Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 1 Bewertungen - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
19.06.2013, 20:53
Beitrag: #15
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(15.09.2012 21:24)zaphodB. schrieb:  Nun im Frühmittelalter waren dies vor allem die Friesen,die als Händler berühmt waren. In den Chroniken der Städte am Rhein ,in Mainz,Worms , Speyerund wohl auch Köln sind friesische Händlerquartiere dokumentiert und die Friesen waren dazu verpflichtet, im Bedarfsfall Abschnitte der Stadtmauer zu bemannen. Zwischen diesen Städten weisen Orte mit Namen wie Friesenheim(z.B. bei Oppenheim oder Ludwigshafen) o.ä.auf entsprechende friesische Handelsrouten am Rhein hin.
Interessant ist,daß im 10/11. Jahrhundert diese friesischen Händlerquartiere in den rheinischen Städten relativ plötzlich von Juden übernommen werden,die auch deren Rolle als Fernhändler adaptieren.
Leider bin ich noch nicht auf den Grund dafür gestoßen.
Möglicherweise lag es an Veränderungen in Friesland die politischer oder wirtschaftlicher Art waren oder aber an einer Verschiebung der Handelsrouten hin zum Orient.Vielleicht kann da der eine oder andere Spezialist für friesische Geschicht etwas dazu sagen.

Jetzt schreib ich noch mal etwas zu diesem Thema, nachdem ich mich etwas damit beschäftigt habe.

Nachdem die Friesen im Frühmittelalter lange Zeit ein unabhängiges Volk unter der Herrschaft eines Herzogs gewesen waren, das auch fleißig Handel trieb, eroberte Karl Martell 734 das westliche Friesland, sodass dieses in das Frankenreich eingegliedert wurde. Sein Enkel Karl der Große brachte 785 auch das restliche Friesland unter seine Herrschaft.
Der Handel blühte jedoch gerade in dieser Zeit weiter, und den Friesen wurde verbürgt, dass sie direkte Untertanen des Kaisers, also reichsunmittelbar, bleiben sollten. Ein extrem wichtiger Handelsort war Dorestad. Der Handel beruhte im wesentlichen auf der Weidewirtschaft, also dem Export von Häuten und Wolle. Fast alle lebenswichtigen Güter hingegen mussten importiert werden. Aber auch ansonsten waren sie bedeutende Händler: "Der Dichter Ermoldus Nigellus sagt um das Jahr 830 ausdrücklich, daß sie elsässischen Wein und elsässisches Getreide 'über das Meer' ausführten [...]" (Jan Dhondt: Das frühe Mittelalter. Fischer Weltgeschichte Bd. 10, S. 144 f.)

Warum der Handelsverkehr der Friesen dann später zurück ging, wie zaphodB andeutet, ist gar nicht so leicht zu beantworten.
- Die Normannen fielen immerhin schon um 830 in Friesland ein und besetzten es vermutlich schon bald. So ist für 840 belegt, dass Dorestad ein normannisches Lehen sei (http://www.wissen.de/thema/die-friesen-b...ndigkeit). Dies passt aber nicht zu den von dir angegebenen Daten zum Niedergang der friesischen Handelsstützpunkte in den Städten am Rhein (die ich jetzt aber auch nicht überprüfen kann).
- Dass die Christianisierung eine Rolle gespielt haben könnte, glaube ich nicht. Die Oberschicht Frieslands war zwar schon um 800 weitestgehend christianisiert, bei den Unterschichten dauerte es aber noch einige Jahrzehnte bis Jahrhunderte, bis das Heidentum verschwunden war. Ich kann mir allerdings trotzdem nicht vorstellen, dass alle Friesen urplötzlich fromme Christen waren, die um ihrer Erlösung willen gänzlich auf materiellen Gewinn verzichteten...
- Politische Umbrüche gab es im 10./11. Jahrhundert im Friesland ebenfalls nicht: Die erwähnte friesische Freiheit (Reichsunmittelbarkeit) wurde angeblich von Karl dem Großen, in Wirklichkeit aber vermutlich von Karl dem Dicken (der bis 888 regierte) vergeben. Zur politischen Organisation trafen sich dann die friesischen Häuptlinge einmal jährlich am Upstalsboom. Im 12. Jahrhundert begannen dann eher zentrifugale Kräfte zu wirken (autonome Landesteile), bis im 14. Jahrhundert Häuptlinge an Macht gewannen. Doch dies war dann schon wieder eher im Hoch- und Spätmittelalter.
- Von wirtschaftlichen Veränderungen, die sich auf die friesische Wirtschaft ausgewirkt haben könnten, habe ich auch nichts gefunden. Auch nach der Eröffnung neuer Handelswege in den Orient dürfte friesische Wolle noch konkurrenzfähig gewesen sein, zumal sie ja nicht so teuer gewesen sein dürfte wie über Byzanz importierte Produkte.
- Man könnte höchstens von Naturkatastrophen wie Trockenzeiten, Sturmfluten, Seuchen etc. ausgehen, über die ich aber kein Material zur Hand habe. Allgemein waren ja auch im Mittelalter die Landgrenzen an der Ostsee noch nicht festgelegt: Erst seit 838 beispielsweise fließt der Rhein im Mündungsgebiet in seinem heutigen Flussbett und auch allgemein wurden immer wieder von der Natur Landflächen geschaffen und vernichtet.
Aber eine wirkliche Erklärung für den Niedergang des Handels finde auch ich nicht wirklich. Bin halt auch kein richtiger Experte Wink

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters: - Maxdorfer - 19.06.2013 20:53
Byzanz und seine Handelsrouten - Teil 1: - WDPG - 27.09.2012, 14:01

Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
  Handelsrouten der Bronzezeit Renegat 84 176.205 31.01.2020 23:19
Letzter Beitrag: Rainer
  Handelsrouten in und um Rom: WDPG 7 18.896 29.09.2016 00:06
Letzter Beitrag: Paul
  Auf welchen Handelsrouten würdet ihr gerne einmal reisen? Viriathus 4 11.260 28.09.2012 17:19
Letzter Beitrag: Renegat

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds