Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Großstadt vs Dorf - Unterschiede
24.04.2014, 12:31
Beitrag: #41
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede
Die letzten Beiträge aus dem Werteverfallthema passen auch gut in dieses Thema, deshalb kopiere ich sie rüber.

(24.04.2014 09:22)Bunbury schrieb:  
(23.04.2014 22:49)Paul schrieb:  Es mag zwar "immer gehorsame" Kinder geben, aber das wäre eine krasse Seltenheit.

Soweit stimme ich dir zu. Mein Älterer hatte eine Klassenlehrerin, die in Bezug auf die Note 1 im Sozialverhalten gesagt hat, ein Kind, das diese (vorgegebenen) Anforderungen erfüllen würde, würde sie zum Psychiater schicken.

(23.04.2014 22:49)Paul schrieb:  Das man die Eltern respektiert und dann auch die Lehrer, ist sicherlich weit verbreitet. Gegenüber Fremden ist man deshalb in der Regel nicht gehorsam und hat deshalb genügend Übung für Konflicktsituationen.

Das geht weit an der Realität vorbei. Tatsächlich verhalten sich Kinder niemandem gegenüber so schlecht wie ihren Eltern (es sei denn sie müssen Gewalt fürchten). Das ist auch völlig normal, denn die Kinder wissen ja schließlich, daß ihre Eltern sie lieben.
Der zunehmend mangelnde Respekt hat aber sicherlich auch etwas damit zu tun, dass Eltern immer mehr an Authentizität verlieren. Kinder respektieren ihre Eltern dann, wenn sie sie als ehrlich empfinden- und das ist leider immer seltener der Fall, weil immer mehr Menschen ein Leben leben, das sie eigentlich gar nicht leben wollen.
(Ich würde lieber auf dem land leben, aber da gibt es keine Jobs. Ich würde lieber 20 Stunden arbeiten, aber mein Chef will nur, daß ich 15 oder 25 Stunden arbeite.Ich würde gerne arbeiten, aber ich weiß nicht, wie ich das mit den Kindern schaffen soll. ich würde gerne weniger arbeiten, aber dann werde ich nicht befördert.) Kinder haben ein großartiges Gespür dafür,wenn ihre Eltern Meinungen vertreten, die dem, was sie eigentlich wollen, gar nicht entsprechen.

Die meisten Kinder verhalten sich Fremden gegenüber wesentlich besser als ihren Eltern und Lehrern gegenüber. Lediglich, wenn sie von diesen Fremden "Angemacht" werden, ist die Hemmeschwelle geringer. Wenn so ein alter Knotterkopf am Spielplatz vorbei geht und die Kinder dort anschnauzt, gefälligst nicht so rumzuschreien, muss er sich über Schimpfworte nicht wundern.


(23.04.2014 22:49)Paul schrieb:  Ich bin auch der Auffassung, das es einen Unterschied in der Sozialisation auf dem Land und in der Stadt gibt. Tendentiell empfinde ich die Sozialisation auf dem Land als sozialer und wertegebundener.
Wenn man ein mensch ist, der bereit zur Anpassung ist, kann man das sicherlich so sehen. Das Normenkorsett ist auf dem Land sicherlich enger, man ist dadurch, daß jeder jeder kennt, an die Gesetze des Landlebens gebunden, wenn man nicht zum Außenseiter werden will. Solange man der Norm entspricht, ist das Leben auf dem Land sicherlich sozialer.
Freie Entfaltung ist da aber sicher nicht möglich. Das it der preis, den man auf dem Land nun mal bezahlt. Man kann nicht immer tun, was man selbst für richtig hält, sondern muss tun, was allgemein für richtig gehalten wird.

Der Beitrag von Chris deckt sich mit meinen Erfahrungen.

(24.04.2014 11:01)913Chris schrieb:  
(24.04.2014 09:22)Bunbury schrieb:  Das it der preis, den man auf dem Land nun mal bezahlt. Man kann nicht immer tun, was man selbst für richtig hält, sondern muss tun, was allgemein für richtig gehalten wird.

So krass würde ich es nun auch wieder nicht ausdrücken. Denn: Wo ist man denn heute schon noch "auf dem Land"? Die meisten Dörfer außer in der hinteren Walachei sind heute mow "verstädtert". Die meisten Einwohner sind Pendler in irgendwelche größeren Städte oder sind aus Städten zugezogen, was zur Folge hat, dass sie ihre Lebensweisen anpassen bzw. mitbringen.

In manchen Dörfern gibt es daher zwei Gesellschaften: Die wenigen "Alteingesessenen", bei denen die Männer zum Frühschoppen gehen und die Frauen zum Frauenbund und die darauf achten, dass keiner "aus der Reihe tanzt", indem sie sich etwa das Maul zerreißen, wenn´s z.B. wo offensichtliche Eheprobleme gibt oder die Kinder "einfach unglaublich" sind. Und die vielen "Zugezogenen", die ihrerseits wieder über"die Alten" lästern und ihren städtischen Lebensstil pflegen, zum Teil wenig Kontakt zu Nachbarn haben, zum Teil aber auch Kinderaufsicht teilen, miteinander Ausflüge machen und Grillwettbewerbe veranstalten. In Sportvereinen überschneiden sich oft beide Gesellschaften.

Die Kinder kriegen das natürlich mit, etwa wenn der Spielkamerad aus einer "alteingesessenen" Familie stammt und man selber nicht. Die Unterschiede fallen schnell auf, wenn´s etwa darum geht, wer wann und wie lange zum Spielen kommen darf oder wie und wann was gegessen wird. Sie vergleichen dann und picken sich das raus, was ihnen gefallen würde. Die Eltern müssen dann ihren Standpunkt durchsetzen. Oder sie tun es nicht, lassen den Kindern ihren Willen bzw. richten sich etwa bei Essens- und Bettgehzeiten nach den Wünschen der Kinder. Wenn (!) sie dann z.B. auch feste Hausaufgabenzeiten durchsetzen wollen, stehen sie vor einem Problem. Was wiederum Auswirkungen auf die schulischen Leistungen hat. Die "Alteingesessenen" neigen oft dazu, ihre Regeln den Kindern gegenüber durchzusetzen, die "Zugezogenen" neigen öfter dazu, eine freiere Erziehung auszuüben.

Werden die Kinder dann jugendlich, geht´s weiter. Gibt´s einen starken Sportverein, treffen sich die Jungs (v.a. der Alteingesessenen) beim Fußballverein und ihre Freundinnen ebenso. Die "Zugezogenen" machen teilweise mit, verbringen ihre Freizeit aber auch im Einkaufszentrum in der Stadt (wo die "Alteingesessenen" allerdings auch mitmachen, v.a. die Mädchen gehen so oder so "shoppen"). Abends am WE treffen sich wieder alle in der Disko. Aber bei den "Alteingesessenen" ist die Tendenz, relativ früh zu heiraten, ein Häuschen zu bauen und in der Nähe des Dorfes zu bleiben, im Allgemeinen höher als bei den "Zugezogenen", abhängig natürlich auch davon, ob man auf eine weiterführende Schule (in der Stadt) geht und studiert etc. Dann gründet man genauso spät wie die "Zugezogenen" eine Familie.
Inwieweit die Eltern da dreinfunken können, etwa indem sie ein bestimmtes Freizeitverhalten fördern oder nicht, indem sie das Alkoholverhalten tolerieren oder nicht oder indem sie eine bestimmte schulische Laufbahn fördern oder nicht, das hängt viel davon ab, wie weit sie ihre Sprößlinge schon im Kindesalter beeinflusst haben oder nicht.

Das alles ist jetzt kein soziokultureller Schmu aus einem schlauen Buch, sondern basiert auf Beobachtungen in meinem zentralbayerischen Umfeld (aufgewachsen und nach 15 Jahren "Herumtreiben" in größeren Städten wieder wohnhaft in einem Pendlerdorf mit noch einer Handvoll Bauernhöfe, in die Schule gegangen in die nächstgrößere Stadt, etwa 10km entfernt, beruflich die letzten 25 Jahre in drei Städten mit 300.000, 100.000 und 30.000 Einwohnern tätig gewesen).
Nach meinen Erfahrungen, teilweise durch eigene Anschauung gewonnen, teilweise durch Erzählungen von Studienfreunden und Arbeitskollegen aus ganz Deutschland (Esslingen, Hamm/Westfalen, Hamburg, Berlin, Köln, Wolfsburg), ist es kein großer Unterschied, ob man auf so einem Pendlerdorf in Bayern oder in BaWü oder in Niedersachsen oder im Berliner Umland lebt. Das Zusammenspiel zwischen Alteingesessenen und Zuwanderern bzw. dezidiert ländlich oder städtisch Lebenden ist überall ungefähr gleich. Und damit auch die Erziehungs"probleme" bzw. -entwicklungen.

VG
Christian

Bisher dachte ich der Landfluchttrend sei ungebrochen, wegen der Arbeitsplätze. In der industriealisierten Landwirtschaft werden Arbeitskräfte kaum noch benötigt. In Spezialkulturen wie Spargel und Weinbau arbeitet man mit billigen Saisonkräften. Es gibt arbeitstechnisch in Mittel- und Nordeuropa kaum noch einen Grund auf dem Land zu wohnen. Als Pendler in einer gewissen Entfernung schon eher. Wie dann das Leben aussieht, hat Chris sehr schön beschrieben.
In Südeuropa, wo wegen der Krise die Arbeitsplätze gerade für junge Leute fehlen, könnte das aber anders aussehen. Verläßt man dort evtl. wieder die Stadt und versucht sich als mow Selbstversorger auf dem Land?
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: Großstadt vs Dorf - Unterschiede - Renegat - 24.04.2014 12:31

Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
  Die Sau die "gestern" durchs Dorf gejagt wurde. Presseschau Suebe 17 27.264 28.01.2020 13:15
Letzter Beitrag: Suebe

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds