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Presseschau Das Kapital - neu gelesen
31.12.2015, 02:35
Beitrag: #20
RE: Presseschau Das Kapital - neu gelesen
Der Marxismus steht praktisch auf drei Säulen, einer philosophischen, einer wirtschaftlichen und einer gesellschaftlichen. Philosophisch orientierte sich Marx an Hegel und Ludwig Feuerbach, er versuchte m.E. aus dem "preußischen Sozialismus" Hegels und dem Atheismus von Feuerbach eine neue Philosophie zu schaffen. Ökonomisch orientierte sich Marx an Adam Smith und David Ricardo, evtl. auch an Malthus. Aber im Gegensatz zu diesen Ökonomen befürwortete Marx den Kapitalismus nicht. Seiner Meinung nach musste er gezügelt bzw. kanalisiert werden. Das ist für ein Mann des 19. Jh. nicht verwunderlich, vor allem wenn er sich mit der sozialen Lage der Arbeiter bzw. der Unterschicht befasst. Hier orientierte er sich auch an soziale Projekte der beiden Franzosen Saint-Simon und Fourier oder des Engländers Robert Owen. Dabei darf man nicht vergessen, dass es seit Rousseau eine Menge Versuche gegeben hat, Menschen nach bestimmten Idealen zu erziehen bzw. auszubilden.

Nicht vergessen darf man, dass der ältere Marx sich radikalisierte und sich nach der Niederschlagung der Pariser Commune den anarchischen Ideen von Louis Auguste Blanqui ("Eigentum ist Diebstahl") und wohl auch Bakunins (?) zuwandte. Die Narodnowolzen entdeckten in den 1870er Jahren Marx und umgedreht war es auch so, dass sich Marx seitdem auch für Russland interessierte. In der deutschen Arbeiterbewegung war er nicht unumstritten. Die Bildung der SDAP und das Gothaer Programm von 1869 fanden faktisch ohne Marx'sches Tun statt, die Vereinigung der SDAP und des ADAV zur SPD bzw. das Eisenacher Programm von 1875 wurden von Marx heftig kritisiert. Man kann demnach sagen, dass die Spaltung der Arbeiterbewegung schon in diesen Jahren stattfand und nicht erst nach dem 1. Weltkrieg.

Die klassenlose Gesellschaft sollte angestrebt werden. Marx und Engels beschäftigten sich z.B. mit ethnologischen Studien. Letztlich waren sie Kinder ihrer Zeit - zwischen Rassismus und Idealisierung gegenüber den Indigenen. Auf die Frage, wie eine klassenlose Gesellschaft in einer industriellen oder postindustriellen Gesellschaft funktionieren soll, wird man bei Marx und Engels nichts finden. Ist wohl eine irdische Jenseitsvertröstung (?)

Ich denke, dass die gesellschaftliche Utopie des Marxismus nicht durchsetzbar ist. Das Scheitern der verschiedenen sozialistischen Experimente lag nicht an irgendwelchen machtgeilen und/oder korrupten Diktaturen, sondern an der Undurchführbarkeit dieses Gesellschaftskonzepts. Und der Marxismus war da nicht die erste gesellschaftliche Utopie. Robespierre war z.B. ein Anhänger Rousseaus, der dessen Vorstellungen umzusetzen versuchte. Oder Doktor Francia, Diktator von Paraguay, der sich wiederum an Robespierre orientierte. Es gibt unzählige Gescheiterte, die es nicht wahr haben wollten, dass Menschen eben so sind, wie sie sind und sich nicht gewaltsam umerziehen lassen.

Als Leipziger sehe ich in Moritz Schreber nicht nur den Erfinder der nach ihm benannten Schrebergärten, sondern auch einen Vertreter der "schwarzen Pädagogik", die Menschen durch Härte und Unnachgiebigkeit erziehen will. Wilhelm II. ist ein prominentes Opfer dieser Pädagogik. Schrebers ältester Sohn starb durch Suizid und sein jüngerer Sohn starb nach langjährigen Aufenthalten in der Psychiatrie. Hat jetzt vielleicht nicht unbedingt mit Marx zu tun, aber zwei von seinen drei Töchter starben durch Suizid und da ist zumindest die Frage legitim, welche Auswirkungn eine Kindheit unter einen selbst ernannten Welt- und Menschenverbesserer haben kann.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Presseschau Das Kapital - neu gelesen - Sansavoir - 31.12.2015 02:35
Beinahe amüsant - Lucius - 05.01.2016, 04:42

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