besitzer seit geraumer Zeit um ihre schönen großen Küchen beneidet, denn inzwischen hat man sich rückbesonnen auf die kommunikative Küche.
Stimmt! Big Grin Unser Haus ist im August genau 100 geworden. Eine ehemalige Fabrikantenvilla im Jahrhundertwende-Fachwerkstil. Trotz beinahe Totalumbau durch einen experimentierfreudigen Jungarchitekten 1985 hat es nichts von seinem Charme eingebüßt. Wir werden oft um unsere äußerst gemütliche und heimelige Wohnsituation - nicht zuletzt auch in der großen Wohnküche - beneidet.

Zitat:Wallenstein
Die "Moden" der Architekten reflektieren wahrscheinlich auch immer die Größe des Geldbeutels ihrer Hauptklientel und deren Intention. [...]

Von daher ist Architektur ein Spiegel der Gesellschaft. War er aber schon immer.
Sicherlich spielt auch die zu erwartende Familienstruktur eine Rolle. Gerade zu Zeiten unserer Groß- bzw. Urgroßeltern, war die Großfamilie sehr häufig, das einzelne Familienmitglied beanspruchte jedoch nicht so viel Platz für sich selbst, wie es heute der Fall ist. Folge waren große Häuser mit sehr vielen kleineren Zimmern.
In den 60er, 70er Jahren war die Großfamilie out. Regelfall waren Mama, Papa und 1 - 4 Kinder. Man baute kleinere Häuser mit weniger aber größeren Zimmern. Dafür wurden die Gärten größer.
Heutzutage gibt es mehr Singels bzw. kinderlose Paare als früher, die aber deutlich mehr Raum für sich beanspruchen. Jetzt geht der Trend in große, geräumige Wohnungen, mit wenig separaten Zimmern und viel offenen Flächen.

Das ist nun jetzt ziemlich pauschal formuliert, weil es sicherlich auch riesige regionale Unterschiede gibt. Im ländlichen Raum wurde schon immer anders gewohnt, als in der Stadt.

nicht ärgern, nur wundern...
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
22.09.2012, 14:22
Beitrag: #6
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
In Stuttgart gab es im Stadtteil Heslach ein Wohngebiet mit dem Spitznamen "Eiernest". Dabei handelte es sich um genormte ehemalige "Adolf-Hitler-Häuser" aus dem III. Reich, alle sehr klein mit einem überraschend hohen Spitzdach.. Ein Fußballkamerad wohnte mit seiner Familie in so einem Haus. Das Wohnzimmer war m. E. nach so klein, da konnte man nicht drin umfallen.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 10:29
Beitrag: #7
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(22.09.2012 14:22)liberace schrieb:  In Stuttgart gab es im Stadtteil Heslach ein Wohngebiet mit dem Spitznamen "Eiernest". Dabei handelte es sich um genormte ehemalige "Adolf-Hitler-Häuser" aus dem III. Reich, alle sehr klein mit einem überraschend hohen Spitzdach.. Ein Fußballkamerad wohnte mit seiner Familie in so einem Haus. Das Wohnzimmer war m. E. nach so klein, da konnte man nicht drin umfallen.
Schon beim ersten Lesen hatte ich mich gewundert, da es nach meinem Kenntnisstand während der NS-Zeit fast keinen Wohnungsbau gab. Die Nazis bauten lieber protzige Zentralen und zukünftige Militärinfrastruktur.
http://www.heslach-home.de/eiernest.html
Dein Eiernest ist ein Projekt aus den 20er Jahren, deshalb kann ich nicht nachvollziehen, warum sie "A-H-Häuser" genannt werden.

Während der Weimarer Republik wurden überall in D Wohnungen gebaut. In den Großstädten Wohnblocks, mit oft liebevoll im Stil der Zeit gestalteten Fassaden. Bei mir um die Ecke steht ein ganzes Quartier mit einer solchen Blockbebauung, jeweils geschlossene Blöcke aus schönen 4-stöckigen Klinkerbauten mit großzügigen, grünen Innenhöfen.
In der städtischen Peripherie und auf dem Lande wurden Siedlungshäuser gebaut. In den 20er Jahren wurden die meisten Wohnungsgenossenschaften gegründet, ebenso Landesentwicklungsgesellschaften, über die auch Bau und Finanzierung der Siedlungshäuschen abgewickelt wurde.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 14:18
Beitrag: #8
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(23.09.2012 10:29)Renegat schrieb:  
(22.09.2012 14:22)liberace schrieb:  In Stuttgart gab es im Stadtteil Heslach ein Wohngebiet mit dem Spitznamen "Eiernest". Dabei handelte es sich um genormte ehemalige "Adolf-Hitler-Häuser" aus dem III. Reich, alle sehr klein mit einem überraschend hohen Spitzdach.. Ein Fußballkamerad wohnte mit seiner Familie in so einem Haus. Das Wohnzimmer war m. E. nach so klein, da konnte man nicht drin umfallen.
Schon beim ersten Lesen hatte ich mich gewundert, da es nach meinem Kenntnisstand während der NS-Zeit fast keinen Wohnungsbau gab. Die Nazis bauten lieber protzige Zentralen und zukünftige Militärinfrastruktur.
http://www.heslach-home.de/eiernest.html
Dein Eiernest ist ein Projekt aus den 20er Jahren, deshalb kann ich nicht nachvollziehen, warum sie "A-H-Häuser" genannt werden.
Stimmt, Renegat. Das ist schon verwunderlich.

Über ein ganz bestimmtes Haus auf der Insel, in Swansea, wurde kürzlich einiges geschrieben.
http://www.express.de/panorama/hit-im-in...84198.html
Vielleicht gibt es ja ähnlich aussehende Häuser auch im "Eiernest" und die Häuser haben von daher diesen Untertitel.

Und du warst schön. In deinem Auge schien
sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen.
...
So kam dich meine Liebe krönen.
Und meine nächteblasse Sehnsucht stand,
weißbindig wie der Vesta Priesterin,
an deines Seelentempels Säulenrand
und streute lächelnd weiße Blüten hin.

(Rainer Maria Rilke)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 15:52
Beitrag: #9
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(23.09.2012 14:18)Wallenstein schrieb:  
(23.09.2012 10:29)Renegat schrieb:  Schon beim ersten Lesen hatte ich mich gewundert, da es nach meinem Kenntnisstand während der NS-Zeit fast keinen Wohnungsbau gab. Die Nazis bauten lieber protzige Zentralen und zukünftige Militärinfrastruktur.
http://www.heslach-home.de/eiernest.html
Dein Eiernest ist ein Projekt aus den 20er Jahren, deshalb kann ich nicht nachvollziehen, warum sie "A-H-Häuser" genannt werden.
Stimmt, Renegat. Das ist schon verwunderlich.

Über ein ganz bestimmtes Haus auf der Insel, in Swansea, wurde kürzlich einiges geschrieben.
http://www.express.de/panorama/hit-im-in...84198.html
Vielleicht gibt es ja ähnlich aussehende Häuser auch im "Eiernest" und die Häuser haben von daher diesen Untertitel.

Das Haus in Swansea kann ja nichts dafür. Die Häuser im Stuttgarter Eiernest kenne ich nicht, im Netz habe ich keine Verbindung zwischen dem Wohnungsbauprojekt und Hitlers Namen gefunden. Evtl. erklärt uns ein Stuttgarter, wie es dazu kam und ob die Siedlung wirklich so genannt wurde.
Vielleicht wurde Hitler und den Nazis der Wohnungsbau dort in Stuttgart irgendwann zugeschoben, genauso wie die Erfindung der Autobahnen. Getreu dem Grundtenor, irgendwas gutes müssen die Nazis schließlich hinterlassen haben. Big Grin "Es war ja nicht alles schlecht beim Hitler" Sad
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 16:30
Beitrag: #10
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
Der Aussage, dass es im III. Reich keinen Wohnungsbau gegeben haben soll, kann ich nicht zusteimmen, hier in Hamburg gibt es die folgenden Beispiele:

1.) die sog Schwarzwald-Siedlung in Langenhorn, Essenerstr. gebaut für hunderte von Familien, die in einer Rüstungsfabrik in der Nähe gearbeitet haben. das sind ca. 20 Häuser mit einem sehr steilen Satteldach, ich schätze mal so um um bei 500 Wohnungen.

2.) Siedlung Duvenstedter Brook, eine sehr aufwendig gestaltete Siedlung . für die bestes Material z.B. aus Schweden geholt wurde

3.) Im Zuge des Wiederaufbaues der am 25.7.1943 in Schutt und Asche gefallenen Altonaer Kernstadt (um die Altonaer Kirche) wurden ca. 5 große Wohnblocks mit geschätzt 300 Wohnungen gebaut (diese allerdings die einzigen Baumaßnahmen der Nazis in Hamburg nach der Zerstörung.)

Es gibt hierzu ein gutes Buch "ein neues Hamburg entsteht"

Bemerkenswert daran ist außerdem, das bei den Baudezernten, der Hamburger Baubehörde die bauliche Neugestaltung der Stadt Hamburg, die durch die Nazis geplant war, voll übernommen wurde.

Sollte es da vielleicht einen Zusammenhang geben, dass in dem früheren Gebäude der Geheimen Staatspolizei, der GESTAPO an der Stadtbrücke in Hamburg nun die Baubehörde der Stadt ist ?
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 16:45
Beitrag: #11
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
Nein, wahrlich nicht, auch die Maxdorfer Siedlung, mein Wohnort, stammt aus der Zeit des Dritten Reiches, wie auch große Wohnviertel in Ludwigshafen.

Zu Moden im Wohnungsbau kann ich leider nichts beitragen.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 17:05
Beitrag: #12
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
Wohnungen der Gründerzeit.

Die Wohnungen der Gründerzeit hier in Hamburg waren alle nach dem gleichen Prinzig gebaut, im Regelfall als "Zweispänner" in den sog. Bürgerlichen Quartieren , als "Dreispänner" in den sog. Arbeiterquarieren.

Zweispäner: Um einen Fahrstuhlschacht herum wand sich das Treppenhaus , oft mit einer ebenen Fläche auf "halber Treppe"
Auf der Etage rechts und links eine Wohnungstür, (ich beschreibe die rechte Wohnung) die auf den Kopf eines langen, rechts abgehenden Flures führte.
In wenigen Fällen gab es noch ein nur vom Treppenhaus zugängliches Einzelzimmer, dessen Tür direkt gegenüber der Aufzugstür lag. Das war zumeist das Zimmer für das Kindermädchen oder Gehilfin der Frau des Hauses.

Links des Einganges ein großes Zimmer, zumeist um die 30 qm groß, mit einer Schiebetür, an der rechten Wandseite, für den Zugang zu einem weiteren Zimmer, das ebenfalls vom Flur aus eine Tür hatte, im Verlaufe des Flurs konnten sich nun weitere Zimmer anschließen, die oft auch mit Schiebetüren miteinander verbunden waren. Am Ende des Flurs, der oftmals 10 m und mehr lang war, befanden sich dann die Toilette und das Bad, sowie die Küche, und mehrer kleine Zimmer rechts vom Flur abgehend, als Kinderzimmer oder Nähzimmer,

Große, fast bis an die Decke von 3,2 m gehende riesen Kachelöfen sorgten nach 1 stündigem Anfeuern für wohlige Wärme, d.h, der Ofen durfte nie ausgehen, sonst blieb die Bude kalt.

Das waren alles Wohnungen von 130 bis 150 qm, Traumbleiben, heute unbezahlbar.
In der Straße Kollonaden in Hamburg , zu der Zeit, als in der Innenstadt Hamburgs noch Wohnungen für Wohnzwecke gebaut wurden, gab es ein Haus aus der Gründerzeit, in dem Wohnungen von 300 qm waren.

Das Berliner Zimmer, also ein Zimmer, durch das gegangen werden muss, um in andere Zimmer zu kommen, das gab es in Hamburg nicht, in Hamburg waren alle Zimmer in den Wohnungen AUCH vom Flur aus zugänglich.

Die abwertend als Schlitzbauten bezeichneten Grundrisse, waren immer 2 Spänner,
Schlitzbauren darum, um den (in der rechten Wohnung) hinten rechts liegenden Räumen ein Tageslicht zu geben.
Dreispänner: waren kleiner, hinter den 2 Räumen zur Straße evt. ein 3. Raum und keine weiteren Räume außer Küche, Bad und Toilette. Dreispänner hatten nie einen Aufzug , die 3 Wohnungen gingen von einer Etatenebene ab: 2 rechts und links und die 3. Wohnung gleich rechts am Ende der Treppe vom unteren Geschoss.

Wohnungen in der Art der Berliner Arbeiterquartiere Prenzlauer Berg, gab es nicht in Hamburg.
Dort kam man direkt vom Treppenhaus in die Küche, zumeist eine Wohnküche mit 12 und mehr qm an die sich dann ein einzelner Raum, zumeist das Schlafzimmer anschloss. Bemerkenswert an diesen Wohnungen war, dass das unter dem Fensterbrett in einem Verschlag Platz für lebende Tiere war, Hühner fürs tägliche Ei.
In diesen Wohnungen gabs auch kein Klo, das auf "halber Treppe" war.
Modernere Wohnungen hatten da schon Toiletten auf der gleichen Etage, sich also 2 Wohnungen eine Toilette teilen mussten.

(Alle diese og. Wohnungen kenne ich aus eigener Erfahrung.

Eine Besonderheit sind die Hamburger Wohnungen, die direkt über einem darunter befindlichen Laden liegen, also die Wohnungen der Ladenbesitzer, die immer einen Zugang vom Laden hatten.

Die Fassaden ALLER Gründerzeithäuser sind nach dem sog. römischen Muster gestaltet .
Die Dekoration über Fenstern und Simsen (nicht verwechseln mit der Tätigkeit, eine SMS zu beantworten )
wird von Stockwerk zu Stockwerk weniger.
Römisches Muster darum, siehe Flavisches Theater
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 17:12
Beitrag: #13
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
Lieber Maxdorfer und Krasnaja, ich habe fast geschrieben.
Verglichen mit den heute noch bestehenden großen Wohnvierteln aus den 20er Jahren, der Gründerzeit oder den 50ern, war der Wohnungsbau während der Nazizeit nicht so bedeutend. Jedenfalls begegnen mir beim Gang durch die Städte viel seltener Häuser aus jenen 12 Jahren.
Einige damalige Neubaugebiete waren in den 20ern angeschoben worden und wurden bis 1938 weitergebaut, das lag im Interesse der Kommunen.
Ich kenne sogar Wohnhäuser, die um 1935/36 bezugsfertig waren, da zogen bevorzugt Arbeiter der nahen Rüstungsfabrik ein.
Krasnajas Schwarzwaldsiedlung lag auch rüstungsnah. Vielleicht kannst du feststellen, ob es in Maxdorf auch eine derartige Fabrik oder Kaserne gab.
Zum Duvenstedter Brook wüßte ich gern mehr, krasnaja, wer wohnte dort, sind das EFH-Häuser?
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 17:26
Beitrag: #14
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
ich schau gleiche zuhause nach. Mit EFH kann ich so spontan nichts anfangen.
Es scheinen aber Häuser für die Parteiprominenz gewesen zu sein.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 17:47
Beitrag: #15
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(23.09.2012 17:26)krasnaja schrieb:  ich schau gleiche zuhause nach. Mit EFH kann ich so spontan nichts anfangen.
Es scheinen aber Häuser für die Parteiprominenz gewesen zu sein.
EFH = Einfamilienhäuser, ich habe im Netz nur solche gesehen im Duvenstedter Brook, was ja sehr schön am Naturschutzgebiet liegt.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 17:50
Beitrag: #16
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(23.09.2012 17:12)Renegat schrieb:  Vielleicht kannst du feststellen, ob es in Maxdorf auch eine derartige Fabrik oder Kaserne gab.

BASF mit zehntausenden Arbeitern.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 18:19
Beitrag: #17
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(23.09.2012 17:50)Maxdorfer schrieb:  
(23.09.2012 17:12)Renegat schrieb:  Vielleicht kannst du feststellen, ob es in Maxdorf auch eine derartige Fabrik oder Kaserne gab.

BASF mit zehntausenden Arbeitern.

Was hat denn BASF in den 30ern produziert?

Ich habe eben festgestellt, dass es im benachbarten Stadtteil der erwähnten Arbeitersiedlung aus den 30ern, die Außenstelle eines KZ gab. Die Lagerinsassen mußten natürlich auch in der Rüstungsfabrik arbeiten.
In eben jenem Stadtteil der KZ Außenstelle wurden in den 70ern dann die "Betonwohnfabriken", die sog. Großwohnanlagen gebaut. Eine architektonische Sünde, die in fast allen Großstädten weltweit zu finden sind.
In meiner Stadt stehen noch einige dieser schwierigen grauen Klumpen, innen sind die Wohnungen gar nicht schlecht aufgeteilt, haben fast durchgängig Balkone.
Dazu hat wahrscheinlich jeder User ein Beispiel vor Augen.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 18:32
Beitrag: #18
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(23.09.2012 18:19)Renegat schrieb:  
(23.09.2012 17:50)Maxdorfer schrieb:  BASF mit zehntausenden Arbeitern.

Was hat denn BASF in den 30ern produziert?

Waffen, chemische Produkte wie Mittel zur Vergasung der Juden, etc.

Damals waren die mit den anderen Chemieriesen wie Bayer zusammengeschlossen und hießen "IG Farben".

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
23.09.2012, 20:10
Beitrag: #19
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
(23.09.2012 17:47)Renegat schrieb:  
(23.09.2012 17:26)krasnaja schrieb:  ich schau gleiche zuhause nach. Mit EFH kann ich so spontan nichts anfangen.
Es scheinen aber Häuser für die Parteiprominenz gewesen zu sein.
EFH = Einfamilienhäuser, ich habe im Netz nur solche gesehen im Duvenstedter Brook, was ja sehr schön am Naturschutzgebiet liegt.

So,hier mein Beitrag (EFH ach ja, Ich kann mir nur ne Dachwohnung am Hohenzollernring in Hamburg im 4.Stock leisten )

1.) richtig, Duvenstedter Brook , Naturschutzgebiet, das allerdings war ein "getarnter Wohnungsbau" für Parteiprominenz, 3 Typen sollten lt Vertrag zeischen Hamburg und einer schwedischen Firma
5 x Typ I mit 64 qm
15 x Typ II mit 84 qm
10 x Typ III mit 123 qm

es sind dann noch weitere Exclusiv-Häuser errichtet worden
Zu ALLEN Häusern kam es dann nach 1945 zu Querelen, die Hamburger Wohnungbaugesellschaft SAGA riss sich diese Preziosen unter den Nagel
Eine nennenwerte Anzahl war es aber nicht.


2.) ich wollte es ja nicht glauben und ich habe es gerade nachgezählt: man höre und staune: in der Zeit von 1933 bis 1945 wurden in Hamburg 16 367 neue Wohnungen gebaut, davon 4271 wärend des Krieges.

Allerdings nach 1943 lediglich 350

3.) In den 4 Nächten zwischen dem 24.7 und dem 28.7.1943 wurden in Hamburg 263.000 Wohnungen zerstört. Entsprechend groß war die Wohnungsnot in Hamburg, sodaß auch für sog. "Butenhamburger"
(buten ist Niederdeutsch und bedeutet draußen) es nur in besonderen Fällen mit Schmiergeld bei den Angestellten der Wohnungsämter (ich weiß, wovon ich rede) eine sog. "Zuzugsgenehmigung" gab.

(Anfang 1946 , Meine Mutter, informiert durch eine Freundin über die Praktiken eines bestimmten Angestellten , sagte diesem, er möge es doch bei ihr etwas billiger machen. Nachem der Mann dann kiebig wurde, hätte sie ihm ein Tintenfaß übers Hemd gegossen und gesagt "und nun können sie entscheiden, ob ich eine Zuzugsgenehmigung bekomme oder ich hänge das Ding an so eine große Glocke, von deren Größe sie sich keine Vorstellung machen"
Eine mutige Frau, voller Stolz ich an sie denke .

Dem Mann saß das Hemd auch näher als der Rock und dann begannen 12 Jahre, in denen wir "auf Zimmer " wohnten, in einem Zweispänner bei einer Kriminalkommisarswitwe, die sicher auch bessere Zeiten gesehen hat, als ihre eigene Wohnung mit 2 Untermietereparteien zu teilen.

Diese Wohnungsnot hat dann wohl diese Geschichte herausgebracht:

"mein Freund gewinnt beim Skat ´n Schwein als Hauptgewinn,
Ich frag ihn, Mensch, wo willst du mit dem Schweinkram hin,
wohnst doch auf Zimmer, den Gestank im Haus..
Och, da gewöhnt das Schwein sich dran, sonnst schmeiß ich ´s raus"


In der Wohnung gab es eine Wohnküche mit einem riesigen gekachelten Herd mit einer Eisenplatte von 1,5 x 1 m und einer umlaufenden Messingstangem über die nasse Handtücher getrocknet werden konnten.
Sicher von einem Ofensetzer gebaut, (gibt es so etwas auch heute noch als Beruf ? )

dann eine Speisekammer, ca 1 x 1m , architektonisch im Haus so plaziert, dass immer Wind geht

Dann gab es einen sog, "Handstein" das ist der Wasseranschluss für die ganze Küche, etwas tiefer angebracht als ein Waschbecken in der Toilette,
Vielleicht darum , damit auch Kinder an das Wasser kommen

Ea gab eine Kochkiste, in der halbfertig gegarte Speisen ohne Ofen isoliert zuende kochten

Im Bad gab es einen Ofen, über dem ein 100 Ltr-Wasserbehälter aus Kupfer war, das Ding war sicher an die 10-15 Jahre nicht in Betrieb gewesen, es mich heute wundert, dass ich damals als 10 jähriger nach dem Anfeuern keinen Schornsteinbrand verursacht habe.
Jedenfalls war fortan meine Mutter glücklich, nach der Arbeit in eine warme Badewanne zu steigen.

28 qm war unser Reich, anfangs noch mit meiner Großmutter, 3 Leute auf einem Zimmer. Meine Großmutter schlief auf 3 Reichsbahn-Sitzpolster, die meine Mutter 1945 aus einem zerschossenen Personenzug geklaut hat, wo ich schlief weiss ich nicht mehr und meine Mutter schlief auf einem Ausziehtisch .

Der Riesen-Kachelofen war einer kleinen Hexe gewichen (ein Ofen aus Eisen mit Schamott-Steinen im Brennraum von ca, 60 x 40 x 40 cm ,stehend auf einem Eisengestell.
(vor 2 Jahren habe ich so etwas in Athen wiedergesehen)

Der hat die 28 qm warm gemacht, darauf wurde gekocht.
geheizt wurde mit Briketts, keine Eierbriketts, die wurden zu heiß.
Briketts wurden mit der schottschen Karre abgeholt.
Man muss sich das nur einmal vorstellen: Meine Mutter, mit 48 auch nicht mehr die Jüngstem schiebt einen Zentner Brikett, auf dem ihr Sohn sitzt, auf einer hochrädrigen Karre durch die Straßen und trägt dann diesen Zentner stückweise in einem 5 stöckigen Haus auf den Dachboden.

Hut ab vor diesen Frauen.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
24.09.2012, 10:14
Beitrag: #20
RE: Moden im Wohnungsbau, Wohnblocks/Stadtvillen
Wenn man in google earth (habe allerdings nur die kostenlose Version) "Stuttgart" und dann "Eierstraße" eingibt, sieht man die ganze Anlage von oben. Auf Fotos im Internet ist erkennbar, dass alles sehr schön renoviert wurde. War in den `60er Jahren letztmalig im Eiernest, da war alles noch original in katzengrau. Die Bewohner galten damals als sozial auf niedriger Stufe stehend. Da hat man wohl nach dem Krieg Problemfälle einquartiert. Mein Fußballkamerad hat früher nur Limonade getrunken, später soll er auch Alkoholiker geworden sein, erzählte mir ein ehemaliger Mitkicker. Sein Vater und sein Onkel waren deutsche Meister im Kunstkraftsport, eine Sportart, die es heute nicht mehr gibt.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 5 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds