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Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern
19.07.2019, 21:44
Beitrag: #52
RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern
(19.07.2019 15:56)Suebe schrieb:  wieder TT
Die Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts fragten sich, warum überhaupt sich die Zollern-Linien in den 1280ern überhaupt getrennt haben.
Ohne eine Antwort zu finden.

Schöntag meint die gefunden zu haben, und bietet folgende These an:

1. wäre das zu der Zeit keineswegs außergewöhnlich gewesen.

2. Nimmt er an, dass es sich hier um eine Art "Zollerisches Hausgesetz"
gehandelt hat.
Das macht er daran fest, dass immer wenn es um Kauf, Verkauf, Verpfändung usw. ging, nicht nur der jeweilige "Chef des Hauses" siegelte, sondern auch alle erwachsenen Söhne.

Diese Frage könnte in Bezug auf andere Adelsfamilien aber auch gestellt werden. (Wobei es sicher auch interessant ist, zu sehen, ob sich solche Entwicklungen auch außerhalb des Adels finden.)

Ich habe einmal dazu die Theorie gefunden, wonach die Könige, die ersten waren, die für sich eine Primogenitur durchsetzen, aber ihren Untertanen das zu verhindern versuchten, da Teilungen häufig zum Machtverlust führten, was durchaus in ihrem Interesse war.

Zumindest die Kurfürsten und einige besonders mächtige Reichsfürsten dürften zwar wenigstens "de facto", wenn gleich nicht "de jure" eine königsähnliche Position gehabt haben, aber sie alle waren trotz allem noch Untertanen des gewählten Herrschers, weswegen die Durchsetzung einer Primogenitur bei ihnen wesentlich schwerer möglich war, und da der König / Kaiser immer einer von ihnen war, dürfte auch seine Familie davon betroffen gewesen sein. Dass die weltlichen Kurfürsten als erste dann die Primogenitur durchsetzen konnten, dies allerdings zunächst nur für jene Herrschaft, an welche die Kurwürde gebunden war, war in der Goldenen Bulle festgelegt und dürfte damals pragmatische Überlegungen gehabt haben. (Die Doppelwahl von Ludwig dem Bayern / Friedrich dem Schönen und ihre Folgen für das folgende Jahrzehnt verdankte sich auch dem Umstand, dass die 7 Kurstimmen auf insgesamt neun Personen verteilt waren . Mein Eindruck ist ohnehin, dass die Goldene Bulle ursprünglich darauf abzielte, sicherzustellen, dass solche Doppelwahlen nicht mehr stattfinden konnten. Auch wenn ihr Karl IV. wohl nur deswegen als König / Kaiser zugestimmt haben dürfte, weil er selber einer dieser Kurfürsten war.)

Berücksichtigen wir, dass der Herrscher des Heiligen Reiches bis zuletzt (wenn gleich zeitweise "pro forma") gewählt wurden und diese Herrscherfamilien letztlich ebenfalls Untertanen formal Untertanen des Kaisers / Königs blieben, dürfte eine Abschaffung von Samtherrschaften / Teilherrschaften selbst für die "königswürdigen" Dynastien bis ins 16. Jahrhundert nicht durchzusetzen gewesen sein. Zwischen dem Interregnum und der Wahl von Kaiser Maximilian II. gab es nicht einmal so etwas wie eine dynastische Erfolge Sohn folgt Vater. (Bei den zwei Ausnahmefällen Wenzel und Maximilian I. fällt auf, dass zumindest Wenzel letztlich diese Position nicht auf Dauer behaupten konnte. Eine gewisse "dynastische" Erbfolge lässt sich vielleicht noch für Albrecht II. feststellen, der als (immerhin erster) Herrscher des Heiligen Römischen Reiches seinem (Schwieger-)Vater folgte.

Immerhin sind aber selbst Teilungen sehr komplizierte Angelegenheiten. Zumindest einige Teilungsverträge versuchen ausdrücklich den Zusammenhalt der Familie wenigstens formal festzuschreiben oder auf Dauer zu verhindern, so zum Beispiel:
- Teilungen (oft befristet) als Verwaltungsmaßnahmen, die regelmäßig zwischen den "erbberechtigten" Familienmitgliedern neu ausgehandelt oder bestätigt werden müssen
- Festlegung auf die Position eines "Familienchefs", meistens in der Variante Seniorat
- Stärkung der Zusammengehörigkeit und der "Familien"-Einheit trotz Teilung durch formale Maßnahmen wie die dass alle Familienmitglieder die Titel aller Herrschaften, welche die Familie "in Besitz" hat, führen dürfen, auch wenn die tatsächliche Herrschaft, egal, auch wenn sie an der Herrschaft von diesem nicht beteiligt waren.
- Erb-Vereinbarungen, die den Familienmitgliedern die den Rückfall an die Familie oder wenigstens ein erbliches Vorrecht bei einem Todesfall sichern sollten. Beim Aussterben sind nur die anderen Familienzweige erbberechtigt oder als erstes erbberechtigt (eventuell mit Bevorzugung der männlichen Familienmitglieder gegenüber von Töchtern / Schwestern etc.)
- bei einem Verkauf von Land und Herrschaft oder bei einer Verpfändung müssen alle anderen Familienzweige bzw. -Mitglieder ihre ausdrückliche Zustimmung geben
- bei einem Verkauf und einer Verpfändung haben sie zumindest das Vorverkaufsrecht
etc.

Diese Verträge zeigen jedenfalls, dass trotz Teilherrschaften in vielen Dynastien versucht wurde, wenigstens die Zusammengehörigkeit zu halten oder zu inszenieren.

Abschließend ist noch zu bedenken, dass bei größeren und weit verstreuten Länderbesitz Teilungen grundsätzlich Sinn machten, zudem die Herrschaft gerade im Spätmittelalter auch an die Präsenz des Herrschers gebunden war. Hinzu kommt noch, dass die Herrschaftsgebiete meistens kein zusammenhängendes Ganzes bildeten und oft eine speziell auf ihre wirtschaftliche und politische Lage ausgerichteten Herrschaft erforderten beziehungsweise davon profitierten. Die Teilung konnte sich auch durchaus für das Herrschaftsgebiet vorteilhaft auswirken, allerdings dürfte es den meisten Adelsfamilien nicht gelungen sein, ihren Zusammenhalt als Dynastie lange bewahren. Diese Vorteile bargen allerdings auch eine Gefahr, die offensichtlich sehr häufig eingetreten sein dürfte - "wenn es nicht gelang, ein "einig Haus" zu bleiben …

Eine weitere Rolle dürfte auch der Familienverband, der uns heute doch sehr fremd ist, gespielt haben. Während die Erbrechte von Töchtern durch eine Mitgift abgelöst werden konnte, fällt auf, dass dies bei Söhnen nicht der Fall war. Zumindest bin ich bisher nur auf einen Fall gestoßen (Anfang des 15. Jahrhunderts), wo die älteren Brüdern zumindest die Idee hatten, die jüngeren Brüder mit Geld abzufinden. Sie wurde letztlich nicht verwirklicht.

In einer Islandsaga (der "Laxdoela") (13. / 14. Jahrhundert) findet sich immerhin ein Bruderkonflikt, bei dem der jüngere Bruder Erbforderungen an Land und Vieh stellt, die ihm der ältere Bruder verweigert, und hier ist klar, dass es für den jüngeren Bruder hier weniger um Land und Vieh geht, als um die Anerkennung seiner Position.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts findet sich dann der Fall eines (bairischen) Wittelbachers, der von seinem Bruder Anteil an der Herrschaft oder eine eigene Herrschaft fordert (sein bereits verstorbener Vater war zuvor unter Mühen gelungen, durch die Zustimmung seiner eigenen Brüder, die noch am Leben waren, die Primogenitur durchzusetzen.) Der Wittelsbacher wurde übrigens von seiner Mutter unterstützt, der nachgesagt wird, dass sie es als Schande empfunden hätte, dass dieser Sohn kein regierender Herzog ist.

Das könnte auch die Teilungen der Grafen von Zollern erklären. Die Söhne waren de facto erbberechtigt, alle Söhne mussten angemessen versorgt werden, mag sein, dass ihnen das Netzwerk fehlte, um die meisten Söhne außerhalb ihres Besitzes unterzubringen.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Entwicklung von Territorialherrschaften im Spätmittelalter II Hohenzollern - Teresa C. - 19.07.2019 21:44

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