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Beitrag der deutschen Flotte zum 1. Weltkrieg
13.11.2013, 00:59
Beitrag: #2
RE: Beitrag der deutschen Flotte zum 1. Weltkrieg
(12.11.2013 19:51)Suebe schrieb:  Wie wäre der 1. Weltkrieg verlaufen, wenn Deutschland keine große Flotte gehabt hätte?

Diese Frage ist eigentlich nur bedeutend für die deutsch-britischen Beziehungen. Ich gehe davon aus, dass die deutsch-britischen Beziehungen untersucht werden sollen. Denn der erste Weltkrieg wurde militärisch zu Land entschieden und nicht zu See, außer Skagerak hatte die deutsche Flotte keine bedeutende Schlacht zu bestehen gehabt.

Fakt ist, dass Großbritannien ein nicht maritim aufgerüstetes Deutsches Reich nicht als potentiellen Kriegsgegner Nr. 1 betrachtet hätte. Seit der siegreichen Schlacht von Trafalgar im Jahr 1805 über die vereinigte französische und spanische Flotte behauptete sich Großbritannien als einzige Seemacht. Auf diesen Status wurde eifersüchtig gewacht.

Die britische Außenpolitik des 18. und des 19. Jahrhunderts bestand darin, dass ein Status Quo in Europa gewahrt wurde. Dabei bediente man sich eines Herrschaftssystems, das als europäische Pentarchie bezeichnet wurde. D.h. die britische Diplomatie bemühte sich um eine Machtbalance zwischen den anderen europäischen Großmächten Frankreich, Russland, Österreich und Preußen. Wichtig war, dass sich keine dieser Großmächte als Beherrscher Europas aufschwingen konnte, wie z.B. das napoleonische Frankreich. In den wechselnden Allianzen unterstützte Großbritannien meistens die scheinbar Schwächeren, denen dann bei einem zu großen Machtzuwachs die Unterstützung entzogen wurde. Dieses System sicherte die britische Vorherrschaft über Europa.

Ein weiterer wichtiger Punkt der britischen Politik war der Erhalt der alleinigen Seeherrschaft über die Weltmeere. Hier wurde keine Konkurrenz geduldet, mögliche Gegner wie die französische oder spanische Flotte wurden im 18. Jahrhundert hart bekämpft, so dass die britische Flotte bis zum Ende des 19. Jahrhundert keinen ernsthaften Gegner mehr hatte. Das änderte sich jedoch mit dem Aufbau der deutschen Flotte, aber auch der US-amerikanischen Flotte, wobei letztere bis dahin nur in der Karibik oder im Pazifik als Konkurrent der Briten in Erscheinung trat.

Die deutsche Flotte wurde von Anfang an als lästige Konkurrenz, jedoch nicht als Bedrohung angesehen. Im Deutschen Reich hatte der Aufbau eine vorrangige Stellung eingenommen, das Flottenprogramm war eine Kernkomponente der wilhelminischen Politik geworden. Aber zu Beginn des Ersten Weltkriegs war die britische Flotte der deutschen Marine zahlenmäßig weit überlegen.

Für die Briten bestand nicht das Problem, wie groß die deutsche Kriegsflotte war. Das Problem, um nicht zu sagen, die Katastrophe der britischen Außenpolitik bestand darin, dass 1871 mit der Entstehung des Deutschen Reiches das System der europäischen Pentarchie zusammenbrach und eine starke, eigenständige Macht in Zentraleuropa entstand, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke den britischen (sowie den russischen und französischen) Einfluss in der europäischen Politik zurückdrängte. Die Briten sahen ihre Möglichkeiten reduziert, die Balance des europäischen Gleichgewichts auszuloten. Sie betrachteten die Wirtschaftsstärke und den damit verbundene politische Machtzuwachs des Deutschen Reiches als das eigentlich Störende ihrer Politik, die deutsche Flotte symbolisierte dies nur für die Öffentlichkeit, obwohl sie tatsächlich nicht stark genug war, um auf Dauer gegen die Briten zu bestehen.

Was wäre geschehen, wenn das Deutsche Reich nicht sein ehrgeiziges Flottenprogramm umgesetzt hätte. Ich denke, die Briten hätten die Chance gehabt, ihre Außenpolitik neu auszurichten. D.h. die Briten hätten zwischen ihren Interessen in Afrika, Asien und Europa abgewogen und vielleicht Frankreich aufgrund dessen Konkurrenz in Afrika oder Russland aufgrund dessen Expansion in Mittelasien stärker als Gegner ihrer Interessen betrachtet. Ebenso hätte die Briten die US-Politik neu bewerten können, denn deren Außenpolitik in Lateinamerika hatte das Ziel, den Einfluss anderer Ausländer (also de facto den der Briten) dort zu beseitigen (Monroe-Doktrin). Die Briten hätten ihre Außen- und Kolonialpolitik emotionslos, vom historischen Ballast entledigt, modernisieren und ausloten können.

Das schließt aber nicht aus, dass die Briten die Existenz des Deutschen Reiches nach wie vor als ihr größtes Problem betrachtet hätten. Die mehr oder weniger konsequent antideutsche Politik der Briten seit 1871 (wenn man will: bis 1990) ist sicher eine Ursache des Niedergangs des britischen Weltreiches.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Beitrag der deutschen Flotte zum 1. Weltkrieg - Sansavoir - 13.11.2013 00:59

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