Thomas der Slawe

Thomas der Slawe verhandelt mit den Arabern.

Thomas der Slawe sucht Zuflucht bei den Arabern.

Thomas der Slawe

 

Sein Geburtsdatum ist unbekannt, er starb im Jahre 823 nach Christus. Er war ein byzantinischer Gegenkaiser.

Von seiner Herkunft weiß man so gut wie nichts. Selbst das ungefähre Geburtsjahr ist unbekannt, obwohl man ein relativ lange Lebensdauer vermutet.

Jedenfalls war er in den ersten Jahrzehnten des neunten Jahrhunderts nach Christus Turmarch, also ein höherer oströmischer Offizier. Im Jahre 820 nun plante der General Michael, Thomas’ ehemaliger Waffengefährte und seitdem sein Erzfeind, eine Verschwörung, der schließlich der Kaiser Leo V. (813 – 820) zum Opfer fiel. Michael wurde als Michael II. neuer Kaiser, doch auch Thomas erhob sich in Kleinasien gegen seinen alten Rivalen.

Er behauptete, der ehemalige Kaiser Konstantin VI. zu sein. Dieser war 797 von seiner Mutter, die die Alleinherrschaft angestrebt hatte, geblendet worden und an den Wunden dieser Prozedur gestorben. Doch Thomas behauptete nun, er – das heißt Konstantin – habe sich in ein Kloster retten können, um eines Tages wieder an die Macht zu kommen. So ließ er sich 821 zum Kaiser krönen, sein Anhänger Konstantios wurde zum Mitkaiser gemacht. Als dieser schon bald starb wurde sein Nachfolger Anastasios.

Generäle, die dem Kaiser in Konstantinopel treu waren und sich gegen den Usurpator wandten, wurden besiegt. Das Volk brachte dieser auf seine Seite, indem er sich zum „Beschützer der Armen“ vor den ungerechten Steuereintreibern und korrupten Beamten ernannte. Auch mit dem Kalifen der Araber, Al-Ma’mun (regierte 813 bis 833) verständigte er sich, um sich erst mal gegen Michael zuwenden zu können. Die Muslime ließen ihm viel Geld zukommen, was er dafür alles versprach, ist unbekannt.

Zudem erkannte er, dass die Religionsbewegung der Paulikianer vor allem im östlichen Teil des byzantinischen Reiches an Bedeutung gewann. Er sicherte sich ihre Unterstützung er sich zu, während er im Westen als Bilderverehrer auftrat und so die Menschen für sich gewann. Auch sein Wesen als charmante und gewandte Person sowie sein Charisma brachten ihm jede Menge Unterstützung ein.

Thomas hatte nun ein gewisses Machtfundament und zog in Richtung Konstantinopel. Alle Themen (das waren die damaligen Verwaltungseinheiten) bis auf zwei schlossen sich ihm an. Es kam im Dezember zur Belagerung der Hauptstadt, die jedoch an der heftigen Abwehr und den unübertroffenen Abwehranlagen scheiterte. Die städtischen Verteidigungsmaschinen, Katapulte und Wurfmaschinen, waren denen des Reiches eben unterlegen. Der Winter mit dem vielen Schnee sorgte dafür, dass die guten Schiffe des Usurpators nicht den Sieg brachten. So trat Thomas den Rückzug an.

 

 

(Thomas der Slawe verhandelt mit den Arabern [Miniatur aus der Madrider Bilderhandschrift des Skylitzes])

 

Michael war während dessen nicht untätig geblieben. Er hatte Omurtag (regierte 814 bis 831), den Khan zur Bulgaren, zur Hilfe gerufen. 822 drang dieser tatsächlich in das Reich ein und erzielte einige nicht genauer bekannte militärische Erfolge, sodass Michael wieder an Boden gewann. Trotz all dieser Rückschläge gelang es Thomas, seine Kräfte im Laufe der folgenden Monate schließlich wieder soweit zu sammeln, dass er im Frühling 823 die Belagerung der Hauptstadt wieder aufnehmen konnte. Doch die dauerte noch kürzer als die erste: Schon im Mai kamen Michaels Armeen, unterstützt von Omurtag, wieder zurück und fielen den Belagerern in den Rücken. Diese mussten sich fluchtartig zurückziehen.

Dabei wurden sie in der Keduktos – Ebene bei Heraklea (heute Eregli) wieder geschlagen. Dies war auch moralisch für die Truppen eine Katastrophe. Doch sie wurden von den Befehlshabern weiter in eine offene Ebene geführt. Dies hatte seinen Sinn: Michael sollte die Hauptstadt verlassen, damit es zu einer entscheidenden Feldschlacht kommen konnte. Die Taktik, die Thomas anwenden wollte: Die Soldaten sollten Verzweiflung antäuschen, fliehen, dann jedoch umkehren und den verdutzten Gegner besiegen.

Als nun der Moment der Entscheidung gekommen war, in der die perfekt geplante Schlacht beginnen sollte, legten Thomas’ Soldaten jedoch einfach ihre Waffen hin und traten zu Michael über, sie hatten genug von verzweifelten Machtkämpfen. Die verlassenen Befehlshaber und ihre wenigen verbliebenen Getreuen retteten sich nach Thrakien, wo noch einige wenige Orte auf ihrer Seite standen. Schon bald kam es zur nächsten Belagerung.

Doch diesmal war es Michael, der seinen Gegner belagerte, und zwar in der thrakischen Stadt Arkadiopolis, wo dieser residierte. Thomas hielt den ganzen Sommer über tapfer stand. Doch die Versorgungslage war sehr schlecht, und Chronisten berichten, dass die Männer das Fleisch ihrer eigenen Pferde roh essen mussten. Einer nach dem anderen merkte, das alles verloren war, und lief zum Belagerer über.

Da sandte Michael eine Botschaft, in der er den Soldaten Straflosigkeit versicherte, wenn sie ihren Anführer ausliefern würden. Das war für diese scheinbar der einzige Weg, lebend davonzukommen, und so gingen sie auf das Angebot ein. Im Oktober 823 sandten sie Thomas in Ketten zum Kaiser. Die Geschichtsschreiber berichten, dieser habe dem gescheiterten Gegenkaiser den Purpurstiefel in den Nacken gehalten und dabei das Urteil verkündet: Die Hände und Füße sollten abgehackt, der restliche Körper gepfählt werden. Einige Orte blieben zwar unter dem Mitkaiser Anastasios am Rebellieren, doch im Laufe des nächsten halben Jahres wurden auch sie unterworfen.

Michael II. hatte seine Regentschaft gefestigt, doch das Reich war durch die Machtkämpfe vor allem in militärischer Hinsicht extrem geschwächt worden. So schafften es die Araber, die Verständigung mit Thomas ignorierend, die Insel Kreta zu erobern. Aber auch die eigenen Truppen richteten eine Menge Schaden an. Es wird berichtet, dass dieser Bürgerkrieg einer der schlimmsten der oströmischen Geschichte gewesen sei.

Der in dieser Zeit zu Ende gehende Bilderstreit hat übrigens in den Machtkämpfen keine Rolle gespielt, obwohl berichtet wird, dass Thomas Ikonenverehrer gewesen sei. Woher der Beiname „der Slawe“ herkommt, darüber konnte ich nichts herausfinden, doch da er erst in der Neuzeit aufkam, ist nicht sicher, dass er auf eine slawische Herkunft hindeutet.

Die Historiker wissen nicht genau, wie sie Thomas zu bewerten haben. Es gibt zwar für beide Seiten tendierende Quellen, aber keine wirklich objektive Darstellung. Worin sie sich einig sind: 824 nach Christus endete „die wohl bedrohlichste Rebellion in der byzantinischen Geschichte“ (John Julius Norwich: Byzanz. Aufstieg und Fall eines Weltreiches. Berlin4 2010. S. 226) – oder zumindest eine der bedrohlichsten.