George Armstrong Custer

George Armstrong Custer

Schlacht am Little Bighorn - 25. Juni 1876

Custer etwa 1865

Sitting Bull, engl. für "Sitzender Bulle", eigentlich Tȟatȟáŋka Íyotake – "Sich setzender Bulle"

George Armstrong Custer

Um ihn zum Anfang noch einmal in Erinnerung zu rufen: Er lebte von 1839 bis 1876 und war Oberstleutnant und Generalmajor der USA, erst im Amerikanischen Bürgerkrieg, dann in den Indianerkriegen. In der Schlacht am Little Bighorn erlitt er eine schwere Niederlage, die er nicht überlebte.

Aber ganz von vorne: Geboren wurde Custer am 5. Dezember des Jahres 1839 in New Rumley, im Staat Ohio gelegen. Er stammte von Deutschen ab, genauer vom hessischen Offizier Paulus Küster und seiner Frau Gertrude Küster aus der Niederrhein-Region, die schon 150 Jahre vorher als eine der ersten deutschen Familien in die englischen Kolonien Nordamerikas auswanderten. Die Familie siedelte sich also im späteren Ohio an, wo sein Vater Emanuel Henry Custer, seines Zeichens außer Landwirt auch Schmied des Ortes, in der örtlichen Miliz tätig war. Die Mutter war Maria Custer, geborene Maria Ward. George hatte sechs Geschwister, zwei ältere und vier jüngere.

Durch die Tätigkeit seines Vaters als Hüter von Recht und Ordnung lernte der Sohn schon in jungen Jahren die Strenge des Soldatenlebens kennen. Aber er wuchs nicht nur bei seinen Eltern auf, lange Zeit wohnte er auch in Michigan bei seiner Halbschwester. Allgemein kann man sagen: Er hatte eine unbeschwerte Kindheit, die er ziemlich normal verlebte: Sehr fröhlich und lebhaft im Umgang mit seinen Freunden und Geschwistern, aber in der Schule leider bei weitem weniger aktiv.

Trotzdem schaffte er es gerade noch nach West Point, in die dortige Militärakademie der Vereinigten Staaten. Aber schon bald fiel er unangenehm auf und da es ihm an Disziplin mangelte, wurde er in seinem Jahrgang der schlechteste unter den 34 Auszubildenden. Mehrmals war er kurz davor, die Akademie verlassen zu müssen, so sammelte er in jedem der vier Lehrjahre durchschnittlich 90 Verweise, gerade noch genug, um nicht ausgeschlossen zu werden. Ein richtiger frecher Schlingel wie aus dem Bilderbuch: unpünktlich, frech, und nicht selten mit Schneeballwerfen oder Raufereien beschäftigt.

 

Aber er schaffte seinen Abschluss gerade so und konnte in die Armee eintreten. Er wurde Leutnant im zweiten Kavallerieregiment der Vereinigten Staaten. Drei Monate – von Dezember 1861 bis Februar 1862 – musste er kurzzeitig aus der Armee austreten, weil ihn eine nicht näher bekannte Krankheit heimgesucht hatte. Wieder zurück, wurde er in das fünfte Kavallerieregiment versetzt. In der Armee war er wohl etwas ordentlicher als in den Jahren zuvor und wurde am 5. Juni 1862 zum Hauptmann der Freiwilligen und zum Adjutant im Stab des Oberbefehlshabers George McClellan. Kleine Bemerkung am Rande: Auch dieser hatte wenige Jahre vor Custer die Militärakademie in West Point besucht, den Besucht aber als einer der besten abgeschlossen.

Aber auch wenn er nun mit seiner Karriere beschäftigt war: Besonders abgehoben war George immer noch nicht. Eine Anekdote berichtet davon, wie der Verwaltungsstab McClellans am Ufer eines Flusses stand und überlegte, wie tief das Wasser wohl sei. Custer sei geradewegs mit seinem Pferd in die Mitte des Flusses geritten und habe gerufen: „So tief ist es, General!“. Einmal verbrannte er sich auch die Hände, als er eine in Flammen stehende Brücke zu löschen versuchte.

George war verheiratet mit einer gewissen Elisabeth. Das Verhältnis der beiden war wohl von tiefer Liebe und Zuneigung geprägt. In den Ehejahren schrieben sich die beiden immer viele Briefe und Elisabeth nahm stets tiefe Anteilnahme an den Schicksalsschlägen ihres Mannes. Sie hielt ihn für einen strahlenden Helden und verteidigte und half ihm, so gut sie konnte. Manchmal kam sie sogar mit auf die Feldzüge.

 

Zu dieser Zeit tobte in den USA der Sezessionskrieg, auch Amerikanischer Bürgerkrieg genannt: Da die nördlichen Staaten von Einwanderern überflutet und somit von der Sklaverei unabhängig waren, lehnten sie diese ab und gingen gesetzlich dagegen vor. Die Südstaaten (Konföderierte Staaten von Amerika), die jedoch landwirtschaftlich geprägt und wirtschaftlich von der Sklavenhaltung abhängig waren, erklärten deshalb ihre Unabhängigkeit von den Nordstaaten. Es kam zum Krieg, und Custer machte auf Seiten der Nordstaaten mit.

Es scheint, als sei er an fast jeder militärischen Auseinandersetzung größeren Ausmaßes dabei gewesen. Dabei legte er jede Menge Einsatz an den Tag und kämpfte ohne Rücksicht auf Verluste, sowohl bei sich selber, als auch bei seinen Mitkämpfern. Diese Einstellung war damals dringend nötig, denn die Kavallerie der Armee der Konföderierten Staaten konnte gefährlich viele Erfolge aufweisen. Mit dem Stab des Generalmajors Pleasonton nahm Custer am größten Reitergefecht des gesamten Krieges teil, in Brandy Station (Virginia).

Auch in dieser Schlacht scheint er wieder alles gegeben zu haben, denn in der Folge wurde er am 29. Juni 1863 zum Brigadegeneral der Freiwilligen befördert. In den nächsten Monaten wurde er Kommandeur einer Kavalleriebrigade des Staates Michigan, und als solcher nahm er auch an der berühmten Schlacht von Gettysburg teil, bei der die Konföderierten entschieden zurückgedrängt wurden. Schließlich wurde er am 30. September 1864 zum Kommandeur der dritten Kavalleriedivision ernannt. Auch an den folgenden größeren Schlachten nahm er teil, und einmal gelang des der konföderierten Armee, sein persönliches Gepäck zu klauen und mitzunehmen.

Am 15. April 1865 wurde er aufgrund verschiedener Erfolge im Shenandoah- und im Appomattox – Feldzug zum Generalmajor der Freiwilligen befördert. Er war gerade 25 Jahre alt und hatte damit einen Rekord gebrochen: Kein anderer hatte in so jungen Jahren diesen Posten erlangt. Später erlangte er den Titularrang (d. h. Titel ohne Arbeit und Bezahlung) des Generalmajors der Regulären und wurde Hauptmann im fünften Kavallerieregiment. Er hatte in seinen 4 Dienstjahren (genau die vier Jahre des Bürgerkrieges) eine so schnelle Laufbahn hingelegt wie vor ihm keiner. Er wurde nun im ganzen Land (oder zumindest in den Nordstaaten) bestaunt und geehrt. Nur die Ehrenmedaille, die Medal of Honor, die höchste Auszeichnung der Armee der Vereinigten Staaten, bekam er nicht zugesprochen.

Wieder eine Ironie: Dafür bekam der ihm unterstellte Bruder Thomas Custer sie als erster gleich zweimal.

Am 1. Februar des Jahres 1866 trat Generalmajor George Armstrong Custer aus der Armee der Freiwilligen aus. Sofort erreichte ihn ein Angebot aus Mexiko vom dortigen aufständischen Präsidenten Benito Juárez, der ihm anbot, die Oberkommandantur über die mexikanische Kavallerie zu übernehmen und im Zuge von dessen umfangreichen Reformen die Reiterregimenter neu zu organisieren und in der Revolution gegen den Kaiser von Mexiko zum Sieg führen sollte. Aber das erlaubte die amerikanische Regierung nicht, da sie den Kaiser und seinen Verbündeten Frankreich nicht verärgern wollte.

Quasi als Entschädigung wurde Custer am 28. Juli 1866 zum Oberstleutnant befördert. Im Folgejahr machte er sich dann daran, einige Kompanien des siebten Kavallerieregiments unter Generalmajor Winfield Scott Hancocks eine Operation durchzuführen: Eine Expedition in das Indianerland der Sioux und Cheyennes. Aber dabei lief nicht alles glatt: Nicht nur, dass keine ausreichenden Ergebnisse gebracht wurden, Custer befahl dabei sogar, auf Deserteure zu schießen und den Überlebenden keine Hilfe zukommen zu lassen. Daher wurde er nach Fort Leavenworth gerufen, wohin er aber erst ziemlich verspätet kam: Er hatte vorher noch seine Frau Elisabeth in Fort Riley aufgesucht, da dort die Cholera ausgebrochen war.

Schließlich kam er in Arrest, mit der Begründung „fortgesetzte Disziplinlosigkeit“. Am Ende entschied ein Militärgericht im Herbst 1867, ihn für ein Jahr aus der Armee auszuschließen. Zum Glück hatte Custer Beziehungen und sein alter Freund Generalmajor Sheridan sorgte dafür, dass er wieder zurückkehren konnte. 1868 fand ein Winterfeldzug statt, bei dem er seinen einzigen Sieg Custers gegen indianische Stämme errang. Er zerstörte ein Dorf der südlichen Cheyenne so gut wie völlig. Viele Indianer konnten in die Wälder fliehen, aber die Pferde wurden allesamt getötet. Doch auch dieser Angriff ist nicht ganz unumstritten: Einerseits befahl er, Frauen und Kinder am Leben zu lassen, andererseits wurden jede Menge Zivilisten getötet. Da die Pferde umgebracht worden waren, fehlte den Bewohnern nun die Möglichkeit zur Büffeljagd und somit die Existenzgrundlage.

Auch bei seinen eigenen Leuten wurde Custer beschuldigt: Eine Gruppe Soldaten unter Major Elliot hatte indianische Krieger verfolgt, die fliehen wollten, und war von dieser Mission nicht zurückgekehrt. Auch dass Elliot widerrechtlich gehandelt und Custer einen Suchtrupp losgeschickt hatte, konnte die Beschuldigungen nicht verhindern.

Der strahlende Held, als der er am Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges dagestanden hatte, war er jedenfalls nicht mehr.

 

Ein paar Jahre hatte Custer friedliche Zeiten, in denen er seine Einheiten beaufsichtigte. Aber 1873 wurde er in die Plains geschickt, um gegen die Indianer, genauer, gegen die Sioux, zu kämpfen. Gleich im ersten Jahr fanden einige Scharmützel statt, jedoch ohne größere Bedeutung. Das Jahr darauf wurde eine Expedition aus 1.200 Soldaten in die Black Hills geschickt, die heiligen Berge der dort ansässigen Stämme. Als in French Creek Gold gefunden wurde, entbrannte ein wahrer Goldrausch in diesen Gebieten. Keinen Weißen kümmerte es, dass sechs Jahre zuvor die USA den Indianern diese Berge für alle Zeiten zugesprochen hatte. Custer jedenfalls kehrte wohlbehalten zurück.

1876, so behaupten einige, habe sich Custer für das Amt des amerikanischen Präsidenten zur Wahl gestellt, als Demokrat. Aber andere Historiker wiederum halten dies für eine totale Fehlinformation. Was nun los war, weiß man nicht.

Jedenfalls sollte er weiter gegen Sioux und Cheyenne kämpfen, zusammen mit einigen anderen Verbänden unter George Crook und John Gibbon. Aber wenige Wochen, bevor der Feldzug startete, zerstritt sich Custer mit dem Präsidenten in Washington, Ulysses S. Grant, und wurde als Strafe durch General Alfred Terry ersetzt. Doch dieser wusste, dass er Custer brauchte, und brachte Grant dazu, Custer doch noch an den militärischen Aktionen teilhaben zu lassen, wenn auch nicht als Oberbefehlshaber (das blieb weiterhin Terry), sondern als zweithöchster Teilnehmer.

Es folgte der letzte und dramatischste Akt in Custers nicht allzu langem Leben. Welchen Rang er dabei genau innehatte, ist sehr umstritten und wird in der Forschung schon länger diskutiert. Terry plante, die Indianer mit zwei Heeresabteilungen in die Zange zu nehmen und dann vollständig aufzureiben. Custer sollte zusammen mit dem siebten Kavallerieregiment die Indianer aufspüren und angreifen, um sie zur Flucht zu bringen. Währenddessen bewegte sich sein Vorgesetzter mit dem Rest der Streitkräfte um die Kämpfenden herum, um den Fluchtweg zu blockieren und die unvorbereiteten Indianer dem Erdboden gleichzumachen.

Doch Custer schaffte es diesmal nicht, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sein ganzes Denken war beherrscht vor der Angst, die Indianer konnten vorzeitig fliehen. Deshalb hetzte er die Armee voran, alle Warnungen von Spähern ignorierend und auf ausführliche Aufklärung verzichtend. Schließlich erreichte er einen kleinen Fluss namens Little Bighorn. Dort lagerten die Indianer (2000 Menschen) mit ihren Häupflingen Sitting Bull, Two Moon, Gall, Crazy Horse und Spottet Elk (Big Foot). Am 25. Juni 1876 griff Custer an.

Die nun folgende Schlacht am Little Bighorn sollte in die Geschichte eingehen. Denn die Amerikaner waren weit weniger und hatten konnten auch durch Waffen die Minderzahl nicht ausgleichen, denn die indianischen Stämme waren deutlich zweckmäßiger bewaffnet. Custers Plan sah vor, das Regiment in drei Teile aufzuteilen und gleichzeitig von verschiedenen Seiten anzugreifen.

Doch so weit sollte es gar nicht kommen. Bevor die drei Gruppen ihre Positionen beziehen konnten, stürmte brüllend eine übermächtige Streitmacht aus Indianern herbei. Es blieb den Männern gar nichts anderes als die Flucht. Als sie auf einem Hügel ankamen, holten die Indianer auf. Es kam zum Gemetzel. Die Weißen wurden ausnahmslos umgebracht, auch Custer. Seine Brüder Tom und Boston kamen ebenfalls in der Schlacht ums Leben.

Die beiden anderen Gruppen, die schon auf dem Weg waren, wurden nun auch angegriffen, konnten sich aber vorerst halten. Als dann der Versorgungstrupp ankam, war es trotzdem zu spät, um die Indianer in die Flucht zu treiben. Es blieb nichts anderes übrig, als die Leichen zu bergen. George Armstrong Custer wurde schnell und unauffällig begraben. Ein Jahr später, am 10. Oktober 1877, wurde er mit allen Ehren in der Militärakademie in West Point beigesetzt, die ihm nie viel bedeutet hatte.

Seine Frau Elisabeth gab später (1897 und 1913) zwei Bücher über ihn hinaus, in denen sie das harte Leben ihres Mannes bei den Indianern schildert und ihn eifrig gegen alle Anschuldigungen verteidigt. Ihr Mann sei als einziger unschuldig an den Niederlagen der Amerikaner gewesen. Sie heiratete nie wieder. George selber schrieb eine Autobiographie, die 1872 erschien, in der es um das Leben der Soldaten und die Indianer geht. Doch wahrscheinlich ist nicht allzu viel dran an den Schilderungen Custers, der sich sehr gut mit Öffentlichkeitsarbeit auskannte. Stets waren Reporter in seinen Lagern, denen er die Erfolge berichtete.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein genoss Custer einen ungetrübten Ruf, den der amerikanische Staat mit Propagandafilmen (zum Beispiel „They Died With Their Boots On“, 1941, auf Deutsch „Sein letztes Kommando“, 1950) kräftig weiter am Leben hielt. Wahre Lobeshymnen wurden geschrieben, die, antiken Heldenepen gleich, fast einen Halbgott ohne Makel aus Custer machen. Seit jedoch in den 1960er Jahren mehr über die Behandlung der Indianer kritisch nachgedacht wird, hat sich dieses Bild gewandelt und hin und wieder wird Custer sogar als „blutrünstiger Kriegshetzer“ (Wikipedia, „George Armstrong Custer“) geschildert.

Eines ist klar: Beide extremen Darstellungen sind falsch. Aber eine genaue Charakterisierung des geheimnisvollen Generals ist nicht möglich.