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Der Untergang der Hohenstaufen - Druckversion

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Der Untergang der Hohenstaufen - Steppenwolf - 22.01.2018 17:15

Köbi meinte, dass das ein Extra-Thema wäre.
Und er hat recht.

(20.01.2018 06:08)Sansavoir schrieb:  
(16.01.2018 16:00)Suebe schrieb:  Widerspruch! Sizilien wäre Schwäbisch! Devil

Riga wäre jedoch deutsch, und ich glaube Polen und England auch.
Nicht so meine Zeit, aber in den hinteren Hirnwindungen ist da noch was versteckt, der Staufer Heinrich V. und Richard Löwenherz auf der Burg Trifels der sein Königreicch anschlißend zu Lehen nehmen musste

Stimmt. Aber das Königreich Sizilien war ein eigenständiges politisches Gebilde. Es war kein Teil des HRR. Heinrich VI., Friedrich II. und Konrad IV. waren nur deutscher Kaiser bzw. Könige, die in Personalunion auch als Könige von Sizilien herrschten. Deswegen sind Forderungen wie "Deutschland in den Grenzen von 1254" wirklich nur Klamauk. Sie entstanden in der Wendezeit als ironische Reaktion auf Forderungen wie "Deutschland in den Grenzen von 1937".

Ende 1192 wurde Richard auf seiner Rückreise aus dem Heiligen Land vom österreichischen Herzog Leopold V. gefangenommen und Anfang 1193 auf Burg Trifels überführt. Dort wurde er der Obhut Heinrichs VI. übergeben, der für die Freilassung Richards an England eine Lösegeldforderung in Höhe von 100.000 Kölner Mark stellte. Das entspricht etwa 23,4 Tonnen Silber. Diese Menge entsprach etwa dem Steuereinkommen des Angevinischen Reiches für 5 Jahre. Der von Richard eingesetzte Regent - sein Bruder Johann Ohneland - war nicht bereit, diese Summe zu zahlen. Allerdings gelang es einer Adelsfraktion unter Führung von Richards Mutter Eleonore von Aquitanien das Lösegeld aufzubringen, sodass Richard am 2. Februar 1194 freigelassen wurde und nach England zurückkehrte. Das Lösegeld schwächte England sehr, es ist eine Ursache für den Untergang des Angevinischen Reiches im Jahr 1204.

(20.01.2018 10:03)Suebe schrieb:  
Zitat:Stimmt. Aber das Königreich Sizilien war ein eigenständiges politisches Gebilde. Es war kein Teil des HRR. Heinrich VI., Friedrich II. und Konrad IV. waren nur deutscher Kaiser bzw. Könige, die in Personalunion auch als Könige von Sizilien herrschten. Deswegen sind Forderungen wie "Deutschland in den Grenzen von 1254" wirklich nur Klamauk. Sie entstanden in der Wendezeit als ironische Reaktion auf Forderungen wie "Deutschland in den Grenzen von 1937".

Das ist natürlich richtig. Die genannten jedoch, waren außerdem Herzöge von Schwaben auch Konradin!
Daher mein Spruch vom "schwäbischen" Sizilien.

(20.01.2018 15:00)Sansavoir schrieb:  
(20.01.2018 10:03)Suebe schrieb:  Das ist natürlich richtig. Die genannten jedoch, waren außerdem Herzöge von Schwaben auch Konradin!
Daher mein Spruch vom "schwäbischen" Sizilien.

Das ist richtig. Konradin war aber nicht König von Sizilien, sondern Manfred. Da nach Konradins Tod das Herzogtum Schwaben zerfiel, stellt sich die Frage, ob dessen Feldzug gegen Karl von Anjou eine geschickt eingefädelte Polit-Intrige war, mit dem Ziel, den Staufer zu beseitigen. Nutznießer waren ja viele: Habsburg, Baden, Württemberg, Hohenzollern, Kyburg u.a.

(20.01.2018 23:30)Teresa C. schrieb:  
(20.01.2018 15:00)Sansavoir schrieb:  Das ist richtig. Konradin war aber nicht König von Sizilien, sondern Manfred. Da nach Konradins Tod das Herzogtum Schwaben zerfiel, stellt sich die Frage, ob dessen Feldzug gegen Karl von Anjou eine geschickt eingefädelte Polit-Intrige war, mit dem Ziel, den Staufer zu beseitigen. Nutznießer waren ja viele: Habsburg, Baden, Württemberg, Hohenzollern, Kyburg u.a.

Wobei im Zusammenhang mit einer Polit-Intrige wahrscheinlich doch zu berücksichtigen ist, inwieweit die weitere Entwicklung im ehemaligen Herzogtum Schwaben überhaupt um 1268 bereits vorhersehbar war und wer zu diesem Zeitpunkt tatsächlich ein Interesse an der Ausschaltung Konradins gehabt haben dürfte beziehungsweise wer direkt vom Tod Konradins profitiert hat.

Konradins Italienzug fand 1267/1268 statt, er wurde 1268 zusammen mit einigen Begleiter hingerichtet.

Von diesen Begleitern ist eigentlich nur Friedrich von Baden bekannter. Dieser Friedrich war ein Sohn der Babenbergerin Gertrud, die als Schwester von Herzog Friedrich II. dem Streitbaren nach dessen Tod Anspruch für sich beziehungsweise ihre Familie auf die Herzogtümer Österreich und Steiermark hatte. Sie hatte vorübergehend päpstliche Unterstützung und konnte sich zunächst sogar in Teilen der Steiermark für kurze Zeit gegen den böhmischen König Przemysl Ottokar II. behaupten. Es ist vielleicht kein Zufall, dass sie nach der Hinrichtung ihres Sohnes von ihm endgültig aus dem Herzogtum Steiermark vertrieben wurde.
Quelle, z. B.: Bertold Sutter: Die Steiermark in Zeiten des Umbruches. Zum Kampf um die Steiermark im Interregnum und ihre Leistungen nach 1282 zur Rettung der Herrschaft des Hauses Habsburg in Österreich. In: Othmar Pickl (Hrsg.): 800 Jahre Steiermark und Österreich 1192-1992. Der Beitrag der Steiermark zu Österreichs Größe. Graz 1992, S. 97-145

Zumindest bietet sich hier die Frage an, ob der König Ottokar etwas mit der Hinrichtung Konradins (oder Friedrichs) zu tun hatte?

Graf Rudolf IV. von Habsburg wurde erst 1273, also einige Jahre später zum römisch-deutschen König gewählt, zum Zeitpunkt seiner Wahl war sicher noch nicht vorhersehbar, dass es ihm als König einmal mit Zustimmung der Reichsfürsten möglich sein würde, seine eigenen Söhne mit den Herzogtümer Österreich und Steiermark zu belehnen und schon gar nicht, dass die Herrschaft seiner Nachfahren über diese damaligen Herzogtümer letztlich mehr als 600 Jahre dauern würde. Interessant wäre sicher, ob er mit Blick auf das frühere Herzogtum Schwaben bereits vor 1273 vom Tod Konradins profitierte.

Es wäre sicher auch interessant, zu sehen, wer die übrigen Begleiter Konradins waren, die hingerichtet wurden und wie es um ihre Situation um 1267 bestellt war.

Interessant wäre zu wissen, ob es auch prominentere Begleiter Konradins gegeben hat, die mit ihm in Gefangenschaft geraten waren, aber nicht hingerichtet wurden.

(21.01.2018 01:06)Suebe schrieb:  
(20.01.2018 23:30)Teresa C. schrieb:  Wobei im Zusammenhang mit einer Polit-Intrige wahrscheinlich doch zu berücksichtigen ist, inwieweit die weitere Entwicklung im ehemaligen Herzogtum Schwaben überhaupt um 1268 bereits vorhersehbar war und wer zu diesem Zeitpunkt tatsächlich ein Interesse an der Ausschaltung Konradins gehabt haben dürfte beziehungsweise wer direkt vom Tod Konradins profitiert hat.

Konradins Italienzug fand 1267/1268 statt, er wurde 1268 zusammen mit einigen Begleiter hingerichtet.

Von diesen Begleitern ist eigentlich nur Friedrich von Baden bekannter. Dieser Friedrich war ein Sohn der Babenbergerin Gertrud, die als Schwester von Herzog Friedrich II. dem Streitbaren nach dessen Tod Anspruch für sich beziehungsweise ihre Familie auf die Herzogtümer Österreich und Steiermark hatte. Sie hatte vorübergehend päpstliche Unterstützung und konnte sich zunächst sogar in Teilen der Steiermark für kurze Zeit gegen den böhmischen König Przemysl Ottokar II. behaupten. Es ist vielleicht kein Zufall, dass sie nach der Hinrichtung ihres Sohnes von ihm endgültig aus dem Herzogtum Steiermark vertrieben wurde.
Quelle, z. B.: Bertold Sutter: Die Steiermark in Zeiten des Umbruches. Zum Kampf um die Steiermark im Interregnum und ihre Leistungen nach 1282 zur Rettung der Herrschaft des Hauses Habsburg in Österreich. In: Othmar Pickl (Hrsg.): 800 Jahre Steiermark und Österreich 1192-1992. Der Beitrag der Steiermark zu Österreichs Größe. Graz 1992, S. 97-145

Zumindest bietet sich hier die Frage an, ob der König Ottokar etwas mit der Hinrichtung Konradins (oder Friedrichs) zu tun hatte?

Graf Rudolf IV. von Habsburg wurde erst 1273, also einige Jahre später zum römisch-deutschen König gewählt, zum Zeitpunkt seiner Wahl war sicher noch nicht vorhersehbar, dass es ihm als König einmal mit Zustimmung der Reichsfürsten möglich sein würde, seine eigenen Söhne mit den Herzogtümer Österreich und Steiermark zu belehnen und schon gar nicht, dass die Herrschaft seiner Nachfahren über diese damaligen Herzogtümer letztlich mehr als 600 Jahre dauern würde. Interessant wäre sicher, ob er mit Blick auf das frühere Herzogtum Schwaben bereits vor 1273 vom Tod Konradins profitierte.

Es wäre sicher auch interessant, zu sehen, wer die übrigen Begleiter Konradins waren, die hingerichtet wurden und wie es um ihre Situation um 1267 bestellt war.

Interessant wäre zu wissen, ob es auch prominentere Begleiter Konradins gegeben hat, die mit ihm in Gefangenschaft geraten waren, aber nicht hingerichtet wurden.


Das geht mir auch schon lange durch den Kopf.....
ob nicht auf der Piazza Mercato etliche dynastische "Probleme gelöst wurden"
Nicht hingerichtet wurde Heinrich von Kastilien, warum wissen die Quellen nicht so richtig.
Die Bayern-Herzöge und Rudolf von Habsburg sind beizeiten aus dem "Unternehmen" ausgestiegen, wobei angenommen wird, dass sie allesammt Konradin von der Fortsetzung abgeraten haben. Aber - was soll ein solcher Ratschlag bei einem 15jährigen?????
Es muss sich wohl weniger um die "Blüte deutscher Ritterschaft" gehandelt haben, die da gen Sizilien ziehen wollten.
Wer mir von den Hingerichteten noch "persönlich bekannt" ist, wäre Wolfrad Graf von Veringen-Nellenburg.
Nachkomme der Grafen von Altshausen und versippt mir Württemberg und Württ-Grüningen, man beachte das Wappen.
Es scheint mir, dass dort "Piazza Mercata" ein paar dynastische Probleme Südwestdeutschlands "gelöst" wurden

Wobei die Frage bleibt, wie man einen 15jährigen zu so einer Aktion verleiten kann.
Da müssen andere Absichten mit dahinter gestanden haben, und keineswegs redliche.
Aber, ich kenne mich da nicht weiter aus.
Was meinen die Mediavisten hier?

(21.01.2018 18:24)Aguyar schrieb:  
(20.01.2018 15:00)Sansavoir schrieb:  Das ist richtig. Konradin war aber nicht König von Sizilien, sondern Manfred. Da nach Konradins Tod das Herzogtum Schwaben zerfiel, stellt sich die Frage, ob dessen Feldzug gegen Karl von Anjou eine geschickt eingefädelte Polit-Intrige war, mit dem Ziel, den Staufer zu beseitigen. Nutznießer waren ja viele: Habsburg, Baden, Württemberg, Hohenzollern, Kyburg u.a.

Die Kyburger musst Du wegnehmen, die waren kurz zuvor ausgestorben. Ihr Erbe ging - nach einem Konflikt zwischen Habsburg und Savoyen - an die Habsburger, und zwar bereits vor dem Aufbruch Konradins nach Italien.

(21.01.2018 20:55)Sansavoir schrieb:  Vielen Dank! für die Info. Bin davon ausgegangen, weil Rudolfs I. Mutter eine geborene Gräfin von Kyburg
war, aber so schnell geht es dann halt, dass eine Familie ausstirbt.

(21.01.2018 22:23)Suebe schrieb:  Manfred war als König von Sizilien ja eigentlich auch schon ein Usurpator.
Man hat so ein bißchen den Eindruck, dass die Staufer mit Friedrich II. zumindest in Deutschland ziemlich abgewirtschaftet hatten.

Ich stelle mal die These in den Raum, dass der Nachruhm der Staufer zu einem ganz erheblichen Teil auf das Schicksal Konradins zurückgeht.



RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Sansavoir - 22.01.2018 21:11

(21.01.2018 22:23)Suebe schrieb:  Manfred war als König von Sizilien ja eigentlich auch schon ein Usurpator.
Man hat so ein bißchen den Eindruck, dass die Staufer mit Friedrich II. zumindest in Deutschland ziemlich abgewirtschaftet hatten.

Ich stelle mal die These in den Raum, dass der Nachruhm der Staufer zu einem ganz erheblichen Teil auf das Schicksal Konradins zurückgeht.

Es stimmt, genaugenommen war Manfred ein Usurpator. Aber wie hätte er nach Konrads IV. frühen Tod anders handeln sollen. Er sicherte vorerst die Unabhängigkeit Siziliens. Sein Pech war letztlich, dass seine Lehnsherren, die Päpste ihn als Staufer nicht mehr duldeten. Ebenso muss man Manfreds Herrschaft im Zusammenhang mit der Politik des neuerstandenen Byzanz sehen. Inwieweit Michael VIII. Einfluss auf die politischen Ereignisse in Sizilien und Süditalien nahm, müsste ich nochmal nachlesen. Aber vielleicht weiß WDPG sofort daraüber etwas zu schreiben. Fakt ist aber, dass Karl von Anjou nach seinen Siegen über Manfred (1266) und Konradin (1268) faktisch der Machthaber in Italien war. Zwischen 1268 und 1271 blieb der Papststuhl vakant, bis 1276 waren alle Päpste Parteigänger Karl von Anjous.

Zum Nachruhm der Staufer: Auf alle Fälle trug Konradins Schicksal zum Nachruhm der Staufer bei. Aber es ist sicher nicht nur sein Schicksal, sondern auch die Tragik im Leben Heinrichs (VII.), Enzos oder der Söhne Manfreds. Einige Staufer fielen den direkten Vernichtungsaufrufen der Päpste zum Opfer wie z.B. Friedrich von Antiochien.

Friedrichs II. Lebensweg war auch ungewöhnlich, das Leben seiner Frauen verlief zum Teil "romantisch" (Konstanze von Aragon), zum Teil tragisch (Isabelle von Brienne). Über die Rolle seiner Geliebten Bianca Lancias gibt es unterschiedliche Aussagen. Das Schicksal von Friedrichs Tochter Margarethe als Landgräfin von Thüringen verlief ebenfalls tragisch. Sie wurde von ihrem Mann Albrecht den Entarteten 1270 verstoßen, also zu einem Zeitpunkt als der Untergang der Staufer bereits besiegelt war. Beider Sohn Friedrich der Gebissene oder der Freidige verfolgte in seinen jungen Jahren eine illusorische Politik zur Wiederherstellung der Staufermacht, ehe er begann regionale Realpolitik zu betreiben.

Die Ereignisse um Philipp von Schwaben, der Königsmord, der Tod seiner Witwe Irene und die Verheiratung einer seiner der Töchter (Beatrix d.Ä.) an den Welfen Otto IV. und ihr früher Tod sorgten sicher auch für den Nachruhm der Staufer. Nicht vergessen sollte man, dass die Schwestern von Beatrix der Älteren Kunigunde und Beatrix die Jüngere die Mütter des böhmischen Königs Ottokar II. Premysl bzw. des kastilischen Königs Alfons X. des Weisen waren.

Philipps Brüder starben auch jung. Friedrich VI. bei der Belagerung von Akkon, Heinrich VI. kurz vor der geplanten Eroberung Byzanzs, Konrad von Rothenburg wurde von einen Konkurrenten in Liebesangelegenheiten getötet und der Lebensweg von Otto von Burgund lässt sich nicht von der tragischen Geschichte der Andechs-Meranien lösen.

Barbarossas Kampf gegen seinn Cousin Heinrich den Löwen und sein tragischer Tod während des 3. Kreuzzugs. Oder seine Scheidung und seine 2. Ehe mit Beatrix von Burgund. Das Mainzer Fest von 1184 einschließlich der Schwertleite seiner Söhne Friedrich und Heinrich.

Diese gesamte(n) Geschichte(n) trugen zum Nachruhm der Staufer bei. Trotzdem ist es erstaunlich, dass gute Herrscher wie der Ottone Heinrich II. oder die beiden Salier Konrad II. und Heinrich III. kaum noch bekannt sind - mal von Geschichtsfreaks abgesehen.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - 913Chris - 23.01.2018 09:41

Mal kurz Copy/Paste betrieben:
Aus Wikipedia (Artikel "Herzog Ludwig II. von Bayern"):

"Ludwig war Vormund seines Neffen Konradin, verschaffte diesem das Herzogtum Schwaben und begleitete ihn bei seinem Italienzug 1267 bis Verona. Er zog sich rechtzeitig zurück und wurde dadurch nicht in den Untergang des 1268 in Neapel hingerichteten Konradin verwickelt. Materiell profitierte er von dessen Tod, da Konradin ihn als Erben einsetzte und in der Konradinischen Schenkung Besitzungen in der Oberpfalz, um Sulzbach, in Südwestbayern und Bayerisch-Schwaben abtrat."

So profitierte Ludwig zwar von Konradins Untergang, hatte ihn aber zuvor so tatkräftig unterstützt - auch dabei, seine ererbten Besitztümer zu bewahren - dass man ihm wohl schwerlich finstere Beweggründe nachsagen kann. Der wohl mächtigste Herzog nördlich der Alpen war Ludwig so und so. Kaiser wollte er nicht werden - das Angebot hatte m.W. mehrmals bestanden - oder er rechnete sich als "Graue Eminenz" hinter Konradin evtl. sogar noch mehr Einfluss aus als als Kaiser.
Als Ludwig in Verona umkehrte, tat er das deswegen, weil ja jemand im Reich Konradins Statthalter sein musste.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Suebe - 23.01.2018 17:28

Kennt eigentlich noch einer die Lesebuchgeschichte, wie Friedrich von Baden unmittelbar vor seiner Hinrichtung seinen Handschuh ins Publikum wirft, der der ihn aufhebt, bekommt seinen Anspruch auf Österreich. Rudolf von Habsburg hob ihn auf.
Stand in meiner Grundschulzeit tatsächlich im Lesebuch!
Nun war der Habsburger aber gar nicht in Neapel, was allerdings lange Zeit strittig war.

Andererseits ist dies schon typisch, man bewegt sich da in einem sehr dichten Nebel, die Mär erzählt so vieles, und so unterschiedliches....


Mal weg von Konradin,
wenn ich das richtig sehe war sein Vater Konrad, als er gen Italien zog, in Deutschland schon ziemlich weg vom Fenster.
Wobei hier die Innsbrucker Funde ein ganz neues Licht auf ihn werfen, die bisherige Geschichtsschreibung ist ihm demnach nicht gerecht geworden. Im Königreich Sizilien war er, bei aller kürze, ein kluger und effizienter Herrscher.

Aber die Frage stellt sich doch, was haben die Staufer eigentlich tatsächlich falsch gemacht?


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Teresa C. - 23.01.2018 18:24

Es stellt sich aber auch die Frage, ob vieles nicht erst später tragisch verklärt wurde. Bei Margaretha und Albrecht dem Entarteten ist zumindest auffallend, dass es für vieles, was ihm angelastet wird, keine anderen Belege als die Chronisten gibt, und Chronisten sind nicht gerade die zuverlässigsten Quellen, wenn es um Wertendes geht.

Was die Hinrichtung von Konradin betrifft, und seine Behandlung weiterer Familienmitglieder der Staufer so ist immerhin interessant, dass sie zwar gewöhnlich negativ bewertet wird, aber sich für Karl letztlich voll ausgezahlt hat, so böse das klingt. Karl konnte zwar nicht alle seine Pläne verwirklichen und verlor letztlich Sizilien an Aragon, aber in Neapel bzw. Süditalien hielt er sich an der Macht und war Stammvater einer Dynastie, die über 1 Jahrhundert an der Macht war und in der Folge auch politisch im ungarischen Königreich und am Balkan Fuß fassen konnte.

Eine weitere Frage ist, ob Manfred tatsächlich ein Usurpator war. Die Primogenitur dürfte sich erst in der frühen Neuzeit endgültig durchgesetzt haben und Friedrich II. soll seine Beziehung zu Manfreds Mutter legalisiert haben. Manfreds Tochter Konstanze heiratete immerhin in das Königshaus von Aragon ein und ihr Ehemann begründete später seine Herrschaft über das Königreich Sizilien über die Ehe mit ihr.

Unklar bleibt natürlich, ob Manfred sich nach Konrads Tod als "Platzhalter" für dessen Sohn sah (und die Königswürde übernahm, weil das anders nicht zu machen gewesen wäre, oder von Anfang an seine eigene Dynastie in Neapel-Sizilien etablieren wollte. (Auch vorstellbar, dass hier eine Entwicklung vorliegt.)
Beantworten lässt sich die Frage nicht, da Konradin erst nach Manfreds Tod nach Italien gezogen ist.

Aus heutiger Sicht scheinen der Tod Manfreds und die Eroberung durch Karl von Anjou der Auslöser für Konradins Romzug zu sein. Gibt es eigentlich Belege dafür, dass der Romzug bereits vor dem Tod Manfreds eine Option war.

Aus heutiger Sicht entsteht der Eindruck, dass dieser Romzug ohnehin nur scheitern konnte (auch wenn vielleicht die Hinrichtung Konradins nicht vorhersehbar war), aber es stellt sich für mich schon die Frage, ob das Scheitern tatsächlich für die Zeitgenossen so eindeutig vorhersehbar war. In einem Aufsatz, den ich vor einigen Jahren gelesen habe, leider weiß ich den Autor nicht mehr, findet sich die These, dass der Sieg von Karl bei Tagliacozzo keineswegs eindeutig feststand.

Hätte ein erfolgreicher Italienzug zur Folge gehabt, dass Konradin in Italien geblieben wäre? Hätte er Konradins Kandidatur für die Kaiser- bzw. Königswürde des Heiligen Römischen Reiches gefördert? .....

Wer hatte um 1267/1268 ein Interesse daran, dass Konradin nicht mehr aus Italien zurückkehrte?

Im Wikipedia-Artikel zu Konradin wird eine "Konradinische Schenkung" erwähnt, die Konradin seinem Onkel Herzog Ludwig II. von Baiern und seinem Stiefvater Graf Meinhard von Görz (als solcher Meinhard IV.) und Tirol (als solcher Meinhard II.) machen musste. Jedenfalls profitierten beide Herren davon, dass er nicht aus Italien zurückkehrte.

Zumindest dürfte die Hinrichtung von Konradins Begleiter Friedrich von Schwaben für den böhmischen König Przemysl Ottokar II. durchaus wünschenswert gewesen sein. (Und auffallend ist jedenfalls, dass er nicht gezögert hat, nach dessen Hinrichtung Friedrichs Mutter Gertrud endgültig aus dem Herzogtum Steiermark auszuweisen.) Vermutlich könnte es interessant sein, wie es um seine Italien- und Frankreichkontakte bestellt war.

Könnte Ottokar irgendwelche Kontakte zu Karl gehabt haben? Ich habe den Eindruck, dass es dazu bisher keine Forschungsergebnisse gibt, vielleicht, weil den Historikern und Historikerinnen bisher nichts diesbezüglich aufgefallen wäre. König Ottokar gilt auch als Gegner des ungarischen Königs, auch wenn seine zweite Ehe im Zusammenhang einer Aussöhnung mit diesem zustande gekommen sein dürfte. Jedenfalls hat er außer den Herzogtümer Österreich und Steiermark auch versucht, das Herzogtum Kärnten mit der Mark Krain (Krain zusammen mit der Südsteiermark heute der Staat Slowenien, wurde erst im 14. Jahrhundert Herzogtum) unter seine Herrschaft zu bringen. Im heutigen Kroatien, das damals unter zum Teil unter ungarischer Herrschaft stand, findet sich immerhin die Adelsfamilie Frangepan, die wiederum in die Hinrichtung von Konradin verwickelt gewesen sein soll, und in Dalmatien, das heute zu Kroatien gehört, finden wir als unter den Herrschenden die Republik Venedig.

Fakt ist außerdem, dass Ottokars Gegnerin Gertrud [Mutter des Friedrich von Baden, Nichte von Herzog Friedrich II. von Österreich ("Friedrich der Streitbare", der als der "letzte" Babenberger gilt), sie war übrigens auch die Witwe seines älteren Halbbruders und Ottokar war in erster Ehe mit einer ihrer Tanten verheiratet), was das Erbe der Babenberger betrifft, zunächst von päpstlicher Seite unterstützt wurde, und Ottokar wird wohl ebenfalls Verbindungen zur Kurie gehabt haben. (Zumindest wurde seine erste Ehe mit ausdrücklicher Zustimmung des damaligen Papstes aufgelöst.)

Wenn Ottokar tatsächlich römisch-deutscher König werden wollte (und seine Ambitionen für diese Würde nicht erst nach seinem Tod aus Propagandagründen vergrößert wurden), dürfte ihm die Hinrichtung von Konradin ebenfalls nicht wirklich betrübt haben.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Teresa C. - 23.01.2018 18:56

(23.01.2018 17:28)Suebe schrieb:  Kennt eigentlich noch einer die Lesebuchgeschichte, wie Friedrich von Baden unmittelbar vor seiner Hinrichtung seinen Handschuh ins Publikum wirft, der der ihn aufhebt, bekommt seinen Anspruch auf Österreich. Rudolf von Habsburg hob ihn auf.
Stand in meiner Grundschulzeit tatsächlich im Lesebuch!
Nun war der Habsburger aber gar nicht in Neapel, was allerdings lange Zeit strittig war.

Typisch übrigens für Lesebuchgeschichten, dass die Steiermark wieder einmal unter dem Tisch fällt und sozusagen gleich als Stück Österreich auch dem "guten Rudi" zufällt.Wink
(In Wirklichkeit waren die Herzogtümer Österreich und Steiermark damals zwei eigenständige Länder und es war keineswegs vorhersehbar, dass beide Herzogtümer in der Folge unter die Herrschaft eines Herrscherhauses kommen würden.)


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Suebe - 23.01.2018 20:16

Rudolf von Habsburg soll die Schlacht auf dem Marchfeld ähnlich wie Karl Tacliacozzo gewonnen haben, durch zurückhalten einer Reserve, die am entscheidenden Punkt der Schlacht dann eingesetzt wurde.

Es gibt die These, dass Tagliacozzo lediglich wegen der mangelnden Disziplin der Truppen Konradins verloren ging. Was widerum dafür spricht, dass das tatsächlich nicht die "Blüte der Ritterschaft" war, die da mit Konradin zog.

Die späten"Waiblinger" hatten aber allem nach in Italien mehr Rückhalt als in Deutschland.
Ich denke schon, dass da etwas nachhaltig falsch gemacht wurde.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Suebe - 23.01.2018 20:19

Ich habe übrigens den Katalog der Stuttgarter Staufer-Ausstellung von 1977 herausgeholt.
Da ist zB zu lesen, dass die Staufer, nach ihrem Familienname gefragt, wenn überhaupt, dann "Waiblinger" gesagt hätten
Jedenfalls auf keinen Fall "Staufen" oder "Hohenstaufen"


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Sansavoir - 23.01.2018 20:37

(23.01.2018 20:19)Suebe schrieb:  Ich habe übrigens den Katalog der Stuttgarter Staufer-Ausstellung von 1977 herausgeholt.
Da ist zB zu lesen, dass die Staufer, nach ihrem Familienname gefragt, wenn überhaupt, dann "Waiblinger" gesagt hätten
Jedenfalls auf keinen Fall "Staufen" oder "Hohenstaufen"

Wobei wir dann schon wieder bei den italienischen Ghibellinen sind!


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Suebe - 23.01.2018 20:45

(23.01.2018 20:37)Sansavoir schrieb:  
(23.01.2018 20:19)Suebe schrieb:  Ich habe übrigens den Katalog der Stuttgarter Staufer-Ausstellung von 1977 herausgeholt.
Da ist zB zu lesen, dass die Staufer, nach ihrem Familienname gefragt, wenn überhaupt, dann "Waiblinger" gesagt hätten
Jedenfalls auf keinen Fall "Staufen" oder "Hohenstaufen"

Wobei wir dann schon wieder bei den italienischen Ghibellinen sind!

Hie Welf
Hie Waibling
-soll es um die Weibertreu geschallt haben.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Triton - 24.01.2018 23:43

Die "Hohenstaufen" werden schon lange Staufer genannt.
Untergegangen weil sie den Hals nicht voll genug bekamen.

Als die "Straße der Staufer" - Schilder aufgestellt wurden, wurde sie schnell verballhornt als "Straße der Säufer"... Staufer trinken Staufen-Bräu. Die Brauerei ist auch schon längst aufgekauft.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Suebe - 25.01.2018 16:35

Tja Triton, die Faszination der Staufer ist phänomenal.
Die Hohenstaufen-Ausstellung im Alten Schloss in Stuttgart im Jahr 1977 hat in stark 2 Monaten über 800.000 Besucher angezogen!
Wer das Alte Schloss kennt, wird dies für völlig unmöglich halten. Hinterher haben kluge Köpfe ausgerechnet, dass ständig auf jedem Quadratmeter Fläche sich ein Besucher aufgehalten hat.
Ständig! Und was sie während den Öffnungzeiten mit den Exponaten machten, weiß keiner Lol
Für die war nämlich kein Platz mehr!
Zumindest nach der og Rechnung

Seither arbeiten sie in Stgt. mit Besucher-Kontingenten, wenn eine vorher festgelegte Anzahl drin ist, sind die Türen zuerstmal zu, gehen 1.000 raus, dürfen wieder 1.000 rein.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Suebe - 25.01.2018 20:11

(24.01.2018 23:43)Triton schrieb:  Die "Hohenstaufen" werden schon lange Staufer genannt.
Untergegangen weil sie den Hals nicht voll genug bekamen.
./.

Wie bereits geschrieben, Staufer, oder Hohenstaufer haben sich die nicht genannt.
Wenn dann Waiblinger.
Wobei die Schwaben den Titel eher indirekt von der schwäbischen Stadt Waiblingen bezogen.
Die Salier wurden "Heinriche von Waiblingen" genannt, und der erste Staufer-Schwabenherzog hat eine Tochter des Canossa-Gängers Heinrich IV. geheiratet und daher den Familien-Namen bezogen.

Was mir nun selbst neu ist. Ich habe da bis jetzt nie weiter nachgeschaut, so weit ist Waiblingen ja nun nicht vom staufischen Urbesitz entfernt, und was soll da sonst sein...
Ja Scheibenkleister.

Es ist immer etwas komplizierter. Teeth


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Suebe - 25.01.2018 20:27

Um nochmals auf die große Landesausstellung 1977 zurückzukommen.
Decker-Hauff mit Vornamen Dr. Hansmartin hat damals seine ganz großen Erfolge gefeiert. Und in seinem Schlepptau ist die Zahl der Staufer-Abkömmlinge ab ca. 1975 gewaltig in die Höhe gegangen, um in den 1990er Jahren dann wieder gewaltig zu schrumpfen.... Bat

Und genau in dem von mir schon mehrfach genannten Ausstellungskatalog hat der Decker-Hauff seine phantasievollen, vorsichtshalber selbst gefälschten Quellen zur Staufer-Genealogie veröffentlicht.
Er hat nicht damit gerechnet, dass das "Rote Buch" aus dem Kloster Lorch wieder zu erheblichen Teilen hergestellt und lesbar gemacht werden könnte.

Die Rücksicht seiner Fachkollegen hat es ihm erspart bei Lebzeiten als Fälscher entlarvt zu werden.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Sansavoir - 26.01.2018 00:16

(23.01.2018 18:24)Teresa C. schrieb:  Wenn Ottokar tatsächlich römisch-deutscher König werden wollte (und seine Ambitionen für diese Würde nicht erst nach seinem Tod aus Propagandagründen vergrößert wurden), dürfte ihm die Hinrichtung von Konradin ebenfalls nicht wirklich betrübt haben.

Die Ambitionen, römisch-deutscher König zu werden, dürfte er schon gehabt. Immerhin war Ottakar II. über seine Mutter Kunigunde ein Enkel von Philipp von Schwaben. Da ein Teil der Fürsten 1254 den kastilischen König Alfons X. (den Weisen) zum König wählten, waren diese Ambitionen nicht mal unrealistisch. Alfons X. Mutter Beatrix d. J. von Schwaben war ebenfalls eine Tochter von Philipp von Schwaben. Somit dürfte Herkunft über eine Frau aus der Stauferdynastie durchaus förderlich für eine Wahl zum römisch-deutschen König gewesen sein.

Richard von Cornwallis konnte von sich sagen, der Onkel Konrads IV. zu sein. Dies spielte bestimmt auch eine Rolle bei der Königswahl, der Hauptgrund war aber sicher die traditionelle pro-englische Ausrichtung des Nordwestens des Reiches. Der Wettiner Friedrich der Freidige - über seine Mutter Margarethe ein Enkel Friedrichs II. - hegte ja in den 1270-/80-er Jahren ebenfalls Ambitionen auf das Erbe der Staufer.

Dass Ottokar II. nicht zum römisch-deutschen König gewählt wurde, ist so paradox das klingt, seinem Erfolg geschuldet. Immerhin herrschte er in einem Reich, dass von den Sudeten bis an die Adria reichte und der mehr oder weniger die Politik im Reich oder auf dem Gebiet des heutigen Polens beeinflusste und kontrollierte. Er war halt zu mächtig und deswegen wurde 1273 Rudolf von Habsburg zum König gewählt.

Inwieweit Karl von Anjou bei der Königswahl mitmischte, weiß ich nicht. Zwar war Rudolf nicht der arme Graf aus dem Elsass, aber sein bereits (für die damalige Zeit) hohes Alter (55 Jahre) ließ auf eine kurze Herrschaftszeit hoffen.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Teresa C. - 26.01.2018 04:04

War es wirklich nur Ottokars Erfolg geschuldet? Sicher, er war wohl der mächtigste Reichsfürst damals. Andererseits aber hatte sich Friedrich II. seinerzeit erfolgreich gegenüber Otto von Braunschweig behauptet, und Alfons X. war sicher auch kein machtloser Fürst. Vielleicht hätte Ottokar bessere Chancen gehabt, wenn er im Vorfeld nicht so stark in die Reichspolitik involviert gewesen wäre.

Auf der anderen Seite aber scheinen die Umstände doch komplexer gewesen zu sein. So weit ich es aufgrund seiner Taten beurteilen kann, dürfte der gute Ottokar zwar ein ziemlich ehrgeiziger und rücksichtsloser Herr gewesen sein, aber seine Erfolge, die immerhin etwa zwanzig Jahre anhielten, zeigen, dass er doch kein Idiot war. Hinzu kommt, dass die Herrschaft über das böhmische Königreich intakt gewesen sein muss, denn sie überstand immerhin seinen Sturz und Tod sowie die Brandenburger Herrschaft. Sein Sohn konnte letztlich dort seine Herrschaft behaupten und hat immerhin versucht, nach Rudolfs Tod sich die Herzogtümer, die sein Vater längere Zeit beherrschte, zurückzuholen. Hinzu kommt noch, dass Wenzel II. am Ende seines Lebens versuchte, die Nachfolge im ungarischen Königreich anzutreten und Gebiete des polnischen Herrschaftsgebietes an sich zu bringen. Wäre er (übrigens noch keineswegs sehr alt) nicht gestorben und sein Sohn nicht bald darauf ermordet worden, wäre die Geschichte vielleicht ganz anders verlaufen ...

Es stellt sich also die Fragen: Hat Ottokar beziehungsweise haben seine Ratgeber einiges falsch gemacht oder gab es einige Entwicklungen, die Ottokar falsch eingeschätzt hat oder mit denen er nicht rechnete, vielleicht auch gar nicht rechnen konnte?

In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel sehr interessant, warum er es überhaupt zuließ, dass jemand seine Kurstimme, da er offensichtlich nicht anwesend war, verwenden konnte und noch dazu nicht in seinem Sinn. (Oder war er in Wirklichkeit bei der Wahl dabei und seine Abwesenheit ist eine Erfindung späterer Chronisten. Auffallend ist immerhin, dass die negative Berichterstattung der Chronisten recht bald nach seinem Sturz einsetzte und sich doch sehr von der unterscheidet, die er zuvor gehabt hatte.

Zumindest in Wien, dass damals eine recht unklare Position hatte (Reichsstadt oder wenigstens eine freie Stadt des römisch-deutschen Königs) hatte Ottokar zum Beispiel bis zuletzt eine Anhängerschaft. Überhaupt scheint es, dass Wien zu jenen Städten im damaligen Herzogtum Österreich gehörte, die den "guten Rudi" und seinen Nachfolgern noch relativ lange Schwierigkeiten gemacht haben.
Es scheint, dass die Machtverhältnissen in den Herzogtümern, die Ottokar während des Interregnums an sich gebracht hat, als Rudolf zum römisch-deutschen König gewählt wurde, keineswegs so schlecht waren, dass sein Sturz zu erwarten gewesen wäre.

Dass Rudolf angeblich gerade die Stadt Basel belagerte, als er von seiner Wahl erfuhr (vorausgesetzt, es war tatsächlich so und es ist keine Erfindung von Chronisten), vermittelt natürlich den Eindruck, dass Rudolfs Wahl wirklich ein Überraschungscoup (auch für ihn) war und er zuvor keine Ambitionen diesbezüglich gezeigt hatte. Aber auch, wenn er nicht selbst das erwartet hat, können wir wirklich ausschließen, dass er (oder Anhänger von ihm) im Vorfeld nicht etwas versucht haben, um ihn als möglichen Kandidaten durchzubringen.

Über Graf Adolf von Nassau ist immerhin belegt, dass er Wahlversprechungen gemacht und aktiv an seiner Wahl mitgewirkt hat. (Auch wenn er die meisten Wahlversprechen nicht gehalten hat oder nicht halten konnte.)

Interessant ist übrigens, dass Rudolf mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die rangniedrigste Herkunft von allen, die jemals zum römisch-deutschen König gewählt wurden, gehabt haben dürfte. Er war nur ein Graf (wenn gleich kein armer), aber er war Graf im Stande des Reichsfürsten. Das könnte vielleicht noch für Adolf von Nassau zutreffen, zu dem ich diesbezüglich nichts gefunden habe, alle anderen, selbst wenn sie nur Grafen waren wie Heinrich VII. waren gefürstete Grafen (also Grafen im Stand eines Reichsfürsten).

Nun ist auffallend, dass Rudolf offensichtlich nach seiner Wahl sofort zwei seiner Töchter an "kurfürstliche" Familien verheiratete. Ich habe schon einmal gelesen, dass er auf diese Art vier der Kurfürstenstimm gekauft haben soll. Nun, wenn dass der "Preis" oder eine Gegenleistung für seine Wahl gewesen sein soll, wird er den sicher gerne gezahlt haben, seine Töchter machten dabei noch bessere Partien als er wohl erwartet hatte. (Interessant ist übrigens, dass eine weitere von Rudolfs Töchtern einen Sohn oder Enkel von Karl von Anjou geheiratet hat.)

Die Belagerung von Basel zeigt zwar, dass Rudolf selbst andere Prioritäten zu dieser Zeit hatte, als sich um die römisch-deutsche Krone zu bewerben, aber ich würde nicht ausschließen, dass auch wenn seiner Seite bereits im Vorfeld Interesse da war und er wohl doch nicht so gänzlich die "Überraschung" war.

Es stellt sich allerdings schon die Frage, warum einige der Fürsten diesen Grafen Rudolf unterstützt haben.
- War es wirklich nur, weil er eben unbedeutend war und schon recht alt? In diesem Fall dürfte es wohl an Rudolfs Persönlichkeit gelegen haben, dass er sich in der Folge als König behauptete und eine ganze Reihe von Chancen, die er so hatte, auch nutzte. Eine böse Überraschung für die, die ihn gewählt hatten!
- Oder war bei der Wahl ausschlaggebend, dass sich inzwischen selbst die Kurfürsten eine stabilere politische Lage im Reich wünschten, und Rudolf bot sich hier als die mögliche Lösung an.
- War Rudolf ein Überraschungskandidat? Oder wurde er erst für spätere Generationen als ein solcher wahrgenommen?

Interessant wäre übrigens auch die Frage, warum die Kinder der Könige während des Interregnums beziehungsweise der Gegenkönige nicht als mögliche Nachfolger gehandelt wurden oder in Erscheinung getreten sind. Abgesehen vom Landgrafen Heinrich IV. "Raspe" von Thüringen hatte alle anderen mindestens einen Sohn, der 1273 alt genug gewesen wäre, um sich um die römisch-deutsche Krone zu bewerben.
- Graf Wilhelm von Holland als "Gegenkönig und König" hatte eine Sohn, der zum Zeitpunkt seines Todes noch minderjährig war, aber 1273 zumindest hätte mitmischen können.
- Von den Söhnen des Grafen Richard von Cornwall war 1273 Edmund am Leben und volljährig.
- König Alfons X. von Kastilien wurde durch die Wahl Rudolfs de facto abgesetzt. Er hatte mehrere Söhne.
Selbst wenn sie keine guten Aussichten hatten, stellt sich die Frage, warum sie es nicht einmal versucht haben.

Zurück zur ursprünglichen Frage:
Welchen Fehler könnten die Staufer gemacht haben.

Nun ist auffallend, dass sich viele große Reiche im Mittelalter nicht gehalten haben.
Zum Beispiel. Da erbt ein Henry II. von seiner Mutter das Herzogtum Normandie und Ansprüche auf das Königreich England, das er unter seine Herrschaft bringt. Von seinem Vater erbt er die Grafschaft Anjou und weitere Herrschaften, durch seine Ehe fallen ihm Herzogtümer, Grafschaften und Herrschaften im heute südlichen Frankreich zu. Es gelingt ihm Teile des heutigen Irlands zu erobern, er nimmt zumindest Einfluss auf die walisischen Fürstentümer und das Königreich Schottland. Diese "Reich" ist schon in der nächsten Generation wieder Geschichte. Angeblich waren seine Söhne, besonders John schuld daran - zerstrittene Familie und in Frankreich der fähige Herrscher Philippe Auguste, der die Lage zu seinem Vorteil ausnützt - die übliche Erklärung.

Aber könnte es nicht sein, dass der Hauptgrund dafür in Wirklichkeit war, dass so ein Reich mit den damaligen Herrschaftsstrukturen nur schwer zu halten war.

Kaiser Friedrich II. erbte das Königreich beider Sizilien. Dort ist er aufgewachsen, auf die Herrschaft dort war er vorbereitet und dieses Königreich dürfte er auch als sein Zentrum gesehen haben, wie seine Politik zeigt. Jedenfalls fällt auf, dass er dort öfter gewirkt hat, als nördlich der Alpen, wo er gewöhnlich durch Vertretungen herrschte. (Was wiederum den Reichsfürsten mehr Freiheiten und Möglichkeiten eröffnete.) Immerhin aber war es Friedrich II. gelungen, sich als römisch-deutscher König durchzusetzen. Das bedeutet aber, dass er für die Päpste und ihren Staaten schon aufgrund seines Herrschaftsgebietes bedrohlich gewirkt haben dürfte und dass die italienischen Stadtstaaten eine Barriere zwischen Sizilien und jenen Teilen des Heiligen Römischen Reiches, in denen er tatsächlich Macht ausübte, bildeten, war für ihn nicht gerade ideal.

Für mich ist vorstellbar, dass alleine die Dimensionen des Herrschaftsgebietes der Staufer eine wesentliche Hürde bedeuteten, die letztlich für die Familie eine schwere Hypothek war.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Teresa C. - 26.01.2018 21:51

Kleine Korrektur, wieder einmal so ein dummer Tipp-Fehler:
König Rudolf I. war als Graf Rudolf IV. von Habsburg nur ein Graf (wenn gleich kein armer Graf), aber er war kein Reichsfürst.
Reichfürsten wurden seine Söhne erst, nachdem er sie mit Zustimmung der Kurfürsten mit den Herzogtümern Österreich (damals nur Teile der heutigen Bundesländer Niederösterreich und Wien) und Steiermark (damals ca. das heutige Bundesland Steiermark und Teile des heutigen östlichen Bundeslandes Oberösterreich) belehnte und sich seine Enkel und Urenkel dort halten konnten.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Aguyar - 27.01.2018 00:55

(26.01.2018 04:04)Teresa C. schrieb:  In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel sehr interessant, warum er es überhaupt zuließ, dass jemand seine Kurstimme, da er offensichtlich nicht anwesend war, verwenden konnte und noch dazu nicht in seinem Sinn. (Oder war er in Wirklichkeit bei der Wahl dabei und seine Abwesenheit ist eine Erfindung späterer Chronisten. Auffallend ist immerhin, dass die negative Berichterstattung der Chronisten recht bald nach seinem Sturz einsetzte und sich doch sehr von der unterscheidet, die er zuvor gehabt hatte.

Ottokar war tatsächlich nicht anwesend - d.h. seine Kurstimme wurde gar nicht abgegeben. Rudolf wurde nur von den Sechs gewählt. Im Übrigen stand mit Ludwig II dem Strengen ein zweiter Kurfürst für die Königswahl zur Debatte. Aber der war den anderen auch zu mächtig/einflussreich.

(26.01.2018 04:04)Teresa C. schrieb:  Dass Rudolf angeblich gerade die Stadt Basel belagerte, als er von seiner Wahl erfuhr (vorausgesetzt, es war tatsächlich so und es ist keine Erfindung von Chronisten), vermittelt natürlich den Eindruck, dass Rudolfs Wahl wirklich ein Überraschungscoup (auch für ihn) war und er zuvor keine Ambitionen diesbezüglich gezeigt hatte. Aber auch, wenn er nicht selbst das erwartet hat, können wir wirklich ausschließen, dass er (oder Anhänger von ihm) im Vorfeld nicht etwas versucht haben, um ihn als möglichen Kandidaten durchzubringen.

Rudolf hat Basel tatsächlich belagert - da gibt es etwas mehr Quellen als "nur" Chronisten. Die Fehde zwischen Habsburg und dem Bischof von Basel (Heinrich von Neuchâtel) war bereits 1268 ausgebrochen - es ging dabei u.a. um die Vogteirechte über das Kloster St.Blasien (Ostschwarzwald) und um die Herrschaft über die Städte Colmar, Breisach und Mühlhausen (eigentlich alles "freie" Reichsstädte !). Auch der Abt von St. Gallen war zeitweise involviert. Rudolf kam dabei zu Hilfe, dass in Basel gleichzeitig ein Streit unter den Stadtpatrizier ausbrach, wobei sich die Ritterbünde der Sterner und Psitticher in Strassenschlachten und Mordanschlägen bekämpften.
https://de.wikipedia.org/wiki/Psitticher_und_Sterner
Rudolf hatte dabei die Sterner mit Handsalben unterstützt - er dürfte also kein Geld übrig gehabt haben, um Kurfürsten zu schmieren. (König zu werden, wahr wohl wikrlich nicht sein Ziel).

(26.01.2018 04:04)Teresa C. schrieb:  Es stellt sich allerdings schon die Frage, warum einige der Fürsten diesen Grafen Rudolf unterstützt haben.
- War es wirklich nur, weil er eben unbedeutend war und schon recht alt? In diesem Fall dürfte es wohl an Rudolfs Persönlichkeit gelegen haben, dass er sich in der Folge als König behauptete und eine ganze Reihe von Chancen, die er so hatte, auch nutzte. Eine böse Überraschung für die, die ihn gewählt hatten!
- Oder war bei der Wahl ausschlaggebend, dass sich inzwischen selbst die Kurfürsten eine stabilere politische Lage im Reich wünschten, und Rudolf bot sich hier als die mögliche Lösung an.
- War Rudolf ein Überraschungskandidat? Oder wurde er erst für spätere Generationen als ein solcher wahrgenommen?

Rudolf war zwar Gefolgsmann der Staufer gewesen aber er dürfte tatsächlich ein Überraschungskandidat gewesen sein. Ganz offensichtlich wollten die Kurfürtsten tatsächlich - wie die traditionelle Geschichtsschreibung postuliert - Jemanden, der ihnen bez. Hausmacht nicht das Wasser reichen konnte. Also kamen Ottokar und Ludwig schon mal nicht in Frage.
Als Kandidat im Gespräch war auch der Askanier Siegfried I, Graf von Dessau, Köthen und Aschersleben. Die Idee mit Rudolf stammt vom Burggrafen von Nürnberg, dem Zoller Friedrich III dem Eber, der dann auch Gefolgsmann von Rudolf wurde. Das hier der Umstand eine Rolle gespielt haben könnte, dass Rudolfs Frau Getrud / Anna von Hohenberg aus einer Seitenlinie der Hohenzollern stammte (das ist so), erscheint mir allerdings an den Haaren herbeigezogen.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Aguyar - 27.01.2018 01:12

(23.01.2018 18:24)Teresa C. schrieb:  Könnte Ottokar irgendwelche Kontakte zu Karl gehabt haben? Ich habe den Eindruck, dass es dazu bisher keine Forschungsergebnisse gibt, vielleicht, weil den Historikern und Historikerinnen bisher nichts diesbezüglich aufgefallen wäre. König Ottokar gilt auch als Gegner des ungarischen Königs, auch wenn seine zweite Ehe im Zusammenhang einer Aussöhnung mit diesem zustande gekommen sein dürfte.
Wenn es um die Versöhnung mit Ungarn gegangen wäre, hätte Ottokar aber - so meine ich - eine Arpadin heiraten müssen. Seine zweite Frau (Kunguta/Kunigunde) war aber eine Rurikidin (Tochter des Grossfürsten Rostislaw von Kiew) - auch wenn eine ihrer Schwester Zarin von Ungarn und zwei ihrer Brüder Ban von Bosnien waren.


RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Teresa C. - 27.01.2018 10:23

Nach der Literatur, die ich zu Kunigunde / Kunhuta gelesen habe (das ist aber auch schon wieder zehn Jahre her und damals gab es zu Kunigunde keine eigene deutschsprachige Literatur, um Informationen zu ihr zu finden, musste ich mich an ihre beiden Ehemänner halten), war sie, auch wenn Ottokar an ihr angeblich großen Gefallen gefunden hatte, sozusagen eine Ersatzbraut ("Ersatz-Arpadin"), da sie über ihre Mutter Anna zumindest eine Enkelin des ungarischen Königs Bela IV. war.

Eigentlich wäre eine Ehe zwischen Margit (Margarete), einer Schwester dieser Anna (und somit ebenfalls eine Tochter von Bela IV. und daher eine Arpadin) geplant gewesen, die ihr Vater schon als Kind für das Kloster bestimmt hatte. Zwar wäre es möglich gewesen, für diese Ehe einen päpstlichen Dispens zu erhalten (oder vielleicht hat ihn der Papst sogar erteilt), aber diese Margit weigerte sich das Kloster wieder zu verlassen beziehungsweise zu heiraten. (Sie wurde übrigens später selig und inzwischen heilig gesprochen.)

Also wäre ursprünglich eine Eheschließung zwischen Ottokar und einer Arpadin geplant gewesen, nachdem diese am Widerstand der Braut scheiterte und offensichtlich keine weitere Arpadin zur Verfügung stand, wurde sozusagen für das Eheprojekt mit Kunhuta auf eine entferntere Verwandte zurück gegriffen.