Forum für Geschichte
Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Druckversion

+- Forum für Geschichte (http://www.forum-geschichte.at/Forum)
+-- Forum: Geschichte Allgemein+Spezialgebiete (/forumdisplay.php?fid=7)
+--- Forum: Archäologie (/forumdisplay.php?fid=58)
+--- Thema: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau (/showthread.php?tid=5972)



Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Suebe - 29.12.2013 11:32

Spiegel Online befasst sich mit einem spannenden Projekt.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/musik-in-der-steinzeit-eu-projekt-zum-sound-der-vergangenheit-a-937534.html


Ausriss:
Zitat:Wie klangen Knochenflöten, auf denen Menschen in der Altsteinzeit musizierten? Wie hörte es sich an, wenn zu religiösen Festen die Musiker in den Steinkreisen von Stonehenge aufspielten? Mit welcher Musik füllten die Griechen ihre Theater und die Römer ihre gewaltigen Bühnen? Ein archäologisches Projekt bietet Antworten.

Unter anderem wird die These untersucht, ob Stonehenge eine gewaltige Freiluftmusikbühne war.
So eine Art Ur-Woodstock oder Waldbühne


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Avicenna - 29.12.2013 16:49

Musik und Rhythmus, genau wie der zugehörige Tanz oder allgemeines Zusammensein mit Geschichtenerzählen gehört mit Sicherheit zu den ältesten kulturellen Betätigungen der Menschheit.

Da es keine nachvollziehbaren antike oder mittelalterliche Aufzeichnungen über die Art der damaligen Musik gibt, fällt es uns relativ schwer die Musik dieser Zeit zu beschreiben oder nachzubilden. Ungleich schwieriger und letztlich noch spekulativer ist die Rekonstruktion von Klängen und Melodien aus prähistorischer Zeit. Das einzige was wir haben, sind archäologische Artefakte, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie als musikalisches Instrument hätten dienen können.
Von daher stellt EMAP ein sehr interessantes und vielversprechendes Projekt dar, bei dem unterschiedlichste Gewerke und Wissensgebiete verknüpft und koordiniert werden sollen, um nähere Aussagen über eine "Paneuropäische" oder darüber hinausgehende Musikkultur machen zu können.
Vielleicht wissen wir in absehbarer Zeit dann auch mit einiger Sicherheit, wie z.B. keltische oder römische Musik im Original klang, und sind dabei künftig weniger auf die Phantasie und Kreativität von Hollywooddesignern oder Esoterikspinnern beschränkt.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Paul - 29.12.2013 17:37

Ob schon jemand versucht hat, das germanische Lied des Lebens in der Neuzeit zu singen? Möglicherweise wurde es zu Beerdigungen gesungen oder vor einem Kriegszug?


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Avicenna - 29.12.2013 18:15

(29.12.2013 17:37)Paul schrieb:  Ob schon jemand versucht hat, das germanische Lied des Lebens in der Neuzeit zu singen? Möglicherweise wurde es zu Beerdigungen gesungen oder vor einem Kriegszug?

Du beziehst dich sicher auf eine Thematik, die du hier schon mal angeschnitten hattest ... http://www.forum-geschichte.at/Forum/showthread.php?tid=4628

Was speziell das Lied des Lebens bzw. das "germanische Glaubensbekenntnis"
betrifft, meintest du so etwas sicher nicht ...? Man begibt sich da ohnehin schnell auf dünnes Eis ...





RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Paul - 29.12.2013 20:01

Ich bin nun nicht der Fachmann, der genau die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der religiösen Vorstellungen in Skandinavien um 1000 nach Chr, und z.B. um Chr. Geburt z.B. bei Ubiern, Sugambrern o. Goten beschreiben kann. Ich hatte gelesen, das der Lebensbaum schon bei den frühen Südgermanen eine wichtige religiöse Bedeutung hat und auf mit Runen beschrifteten Darstellungen das "Glaubensbekenntnis" symbolhaft dargestellt wurde, welches gesungen würde. Man mußte dieses Lied auswendig können, es war so nicht geschrieben.
Es soll davon auch geschriebene Fassungen geben. Im Internet habe ich keine geschriebene Fassung gefunden, sondern nur Hinweise auf Bücher.
Das Futhark soll auf einen Dichter aus dem 2. Jh. zurückgehen. Jeder Buchstabe steht für einen Begriff in einem Gedicht. Es war in Strophen unterteilt. Die 1. Stropfe befasste sich mit dem Sterben, die 2. mit der Überwindung des Todes und die 3. mit Handlungsvorschriften für das Leben.
Das Futhark - das Lied des Lebens wurde vor allem auf dem Ahnenpfahl (Ansuz) festgehalten. Es soll üblich gewesen sein religiöse Vorstellungen und Legenden in Lieder zu fassen.

http://www.archaeologie-krefeld.de/Bilder/entdeckungen/PDF%20Dateien/Tempel/Heiligtumgesamt.pdf

Da es das Lied des Lebens schon früher gegeben haben soll, hat dieser Dichter im 2. Jh. mit dem Futhark praktisch eine Neufassung der ursprünglichen Version geschaffen. Vielleicht war das Lied/Gedicht vorher auch immer nur bebildert dargestellt worden, mit weniger älteren Schriftsymbolen.
Auf alten Steinkammergräbern fanden sich schon alte Bild-/Schriftsymbole, also älter als die Runenschrift aus Norditalien.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Bunbury - 29.12.2013 22:03

So fasznierend das alles auch sein mag, so sollte man eines jedoch nicht vergessen- selbst wenn es gelingt, den Nachbauten der alten Instrumente Töne zu entlocken, so bleibt es doch reine Spekulation, wie die Töne eingesetzt wurden. Wurden Tonfolgen gespielt? Melodien? Oder nur Rythmen? Orientierten sie sich an der Natur, oder wollten sie bewußt einen Kontapunkt setzen? Gab es vielleicht auch Insturmente, von denen keine Überreste mehr vorhanden sind, die aber nötig sind, um eine bestimmte Wirkung zu entfalten?
Von daher mutet es mich schon ein wenig seltsam an, daß für ein Projekt solche Unsummen ausgegeben werden, dessen Ergebnisse äußerst fragwürdig sind- während gleichzeitig die Mittel zur Konservierung vorhandener Kostbarkeiten ständig gekürzt werden und viele Zeugnisse der Vergangenheit langsam aber sicher verrotten...


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Suebe - 29.12.2013 22:38

(29.12.2013 22:03)Bunbury schrieb:  So fasznierend das alles auch sein mag, so sollte man eines jedoch nicht vergessen- selbst wenn es gelingt, den Nachbauten der alten Instrumente Töne zu entlocken, so bleibt es doch reine Spekulation, wie die Töne eingesetzt wurden. Wurden Tonfolgen gespielt? Melodien? Oder nur Rythmen? Orientierten sie sich an der Natur, oder wollten sie bewußt einen Kontapunkt setzen? Gab es vielleicht auch Insturmente, von denen keine Überreste mehr vorhanden sind, die aber nötig sind, um eine bestimmte Wirkung zu entfalten?
Von daher mutet es mich schon ein wenig seltsam an, daß für ein Projekt solche Unsummen ausgegeben werden, dessen Ergebnisse äußerst fragwürdig sind- während gleichzeitig die Mittel zur Konservierung vorhandener Kostbarkeiten ständig gekürzt werden und viele Zeugnisse der Vergangenheit langsam aber sicher verrotten...


Eine Frage die sich immer wieder stellt.
Für was soll man die (immer)knappen Mittel am besten einsetzen.

Faszinieren tut mich das Projekt aber schon.
Und vielleicht, oder ziemlich sicher, findet man für die eine oder andere Deiner Fragestellungen auch mögliche Antworten.
Bestimmt nicht für alle, bestimmt keine absoluten.
Aber zumindest ein Anfang wird es.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Bunbury - 30.12.2013 00:46

Man findet vielleicht mögliche Antworten. Aber man kann sich ja niemals sicher sein, wirklich alle Instrumente gefundne zu haben, die in jener Zeit gebräuchlich waren. Also weiß man nie, welcher Klang fehlt...
Ich finde es auch interessant, herauszufinden, welche Klänge es zu welchen Zeiten gab, aber man sollte sich von dem gedanken verabschieden, die Musik der Steinzeit rekonstruieren zu können. Das kann man nicht. Die Vorstellungswelt der Steinzeitmenschen ist nur in Bruchstücken erhalten. Wir wissen nicht einmal, wieviele Prozente diese Bruchstücke ausmachen... Es wird Unmengen Theorien geben, von denen sich am Ende keine beweisen oder widerlegen läßt...

Ganz skeptisch werde ich, wenn ich lese, daß Stonehenge auf einmal zum großen Musikpalast umfunktioniert werden soll... Wenn man da noch im Auge behält, daß ein recht kostenintensives Besucherzentrum gebaut wurde, das gerade eröffnet wurde... hm, ich fang da nun mal an zu grübeln...


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Paul - 30.12.2013 06:15

Vor kurzem lebten noch Menschen in mehreren Erdteilen in der "Steinzeitkulturstufe" als Jäger und Sammler o. als Bauer. Diese Menschen haben keine biologische Probleme, mit dem Leben in der Neuzeit, mit komplexerer Sprache....
Die Menschen vor 50000 Jahren unterschieden sich intellektuell-biologisch kaum vom heutigen Menschen.
Wir können also Analogieschlüsse ziehen.
Neandertaler musizierten z.B. mit Schwirrinstrumenten wie die australischen Aboriginee und mit Flöten. Wahrscheinlich auch mit Trommeln, also ähnlich wie heutige Sibirier. Als Analogieschluß kann man auch auf Gesang und Tanz als wahrscheinliche Ausdrucksmöglichkeit schließen.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Avicenna - 30.12.2013 06:42

Wie so oft in der Geschichte erhält man ein weiteres Puzzleteil, und das neue Bild bietet wieder erneuten Grund für Spekulationen und möglicherweise eine neue Sicht auf die Dinge. Es sind halt keine exakten Wissenschaften.
Aber nach und nach rundet sich das ganze ab und man kann, zumindest für einen Teil des Gesamtbildes, eine einigermaßen verläßliche Aussage treffen.
Natürlich wäre es illusorisch zu glauben, wir bekämen nun Notenblätter für neolithische Sinfonien in die Hand gedrückt. Gleiches gilt für die Musichall in Stonehenge.
Aber wenn man keine Kraft, Zeit und Mittel für auf den ersten Blick unwichtige Forschungen investiert, bekommt man keine wirklich glaubwürdigen Ergebnisse, um das Gesamtensemble einschätzen und erklären zu können. Grundlagenforschung im Bereich der Geschichtswissenschaften ...


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Avicenna - 30.12.2013 06:50

(30.12.2013 06:15)Paul schrieb:  Vor kurzem lebten noch Menschen in mehreren Erdteilen in der "Steinzeitkulturstufe" als Jäger und Sammler o. als Bauer. Diese Menschen haben keine biologische Probleme, mit dem Leben in der Neuzeit, mit komplexerer Sprache....
Die Menschen vor 50000 Jahren unterschieden sich intellektuell-biologisch kaum vom heutigen Menschen.
Wir können also Analogieschlüsse ziehen.
Neandertaler musizierten z.B. mit Schwirrinstrumenten wie die australischen Aboriginee und mit Flöten. Wahrscheinlich auch mit Trommeln, also ähnlich wie heutige Sibirier. Als Analogieschluß kann man auch auf Gesang und Tanz als wahrscheinliche Ausdrucksmöglichkeit schließen.

Sehe ich so ähnlich. Die Wissen um das kulturelle Leben neuzeitlicher indigener Völker kann durchaus sinnvoll mit den Ergebnissen aus dem EMAP -Projekt verknüpft werden und dort einfließen.
Von daher sicher kein sinnlos rausgeworfenes Geld. Diesbezüglich gäbe es ganz andere Ansatzpunkte ...


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Suebe - 30.12.2013 09:24

(30.12.2013 06:50)Avicenna schrieb:  
(30.12.2013 06:15)Paul schrieb:  Vor kurzem lebten noch Menschen in mehreren Erdteilen in der "Steinzeitkulturstufe" als Jäger und Sammler o. als Bauer. Diese Menschen haben keine biologische Probleme, mit dem Leben in der Neuzeit, mit komplexerer Sprache....
Die Menschen vor 50000 Jahren unterschieden sich intellektuell-biologisch kaum vom heutigen Menschen.
Wir können also Analogieschlüsse ziehen.
Neandertaler musizierten z.B. mit Schwirrinstrumenten wie die australischen Aboriginee und mit Flöten. Wahrscheinlich auch mit Trommeln, also ähnlich wie heutige Sibirier. Als Analogieschluß kann man auch auf Gesang und Tanz als wahrscheinliche Ausdrucksmöglichkeit schließen.

Sehe ich so ähnlich. Die Wissen um das kulturelle Leben neuzeitlicher indigener Völker kann durchaus sinnvoll mit den Ergebnissen aus dem EMAP -Projekt verknüpft werden und dort einfließen.
Von daher sicher kein sinnlos rausgeworfenes Geld. Diesbezüglich gäbe es ganz andere Ansatzpunkte ...


Es gibt bei mir vor Ort eine "Musikhistorische Sammlung"
http://www.albstadt.de/museen/musikhistorische
habt ihr schon mal ein Instrument aus der Barockzeit gespielt gehört?
Könnt ihr da.
Faszinierend. Eine völlig andere Klangwelt, obwohl vom gleichen Notenblatt.
Das ist aber vergleichsweise "Gestern".

Ich spiele immer mal wieder meine alten Beatles-Musikcassetten auf einem Uralt-Mono-Cassettenrekorder ab.
Das ist der wahre Klang! So hat sich das von Radio-Luxemburg oder Ö3 angehört. Nix mit Stereo HiFi.
Das ist vergleichsweise vor ein paar Sekunden gewesen.


Das vordergründig "Profane" Alltägliche findet in der Geschichtswissenschaft immer noch zu wenig Beachtung.
333 Issus-Keilerei kann jeder die Kriegsgeschichte bis zur Ardennenoffensive oder den diversen Vietnam-Offensiven aus dem Kopf abspulen.
Mit was sich die verlassenen Frauen und Bräute in der Zwischenzeit beschäftigt haben, weiß schon "niemand" mehr.

Ich finde es sehr richtig, sehr wichtig, dass solche Projekte gemacht werden.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Bunbury - 30.12.2013 12:08

(30.12.2013 06:15)Paul schrieb:  Vor kurzem lebten noch Menschen in mehreren Erdteilen in der "Steinzeitkulturstufe" als Jäger und Sammler o. als Bauer. Diese Menschen haben keine biologische Probleme, mit dem Leben in der Neuzeit, mit komplexerer Sprache....
Die Menschen vor 50000 Jahren unterschieden sich intellektuell-biologisch kaum vom heutigen Menschen.
Wir können also Analogieschlüsse ziehen.
Neandertaler musizierten z.B. mit Schwirrinstrumenten wie die australischen Aboriginee und mit Flöten. Wahrscheinlich auch mit Trommeln, also ähnlich wie heutige Sibirier. Als Analogieschluß kann man auch auf Gesang und Tanz als wahrscheinliche Ausdrucksmöglichkeit schließen.

Nein, kann man eben nicht. Ja, natürlich kann man sich vorstellen, daß die neanderthalermusik genauso oder ähnlich klingt wie die der Aboriginies. Ist eine Theorie.
Beweisen läßt sie sich nie. Denn es könnte auch ganz anders sein. Die Neanderthaler haben vielleicht ganz anders getanzt. Auch das wird sich nicht beweisen lassen.

Vielleicht wäre es an der zeit, sich damit abzufinden, daß die Geisteswelt der Steinzeit mit den Steinzeitmenschen verschwunden ist.
Schon wenn wir heutige Funde bewerten, dann tun wir das vor unserem kulturellen Hintergrund, aus unserer kulturellen Vorstellung heraus. Und es gibt gerade in der Welt der Steinzeit so wahnsinnig viel, das wir gar nicht interpretieren können. ich denke da beispielsweise an die Carved Stone Balls, die zuerst den Pikten zugeschrieben wurden, von denen man aber heute weiß, da sie schon seit dem Neolithikum in Gebrauch waren.
Was sie bedeuten? Keiner weiß es. Theorien gibt es viele. Keine läßt sich beweisen, keine widerlegen.

Und gerade Musik ist immer abhängig von der Kultur. Daß man herausfinden will, wie alte Musikinstrumente klingen- das ist nachvollziehbar. Daß das vielleicht den einen oder anderen Musiker heutiger Zeit inspirieren könnte, ist vielleicht eine nette Sache.
Aber die Musik der Steinzeit wird man nicht rekonstruieren können...


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Bunbury - 30.12.2013 12:16

(30.12.2013 06:50)Avicenna schrieb:  Sehe ich so ähnlich. Die Wissen um das kulturelle Leben neuzeitlicher indigener Völker kann durchaus sinnvoll mit den Ergebnissen aus dem EMAP -Projekt verknüpft werden und dort einfließen.

Was macht dich da so sicher? Was gibt dir die Gewißheit zu sagen, daß nur, weil sich die Instrumente nicht großartig geändert haben, die Geisteswelt sich seit 15.000 Jahren nicht geändert hat?
In 15.000 ist jede Menge passiert, das Einfluß auf die Kultur haben mußte. (Ende der Eiszeit mit Steigen der Meeresspiegel, Vulkanausbrüche im Feuerring, Klimaveränderungen, Aussterben von Tierarten etc.) Heutigen inidgenen Völkern abzusprechen, daß sie sich geistig weiterentwickelt haben, nur weil sie sich technisch nicht entwickelt haben, zeigt deutlich, daß dieses Projekt in die falsche Richtung geht.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Avicenna - 30.12.2013 20:36

(30.12.2013 12:16)Bunbury schrieb:  
(30.12.2013 06:50)Avicenna schrieb:  Sehe ich so ähnlich. Die Wissen um das kulturelle Leben neuzeitlicher indigener Völker kann durchaus sinnvoll mit den Ergebnissen aus dem EMAP -Projekt verknüpft werden und dort einfließen.

Was macht dich da so sicher? Was gibt dir die Gewißheit zu sagen, daß nur, weil sich die Instrumente nicht großartig geändert haben, die Geisteswelt sich seit 15.000 Jahren nicht geändert hat?
In 15.000 ist jede Menge passiert, das Einfluß auf die Kultur haben mußte. (Ende der Eiszeit mit Steigen der Meeresspiegel, Vulkanausbrüche im Feuerring, Klimaveränderungen, Aussterben von Tierarten etc.) Heutigen inidgenen Völkern abzusprechen, daß sie sich geistig weiterentwickelt haben, nur weil sie sich technisch nicht entwickelt haben, zeigt deutlich, daß dieses Projekt in die falsche Richtung geht.

Mich macht überhaupt nichts sicher. Es war einfach nur ein Gedanke von mir. Nicht von jedem Gedanken den man hat, muss man zwangsläufig überzeugt und bereit sein ihn auf Teufel komm raus zu verteidigen. Es sind nur Gedanken.
Desweiteren ist wohl jedem hier klar und wurde auch schon angesprochen, dass wir keinen musikgeschichtlichen Abriss der letzten 50tausend Jahre incl. Notenmaterial erwarten dürfen.

Aber egal. Vor allem hast du recht, wenn du eine Konstanz in der Geisteswelt von steinzeitlich lebenden Menschengruppen in Frage stellst.
Diese Geisteswelt, wenn man sie so bezeichnen möchte, ist immer geprägt durch die speziellen Umweltbedingungen der betrachteten Gruppe - dem harten materiellen als auch dem gesellschaftlichen Umfeld.
Die Gottheiten welche für diese Menschen wichtig waren, sind bei Hirten und Nomaden sicher andere gewesen als bei schon sesshaft gewordenen Neolithikern. Auch war die geographische Hauptaufenthaltsregion sicher mitprägend. Z.B. lag die Heimat in Trocken- oder Feuchtgebieten, lebte man im Umkreis eines Vulkans, eines Meeres, wie extrem war man von den Jahreszeiten abhängig? etc. Entsprechend dieses Umfelds waren bestimmte Gott- oder Geistwesen für diese Menschen einmal mehr, einmal weniger wichtig und variierten in Abhängigkeit von diesem Umfeld.
Das ganze hatte auch Einfluß darauf, wie sich diese Menschen emotional/kulturell ausdrückten, z.B. in Form von Tanz, Musik oder auch den "bildenden" Ausdrucksformen.
Ich finde, dass es einfach höchst interessant und spannend ist, diesbezüglich etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, auch wenn man nicht mit "Beweisen", sondern nur mit bestimmten plausiblen Zusammenhängen und Wahrscheinlichkeiten rechnen kann.
Was bringt es der Menschheit? - keine Ahnung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger als es eine Forschung bringt, die sich mit Out-of-Africa ff. beschäftigt oder eine die eruiert, ob die Pikten nun den Kelten zugerechnet werden können oder nicht und wem das "Gebrauchsmuster" der Carved Stone Balls als erstem anzulasten wäre ...
Es ist halt ein Luxus, den sich eine "reiche" Gesellschaft leisten kann.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Avicenna - 30.12.2013 22:03

(30.12.2013 09:24)Suebe schrieb:  Es gibt bei mir vor Ort eine "Musikhistorische Sammlung"
http://www.albstadt.de/museen/musikhistorische
habt ihr schon mal ein Instrument aus der Barockzeit gespielt gehört?
Könnt ihr da.
Faszinierend. Eine völlig andere Klangwelt, obwohl vom gleichen Notenblatt.

Kann ich mir gut vorstellen.
In der Schule haben wir zumindest Stücke auf dem Chembalo gehört - von Platte, nicht live. Weiß gar nicht wer damals die "Stars" waren - Telemann, Bach, Händel fallen mir da als Einzige ein.
Wobei die ihre Kompositionen wohl speziell auf die damlig gängigen Instrumente wie Cembalo oder Orgel zugeschnitten hatten, ähnlich wie spätere Komponisten auch auf z.B. Klavier oder Violine.

(30.12.2013 09:24)Suebe schrieb:  Ich spiele immer mal wieder meine alten Beatles-Musikcassetten auf einem Uralt-Mono-Cassettenrekorder ab.
Das ist der wahre Klang! So hat sich das von Radio-Luxemburg oder Ö3 angehört. Nix mit Stereo HiFi.

Absolut nachvollziehbar.
Nichts geht über Livemitschnitte der Doors oder Joplin oder allgemein den Woodstockauftritten. Da wär ich gern dabei gewesen ...
Unsere ganze Welt, selbst die der Musik, ist so dermaßen sauber, steril und perfekt geworden - so dass sie bezüglich Flair und Emotionen viel verloren hat. Ich glaube auch nicht, dass das - im Sinne von Früher war alles besser - ein rein verklärter Blick auf die Vergangenheit und gewisse Jugenderinnerungen ist.
(30.12.2013 09:24)Suebe schrieb:  Das vordergründig "Profane" Alltägliche findet in der Geschichtswissenschaft immer noch zu wenig Beachtung.

Das ist wohl wahr.
Ich kann es nur schlecht einschätzen, aber die Informationen darüber sind sicher auch etwas spärlicher als die bei der offiziellen "großen" Geschichtsschreibung.
Für die letzten Jahrhunderte, besonders beim 19./20. Jhd. kann man sicher auch die triviale Romanliteratur oder auch Bildmaterial als Zeitzeugnisse heranziehen, aber für die vorangehende Zeit erweist sich die Quellenlage diesbezüglich wahrscheinlich zunehmend problematischer.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Suebe - 31.12.2013 09:06

(30.12.2013 22:03)Avicenna schrieb:  
(30.12.2013 09:24)Suebe schrieb:  Das vordergründig "Profane" Alltägliche findet in der Geschichtswissenschaft immer noch zu wenig Beachtung.

Das ist wohl wahr.
Ich kann es nur schlecht einschätzen, aber die Informationen darüber sind sicher auch etwas spärlicher als die bei der offiziellen "großen" Geschichtsschreibung.
Für die letzten Jahrhunderte, besonders beim 19./20. Jhd. kann man sicher auch die triviale Romanliteratur oder auch Bildmaterial als Zeitzeugnisse heranziehen, aber für die vorangehende Zeit erweist sich die Quellenlage diesbezüglich wahrscheinlich zunehmend problematischer.


Die Quellenlage ist erstaunlich und viel besser als man gemeinhin annimmt.
Das allgemeine Interesse ist zu gering. Das ist der Punkt.

Der Geschichtsunterricht, auch die Darstellung der Geschichte in allen Medien heute, besteht lediglich aus Kriegs- und Hochadelsgeschichte. Dann noch die besondere deutsche Fokussierung auf die verfluchten 12 Jahre.

Ergo: Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung,
die keinen Bock darauf hat, von jehner "fürchterlichen Schlacht", diesen "unbeschreiblichen Gräueln" zu lesen, zu hören, zu sehen,
macht einen Bogen um die Geschichte wie um das Hundehäufchen auf dem Gehweg,


Deswegen freue ich mich "wie die Sau" wenn auch mal den Leistungen der Menschheit nachgeforscht wird, die nichts damit zu tun hat, wie sie sich gegenseitig auszurotten versucht.


RE: Musik Archäologie und Rekonstruktion Presseschau - Bunbury - 31.12.2013 17:04

(30.12.2013 20:36)Avicenna schrieb:  Mich macht überhaupt nichts sicher. Es war einfach nur ein Gedanke von mir. Nicht von jedem Gedanken den man hat, muss man zwangsläufig überzeugt und bereit sein ihn auf Teufel komm raus zu verteidigen. Es sind nur Gedanken.

Die Gedanken sind frei?
Tja, da würde ich dir recht geben, wenn wir beide in einem schönen Cafe (oder einem Pub- je nachdem, was dir lieber wäre) sitzen und uns austauschen würden. (Würde mir auch Spaß machen.) Aber wir sitzen nicht in einem Cafe, sondern schreiben in einem Forum, in dem jeder jeden Gedanken aus dem Zusammenhang reißen und ihn für sich alleine "mißbrauchen" kann. Aber gut ,das ist eine ganz andere Diskussion...

(30.12.2013 20:36)Avicenna schrieb:  Desweiteren ist wohl jedem hier klar und wurde auch schon angesprochen, dass wir keinen musikgeschichtlichen Abriss der letzten 50tausend Jahre incl. Notenmaterial erwarten dürfen.

Der Artikel verbreitet aber den Anspruch, die Musik der Steinzeit rekonstruieren zu wollen. Dieser Anspruch ist nicht realistisch. Als ausgebildeter Ökonom rollen sich mir die Fußnägel hoch, wenn ich sehe, daß Mittel für ein Projekt freigesetzt werden, dessen Ziel einfach nicht erfüllt werden kann. Da muss man sich vielleicht die Frage stellen, ob eine andere Dimensionierung nicht sehr viel angemessener wäre.
Edit: ich weiß auch nicht, aber irgendwie denke ich bei einem Projekt wie diesem an Stuttgart 21, die Elbphilharmonie oder Kassel-Calden. Da wird viel Geld aufgewendet, damit jemand sich unsterblich machen kann, aber on der Kosten- Nutzen Verhältnis stimmt... ich weiß nicht...

(30.12.2013 20:36)Avicenna schrieb:  Aber egal. Vor allem hast du recht, wenn du eine Konstanz in der Geisteswelt von steinzeitlich lebenden Menschengruppen in Frage stellst.
Diese Geisteswelt, wenn man sie so bezeichnen möchte, ist immer geprägt durch die speziellen Umweltbedingungen der betrachteten Gruppe - dem harten materiellen als auch dem gesellschaftlichen Umfeld.
Die Gottheiten welche für diese Menschen wichtig waren, sind bei Hirten und Nomaden sicher andere gewesen als bei schon sesshaft gewordenen Neolithikern. Auch war die geographische Hauptaufenthaltsregion sicher mitprägend. Z.B. lag die Heimat in Trocken- oder Feuchtgebieten, lebte man im Umkreis eines Vulkans, eines Meeres, wie extrem war man von den Jahreszeiten abhängig? etc. Entsprechend dieses Umfelds waren bestimmte Gott- oder Geistwesen für diese Menschen einmal mehr, einmal weniger wichtig und variierten in Abhängigkeit von diesem Umfeld.
Das ganze hatte auch Einfluß darauf, wie sich diese Menschen emotional/kulturell ausdrückten, z.B. in Form von Tanz, Musik oder auch den "bildenden" Ausdrucksformen.


Ich muss sagen, daß ich es ausgesprochen spannend fände, wenn man die Musik seit der Steinzeit tatsächlich rekonstrurieren könnte, um dann festzustellen, wie sich welche Umweltänderung wie in der Musik niedergeschlagen hat.
Ich denke, man wird noch nicht einmal die Frage klären können, ob sich die Steinzeit- menschen als Im-Einklang-mit-der-Natur- lebend empfunden haben oder die Natur als Gegner empfunden haben, den sie bekämpfen mußten. Beides wird eine völlig andere Musik zur Folge gehabt haben...


(30.12.2013 20:36)Avicenna schrieb:  Ich finde, dass es einfach höchst interessant und spannend ist, diesbezüglich etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, auch wenn man nicht mit "Beweisen", sondern nur mit bestimmten plausiblen Zusammenhängen und Wahrscheinlichkeiten rechnen kann.

Licht ins Dunkel bringt man aber höchstens in Detailfragen. Mit plausiblen Weisheiten und Zusammenhängne habe ich so meine Schwierigkeiten. Heute gelten sie als plausible Weisheit und Zusammenhänge, morgen als erwiesene Tatsache (historische Mythen und Irrmeinungen gibt es mehr als genug) und verbauen den Weg auf andere Sichtweisen...

(30.12.2013 20:36)Avicenna schrieb:  Was bringt es der Menschheit? - keine Ahnung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger als es eine Forschung bringt, die sich mit Out-of-Africa ff. beschäftigt oder eine die eruiert, ob die Pikten nun den Kelten zugerechnet werden können oder nicht und wem das "Gebrauchsmuster" der Carved Stone Balls als erstem anzulasten wäre ...
Es ist halt ein Luxus, den sich eine "reiche" Gesellschaft leisten kann.

Wissen ist nie vergeudet, da verstehst du mich falsch.
Aber es ist leider auch eine Tatsache, daß viele bereits geborgene Ausgrabungsgegenstände nicht anständig konserviert werden können, weil dafür die Mittel fehlen. Bevor man sich also daran macht, etwas neues zu erforschen, sollte man erst einmal sicherstellen, daß das, was man schon hat, auch für zukünftige Forschergenerationen erhalten bleibt anstatt zu verrotten... Aber ich finde es ja auch Schwachsinnig, ständig neue Straßen zu bauen, wenn man nicht das Geld hat, die alten in Stand zu halten...