Hongwu, Kaiser von China

Hongwu (明太祖) Portrait 14-17 Jhd.

Kaiserin Ma (孝慈高皇后)

Hongwu, National Palace Museum, Taipei

Hongwu, Kaiser von China

 

Zhu Yuanzhang (* 21. September 1328 in Zhongli (beides Provinz Anhui), † 24. Juni 1398 in Nanjing) war ein aus ärmlichen Verhältnissen stammender, in seiner Kindheit Vieh hütender, ehemaliger buddhistischer Bettelmönch, der 1368 an der Spitze der Rebellenbewegung der „Roten Turbane“ die in China seit 1271 bzw. 1279 herrschende mongolische Yuan-Dynastie stürzte und daraufhin die bis 1644 dauernde Herrschaft der Ming-Dynastie begründete. Der erste Ming-Kaiser wird aufgrund seiner außerordentlichen Leistungen als einer der bedeutendsten chinesischen Kaiser betrachtet und ist in Europa auch unter seinen Tempelnamen Ming Taizu bekannt, dessen Regierungsdevise Hongwu („Große Militärische Macht“) lautete.

 

Leben 1328 bis 1368

 

Zhu entstammte einer in prekären Verhältnissen lebenden Nanjinger (Nankinger) Familie. Sein Großvater verdingte sich als Goldwäscher, seine Eltern waren bekannte Hexenmeister, die infolge ihrer hohen Steuerschulden aus Nanjing in die Provinz Anhui fliehen mussten. Dort wurde Zhu Yuanzhang als jüngstes von sechs Kind geboren. Er verlor jedoch infolge einer 1344 ausgebrochenen Epidemie die meisten Angehörigen seiner Familie, so dass er sich als mittelloses Waise entschloss, in das buddhistischen Kloster von Fengyang einzutreten, wo ihm einerseits für einige Zeit materielle Sicherheit gewährt wurde, andererseits das Lesen und Schreiben vermittelt wurde.

 

1352 schloss sich der seinem Kloster entlaufene Mönch den buddhistisch geprägten und seit den 1330-er Jahren in China kämpfenden Rebellen der „Roten Turbane“ an, die mit ihren zahlreichen Aufständen erheblich die Fremdherrschaft der mongolischen Yuan-Dynastie schwächten. Zhu Yuanzhang fiel bald durch sein militärisches Geschick, seine persönliche Tapferkeit und seine Führungsqualitäten auf, so dass ihm mit Hilfe wohl gesonnener lokaler Rebellenführer der Aufstieg in den Stab des Rebellenchefs Guo Zixing gelang, der den jungen – möglicherweise mit ihm verwandten – Aufsteiger schon kurze Zeit später als seinen wichtigsten Mitstreiter schätzte und förderte. 1354 heiratete Zhu Yuanzhang, dem inzwischen eine Rebellentruppe von 30.000 Mann unterstand, die Dame Ma – eine Adoptivtochter seines Gönners Guo Zixing († 1355).

 

Bereits 1356 gelang es Zhu nach mehreren missglückten Versuchen die „südliche Hauptstadt“ Nanjing (Nanking) einzunehmen, von der aus er dann mit seiner 250.000 Mann starker Rebellenarmee den kompletten Südosten Chinas bis 1367 eroberte und beherrschte. Diese Machtbasis sicherte ihm eine gefestigte Stellung innerhalb der Führung der „Roten Turbane“. Ebenso wuchs die Anhängerschaft des sich in seinem Herrschaftsgebiet als milde und verantwortungsbewusst gebenden Rebellenführers.

 

Nachdem das – von seinen Anhängern als Stellvertreter Buddhas verehrte – Oberhaupt der „Roten Turbane“ Anfang 1368 in Nanjing unter fragwürdigen Begleitumständen verstarb, beanspruchte Zhu Yuanzhang den Kaiserthron für sich selbst. Wenig später eroberte seine Armee die Hauptstadt der mongolischen Yuan-Dynastie Dadu – das heutige Beijing (Peking), die „nördliche Hauptstadt“. Der mongolische Herrscher Toghan Timur (* 1320, regierte 1333–1368, † 1370) floh nach Karakorum, die Herrschaft von Dschingis bzw. Kublai Khans Nachkommen war in China beendet.

 

Leben und Herrschaft 1368 bis 1398

 

Zhu Yuanzhang ließ die Mauern der eroberten Stadt schleifen und alle Archive nach Nanjing bringen. Schließlich rief er am 14. September 1368 die Gründung einer neuen Kaiserdynastie aus, die er „Da Ming“„die große Helligkeit“ nannte. Die Ming-Dynastie lehnte sich in ihrer Innenpolitik vor allen an die Herrschaft der Tang-Dynastie (618–907) an, einige Historiker sehen in ihrer Herrschaft eine rigorose Restauration der allmächtigen Tang-Kaiser. Des Weiteren wählte der erste Ming-Kaiser für sich selbst die Regierungsdevise „Hongwu“ – sinngemäß: „Große Militärische Macht“ aus. Er löste sich in seinen ersten Regierungsjahren vom Buddhismus der „Roten Turbane“ und wandte sich dem traditionellen Konfuzianismus der Chinesen zu.

 

Buddhismus, Taoismus und der während der Mongolenherrschaft stark zurück gedrängte Konfuzianismus wurden gleichberechtigt und nebeneinander zu Staatsreligionen erklärt. Die Konfuzianer durften wieder ungestört schreiben, dichten und lehren, ihre Lehre erlangte aber erst nach dem Tod des ersten Ming-Kaisers ihre alte Bedeutung in China zurück. Hongwu selbst pflegte ein distanziertes Verhältnis zu den Gelehrten. Es ist jedoch seiner Initiative zu verdanken, dass auch Bauern- und Handwerkersöhne die Lehre des Konfuzius vermittelt bekamen und nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung ihre Karriere als Staatsbeamte aufnehmen konnten. Dagegen versuchte der Kaiser den traditionell großen Einfluss von Eunuchen und Haremsdamen auf die chinesische Politik einzuschränken. Seine Maßnahmen auf diesem Gebiet blieben aber wirkungslos, zum Ende der Ming-Herrschaft (1644) lebten im kaiserlichen Haushalt 10.000 Haremsdamen und 70.000 Eunuchen, die ihre Macht auf Kosten des Kaisertums erheblich ausgebaut hatten.

 

Hongwu richtete seine Herrschaft nach den Prinzipien seines Vorbildes, des ersten Han-Kaisers Gaozu (* 256/247 v. Chr., regierte 202–195 v. Chr.) aus und baute die bis zum Ende des chinesischen Kaiserreichs (1911/12) bestehenden staatlichen Institutionen auf. Im Wesentlichen stützte sich seine Herrschaft auf drei Säulen. Das waren erstens die sechs Ministerien (Personalministerium, Finanzministerium, Justizministerium, Kriegsministerium, Ritenministerium und Ministerium für öffentliche Arbeiten), zweitens das Großsekretariat, das die Arbeit der Ministerien koordinierte und beaufsichtigte und drittens das Zensorat, welches die Verwaltung in den Provinzen kontrollierte, Beamte ein- und absetzte und Verstöße gegen Recht und Ordnung ahndete.

 

Besonderes drastisch war die vom ersten Ming-Kaiser veranlasste Einführung der Prügelstrafe für Beamte, denen schwere Gesetzesübertretungen oder Rechtsverletzungen nachgewiesen wurden. Bisher blieben Beamte von der in China üblichen – und als besonders demütigend empfundenen – Prügelstrafe verschont.

 

Innenpolitisch widmete sich Hongwu dem wirtschaftlichen Wiederaufbau Chinas. Er initiierte Bebauungs- und Bewässerungsprojekte, die zur Erschließung von bis zu fünf Millionen Hektar pro Jahr führten. Diese Maßnahmen führten zur Verdreifachung der Einnahmen aus der Getreidesteuer innerhalb von nur sechs Jahren. Ebenso erwähnenswert sind die während seiner Herrschaft erfolgten Anpflanzungen von einer Milliarde Obstbäumen, die Einführung widerstandsfähiger, aus Hinterindien stammenden Reissorten und die staatlichen Förderungen für Fischzuchten. Diese Maßnahmen führten zu einem rasanten Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Das besondere Augenmerk, welches der Hongwu-Kaiser der Landwirtschaft zustand, wird einerseits mit seiner bäuerlichen Herkunft begründet, andererseits mit der konfuzianischen Ideologie, nach der die Landwirtschaft die Grundlage des Wohlstands bzw. des Reichtums für die Menschen sei. Diesem Grundsatz verbunden, förderten seine Nachfolger später auch den Anbau von Süßkartoffeln, Erdnüssen und Mais.

 

Ein weiterer wichtiger Wirtschaftfaktor war die Herstellung und der Export von Porzellan. Unter den Nachfolgern Hongwus erlangten die so genannten Ming-Vasen auch in Europa eine hohe Wertschätzung, die bis heute andauert.

 

In der Provinz Anhui initiierte der Kaiser den Bau einer neuen Hauptstadt, der so genannten „Mittleren Hauptstadt“. Doch bereits 1375 beendete er dieses Vorhaben aus Kostengründen, stattdessen entschied sich der erste Ming-Kaiser seine bisherige Residenz Nanjing (Nanking) als Hauptstadt weiter auszubauen. Es wurde die „Verbotene Stadt“ errichtet und die 35 km lange Stadtmauer der „südlichen Hauptstadt“ erbaut. Die Bevölkerungszahl Nanjings stieg noch im 14. Jahrhundert auf eine halbe Million an.

 

Nachdem sämtliche Privilegien für ausländische Händler beseitigt wurden, konnte sich eine Schicht leistungsstarker, einheimischer Kaufleute und Bankiers im Reich der Mitte behaupten. Des Weiteren versuchte Hongwu den Gebrauch von Papiergeld durchzusetzen. 1374 kam das erste Papiergeld der Ming-Dynastie in Umlauf, das nicht gegen Gold, Silber oder andere Wertsachen eingetauscht werden durfte. Allerdings konnte die Ming-Dynastie nicht an die zeitweiligen Erfolge der Song oder Yuan im Gebrauch von Papiergeld anknüpfen, bereits 1450 ersetzte Silber das inzwischen wertlos gewordene chinesische Papiergeld.

 

1372 scheiterte der verlustreiche Versuch der Chinesen, die Mongolei zu erobern. Daraufhin änderte der Hongwu-Kaiser seine Außenpolitik. Er entschied sich für eine defensive Strategie, beendete jegliche Expansionsbestrebungen und ließ stattdessen mehrere militärische – von seinen jüngeren Söhnen überwachte – Verteidigungslinien errichten. Er verbot den Überfall überseeischer oder China tributpflichtiger Staaten wie z.B. Japan, Korea oder Annam. Seine Nachfolger, insbesondere der dritte Ming-Kaiser Yongle (herrschte von 1402–1424) hielten sich jedoch nicht an dieses strikte Expansionsverbot.

 

Hong Wu schaffte 1380 das seit Jahrhunderten bestehende traditionelle Amt des Staatskanzlers ab. Er ließ den letzten Kanzler Hu Weiyong aufgrund Verleumdungen seiner Gegner hinrichten, übertrug dessen Befugnisse auf sich selbst und begründete de facto den chinesischen Absolutismus. Der erste Ming-Kaiser mutierte jedoch immer mehr zu einem grausamen Autokraten, der erbarmungslos jede Opposition gegen sein Regime bekämpfte. So glaubte er fest an den Grundsatz, dass ein milder, nachsichtiger (und somit unfähiger) Herrscher zum Zerfall (s)eines funktionierenden Staates führen müsste. Demzufolge fielen seinen gnadenlosen Säuberungen mindesten 45.000 Menschen zum Opfer, die zum Teil als Sympathisanten des ehemaligen Kanzlers Hu galten, aber auch zum Teil nur Familienangehörige eines vermuteten oder tatsächlichen Regimegegners waren. Über das Ausmaß der Strafe entschied der Kaiser oft nach seinem Ermessen, gleiche oder ähnliche Vergehen wurden häufig unterschiedlich geahndet und besonders mutige, freche oder clevere Verdächtige konnten den von ihrem Verhalten beeindruckten Herrscher zu gnädigen Urteilen bewegen.

 

Trotz dieser Schwächen seiner Herrschaft wird Hongwu als einer der bedeutendsten Kaiser von China betrachtet. Er starb mit fast 70 Jahren und wurde auf dem Ming-Xiaoling-Mausoleum bei Nanjing bestattet. Somit ist er der einzige Ming-Kaiser, dessen Grabstätte sich nicht in der Nähe von Peking befindet.

 

Hongwu bemühte sich ernsthaft und erfolgreich, den Lebensstandard seines Volkes zu heben. Nach der Mongolenherrschaft war das Reich der Mitte bereits zum Ende des 14. Jahrhunderts wieder ein sehr reiches, wohlhabendes Land. Der erste Ming-Kaiser zeugte mit seinen Ehefrauen und Konkubinen 36 Söhne und 16 Töchter,

 

alle ihm überlebende Söhne wurden mit einem Fürstentum entlang der Grenze ausgestattet. Mit dieser Maßnahme beabsichtigte er seine jüngeren Söhne als Machtkonkurrenten für seinen Nachfolger, seinen Enkel Zhu Yunwen, den ältesten Sohn des früh verstorbenen Kronprinzen Zhu Biao auszuschalten. Damit verstieß Hongwu gegen die bis dahin in China übliche Thronfolgeregelung, nach der immer der älteste noch lebende Sohn des Kaisers seinem Vater zu folgen hatte.

 

Hongwus vierter Sohn Zhu Di missbilligte die Entscheidung seines Vaters und rebellierte deshalb seit 1399 gegen die Herrschaft seines erst siebzehnjährigen Neffen, der als Kaiser den Namen Jianwen führte. Schließlich besiegte im Jahr 1402 die Rebellenarmee die kaiserliche Armee, Zhu Di bestieg unter der Devise Yongle den Kaiserthron.

 

Seine bis 1424 dauernde Herrschaft setzte die erfolgreiche Politik seines Vaters fort, wobei unter ihm die strikte – auf Frieden bedachte – defensive Außenpolitik beendet wurde. Das weitere Schicksal seines von ihm entmachteten Neffen ist nicht gesichert. Einige Überlieferungen gehen davon aus, dass der zweite Ming-Kaiser während der Eroberung der Hauptstadt Nanjing mit seiner Familie in seinem Palast verbrannte. Andere Quelle behaupten, dass Jianwen dem Feuertod entkam und danach fast vierzig Jahre unerkannt als buddhistischer Bettelmönch durch China zog, ehe er 1441 aufgegriffen und dem amtierenden sechsten Ming-Kaiser Zengtong (* 1427; † 1464) vorgeführt wurde. Dieser wies seinem gestürzten – ihm nicht mehr gefährdenden – Vorgänger eine Pension zu, bereits ein Jahr später soll der ehemalige Kaiser verstorben sein.

 

Literatur

 

•  Gisela Gottschalk; Chinas große Kaiser – Ihre Geschichte – Ihre Kultur – Ihre Leistungen, Genehmigte

    Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1992, ISBN 3-89350-354-4

 

•  Hermann Schreiber; Die Chinesen – Reich der Mitte im Morgenrot; Lizenzausgabe 1990 für Manfred

    Pawlak Verlagsgesellschaft mbH, Herrsching, ISBN 3-88199-682-6

 

•  Biographien zur Weltgeschichte – Lexikon, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1989,

    ISBN 3-326-00218-1