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Existenz-Probleme des Kleinadels im Spätmittelalter
20.01.2017, 21:15
Beitrag: #16
RE: Existenz-Probleme des Kleinadels im Spätmittelalter
(20.01.2017 20:47)Suebe schrieb:  
(20.01.2017 18:35)Paul schrieb:  Die Masse der "Adligen" ist wohl nicht aufgefallen und haben kaum anders gelebt, als ihre benachbarten Freibauern-Nachbarn.
./.

Das bezweifle ich jetzt.
Die "Existenz-Probleme" entstanden ja, weil auf Grund der Bevölkerungsverminderung durch die Spätmittelalterliche Pest die "Rittergüter" nicht mehr den Ertrag brachten, die Kosten durch die "Adelsgerechte" Lebenshaltung aber blieben.

Die Existenzprobleme waren jetzt weniger auf den Bevölkerungsrückgang durch die Pestwelle zurückzuführen, die war nach zwei bis drei Generationen wieder ausgeglichen - allerdings hatte die spätmittelalterliche Agrarkrise zum Mindsten unter anderem auch noch mit der Pestwelle zu tun. Der Ertrag aus Grundbesitz ging nicht unbedingt zurück sondern blieb sich mehr oder weniger gleich. Die Kosten für "adelsgerechte" Lebenshaltung hingegen stiegen hingegen massiv, insbesondere auch die Repräsentationskosten. Das brach dem Klein- und Lokaladel das Genick und aus diesem Grund wurden die meisten Fehden - wie man an Götz von Berlichingen nachvollziehen kann - zur Bereicherung geführt. Das Fehderecht war am Schluss noch das letzte Privileg des Kleinadels, was ihn von den reichen städtischen Fernkaufleuten abhob. Ein weitere Problematik dürfte auch in der zunehmende Umstellung auf Gedlwirtschaft bestanden haben. Es gelang nicht allen kleinadligen Grundbesitzer, die ursprünglich auf Naturalien beruhenden Abgaben in Geldzahlungen umzuwandeln.

Eine der zahllose Widersprüchlichkeiten des Mittelalters (dies macht die Epoche auvj so spannend) war zudem, dass das Fehderecht im Prinzip ein Standesprivileg des Adels war, aber gelegentlich dennoch auch von Nichtadligen (so lange sie persönlich frei waren) wargenommen werden konnte. Ein Beispield dafür ist die Fehde des Hans Kohlhase, dessen Fehderecht als Kaufmann allerdings nicht unbestritten war, gegen Sachsen (die Fehde, die Kleist zu seiner Novelle "Michael Kolhaas inspiriert hatte).

Anlass der Fehde war die widerrechtliche Entwendung von zwei Pferden Kohlhases durch Günther von Zaschwitz unter der falschen Anschuldigung des Diebstahls, als dieser unterwegs zur Messe in Leipzig war. Kohlhase verpasste aufgrund dieser Beschlagnahmung den grössten Teil der Messe, welche infolgedessen zu einem Verlustgeschäft wurde. Da ihm in der Folge auch noch der Kredit entzogen wurde, musste Kohlhase seine Besitztümer verpfänden. Am 13. Mai 1533 fanden, auf sein Drängen hin, auf der Burg Düben Vergleichsverhandlungen statt, wobei Kohlhase trotz eindeutiger Sachlage sein Recht verweigert wurde. Infolgedessen erklärte er am 13. März 1534 Zaschwitz und dem Land Sachsen die Fehde, in deren Verlauf in der sächsischen Residenzstadt Wittenberg Brände gelegt und die Herrschaft Teupitz, der Kleinadel in Zossen und das Kloster Zinna angegriffen wurden. Dabei bereicherte sich Kohlhase nicht, sondern hinterlegte die Beute bei Treuhändern und verteilte diese später an die Armen. Ein neuer Vergleich im Dezember 1534, bei dem Kohlhase 600 Gulden Entschädigung zugesprochen wurden, wurde vom Herzog Johann Friedrich I von Sachsen annulliert. Nach der Ausweitung der Fehde auf Brandenburg wurde Kohlhase schliesslich im März 1540 gefangen und gerädert. Er starb auf dem Rabenstein in der Nähe des heutigen Strausberger Platzes in Berlin.

Die wohl kurioseste Fehde überhaupt lässt sich ebenfalls im Spätmittelalter verorten und zwar im Elsass. Das besondere an dieser Auseinandersetzung, die als „Sechsplappert-Fehde“ in die Geschichte eingegangen ist, ist einerseits, dass sie von einem der Unterschicht Angehörenden initiiert wurde und andererseits demonstriert sie, dass es zum Mindesten im Spätmittelalter offenbar möglich war, das Fehderecht auch an Dritte zu verkaufen oder zu übertragen.

Der Auftakt zur Sechsplappert-Fehde, welche von 1466 bis 1470 dauerte, war die zu gering ausgefallene Lohnauszahlung an den Müllersknecht Hermann Klee, dem von seinem Meister in Mühlhausen sechs Pfennig (Plappert) weniger als vereinbart erhielt. Klee schlug daraufhin eine Absagebrief an das Stadttor von Mühlhausen, verstand es aber im Anschluss, die Übergabe des Geldes an ihn zu verhindern und verkaufte stattdessen seinen Anspruch und sein Fehderecht an den Ritter Peter von Regisheim (heute Réquisheim), welcher den Adel des Südelsass sammelte um gegen Mühlhausen vorzugehen. Unterstützung fand er dabei auch bei den Habsburgern, dem schwäbischen Ritterbund und den Grafen von Lupfen. Auf Seiten Mühlhausens traten die Sätdte Türkheim und Kayserberg, Friedrich I von der Pfalz als elsässischer Reichsvogt, die Wildgrafen von Dhaun und die Eidgenossen. Die Fehde, die sich zu einem regelrechten Krieg ausweitete, endete nach vier Jahren mit der Zerstörung der vier Burgen von Eguisheim, der Unterwerfung der Grafen von Lupfen und Peters von Regisheim, der nur knapp dem Strick entging. Und begonnen hatte das Ganze mit einem Fehlbetrag von sechs Pfennige.
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RE: Existenz-Probleme des Kleinadels im Spätmittelalter - Aguyar - 20.01.2017 21:15

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