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Verschiedene Beinamen - zeitgenössisch bedingt oder Notwendigkeit der "Historiker"
02.01.2019, 20:21
Beitrag: #6
RE: Beinamen
(01.01.2019 17:40)Sansavoir schrieb:  […] Die "Heiligen" oder "Frommen" haben sicher ihren Beinamen erhalten, weil sie eine kirchenfreundliche Politik umsetzten bzw. wie bei Olaf den Heiligen oder dem Ungarn Stephan den Heiligen die Christianisierung einleiteten. Bei Ludwig den Frommen könnte der Beiname auch als Kritik an seiner Beeinflussung durch kirchliche Ratgeber betrachtet werden.
[…]

Da habe ich aber doch einen etwas anderen Eindruck. Zumindest ist auffällig, dass Herrscher mit dem Beinamen "der Heilige" gewöhnlich als "Staats- und Dynastieheilige" reüssierten, was zumindest darauf hinweist, dass ihre "Heiligenrolle" politische Gründe hatte, also eher auf spätere Generationen zurückgeführt werden kann. Weiter kommt hinzu, dass sie vom Heiligen Stuhl heilig gesprochen worden. Ich glaube nicht, dass ihnen ihre kirchenfreundliche Politik diesen Beinamen gab, sondern ich halte es für wahrscheinlicher, dass die Heiligsprechung durch den Papst normalerweise zur Folge hatte, dass Status als Heilige für diesen Beinamen verantwortlich ist und frühere Beinamen automatisch verdrängte.

(01.01.2019 17:40)Sansavoir schrieb:  […] Einen schlechten Ruf, wohl oft nicht zu Unrecht, haben die letzten Herrscher einer Dynastie häufig, man denke nur an die letzten Kapetinger, Valois oder Bourbonen – zufällig immer drei Brüder – oder an Richard III., um nur einige zu benennen.[…]

Das dürfte ein bisschen zu einfach sein, denn immerhin gibt es auch eine ganze Reihe von "letzten" Herrschern aus Dynastien, die nach ihrem Tod einen guten Ruf hatten. Beispiele dafür sind: die englische Königin Elizabeth (I.), der römisch-deutsche Kaiser Heinrich (II.) "der Heilige", der letzte Kaiser von Byzanz etc.

In einigen weiteren Fällen, zum Beispiel Richard (III.) (Haus York), Heinrich (III.) (Haus Valois) etc., dürfte der schlechte Ruf eher der Propaganda und gezielten Diffamierung geschuldet sein.

Nur bei Herrschern, die tatsächlich eher unauffällig oder (gemessen an ihren Möglichkeit) tatsächlich Nieten waren, dürfte das Fehlen von Nachkommen eine entscheidende Rolle für den späteren Ruf bei der Nachwelt gespielt haben. Denn bei direkten legalen Nachkommen hätte noch die Chance bestanden, dass von denen etwas zur Rufrettung des Vorfahren inszeniert wurde, da sie wohl selbst keine Schandfleck in ihrer Abstammung haben wollten.

(01.01.2019 17:40)Sansavoir schrieb:  […]
Bei den „Guten“ ist es auch so eine Frage. Der österreichische Kaiser Ferdinand I. der Gute sollte ja im Volksmund Nandl der Trottel genannt worden sein.[…]

Dass Ferdinand I. im Volksmund "Nandl der Trottel" genannt wurde, dafür gibt es doch keine Belege. Nach meinen eigenen Beobachtungen mit Blick auf vergleichbare Fälle, dürften ihn nicht der Volksmund oder die Zeitgenossen so genannt haben, sondern dabei handelt es sich sehr wahrscheinlich sich um eine Erfindung des Habsburger-Bashings der populärwissenschaftlichen Literatur des 20. Jahrhunderts, die sich im 21. Jahrhundert auch in der aktuellen Geschichtsforschung der Universitäten und Forschungseinrichungen im deuschsprachigen EU-Raum des 21. Jahrhunderts (und vielleicht nicht nur dort) eingenistet hat.

(01.01.2019 17:40)Sansavoir schrieb:  […]Ob sich der Versuch, Albrecht II. den Verleumdeten zu nennen, durchsetzen wird, bezweifle ich.
[…]

Das bezweifle ich ebenfalls. Der "Rufer in der einsamen Wüste" wird gewöhnlich nur dann gehört, wenn es irgendwelche wirtschaftliche oder politische Gründe gibt, sich auf eine andere Sicht einzulassen.

Es ist leichter eine Lüge zu glauben, die man schon tausendmal gehört hat, als eine Tatsache, die einem völlig neu ist.
(Ludwig Andreas Feuerbach)

Vielleicht war doch etwas an Lauras Theorie, dass die Menschen nur schwer eine vorgefasste Meinung aufgeben können. Dass eine undefinierbare innere Opposition gegen das Aufgaben einer einmal eingenommenen Haltung bestand. (Josephine Tey)

Albrecht der Entartete hätte wahrscheinlich nur dann die Chance auf eine Rehabilitierung, wenn es zum Beispiel für den Tourismus in Sachsen oder Deutschland etwas bringen würde. Hinzu kommt, dass der Roman sicher kein Buch ist, dass bei der breiten Masse reüssieren kann.

Für mich ist übrigens nicht das Entscheidende, ob Albrecht nun "verleumdet" oder auf Kosten seines Nachfolgers diffamiert wurde, das kann ich selbst nicht entscheiden. Allerdings bringt der Autor Argumente, die zumindest Sinn machen, die also in die Kategorie: überlegenswert, fallen.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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