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Aktion T4 und die Justiz
27.05.2015, 17:28
Beitrag: #4
RE: Aktion T4 und die Justiz
Naja, ob Himmler so normal war...ich erinnere nur an den ganzen Zuchtquatsch und Ahnenerbe und Tibetexpditionen usw.usf. Von seiner Brutalität ganz zu schweigen. Frank, Heydrich und die anderen Konsorten hatten meines Erachtens ebenfalls "einen Hau", solche Brutalität kommt nicht von ungefähr...

Aber zurück zur Euthanasie. Ob mit oder ohne "C" im Parteinamen, Behinderte waren bis weit in die 70er hinein einfach mal lästig, man schämte sich ihrer in den Familien oder konnte sie bei schwererer Behinderung schlicht nicht pflegen, ob aus medizinischer Unkenntnis oder aus Zeitmangel oder aus Bequemlichkeit, das sei mal dahin gestellt.

Ich hatte einen Onkel und eine Tante, die beide an demselben Syndrom litten, zunehmende Muskellähmung. Es gibt Bilder, auf denen mein Onkel mit zwei Holzschragen als Krückenersatz zu sehen ist. Beide blieben, so lange es ging, auf dem heimischen Bauernhof. Irgendwann konnten sie sich aber zu wenig bewegen und waren auch zu schwer geworden, um sie zu Hause zu pflegen. Mein Opa hat die beiden, als sie im Teenageralter waren bzw. Anfang 20 (also Anfang der 50er Jahre), in ein Heim gebracht. War nicht das Nächste. Er hat sich nämlich zuvor die Heime genau angeschaut. Warum? Er war Jahrgang 1915 und hatte die 30er sehr bewusst miterlebt. Aus dem Heim, in dem die beiden dann die nächsten 40 Jahre lebten, wurden zwar auch Insassen nach Haar gebracht, wo sie verschwanden, aber die Ordensschwestern - bzw. der Prälat, der das Heim in den 40ern leitete - haben, als sie mitbekamen, dass SS-Ärzte im Anmarsch waren (besonders einer hat offenbar besonders viele Insassen wegbringen lassen), die Akten so weit "gesäubert", wie sie konnten. Insgesamt 900 Insassen sind zwischen 1940 und 1945 ermordet worden. Allein 1943 wurden über 200, davon allein über 170 an einem Tag, abtransportiert.
Mein Opa wusste davon (fragt mich nicht, woher), und er hat auch geschaut, wie die Behinderten aktuell behandelt wurden. Er hat sich drei oder vier Heime in der Umgebung angeschaut und dann eines bei Dachau ausgewählt.
Da kommen wir übrigens auf einen weiteren Punkt, warum so wenig von den Ärzten, die das Euthanasieprogramm erst möglich machten, belangt wurden. Der eine Arzt, der das betreffende Heim "betreute", kann nur für die Fälle verantwortlich gemacht werden, für die tatsächlich eine Unterschrift von ihm vorliegt. Und auch dann muss ihm erst wirklich nachgewiesen werden, dass er wusste, was in Haar - dahin kamen sämtliche abtransportierte Insassen des Heims - ablief. Es gab da ja z.B. "Hungerhäuser", dafür bestimmt, Kinder und Jugendliche verhungern zu lassen.
Wenn der Arzt behauptet, er habe davon nichts gewusst, ist es schwer, ihm das Gegenteil nachzuweisen.
Im Heim gibt es auch nur Listen der Zu- und Abgänge. Wer den Abtransport angeordnet hat, steht da nicht. Es waren z.T. auch mehrere SS-Ärzte, die dann hinter dem Namen einfach nur ein Kreuz gemacht haben. Weitere Unterlagen existieren offenbar nicht (oder nicht mehr...)

Abgesehen von den juristischen Fragen - vor denen sogar Anwälte der Anti Defamation League (ADL, eine jüdische Organisation, die sich die Aufklärung von Verbrechen der Nazizeit, vornehmlich an Juden, zur Aufgabe gemacht hat), vom Wiesenthal-Institut oder engagierte Einzelanwälte kapitulieren mussten - gibt es da noch die unappetitliche Seite. Diese ehemaligen SS-Ärzte waren nämlich oft sehr angesehen in ihren Gemeinden und hatten noch öfter gute Beziehungen in die Politik. Und oft hatten sie die Politiker auch in der Hand, mit irgendwelchen Informationen. Auch von daher könnten Gründe kommen, warum die BRD-Justiz und -Politik nicht allzu genau nachgeforscht hat, was denn mit denen los war, die da Hunderte und Tausende Menschen zu Tode gebracht haben. Und in der Nachkriegszeit wurden die getöteten Behinderten auch noch marginalisiert, sowohl vom öffentlichen Interesse her (s.o.) als auch schlicht von ihrer Zahl her. Da gab es andere Bevölkerungsgruppen, die noch viel mehr Tote zu beklagen hatten. Dazu noch der Wiederaufbau, die Flüchtlinge...in den späten 40ern fanden sich wohl viele, die sagten, sie hätten jetzt andere Probleme. In den 50ern wollte man immer noch nicht so genau hinschauen, man war beschäftigt mit dem Wirtschaftswunder und es gab noch zu viele, an deren Weste sonst tiefbraune Flecken aufgetaucht wären, und als man dann in den 60ern langsam daranging, das Thema zu beachten, geschah das erstens immer noch viel zu langsam, und zweitens waren da schon viele Betroffene tot.

Übrigens: Ein Arzt hier in meiner Umgebung, hochangesehen, seine Praxis gibt es heute noch, allerdings oihne ihn (er ist vor Jahrzehnten schon gestorben), von dem ist die Geschichte im Umlauf, dass er den Geburtsort in seiner Geburtsurkunde habe ändern lassen. Da wäre nämlich ursprünglich "Dachau" gestanden. Das KZ Dachau...
Und auch der Vater dieses Arztes war Arzt. Zwei plus zwei gibt...?!?

Hat dem Arzt nie wirklich geschadet. So war das in der alten BRD...
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