Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern
10.07.2019, 21:25
Beitrag: #23
RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern
(08.07.2019 12:09)Aguyar schrieb:  
(06.07.2019 16:43)Teresa C. schrieb:  Das Fehlen einer einheitlichen Herrschaft hatte für die Reichslandschaft Schwaben insofern Nachteile, als die politischen Verhältnisse äußerst instabil blieben, was wiederum auch wirtschaftlich nicht gerade von Vorteil war. Die Reichslandschaft war ein Spielball von mehreren mächtigen politischen Akteuren (König / Kaiser, mächtige Reichsfürsten etc., Reichsstädte / Städtebünde, Eidgenossenschaften, Fürsten von außen etc.) Hier gab es noch "Freiräume" und politische Möglichkeiten, von denen auch die weniger mächtigen und einflussreichen Herrschaftsträger profitieren konnten.
Auch die Habsburger gehören zu den Familien, die ihren Aufstieg diesen schwäbischen Verhältnissen verdanken.
Im Übrigen war die erste Frau von Rudolf I von Habsburg, Gertrud (die sich Anna nannte) von Hohenberg eine Zollern. Die Grafen von Hohenberg waren ein Linie des Hauses Zollern.

Dass die Habsburger ihren Aufstieg diesen schwäbischen Verhältnissen verdanken - dem widerspricht, dass der Aufstieg der Habsburger bereits in das 13. Jahrhundert fällt. (Mit mit der Wahl des Grafen Rudolf (IV.) von Habsburg zu "römischen" König, auch wenn es in den Forschungsarbeiten des 21. Jahrhunderts große Mode ist, diesen Fakt (der immerhin doch als belegt gelten kann) wegzublenden, mit Absicht zu ignorieren oder zu übersehen.)

-----
In diesen Zusammenhang wäre sicher interessant zu untersuchen, inwieweit wir es hier mit einer durch aktuelle, politische Verhältnisse und Ideologien des 21. Jahrhunderts bzw. Zeitgeist eingegrenzten historischen Sicht zu tun haben.( Was mit Blick auf die politischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts und den dort wiederholten Missbrauch der Geschichte für zweifelhafte Ideolgien als beschämender Rückschritt zu sehen ist.) Vielleicht hängt es aber nur damit zusammen, dass der aktuellen seriösen Forschung heute wieder die Beachtung größerer Zusammenhänge abhanden gekommen ist und sie trotz einer immer wieder gerühmten Fächervernetzung sich in Wirklichkeit auf eingeengtes Schubladendenken und isolierte Faktenglauberei beschränkt. Ich vermute, dass es um eine Kombination aus beiden handelt.

--------

Tatsache ist aber, dass der Umstand, dass sich in der Reichslandschaft Schwaben umfassend keine halbwegs stabile oder wenigstens formale Landesherrschaft ausbildete, eine Entwicklung des 14. und 15. Jahrhundert ist. Noch im 12. Jahrhundert unterscheidet sich die Entwicklung in der Reichslandschaft Schwaben (die sogar als "Stammesherzogtum" Schwaben gesehen wird) nicht wesentlich von der Lage in anderen Reichslandschaften (Bayern, Sachsen etc.). Das 13. Jahrhundert ist dann im Wesentlichen von der Herrschaft Kaiser Friedrichs II. bestimmt, bei dem sich bereits Herrschaftsstrukturen entwickelten, die im Heiligen Römischen Reich dann auch die Zeit nach dem Interregnum bestimmen sollten und von dem Interregnum.

Vielleicht ist es nicht interessant, dass die Habsburger und die (später brandenburgisch-preußischen) Hohenzollern (sozusagen die Linie der Zollern (Burggrafen von Nürnberg), welcher der Aufstieg in "Erste Liga" im Reich gelang, eines verbindet. Beiden Dynastien gelangten im Ende des 12. beziehungsweise im 13. Jahrhundert in den Besitz eines Herrschaftsbereiches außerhalb der Reichslandschaft Schwaben und dieses "zweite" Standbein sollte letztlich das "Sprungbrett" ihres Aufstiegs sein …

Die Hohenzollern erbten durch ihre Verbindung mit den Grafen von Raabs die Burggrafschaft Nürnberg und bauten dann im früheren Stammesherzogtum Bayern eine Herrschaft auf (Ansbach, Kulmbach etc.), ehe sie Kurfürsten von Brandenburg wurden und sich letztlich durch Erhebung zu Königen in (später von) Preußen (das nicht direkt dem Heiligen römischen Reich unterstand) eine eigenständige, vom Reich einigermaßen unabhängige Herrschaft schufen.
(Dass sie bereits als Burggrafen von Nürnberg im 13. und 14. Jahrhundert eine bedeutende Dynastie waren, lässt sich gerade daran erkennen, dass sie mehrere Ehen mit Mitgliedern der "königswürdigen" Dynastien im Heiligen Römischen Reich schlossen.)
In diesem Zusammenhang ist übrigens interessant, dass es durchaus Theorien gibt, wonach die gräflichen Linien der (Hohen-)Zollern und die späteren preußischen "Hohenzollern" gar keine Verwandtschaft verbunden haben soll beziehungsweise diese erst ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts war, das sich aber nur mit Einschränkungen in der Forschung durchsetzen konnte. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass die Zollern (Grafen) und die Hohenzollern (später Brandenburg-Preußen) nichts auf ihre "Verwandtschaft" gaben. Wenn sie einmal tatsächlich miteinander verwandt waren, was zumindest mehrere Stammbäume andeuten, so scheint ein Zusammenhalt aufgrund von Verwandtschaft beziehungsweise das Wissen um diese bereits im Spätmittelalter abhanden gekommen zu sein. (Sie sahen sich zumindest nicht mehr als Familienmitglieder.)

Die Habsburgern gelang der Aufstieg in die "königswürdigen" Dynastien des Heiligen Römischen Reiches, in deren "Rang" sie sich trotz Rückschritten immerhin etwa 150 Jahre behaupteten. Wie das Beispiel eines Adolf von Nassau oder Günther von Schwarzburg zeigt, war der vorübergehende Gewinn der römischen Königswürde für einen solchen Aufstieg keineswegs selbstverständlich. Für ihren weiteren Status im Reich war entscheidend, dass sie im 13. Jahrhundert die Herrschaft über gleich zwei Reichsfürstentümer übernahmen, die Herzogtümer Österreich und Steier (die beide aus der Reichslandschaft Bayern hervorgegangen waren und im 12. Jahrhundert durch Abspaltung vom Herzogtum Bayern geschaffen wurden), die letztlich der Ausgangspunkt für die Schaffung einer Hausmacht wurde, die ihnen nicht nur im 16. Jahrhundert zwei Königkronen brachte, sondern sogar zeitweise ein Reich, in dem die Sonne nicht unterging.

Um aber beim Thema zu bleiben:
Im Unterschied zu den Grafen von Zollern, die auf die Reichslandschaft Schwaben beschränkt bleiben, gelang es den Burggrafen von Nürnberg und den Grafen von Habsburg außerhalb von der Reichslandschaft Schwaben Fuß zu fassen, wo sie letztlich auch ihre Herrschaftszentren errichteten. Ich vermute, dass hier das Hauptproblem für eine Adelsfamilie wie die (schwäbischen) Linien der Grafen von Zollern lag.

Da sich in der Reichslandschaft Schwaben im 14. und 15. Jahrhundert kein halbwegs stabiles umfassendes landesherrschaftliches Territorium ausbildete, konnten sich die Grafen von Zollern beziehungsweise jene Linie, die bis in die Gegenwart Bestand hatte, als Reichsfürsten doch bis ins 19. Jahrhundert behaupten. Andererseits aber gelang es ihnen nicht, auch außerhalb der Reichslandschaft Schwaben dauerhaft Fuß zu fassen, wodurch ihr politischer Handlungsspielraum auf diese beschränkt war, was wiederum ihre tatsächlichen Möglichkeiten, Macht und Herrschaft auszuüben, einschränkte.
-------

Interessant ist übrigens die Frage, warum Graf Karl, nachdem es ihm gelungen war, wesentliche Teile der einstigen Zollernherrschaft zurückzugewinnen beziehungsweise sogar neue Gebiete zu gewinnen, eine erneute Teilung nicht verhindern konnte. Denn zu seiner Zeit setzte sich, soweit es sich beobachten lässt, auch im Heiligen Römischen Reich bei Reichsfürsten allmählich die Primogenitur durch. Nach seinen eigenen Erfahrungen wäre doch zu erwarten gewesen, dass er selbst dieses Modell unterstützt hätte.

Könnte ein Grund gewesen sein, dass es zu seiner Zeit der Familie an Einfluss fehlte, um männliche Erben angemessen zu versorgen (z. B. durch kirchliche Pfründen etc.) und deswegen weiterhin die Erbteilung beibehalten werden musste?

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern - Teresa C. - 10.07.2019 21:25

Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
  Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter Suebe 55 78.642 13.12.2021 17:35
Letzter Beitrag: Suebe

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds