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Versuch eines Diskussions-Starts: Was war der Heilige Gral ?
13.06.2018, 08:59
Beitrag: #10
RE: Versuch eines Diskussions-Starts: Was war der Heilige Gral ?
(12.06.2018 16:40)Dietrich schrieb:  
(09.06.2018 22:24)upuaut3 schrieb:  Vielleicht sollte man solche im Nebel tiefster Vergangenheit sich befindenden Mythen ruhen lassen;

Das denke ich nicht. Gerade die Suche nach der Quelle der Gralslegende offenbart ihren Kern.

Zeitlich weit vor den Gralsromanen verband sich der Gral in der christlichen Tradition mit der Eucharistie: Man verstand den Gral als den Kelch, aus dem Jesus Christus beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern getrunken hatte und in dem Josef von Arimathäa das Blut Christi unter dessen Kreuz aufgefangen hatte. Davon wird schon sehr früh in den christlichen Apokryphen berichtet (Nikodemusevangelium um das Jahr 350), anzunehmen ist auch mündliche Überlieferung.

Das in den Apokryphen enthaltene Nikodemusevangelium erzählt, dass bei der Kreuzigung Jesu sein Anhänger Josef von Arimathäa anwesend war. Als der römische Soldat Mauricius dann Christus mit der Lanze in die Seite stach, so heißt es, flossen Wasser und Blut aus der Wunde. Josef hielt eine Schale, die später als „Heiliger Gral“ bezeichnet wurde, unter die Wunde und füllte sie mit dem Blut Jesu. Bis um das Jahr 1.000 spielte dieser Gral weder für die Kulturgeschichte des Abendlandes noch des Morgenlandes eine Rolle. Erst seit dem 12. Jh. verbreitete sich der Mythos.

Diese frühe christliche Legendenbildung bildet den Ursprung und die Quelle aller späteren Gralsromane und der mittelalterlichen Gralsliteratur. In der europäischen Literatur taucht das Element des Grals erstmals Ende des 12. Jh. auf.

Später verband sich mit dem Heiligen Gral auch die christliche Transsubstantiationslehre, d.h. die Wandlung von Wein und Brot in das Blut und den Leib Jesu Christi in der heiligen Messe.

Nachdem apokryphische Schriften - als Abglanz des Urchristentums - erstmals vom Heiligen Gral berichtet hatten, strahlte diese Legende aus. Im Gralsmythos liefen künftig verschiedene Traditionen zusammen und bildeten eine Mischung aus keltischen, christlichen und orientalischen Sagen.

Die ältesten Geschichten über den Gral sind der Parzival-Roman von Chrétien von Troyes und die Gralsgeschichte von Robert von Boron - beide entstanden etwa zeitgleich im 12. Jahrhundert.
Die beiden Geschichten unterscheiden sich aber sehr stark, so dass angenommen werden muss, dass sie sich unterschiedliche Quellen bedienten. In der Gralsgeschichte von Robert von Boron kommt Parzival gar nicht vor.

Robert von Boron hat bei seiner Gralsversion (Joseph von Arimathäa mit dem Kelch und dem Blut Jesus) eine kirchliche Überlieferung übernommen, welche schriftlich ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert stammt und sich auf die Zeit Karls des Grossen / Ludwig des Frommen beruft, wonach der damalige Erzbischof von Trier, Amalarius von Metz in einer Allegorie Joseph von Arimathäa mit einem Kelch in Verbindung bringt (mit dem Gral hatte das noch nichts zu tun, das war Borons Idee)
https://de.wikipedia.org/wiki/Amalarius

Chrétiens Gral-Version im Parzival ist ebenfalls ein Kelch (ohne Blut und ohne Joseph), woher er den Kelch hat, ist nicht klar (der keltische Zauberkessel von Miraculix -Smile scheint mir unwahrscheinlich. Die Gestalt des Parzival taucht (unter anderem Namen) auch in walisischen und irischen Sagen auf, wobei nicht klar ist, wer wen beeinflusst hat (ich schaue am Wochenende mal meine Notizen nach und werde diese posten).

In einer dritten Gral-Version taucht dieser als Stein oder Steingefäss auf und zwar in Wolfram von Eschenbachs Parzival (ebenfalls ohne Blut und Jospeh). Eschenbach stütz sich bei seiner Übersetzung und Bearbeitung nach eigenen Angaben auf einen "Provenzalen" "Kyôt", welcher geschrieben haben soll, dass der Gral ein Stein sein und dass Chrétien die Quelle verfälscht habe.
Eschenbachs "Kyôt" wird allgemein als literarische Kunstfigur interpretiert doch gibt es auch Thesen, welche diesen mit dem Minnesänger/Troubadour Guiot de Provins identifizieren, einen Zeitgenossen Chrétiens und der wie dieser aus der Champagne stammt.
https://fr.wikipedia.org/wiki/Guiot_de_Provins

Es gibt somit mindestens drei Möglichkeiten zum Ursprung des Grals-Mythos und die christliche von Boron hat sich erst später durchgesetzt (wobei, wie gesagt, Parzival bei Boron noch kein Thema ist - der stammt aus einer anderen Quelle).
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RE: Versuch eines Diskussions-Starts: Was war der Heilige Gral ? - Aguyar - 13.06.2018 08:59

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