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Normale Version: Zimmerische Chronik
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Zu diesem Zeitabschnitt der Geschichte möchte ich auf die Zimmerische Chronik.
Dem Namen nach vermutlich den meisten bekannt. (wobei der ursprüngliche Name nicht überliefert ist) Entstanden in den 1560er Jahren in Meßkirch und auf der Burg Wildenstein (im Aprilheft von G-Geschichte konnte man mich vor jener Burg bewundern).
Das Land Baden-Württemberg hat die Chronik den Erben Fürsten von Fürstenberg abgekauft und inzwischen digital zugänglich gemacht. (Kurz nach dem Kauf war es mir vergönnt sie auf der Burg Wildenstein im Original zu betrachten, der Gunter Haug hat mich sogar darin blättern lassen, in der Burgkapelle)
Auch die wissenschaftliche Bearbeitung von Barack aus den 1880er Jahren, heute noch Stand der Dinge, ist inzwischen digital vorhanden.
Zitat:http://de.wikisource.org/wiki/Zimmerische_Chronik
Außerdem hat Gunter Haug zwei Bände Anekdoten aus der Chronik veröffentlicht. Die sich durch die ungleich besser Lesbarkeit auszeichnen.
Edit: Gunter Haug: Von Rittern, Bauern und Gespenstern. Geschichten aus der Chronik der Grafen von Zimmern. Gmeiner, Meßkirch 1996, ISBN 3-926633-34-4.
Gunter Haug: Die Welt ist die Welt. Noch mehr Geschichten aus der Chronik der Grafen von Zimmern. Gmeiner, Meßkirch 1997, ISBN 3-926633-37-9.

In jener Zeit wurden solche Chroniken zu Dutzenden verfasst, es ist zuerstmal die Familiengeschichte der Herren und Grafen von Zimmern, ein schwäbisches Adelsgeschlecht mit einer gewissen regionalen Stellung zwischen Neckar, Alb, Donau und Bodensee.

Das ganz Besondere der Zimmerschen Chronik liegt für mich insbesondere in ihren ausführlichen Beschreibungen zur Alltagskultur.
Zur Mode zB, die erste Speisekarte ist darin erwähnt, aber eben insbesondere auch das Leben und Sterben der "kleinen Leute" denen ansonsten in diesen Chroniken kein Platz eingeräumt wurde.
(04.06.2012 12:34)Suebe schrieb: [ -> ][...] aber eben insbesondere auch das Leben und Sterben der "kleinen Leute" denen ansonsten in diesen Chroniken kein Platz eingeräumt wurde.
Kannst Du da Beispiele geben? Klingt interessant. Smile
(04.06.2012 16:54)Viriathus schrieb: [ -> ]
(04.06.2012 12:34)Suebe schrieb: [ -> ][...] aber eben insbesondere auch das Leben und Sterben der "kleinen Leute" denen ansonsten in diesen Chroniken kein Platz eingeräumt wurde.
Kannst Du da Beispiele geben? Klingt interessant. Smile

Einer hat ein Treffen mit einer jungen Witwe für den Abend vereinbart, und damit er "ein guter Gesell sein soll" bestellt er in der Apotheke etwas.Blush
ein anderer bestellt in der Apotheke ein Abführmittel. Die Magd des Apothekers überbringt die Mittel und verwechselt die Päckchen.
Ob das Aphrodisiakum gewirkt hat, weiß der Chronist nicht.
Das Abführmittel jedenfalls wirkte. Der Betroffene war ständig zwischen Lagerstätte und Geheimem Gemach unterwegs.
Einmal war er zu langsam, und versaute etliches....
(04.06.2012 19:48)Suebe schrieb: [ -> ]Einer hat ein Treffen mit einer jungen Witwe für den Abend vereinbart, und damit er "ein guter Gesell sein soll" bestellt er in der Apotheke etwas.Blush
ein anderer bestellt in der Apotheke ein Abführmittel. Die Magd des Apothekers überbringt die Mittel und verwechselt die Päckchen.
Ob das Aphrodisiakum gewirkt hat, weiß der Chronist nicht.
Das Abführmittel jedenfalls wirkte. Der Betroffene war ständig zwischen Lagerstätte und Geheimem Gemach unterwegs.
Einmal war er zu langsam, und versaute etliches....

Er hats dann wohl verkackt Blush. Big Grin
Schöne Anekdote.
Noch eine.
Kaiser Friedrich III. zog aus dem "Etschland" kommend gen Schwaben und besuchte hierbei die Reichsstadt Buchhorn (heute Friedrichshafen, allerdings nach einem anderen Friedrich)
Zusammen mit den Schlüsseln der Stadt übergab ihm beim Einzug der Bürgermeister ein Säckchen mit 10 Goldstücken. Mit dem Worten "in diesem zugebundenen Säckchen wären 10 Goldstück, wenn er es nicht glaube, könne er (der Kaiser!) ja nachzählen".
Dies führte bereits zu großer Heiterkeit des hohen Herrn.
Der Kaiser mit Gefolge wurde im Hause des Bürgermeisters einquartiert, beim Einzug setzte sich der Bürgermeister mit ständigen Verbeugungen in Szene.
Hierbei passierte ihm ein kleines Versehen, zur großen Heiterkeit seiner Majestät und Gefolge.

Das wurde für den Bürgermeister im Ort zum politischen Problem. Er hatte die Stadt vor seiner Majestät lächerlich gemacht. Nur mit großer Mühe konnte er sich im Amt halten.
Vielleicht noch zur "Stadt"
Buchhorn hatte 1816 knapp 800 Einwohner. Wird im 16. Jahrhundert eher noch kleiner gewesen sein.

Für diese kleinen Reichstände war es überlebenswichtig, ihre Rechte sich immer wieder aufs neue bestätigen zu lassen.
So waren wenige Jahre später alle möglichen Abgesandten solcher Reichsstände auf dem Reichstag in Köln und versuchten von Kaiser Friedrich III. die Bestätigung ihrer Rechte zu bekommen.
Seine Majestät hatte aber so gar keine Lust zu diesen langweiligen Verwaltungsakten und konnte sich nicht überwinden anzufangen.
Plötzlich wäre beim Blick in die Menge der Wartenden ein Lächeln über die Miene des Kaisers gegangen, "da ist ja der Furzer von Buchhorn" und sofort, ohne weitere Umschweife hätte der Kaiser dem Bürgermeister die erbetenen Bestätigungen ausgestellt.
Als einzigem an diesem Tage.
So hat sich das Mißgeschick des Bürgermeisters später als Glück für die Stadt herausgestellt.

so steht es in der Zimmerischen Chronik.

Man möge mir das drastische Wort verzeihen. Aber an den Worten des Kaisers soll man nicht deuteln.
In Donaueschingen hat sich die 1. Verleihkarte der Zimmerischen Chronik erhalten.
Der 1. Ausleiher war natürlich Lassberg
hier ein Link um die Bedeutung dieses Mannes für Kultur und Geschichte Südwestdeutschlands etwas zu verdeutlichen:
http://www.blb-karlsruhe.de/blb/blbhtml/...othek.html
Auch die anderen Ausleiher waren "Hochkaräter" von 1852-1854 hatte Ludwig Uhland, hier ein Blick in Gutenberg.de
http://gutenberg.spiegel.de/autor/601
die Zimmerische Chronik ausgeliehen.

Oh welch herrliche unwiderbringliche Zeiten müssen das gewesen sein, wo solche Werke über Jahre auszuleihen waren.
Wenn man heute einen Karl May Roman ausleiht, motzt die Bücherei spätestens nach 5 Wochen....
Die Zimmerische Chronik hast du auch verlinkt:

http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...307#pid307
Auch die Geschichte des "Rattenfängers von Hameln" mit dem schlimmen Ende ist auf fast einer Seite verewigt.
Dann geht es aber weiter:
1538 (also zu Lebzeiten des Chronisten!) gab es in Meßkirch ebenfalls eine Rattenplage.
Es kam ein namentlich in der chronik genannter Rattenfänger aus Bräunlingen der anbot die Rattenplage zu beenden. Die Schwaben sind sparsam und harte Verhandler, aber man wurde sich handelseinig, 5 Gulden, zahlbar nach Erfolg.
Der Rattenfänger zog Nachts durch Meßkirch, unternahm allerlei Handlungen die er geheim hielt, niemand durfte ihm begegnen.
Vom anderen Tag an nahm die Rattenplage rasch ab.
Die Schwaben sind aber nicht nur sparsam, sondern auch vertragstreu, man zahlte natürlich.
Der Chronist weist dann auf den Unterschied zwischen Hameln und Meßkirch hin, "man hätte auf eine derart immense summe nie eingelassen. Aber dass man nach Erfolg zahlt wäre ja auch nur normal.
Das einstige Stadthaus in Rottweil der Herren und Grafen von Zimmern steht übrigens noch,
http://www.rwbilder.de/frame/Ansichten/I.../frame.php
das Kirsnerhaus unterhalb vom "Schwarzen Tor"
http://www.rwbilder.de/frame/Ansichten/I...000_01.JPG

wer mal auf der Autobahn zwischen Stgt. und dem Bodensee eine Pause macht, Rottweil ist es Wert. Bedeutende römische Ausgrabungen, die Funde sind im Dominikaner Museum, Teile der Stadtbefestigung stehen noch heute,
und natürlich die wunderschön bemalten Häuser der Innenstadt, die als Wohn- und Geschäftshäuser seit Jahrhunderten genutzt werden.
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