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Ab wann gibt es "Deutschland"?
18.10.2016, 14:00
Beitrag: #1
Ab wann gibt es "Deutschland"?
Es ist bis heute umstritten, wann die Bevölkerung des Ostfrankenreichs unter den ottonisch-salischen Herrschern zu einer deutschen Identität gefunden hat, bzw. wann die in ihm vereinigten Völker, die zum Teil seit mehr als einem halben Jahrtausend bekannten Franken, Sachsen, Baiern und Alemannen, zusätzlich zu ihrem bisherigen Volksnamen umfassend "Deutsche" genannt wurden.

Es handelt sich dabei sowohl um einen politischen Prozess des Herauswachsens aus einem Teilkönigtum des fränkischen Gesamtreichs zu eigenem Staatsbewusstsein, als auch um eine sprachliche Spiegelung in der Verwendung des Wortes "deutsch" und seiner lateinischen Entsprechungen. Unter diesen setzte sich rasch das antikisierende "teutonicus" durch und zwar in poltischer Bedeutung zur Bezeichnung dieses neuen Staates und seines Reichsvolks.

Um die Daten für die Etablierung einer eigenen staatlichen Identität ist viel gestritten geworden, wobei die Daten 843, 911, 919 und 925 genannt wurden. Manche sahen einen gestreckten Prozess bis zu Otto I. (936), andere setzten das Datum 911 (Ende der Karolinger, Nichtanerkennung des westfränkischen Karolingers) und 919 (Heinrich I. als "erster deutscher König" (!). Andere schlagen einen späteren Ansatz vor unter dem Gesichtspunkt, dass die Ottonen nicht das "Deutsche Reich" vorgefunden, sondern erst geschaffen haben. Im allgemeinen ist die Forschung heute der Ansicht, dass ein deutsches Bewusstsein kaum vor 1000, voll erst im 11. und 12. Jh. einsetzt.

Anders verhält es sich mit dem politischen Begriff "Deutschland". Die ostfränkisch-ottonischen Kaiser beanspruchten weiterhin "in Francia" - im Frankenreich - ebenso zu herrschen wie "in Italia". Sie betrachteten sich noch als Herrscher des Ostfrankenreichs, was demzufolge in Urkunden als regnum francorum orientalium bezeichnet wurde.

Vor allem aber sahen sie sich wie schon Karl der Große als Herrscher des "Heiligen Römischen Reichs", was seit Konrad II. 1034 amtlicher Titel des Reichs wurde. Als "Sacrum Imperium" wird das Reich seit 1157 in Urkunden Kaiser Friedrichs I. bezeichnet, um seine sakrale Würde zu betonen. Seit 1254 bürgerte sich in den Königsurkunden die Bezeichnung "Sacrum Romanum Imperium" ein.

Im Rahmen des Investiturstreits spricht Papst Gregor VII. erstmals im Hinblick auf Heinrich IV. vom "rex teutonicorum", um seinen Gegner auf die Ebene der anderen europäischen Könige herabzuziehen. Später findet man dann häufiger das "rex teutonicorum" oder aber "Teutonicum regnum" in Urkunden, vor allem wenn es darum geht, Unterscheidungen zu den Königreichen Burgund und Italien im Reichsverband herzustellen.

Im Ausland sind die Bezeichnungen für den Gesamtstaat vielfältig: Germania, Francia, Saxonia, Terra Teutonica, Alamannia, Regnum Germanicum, Saxonum usw.

Etwa um 1100 tauchen Umschreibungen wie "in diutischem lande", "diutisches lant" u.ä. auf, etwa ab 1500 spricht z.B. Ulrich Hutten von den "deutschen Landen". Singular "Deutschland" ist also noch nicht vertreten, wohl aber die "deutsche Nation". Sie tritt als "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" (Nationis Germanicae) im 15. Jh. auf und bezeichnete einschränkend die deutschen Teile des Reichsgebiets.im Unterschied zu Italien und Burgund.

Vom "Deutschen Reich" schließlich ist erst seit der wilhelminischen Reichsgründung 1871 die Rede, während das Gebilde nach dem Wiener Kongress 1815 den Namen "Deutscher Bund" führte.
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Ab wann gibt es "Deutschland"? - Dietrich - 18.10.2016 14:00

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