Betrachtungen zum 4. Kreuzzug

GEWINNER DES 4. KREUZZUG:

 

-Venedig: Ganz klar ein Gewinner des 4. Kreuzzugs ist Venedig. Venedig ging beim 4. Kreuzzug ein hohes Risiko ein, doch aus der Sicht der Lagunenstadt hat es sich gelohnt. Zara wurden den Ungarn abgenommen. In Konstantinopel herrschte nach dem Kreuzzug ein Kaiser der sehr stark unter dem Einfluss der Seerepublik stand, unschätzbare Kunstschätze gelangten von Konstantinopel nach Venedig und man konnte Kolonien anlegen. Auch Langfristig war man ein Gewinner, denn selbst als Nikea das Lateinische Kaiserreich zurückeroberte gelang es dem wiederhergestellten Byzanz nie sich vom Einfluss der beiden italienischen Seemächte (Venedig, Genua) zu lösen.

 

-Bulgarien: Das neu entstandene Lateinische Kaiserreich war viel schwächer als Byzanz, das konnte sich unter anderem das erst vor kurzem entstandene Bulgarien zu nutze machen. Etwas was auch auffällt wenn man beachtete wie schnell Bulgarien zu einem regionalen Großreich geworden ist. Etwas was dazu geführt hatte das es Bulgarien schon im Jahr 1205 gelang die Kreuzritter bei Adrianopel zu schlagen und ihr Reich an den Rande des Untergangs zu bringen. Auch danach war Bulgarien noch eine regionale Großmacht die zeitweise gute Chancen auf das Erbe von Konstantinopel hatte, bis die Mongolen diese Position beendeten.

 

-Führung des Kreuzzugs und Kreuzritter: Konstantinopel hatte im Laufe der Geschichte einiges an Krisen erlebt, schweren Krisen sogar. Dennoch betrachtet man Berichte der Kreuzritter der ersten 4 Kreuzzüge über die Stadt merkt man schnell, eine Stadt mit solchem Reichtum fand man in Europa sonst nirgends. Ein Reichtum der von den Kreuzrittern bei der Plünderung großteils erbeutet wurde – so gesehen sind sie wohl auch Gewinner. Eindeutig zu den Gewinnern gehörten die Anführer des Kreuzzugs. Bonifaz von Montferrat wollte den Kaiserthron, dieser blieb ihm zwar verwehrt aber er hätte dafür das westliche Kleinasien bekommen sollen – stattdessen gründete er das Königreich von Thessalonike. Balduin von Flandern erhielt sogar die Kaiserkrone von Konstantinopel und auch zahlreiche andere bedeutende Kreuzritter des 4. Kreuzzugs kamen mit großen Gebieten, oft sogar in einer sehr lockeren Abhängigkeit zu Konstantinopel.

 

-Rum-Seldschuken: Das Wegfallen des westlichen Hauptgegners machte auch die Rum-Seldschuken zu Gewinnern des 4. Kreuzzugs, einige Gebiete die einst zu Byzanz gehörten fielen nun an die Rum-Seldschuken. An Gegnern wie Nikea scheiterte man aber, auch die Einnahme der Stadt Trapezunt gelang den Rum-Seldschuken nicht. Langfristig würde ich auch die späteren Türkischen Emiraten und somit die Osmanen als Gewinner des 4. Kreuzzugs und seinen Folgen sehen. Byzanz war durch den Kreuzzug geschwächt worden, aber nicht nur das, als Nikea Byzanz wieder herstellen konnte musste es sich mit denen Abmühen, die das Lateinische Kaiserreich wiederherstellen wollten (Karl von Anjou, Balduin II), was hohe Kosten verursachte und schlussendlich wiederum maßgeblich zum Niedergang von Byzanz beitrug.

 

-Komnenen in Trapezunt: Kurz vor dem 4. Kreuzzug hatten die Komnenen (Nachkommen von Kaiser Andronikos I) mit der Hilfe Georgiens die im Nordosten liegende Stadt Trapezunt unter ihre Kontrolle gebracht. Schwer zu sagen, wann und ob sich Byzanz (unter Alexios III oder seinen Nachfolgern) um die Sache gekümmert hätte, wenn der 4. Kreuzzug nicht gekommen wäre. Doch ich denke schon das die Komnenenkaiser von Trapezunt vom 4. Kreuzzug profitiert hatten. Mit dem Wegfall von Byzanz konnte man schnell nach Westen vorstoßen (durch die Hilfe Georgiens hatte man gegenüber der griechischen Konkurrenz wohl einen Startvortei). Dennoch verlor man zahlreiche Gebiet schon bald wieder, schied aus dem Kampf um Konstantinopel bald aus, wurde jedoch später nochmals sehr reich und hielt sich sogar nach 1453 noch ein paar Jahre.

 

VERLIERER DES 4. KREUZZUGS:

 

-Ungarn: Das Ungarn Zadar verlor macht es zu einem Verlierer des 4. Kreuzzugs. Eine Frage die ich mir oft stelle ist wie bedeutend Zadar für Ungarns König eigentlich war, nur irgendeine Küstenstadt oder vielleicht sogar der bedeutendste Flottenstützpunkt. Für Venedig war die Stadt wohl von hoher Bedeutung, im 12. Jahrhundert fiel sogar einmal ein Doge im Kampf um die Stadt.

 

-Byzanz: Ganz klar ein Verlierer war das Byzantinische Reich. Auf Konstantinopel möchte ich noch gesondert eingehen. Die Tatsache das es zum ersten mal in seiner Geschichte an eine feindliche Macht fiel war ein harter Schlag. Das in vielen Gebieten relativ schnell Nachfolgestaaten entstanden zeigt dann doch wie groß das Durchhaltevermögen des Staates war. Nikea gelang es schließlich Konstantinopel zurückzuerobern und damit Byzanz wiederherzustellen. Doch ab diesem Zeitpunkt hatte man schon wieder mit Wiederherstellungsversuchen (des Lateinischen Kaiserreichs) aus dem West zu kämpfen. Es musste ein Großmachtspolitik betrieben werden, eine die man sich nicht leisten konnte und somit begann der endgültige Niedergang von Byzanz.

 

-Konstantinopel: In mehrfacher Hinsicht war die Stadt Konstantinopel Verlierer des 4. Kreuzzugs. Einmal ist hier die Tatsache das es erstmals in seiner Geschichte erobert wurde. Außerdem kommen noch gewaltige Schäden durch gelegte Stadtbrände und Plünderungen hinzu. Viel Leid musste die Bevölkerung hier durchmachen und der Sachschaden konnte nicht mehr wirklich gut gemacht werden. Dem Lateinischen Kaiserreich fehlten hierfür die finanziellen Mitteln. Es ging sogar noch weiter, viele der noch verbliebenen Kunstwerke der Stadt wurden zur Behebung der Geldnot nach Westen verkauft. Auch von seiner Weltpolitischen Bedeutung her, erlangte die Stadt erst wieder unter der Herrschaft der Osmanen die Größte wie vor dem 4. Kreuzzug.

 

-Genua: War zumindest kurzfristig ein Kreuzzugsverlierer. Es hatte im Gegensatz zu Venedig keine Kolonien erwerben und es war nun vom Handel in Konstantinopel ausgeschlossen. Einige Zeitlang hatte Genua somit keinen Zugang zum Schwarzmeerhandel. Somit ist Genua ein Verlierer des 4. Kreuzzugs. Auch wenn es langfristig (über Nikea) erneut gelang in der Region Einfluss zu erlangen.

 

-Kreuzzugsgedanke und Kreuzritterstaaten: Ein Verlierer des 4. Kreuzzugs war der Kreuzzugsgedanke insgesamt. Sicher es war von Anfang an kein Kreuzzug der großen Herrscher, aber der erste und erfolgreichste Kreuzzug war auch eher einer der kleineren Fürstenschicht. Es hätte also funktionieren können, doch der Kreuzzug wandte sich nicht wie ursprünglich gedacht gegen Ägypten sondern gegen Mächte wie Ungarn und Byzanz. Das sorgte schon damals für Kritik. Viele Kreuzritter und wohl auch potentielle Kreuzritter waren enttäuscht. Ein großer Schaden für die Kreuzzugsbewegung.

Die Kreuzritterstaaten hätten wären wohl auch froh gewesen, wenn der 4. Kreuzzug ihnen Hilfe gebracht hätte, anstatt Byzanz anzugreifen. Das die Bewegung insgesamt Schaden nahm (ein Kreuzzug so groß wie etwa der 3. kam danach nicht mehr zusammen), machte auch die Kreuzritterstaaten zu Verlierern des 4. Kreuzzugs.

 

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