Aimée du Buc de Rivéry

Aimée du Buc de Rivéry (1768-1817)

Aimée Du Buc de Rivery wurde 1763 in Trois-Îlets in der Nähe von Fort-de-France (damals Fort-Royal), dem Hauptort von Martinique geboren. Ihr Vater war dort ein französischer Pflanzer und adeliger Grundbesitzer. Sie war eine Cousine zweiten Grades von Joséphine Tascher, die später als verwitwete Joséphine de Beauharnais die erste Gemahlin Kaiser Napoleons I. von Frankreich wurde. Das Mädchen wurde standesgemäß und ohne größere Besonderheiten in einer französischen Klosterschule erzogen. Mit dreizehn Jahren aber wurde es nach Frankreich geschickt, in das Pensionat der „Dames de la Visitation“ in Nantes. Die folgenden acht Jahre verbrachte Aimée dort, bis sie 1784 wieder in ihre Heimat nach Martinique zurückkehren sollte.

 

Doch auf der Reise nach Westindien wurde das Schiff von nordafrikanischen Seeräubern angegriffen. Die Besatzung war machtlos und musste das Feld räumen. Es wurde geplündert, geraubt und vergewaltigt. Doch Aimée entging diesem Schicksal, weil sie sehr schön war. Die Piraten sandten sie an ihren Landesherren, an den Hof des Deys von Algier. Dieser wiederum sandte sie nach kurzer Zeit als Ehrengeschenk an den osmanischen Sultan in Istanbul. Die gefangene Jungfrau kam in dessen Harem, wo sie den neuen Namen „Naksch“ oder „Nakshidil“ bekam, was so viel bedeutet wie „die Schöne“. Als sie zum ersten Mal über Nacht das Lager des Sultans teilen sollte, weigerte sie sich energisch, was nahezu einen Aufstand im Harem hervorrief. Schließlich war sie die Tochter eines Sklavenhalters, die nun selbst zur Sklavin geworden war – wie es ihr erschien, zur Sklavin eines Wilden. Doch natürlich half keine Weigerung. Aimée fügte sich ihrem Schicksal. Sie soll dem Osmanenherrscher am 20. Juli 1785 angeblich auch den Thronfolger Mahmud II. geboren haben. Da ihr die Welt im Harem sehr fremd war, nahm sich der Eunuch Tulip ihrer an und führte sie behutsam in die Welt des Palastes ein.

 

Mit der Zeit gewann die hübsche und intelligente junge Frau auf den Sultan Abdul Hamid I. (1774 – 1789) großen Einfluss. Auch als dieser starb und sein Neffe Selim II. (1789 – 1807) den Thron bestieg, konnte sie ihren Einfluss halten. Der neue Herrscher machte eine sehr „französische“ Politik, er führte zahlreiche Reformen des Rechts-, Finanz-, Bildungs- und Militärwesens durch. Aimée selbst war im Grunde ihres Herzens immer noch eine Franzosin, sie unterhielt einen regen Briefwechsel mit französischen Verwandten und Bekannten, auch mit ihrer Cousine, die mittlerweile Kaiserin geworden war. Sie sorgte dafür, dass das Reich eine ständige Botschaft in Frankreich unterhielt. Doch als das osmanische Reich unter Selim II. einige innen- und außenpolitische Rückschläge erlebte, erhoben die Aufständischen einen Sohn Abdul Hamids I., Mustafa IV. (1807 – 1808) auf den Thron, worauf ein linientreuer Pascha versuchte, den Usurpator umzubringen und Selim wieder einzusetzen. Doch der alte Herrscher war mittlerweile gewaltsam zu Tode gekommen, worauf sich der Pascha darauf beschränkte, grausam Rache zu nehmen. Mustafa IV. wurde umgebracht und ein anderer Sohn Abdul Hamids I., nämlich Mahmud II. (1808 – 1839) als Sultan eingesetzt.

Dieser Mahmud war angeblich Aimées Sohn, und so wurde diese zur Sultansmutter, zur Valide Sultan. Ihre große Zeit war gekommen. Ihr neuer Titel sicherte ihr eine Menge informellen Einfluss und den Vorsitz des Harems. Sie war sicherlich nicht ganz unverantwortlich dafür, dass das Leben bei Hofe fast schon westeuropäische Formen annahm. Mahmud lebte fast in Einehe mit Besma, einer armenischen Sklavin und ehemaligen Badedienerin, mit der er sechs Kinder hatte. Er setzte die Reformen Selims II. fort und schuf ein ausgeklügeltes Quarantänesystem, dass Istanbul 1838 vor einer grausamen Pestepidemie schützte. Eine medizinische Akademie wurde gegründet und das Christentum unterstützt. Er gab sich als volksnaher Herrscher, man konnte ihn oft in einem Theater in Pera sehen. Einmal wurde von ihm sogar geplant, den Eunuchenhandel zu verbieten, was aber scheiterte. Hinter all diesen Entwicklungen steht zwar nicht ausschließlich, aber sicherlich zu einem bedeutenden Teil, das Engagement der französischen Pflanzertochter Aimée. Doch bald musste Mahmud dazu übergehen, seine Macht gewaltsam zu behaupten. Der Thronfolger Mustapha, dessen Mutter und alle von ihm schwangeren Sklavinnen wurden getötet.

Aimée du Buc de Rivéry starb acht Jahre nach dem Regierungsantritt ihres Sohnes, im Jahre 1817, im Alter von 49 Jahren. Die Todesursache ist unbekannt. Der Korrektheit halber möchte ich darauf hinweisen, dass Wikipedia als Todesdatum den 28. August, ein von mir zu Rate gezogenes Buch aber den Winter angibt. Vor ihrem Tod hatte Aimée einen christlichen Priester holen lassen, der ihr die Beichte abnahm. Als sie verschieden war, wurde sie mit großem Prunk in der Nähe der Hagia Sophia zu Grabe getragen. Sie war es gewesen, die, obwohl unfreiwillig von der Adeligen zur Sklavin geworden, durch ihr Wesen für die ersten neuzeitlichen Reformen im – wenn auch untergehenden – osmanischen Reich sorgte.