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Handelsrouten in und um Rom:
22.10.2012, 10:04
Beitrag: #4
RE: Handelsrouten in und um Rom:
2. Staatliche Lenkungsmaßnahmen

Wie beim Handel allgemein ist auch hier eine Verzerrung des Bildes durch die unsichere Quellenlage unvermeidlich. Es war Aufgabe der Cäsaren, das Volk der Stadt Rom mit allem Lebensnotwendigen immer zu versorgen und vor Gütermangel zu bewahren. Dazu gab es den praefectus annonae, der Getreide und andere Lebensmittel beschaffte und kostenlos an die Bevölkerung verteilte. Außerdem musste der Kaiser dafür sorgen, dass die Legionen und Grenzwachen jederzeit genügend Vorräte aus der Umgebung bekamen. Und schließlich hatte Italien als das Herz und die „Urprovinz“ des Reiches einige Vorrechte. Doch er musste auch dafür sorgen, dass die Einheimischen nicht zu kurz kommen. In diesem Zusammenhang müssen wir die Regelung Hadrians betrachten, dass Attika nur zwei Drittel seines erwirtschafteten Öls exportieren konnte, den Rest aber für die Versorgung der eigenen Bewohner, besonders derjenigen Athens, aufzuwenden hatte. Dahinter steckte neben der Intention, die Versorgung der Provinzen zu gewährleisten, gefährliche Spekulationen zu verhindern und das Einkommen Athens zu sichern, auch der Wunsch, den Fernhandel etwas einzudämmen.
Die Getreideversorgung für Rom hingegen ist alles andere als klar erforscht. Die verschiedenen Experten haben verschiedene Ergebnisse für den Umfang berechnet und sind dabei auf Werte zwischen 150.000 und 400.000 Tonnen gekommen. Ein weiterer umstrittener Punkt, nämlich die Frage, was der Grund für diesen Aufwand sei, ist für mich ziemlich klar: Ein Kaiser musste unbedingt den Bedarf Roms decken, da seine Macht und sein Wohlbefinden mehr oder weniger von der Gunst des Volkes abhingen. Selbst die geizigsten und geldgierigsten Kaiser haben diese Institution nicht angetastet. Hinzu kam, dass die Bevölkerung Roms zu gewissen Teilen gar kein lebensfähiger Körper war: In den letzten zwei Jahrhunderten vor Christus war arbeits- und einkommensloses Proletariat eingewandert, von dem nicht jeder eine Arbeit fand. Dieser Zustrom an Einwohnern setzte natürlich da noch nicht aus, durch die ganze hohe Kaiserzeit hindurch kamen Menschen aus aller Herren Länder an. Doch die These von H. Pavis d’Escurac, der private Handelssektor habe praktisch gar nicht existiert, sondern sei nur eine Schein-Institution gewesen, ist auch nicht richtig.
Man kann allgemein sagen, die Einmischungen der Herrscher waren beträchtlich, doch sie fanden generell nur dort Anwendung, wo es für das Wohlergehen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft nötig war. Das meiste Geld gab der Kaiser auch in Zeiten aus, wo einer oder mehrere dieser Sektoren in einer Krise steckte: Als 33 n. Chr. Kaiser Tiberius mit einem (durch seine gut gemeinten Maßnahmen verschuldeten) Niedergang vieler Großgrundbesitzerfamilien konfrontiert wurde, verlieh er zinslos 100 Millionen Sesterzen, um die Gesellschaftsstruktur wieder herzustellen. Wegen einer Überproduktion an Wein in Italien verbot Domitian dessen weiteren Anbau. Wo ein Land entvölkert oder unbesiedelt war, gab der Herrscher Prämien an Neusiedler, die das Land bestellten, aus. Es wäre sicherlich zu diskutieren, ob diese Politik die Lebenszeit des Reiches verlängert hat. Es gibt und gab in der Neuzeit genügend Wirtschaftswissenschaftler, die das bestreiten. Um das auf das Beispiel von Tiberius anzuwenden: Wenn der Grundbesitzerstand untergegangen wäre, hätte vielleicht ein neuer, dynamischerer, dem Gemeinwesen Leben spendender Stand an seine Stelle treten können. Wären die staatlichen Lenkungsmaßnahmen für unterbevölkerte Gebiete ausgeblieben, hätte sich die Bevölkerung vielleicht dort konzentriert, wo es sich am meisten lohnte, was eventuell die Wirtschaft gestärkt hätte?
Manchmal griffen Herrscher – oder auch Städte – jedoch auch einfach nur zu ihren Gunsten ein, zum Beispiel dadurch, dass in vielen hellenistischen Städten der einzige Ort zu den Geldwechseln eine staatliche Bank war. Es gab ausreichend Regelungen von Kaisern, die darauf hinzielten, möglichst viel Profit aus deren privaten Landgütern zu ziehen. Von denen gab es schließlich mehr als genug, beispielsweise war ganz Ägypten eine kaiserliche Domäne. Die dortigen Bewohner durften ihr Land weiter benutzten, wenn sie im Gegenzug Steuern zahlten. Doch das ist eine andere Thematik.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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Handelsrouten in und um Rom: - WDPG - 30.08.2012, 19:41
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