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Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern
06.07.2019, 16:43
Beitrag: #11
RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern
Solange nicht das Gegenteil bewiesen, lässt sich alles behaupten. Für mich ist immer ausschlaggebend, ob es nur eine Behauptung ist oder zumindest ein paar glaubwürdige und seriöse Indizien existieren, dass dies keine Behauptung, sondern etwas im Rahmen dessen, was stimmen könnte ist.

Fakt ist für mich eigentlich, dass gewöhnlich eine mächtige Adelsfamilie nicht einfach auf dem Nichts auftaucht. Es sei denn, für dieses plötzliche Auftauchen aus dem Nirgendwo gibt es eine Erklärung. Die Grafen von Zollern gelten als schwäbische Adelsfamilie, wobei die frühere Reichslandschaft Schwaben auf heutige Verhältnisse umgelegt, eine ganze Reihe von Nationalitäten anbietet. Der Titel Graf verweist auf eine Familie, die jedenfalls ihre Karriere als "Verwaltungsbeamte" begonnen haben wird.

Die Reichslandschaft Schwaben zählte zu jenen Territorien des Heiligen Römischen Reiches, die im Spätmittelalter eine gewisse Sonderentwicklung aufweisen. Hier gelang es dem König / Kaiser langfristig tatsächliche Herrschaftsrechte zu halten, da sich nach dem Interregnum "Oberherrschaft" oder landesfürstliche Herrschaft ausbildete, die das ganze Gebiet umfasste. Der Umstand, dass es jedoch bis Anfang des 16. Jahrhunderts keiner der "königswürdige" Adelsfamilien im Reich gelang, sich "de facto" als die Herrscherdynastie zu etablieren, entstand aus der Reichslandschaft Schwaben auch nicht so etwas wie die Königsdomäne des Heiligen Römischen Reiches. (Bemühungen der neueren Forschung des 21. Jahrhunderts dem Heiligen Römischen Reich für den Zeitraum zwischen 1250 und dem 16. Jahrhundert mit den Luxemburgern ebenfalls eine Herrscherdynastie zu geben, sind Konstrukte und Wunschdenken, dass die historischen Fakten, soweit gesichert, völlig außer Acht lassen.)

Das Fehlen einer einheitlichen Herrschaft hatte für die Reichslandschaft Schwaben insofern Nachteile, als die politischen Verhältnisse äußerst instabil blieben, was wiederum auch wirtschaftlich nicht gerade von Vorteil war. Die Reichslandschaft war ein Spielball von mehreren mächtigen politischen Akteuren (König / Kaiser, mächtige Reichsfürsten etc., Reichsstädte / Städtebünde, Eidgenossenschaften, Fürsten von außen etc.) Hier gab es noch "Freiräume" und politische Möglichkeiten, von denen auch die weniger mächtigen und einflussreichen Herrschaftsträger profitieren konnten.

Ich vermute, dass dieser Hintergrund für die Grafen von Zollern im Spätmittelalter entscheidend war. Während einer Linie durch die Verbindung mit den Burggrafen von Nürnberg ein beachtlicher Aufstieg in die höchsten Adelskreise gelang, der letztlich mit dem Erwerb einer Kurfürstenwürde gekrönt war, waren die meisten Linien der Zollern allerdings auf eine weniger bedeutende, "lokalere" Liga beschränkt. In dieser dürften sie sich zunächst ganz gut in Interaktion mit mächtigeren Familien wie den Grafen von Württemberg behauptet haben, auch wenn dabei Kompromisse hingenommen werden musste, wie eben die Anerkennung von Lehensobrigkeiten etc. Der politische Wendepunkt war dann das erste Viertel des 15. Jahrhunderts, in welchem die Karten (mein Eindruck) neu gemischt wurden, was nicht nur für das Heilige Römische Reich, sondern auch für Gebiete außerhalb im heutigen Europa einschneidende Veränderungen zur Folge hatten, die langfristig die nächsten Jahrhunderte bestimmen sollten.

Jedenfalls dürfte es kein Zufall sein, dass die entscheidende Krise der Grafen von Zollern (ca. 1415-1435) gerade in diese Zeit fällt. Immerhin gelang es, langfristig betrachtet, diese Krise zu meistern. Den Grafen von Zollern gelang zwar der Aufstieg in die oberste Liga (ausgenommen die Linie der Burggrafen von Nürnberg), aber sie behaupteten sich immerhin im Reichsadel und auf der Landesebene. Ich könnte mir nun vorstellen, dass in der Erinnerung später auch Geschehnisse, die sich vor 1415 ereigneten wie eben der Verkauf der Herrschaft Balingen und der Schalksburg in diese Krisenzeit "verlegt" wurden. Hier könnte die Legende vom Hirschgulden beziehungsweise die Idee von den Grafen von Württemberg übervorteilt oder zum Kauf gezwungen worden zu sein, ihren Ursprung haben.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern - Teresa C. - 06.07.2019 16:43

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