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Der Untergang von Sprachen
04.07.2016, 10:13
Beitrag: #101
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 09:27)Aguyar schrieb:  
(03.07.2016 22:42)Paul schrieb:  In ganz Hessen bis zur Adrana/Eder wurden Funde der Latenekultur gemacht und wir kennen weitgehend die Stämme, die dort gelebt haben. Wenn es konkret wird habe ich noch nirgends gelesen, das jemand die Usipeter, Tenkterer, Hermunduren und Vandalen für Kelten gehalten hat, bzw. später die Chatten. Bei den Ubiern kommt es vor, wenn sie rechtsrheinisch betrachtet werden. Kaum in Köln angekommen sehen sie alle als Germanen.
Die Archäologen schauen sich die Bodenfunde in Bad Nauheim an und sagen, hier haben Kelten gelebt. Wir wissen aber, das es die Usipeter waren und die hält keiner für Kelten. Die Chronisten berichten darüber, das 800 Tenkterer-Reiterkrieger die 5000 Mann starke keltische Reiterei Cäsars in die Flucht getrieben haben. Danach hat Cäsar germanische Reiter angeworben.

Zuerst einmal die Definition aus Wikipedia:
Die Latènekultur entwickelte sich unter mediterranem Einfluss zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. aus der nordwestalpinen Hallstattkultur zu einer eigenständigen Kunst- und Kulturform. Diese war zwischen 450 v. Chr. und 40 v. Chr. in Frankreich, der nordalpinen Schweiz, Süddeutschland bis zu den Mittelgebirgen, Österreich, der Tschechischen Republik und Teilen Ungarns verbreitet. Die Genese der Latènezivilisation vollzog sich im sogenannten „Westhallstattkreis“.
Träger der Latènekultur sind die seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. in griechischen, später auch in römischen Quellen genannten Kelten.


Donnersberg und Glauberg - nur um zwei berühmte zu nennen - sind keltische Relikte (am Glauberg haben später auch die Alemannen ihre Spuren hinterlassen) welche der Latène-Kultur zugewiesen wurden. Der berühmte Keltenfürst mit den "Mickymaus-Ohren" vom Glauberg wird um 500 v. Chr. in die Latènezeit datiert und wurde meines Wissens noch von niemandem als "Germanenfürst" bezeichnet. Und zwar deshalb nicht, weil dort eben zum Mindesten bis zur Hoch-Latène Kelten und nicht Germanen gesiedelt haben.

Usipeter und Tenkterer siedelten am Niederrhein, als sie zu Zeiten Cäsars/Ariovists erstamls in Erscheinung traten. Zum Zeitpunkt, als sie in die keltisch besiedelten Regionen Süddeutschlands eindrangen, war die Latène-Kultur verschwunden oder lag zum Mindesten in den letzten Zügen.
Die Vandalen siedelten, so wird vermutet, im ersten Jahrhunderten nach. Chr. (Tacitus, Plinius) noch östlich der Oder - zu einem Zeitpunkt, als die Latène-Kultur längst verschwunden war.
Die Hermunduren siedelten am Oberlauf der Elbe, bevor Teile von ihnen um die Zeitwende von Ahenobarbus an den Main umgesiedelt wurden. Auch dies zu einem Zeitpunkt, als die Latène-Kultur nicht mehr existenz war.

Die von Dir genannten Germanenstämme tauchten im Latène-Kulturgebiet Süddeutschlands erst auf, als die Kultur selbst bereits verschwunden war. Also können sie wohl nicht die "Kulturträger" gewesen sein. Dies waren die Kelten, welche später gebietsweise zu "gallorömisch" wurden Big Grin oder, in anderen Fällen (wie vermutlich eben in Hessen) die Region bereits verlassen hatten. Das ganze ist eine Frage der Datierung - und auch die verschiedenen "Keltenwälle" kannst Du nicht zu "Germanenwällen" machen.

Usipeter und Tenkterer wurden von den Quaden aus Oberhessen vertrieben. Danach wandten sie sich an den Rhein, wo sie z.B. die germanisch-keltischen Menapier nach Westen vertrieben. Später zogen sie wieder südwärts und siedelten sich neben den Ubiern links und rechts des Rheines an. Sie wurden dann zu Franken. Die Römer waren nicht imstande diese Siedler von den Ubiern zu unterscheiden. Möglicherweise waren es eigentlich Ubier-Unterstämme.
Ein Teil der Usipeter und Tenkterer blieben in Oberhessen und konnten sich nach dem Sieg der Ubier über die Quaden wieder frei organisieren.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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04.07.2016, 12:51
Beitrag: #102
RE: Der Untergang von Sprachen
(03.07.2016 22:00)zaphodB. schrieb:  Es scheint wohl eher so,dass die römische Unterteilung Kelten/Germanen politischer Natur war.

Es gab in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. ein germanisches Kerngebiet nördlich der Mittelgebirge und ein keltisches südlich davon. Kulturell standen die Germanen auf niedrigerer Stufe und wurden vor allem von der Latène-Kultur stark beeinflusst. Geräte, Schmuck und Waffen zeigen das deutlich.

Als die Germanen bis zur Zeitenwende nach Süden vorrückten, lösten sich die keltischen Bevölkerungsgruppen natürlich nicht in Luft auf. Es kam zu Fusionen zwischen keltischen und germanischen Gruppen, als deren Folge die Kelten ihre Sprache und Identität aufgaben. Als die Römer kurz nach der Zeitenwende in Süddeutschland einmarschierten, gab es nördlich der Donau keine keltischen Stämme mehr. Vereinzelt mögen keltische Restbevölkerungen fortbestanden haben, doch war ihre Assimilation nur eine Frage der Zeit.

Archäologen und antike Schriftsteller haben uns ein - wenn auch lückenhaftes - Bild der germanischen Stämme überliefert. Im Großen und Ganzen kann kein Zweifel daran bestehen, welche Stämme germanisch und welche keltisch waren. Lediglich vereinzelt ist das umstritten, wie z.B. bei den Treverern.
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04.07.2016, 13:57
Beitrag: #103
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 12:51)Dietrich schrieb:  Es gab in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. ein germanisches Kerngebiet nördlich der Mittelgebirge und ein keltisches südlich davon. Kulturell standen die Germanen auf niedrigerer Stufe und wurden vor allem von der Latène-Kultur stark beeinflusst. Geräte, Schmuck und Waffen zeigen das deutlich.

Das ist auch mein Wissensstand.

(04.07.2016 12:51)Dietrich schrieb:  Als die Germanen bis zur Zeitenwende nach Süden vorrückten, lösten sich die keltischen Bevölkerungsgruppen natürlich nicht in Luft auf. Es kam zu Fusionen zwischen keltischen und germanischen Gruppen, als deren Folge die Kelten ihre Sprache und Identität aufgaben. Als die Römer kurz nach der Zeitenwende in Süddeutschland einmarschierten, gab es nördlich der Donau keine keltischen Stämme mehr. Vereinzelt mögen keltische Restbevölkerungen fortbestanden haben, doch war ihre Assimilation nur eine Frage der Zeit.

Zustimmung.
Und das erklärt auch, weshalb südlich der Donau (Mengen-Ennetach) auch noch Funde gemacht wurden, die man im Zeitraum von 50 v. Chr. bis zur Zeitwende einordnen und als als keltisch klassifizieren kann.

Was das Verschwinden der Kelten nördlich der Donau betrifft, nehme ich an, gilt der gleiche Zeitrahmen wohl auch für die Tschechei.
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04.07.2016, 14:18
Beitrag: #104
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 13:57)Aguyar schrieb:  Was das Verschwinden der Kelten nördlich der Donau betrifft, nehme ich an, gilt der gleiche Zeitrahmen wohl auch für die Tschechei.

Die keltischen Boier in Böhmen wurden im 1. Jh. v. Chr. von den Markomannen zum Teil verdröngt, zum Teil assimiliert.
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04.07.2016, 14:47
Beitrag: #105
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 14:18)Dietrich schrieb:  Die keltischen Boier in Böhmen wurden im 1. Jh. v. Chr. von den Markomannen zum Teil verdröngt, zum Teil assimiliert.

Merci für den Hinweis (zu den Vorfahren der Bayern Big Grin)
Die Problematik einer Unterscheidung zwischen Kelten und Germanen stellt sich vor allem auch deshalb, weil es den Römern gerade im Grenzgebiet wohl nicht immer gelungen ist, korrekt zu unterscheiden. Und heute gelingt das dann vor allem bei Stämmen, die man nur aus römischen Quellen kennt, erst recht nicht.

Ein gutes Beispiel dafür die folgende Karte aus Wikpipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ubier#/med..._70_de.svg

Auf dieser Karte, welche die Verhältnisse um 70 n. Chr. thematisiert, sind in Baden-Württemberg nördlich der Donau die "Tulingi" eingetragen, und zwar als germanischer Stamm mit rot.
Jetzt werden die Tulinger bei Cäsar aber als keltischer Stamm erwähnt, als ein Stamm der sich dem Auszug der Helvetier angeschlossen hatte und mit diesen 58 von Cäsar bei Bibracte geschlagen wurde.
Was den ganzen Stamm noch fragwürdiger macht ist der Umstand, dass er meines Wissens lediglich bei Cäsar und sonst nirgendwo erwähnt wird resp. in Erscheinung tritt.
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04.07.2016, 16:50
Beitrag: #106
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 14:47)Aguyar schrieb:  Die Problematik einer Unterscheidung zwischen Kelten und Germanen stellt sich vor allem auch deshalb, weil es den Römern gerade im Grenzgebiet wohl nicht immer gelungen ist, korrekt zu unterscheiden. Und heute gelingt das dann vor allem bei Stämmen, die man nur aus römischen Quellen kennt, erst recht nicht.

Man sollte sich bei der Unterscheidung nicht auf römische Quellen verlassen. Die Römer liebten ihre festen Kategorien und Hierarchien und haben dementsprechend versucht, die ihnen fremden Völker irgendwie einzuordnen. Es muss für römische Vorstellungen ziemlich fremd gewesen sein, dass sich Volksstämme, die sich in ihren Sitten und Sprachen sehr ähnlich gewesen waren, trotzdem nicht unter einer einheitlichen Führung zusammenfanden, dass es gewissermaßen einen gemeinsamen"Kulturraum" gab, aber kein Herrschaftsgebiet. Sie waren keine Völkerkundler, die anhand vorher festgelegter Kriterien unterschieden, sondern je nachdem, wo sie gerade standen, den einen Stamm mal der einen, mal der anderen Volksgruppe zuordneten.
Gerade im Grenzraum zwischen beiden Gebieten dürften sich Kelten und Germanen auch gegenseitig beeinflußt haben, so dass eine Unterscheidung ganz schwer war.

Und was dazu kommt- sowohl "Germanen" als "Kelten" waren keine Eigenbezeichnungen, sondern Fremdbezeichnungen. Und das läßt sehr viel Spielraum. Beschreibungen der "Kelten" und der "Germanen" sind vielleicht einfach deshalb nicht korrekt, weil nur bestimmte Stämme als Vorbild dienten.

Aus Britannien ist bekannt, dass die Römer alle Völker nördlich des Hadrianswalls als "Pikten" bezeichneten, ungeachtet der Tatsache, dass einige piktische Stämme eindeutig keltisch waren und andere ganz eindeutig nicht. Sie wurden per Definition zu einem Volk "gemacht", das es aber so nie gegeben hat. Bis heute weden die "Pikten" vor allem über ihre Kunst identifiziert, in der viele keltische, aber auch nicht- keltische Elemente enthalten sind. Die Sprache, die sie sprachen = ?

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
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04.07.2016, 19:28
Beitrag: #107
RE: Der Untergang von Sprachen
Vielleicht nochmals der Hinweis,
wir haben von der Alltagskultur der Kelten nicht viel Ahnung.
Was wir kennen sind "Keltenprinzessinen" wie jüngst in der Nähe der Heuneburg, Keltenfürsten siehe Hochdorf oder Glauberg von hren Bestattungen her.
Ottonormalverbraucher Kelte versteckt sich bisher erfolgreich vor der Forschung.

Wobei, die keltische Viereckschanze von Mengen-Ennetach (die Aguyar in die Disklussion einführte) liegt tatsächlich in Rufweite der Heuneburg, Näher noch als der Grabhügel der "Keltenprinzessin".

Der einzige Ort Mitteleuropas den die Griechen kannten, war Pirene = die Heuneburg.
Und da soll es nichts = leere Menge (mehr) vor Ankunft der Römer gegeben haben????
Leute ich glaubs nicht.


OT: Dietrich wo warst du am Sonntag? Ich hatte mich so gefreut. Bat

TT: Spass beiseite, weiter oben war zu lesen, dass man die "Keltenwälle" nicht einfach zu "Germanenwällen" umbenennen darf. Man gestatte mir den Hinweis, dass auch die "Keltenwälle" soooo sicher nicht zu bennen sind. Die Dinger stehen an befestigungstechnisch so prägnanten Punkten, dass da an manchen leicht und locker ein Jahrtausend lang immer mal wieder neu befestigt wurde.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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04.07.2016, 20:12
Beitrag: #108
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 19:28)Suebe schrieb:  Vielleicht nochmals der Hinweis,
wir haben von der Alltagskultur der Kelten nicht viel Ahnung.
Was wir kennen sind "Keltenprinzessinen" wie jüngst in der Nähe der Heuneburg, Keltenfürsten siehe Hochdorf oder Glauberg von hren Bestattungen her.
Ottonormalverbraucher Kelte versteckt sich bisher erfolgreich vor der Forschung.

Das würde ich so nicht unterschreiben. Zwar wurden auf dem Glauberg auch vor allem die Fürsten (hier die männliche Form) ausgegraben, aber man hat auch durchaus gesicherte Erkenntnisse über die "Normalbevölkerung", weil eben nicht nur der Fürstensitz, sondern auch ein nahegelegener Weiler ausgegraben wurde. Klar, wo die reichen Grabbeigaben fehlen, ist es nicht leicht, Rückschlüsse auf das Leben der einfachen Bevölkerung zu schließen, aber auch aus den Müllhalden der Siedlungen läßt sich einiges herauslesen.

Auch hier in der Heidetränke finden sich durchaus Spuren des einfachen Volkes. Nur ist es halt weniger, und in früheren Jahren wurden vor allem die reichen Gräber untersucht. Vieles, was noch so in den Museen schlummert, wurde noch gar nicht richtig bewertet, weil es halt nicht golden glänzte.

Aber der "Kelte" generell entzieht sich uns ein bißchen, er ist nicht wirklich greifbar. Fast überall, wo er anzutreffen war, wurde er von anderen überlagert, und nicht einmal dort, wo man ihn heute noch sieht, ist er völlig frei von germanischem Einfluss...

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04.07.2016, 20:16
Beitrag: #109
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 19:28)Suebe schrieb:  ./.

TT: Spass beiseite, weiter oben war zu lesen, dass man die "Keltenwälle" nicht einfach zu "Germanenwällen" umbenennen darf. Man gestatte mir den Hinweis, dass auch die "Keltenwälle" soooo sicher nicht zu bennen sind. Die Dinger stehen an befestigungstechnisch so prägnanten Punkten, dass da an manchen leicht und locker ein Jahrtausend lang immer mal wieder neu befestigt wurde.

Stimmt so nicht, ich habe zu wenige Finger und konnte es deshalb nicht so schnell nachrechnen,
nun habe ich den Abakus angeworfen.Idea

Im beginnenden 18. Jahrhundert wurde mal wieder eine Landwehr geplant, und auch der Bau begonnen, Quer durch das Sueben Heimat, und mindestens 2 Stellen weiß ich, wo es belegt ist, dass "Vorzeitliche" Befestigungen (Wälle, Gräben) mit einbezogen wurden.
demnach roundabout 3.000 Jahre.

1935 wurde eine "Alb-Stellung" von der Wehrmacht "im Gelände erkundet", ich kenne nur den Fakt, weiß nichts weiter davon, würde aber stark annehmen, dass auch da die eine oder andere "Volksburg" mit einbezogen wurde.
Hätten wir nochmals 200 Jahre. Idea

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05.07.2016, 03:54
Beitrag: #110
RE: Der Untergang von Sprachen
Die Bestattungskultur war zeitweise wohl nicht einheitlich. Neben Hügelgräberanlagen wie in Finsterloh gab es in vielen Dörfern konventionelle Reihengrabfriedhöfe. Viele liegen unter den heutigen Gräbern. So wurde beim Ausheben eines neuen Grabes in Oberndorf, das Grab eines Kriegers aus dem 3. Jh. ausgegraben. Weitere Grabungen wurden aber eingestellt. Es müßten also noch mehrere Bestattungstiefen ausgegraben werden, um an die Gräber aus der Eisenzeit zu kommen. Die Kirche mit dem Dorffriedhof war wohl bei einer religiösen Stätte der Ubier, mit Dorffriedhof errichtet worden. Dasselbe gilt für das ganze Dorf, mit Siedlungskontinuität.
Möglicherweise wurden viele Hügelgräber zugunsten der Landwirtschaft eingeebnet und haben sich deshalb in Wäldern erhalten.

viele Grüße

Paul

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05.07.2016, 13:40
Beitrag: #111
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 14:47)Aguyar schrieb:  Die Problematik einer Unterscheidung zwischen Kelten und Germanen stellt sich vor allem auch deshalb, weil es den Römern gerade im Grenzgebiet wohl nicht immer gelungen ist, korrekt zu unterscheiden. Und heute gelingt das dann vor allem bei Stämmen, die man nur aus römischen Quellen kennt, erst recht nicht.

Da sprichst du eine große Problematik an, die in der Forschung oft zu Streit und abweichenden Hypothesen führt. Der Knackpunkt ist, dass Sachkultur und ethnische Zuordnung nicht immer deckungsgleich sein müssen. So kann z.B. eine nichtkeltische Bevölkerungsgruppe die keltische Latènekultur übernehmen, ohne dass ihre Angehörigen zu ethnischen Kelten werden. D.h. sie behalten ihre eigene Sprache und ethnische Identität, übernehmen aber eine benachbarte Kultur.

Auf dieser Tatsache beruhen unsichere Zuschreibungen von Kelten und Germanen, was natürlich für andere Völker bzw. Ethnien ebenfalls gilt. Bis heute ist der Status der Treverer strittig und man behilft sich mit der Formulierung, sie seien ein "keltisch-germanisches Mischvolk".
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05.07.2016, 18:36
Beitrag: #112
RE: Der Untergang von Sprachen
(05.07.2016 13:40)Dietrich schrieb:  Da sprichst du eine große Problematik an, die in der Forschung oft zu Streit und abweichenden Hypothesen führt. Der Knackpunkt ist, dass Sachkultur und ethnische Zuordnung nicht immer deckungsgleich sein müssen. So kann z.B. eine nichtkeltische Bevölkerungsgruppe die keltische Latènekultur übernehmen, ohne dass ihre Angehörigen zu ethnischen Kelten werden. D.h. sie behalten ihre eigene Sprache und ethnische Identität, übernehmen aber eine benachbarte Kultur.

Soweit ich weiß, geht die Forschung ohnehin davon aus, dass von den Stämmen, die den Kelten zugerechnet werden, nicht alle der gleichen Volksgruppe entstammen. Bei einigen Gruppen geht man z.B. davon aus, dass es sich lediglich um einen Elitentransfer handelte- darauf spielte wohl auch Suebe an. Und andere Stämme wurden lediglich "keltenisiert".

Wie weit dabei die Sprache erhalten bleibt, weiß ich nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Übernahme eine anderen Kultur nicht ohne Einfluss auf die Sprache bleibt, einfach, weil es in einer anderen Kultur Dinge und Sachverhalte gibt, für die es in der urtümlichen Sprache keine anderen Worte gibt. Möglicherweise existierten hier und da auch zwei Sprachen nebeneinander, eine keltische Handelssprache und eine Muttersprache, wobei sich beide natürlich gegenseitig beeinflußten.
Fraglich ist auch, ob man die ethnische Identität wirklich behalten kann, wenn man eine fremde Kultur übernimmt- viel mehr als die Abstammung zeichnet die Kultur eine Volksgruppe aus. Vielleicht ist das auch die Erklärung, warum die keltischen Sprachen so leicht verschwanden...

Die Iren beispielsweise gelten als Kelten. Kulturell sind sie es. Genetisch sind es zumindest die Männer nicht...

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05.07.2016, 20:07
Beitrag: #113
RE: Der Untergang von Sprachen
Die Kelten
Es ist, wie man an den Beiträgen hier auch sieht, ein überaus spannendes Thema.
Und die Forschung packt laufend neue Sensationen aus.

Ich wollte mir, angeregt von Aguyar, gestern mal näheres über die Mengen-Ennetacher Viereckschanze zu Gemüte führen (habe aber nix gefundenConfused)

Jedoch habe ich bei "Jörg Biel u.a. Die Kelten" die neuere Forschungsgeschichte der "Viereckschnzen" nachgelesen.

Bis in die 50er Jahre wusste man nix, hat aber über vieles spekuliert.
1957 hat man dann mit für die damalige Zeit ganz erheblichem Aufwand eine bayerische Viereckschanze ergraben und erforscht, da man endlich näheres dazu wissen wollte. Man kam zu dem Schluss, dass es "religiöse" Anlagen waren, mit mehreren Opferschächten, auch Menschenopfer usw. in einem Schacht fand man erhebliche Phosphormengen. In einem Schacht fand man so eine Art Totempfahl. Insgesamt hat man sich bei der Fundinterpretation sehr von dem Glastruper Kessel beieinflussen lassen.

1974 wurde man auf die Fellbach-Schmidener (bei stuttgart) Viereckschanze aufmerksam, und hat die "modern" erforscht. Die dort ebenfalls vorhandenen Schächte wurden klar als Brunnen erkannt, die gezielt vergiftet und verseucht wurden. Also auf gar keinen Fall Opfer. Der "Totempfahl" entpuppte sich als Teile einer Wasserhebeanlage, Vulgo Ziehbrunnen.
Der hohe Phosphorgehalt war, wie der einstige Ausgräber Biel erzählt hat, ein chemischer Analysefehler.

Aber erst seit da ist klar, dass die Viereckschanzen Gutshöfe waren, leicht befestigt wie es für Reichere in jenen Zeiten halt angesagt war.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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06.07.2016, 08:47
Beitrag: #114
RE: Der Untergang von Sprachen
(04.07.2016 09:27)Aguyar schrieb:  
(03.07.2016 22:42)Paul schrieb:  In ganz Hessen bis zur Adrana/Eder wurden Funde der Latenekultur gemacht und wir kennen weitgehend die Stämme, die dort gelebt haben. Wenn es konkret wird habe ich noch nirgends gelesen, das jemand die Usipeter, Tenkterer, Hermunduren und Vandalen für Kelten gehalten hat, bzw. später die Chatten. Bei den Ubiern kommt es vor, wenn sie rechtsrheinisch betrachtet werden. Kaum in Köln angekommen sehen sie alle als Germanen.
Die Archäologen schauen sich die Bodenfunde in Bad Nauheim an und sagen, hier haben Kelten gelebt. Wir wissen aber, das es die Usipeter waren und die hält keiner für Kelten. Die Chronisten berichten darüber, das 800 Tenkterer-Reiterkrieger die 5000 Mann starke keltische Reiterei Cäsars in die Flucht getrieben haben. Danach hat Cäsar germanische Reiter angeworben.

Zuerst einmal die Definition aus Wikipedia:
Die Latènekultur entwickelte sich unter mediterranem Einfluss zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. aus der nordwestalpinen Hallstattkultur zu einer eigenständigen Kunst- und Kulturform. Diese war zwischen 450 v. Chr. und 40 v. Chr. in Frankreich, der nordalpinen Schweiz, Süddeutschland bis zu den Mittelgebirgen, Österreich, der Tschechischen Republik und Teilen Ungarns verbreitet. Die Genese der Latènezivilisation vollzog sich im sogenannten „Westhallstattkreis“.
Träger der Latènekultur sind die seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. in griechischen, später auch in römischen Quellen genannten Kelten.


Donnersberg und Glauberg - nur um zwei berühmte zu nennen - sind keltische Relikte (am Glauberg haben später auch die Alemannen ihre Spuren hinterlassen) welche der Latène-Kultur zugewiesen wurden. Der berühmte Keltenfürst mit den "Mickymaus-Ohren" vom Glauberg wird um 500 v. Chr. in die Latènezeit datiert und wurde meines Wissens noch von niemandem als "Germanenfürst" bezeichnet. Und zwar deshalb nicht, weil dort eben zum Mindesten bis zur Hoch-Latène Kelten und nicht Germanen gesiedelt haben.

Usipeter und Tenkterer siedelten am Niederrhein, als sie zu Zeiten Cäsars/Ariovists erstamls in Erscheinung traten. Zum Zeitpunkt, als sie in die keltisch besiedelten Regionen Süddeutschlands eindrangen, war die Latène-Kultur verschwunden oder lag zum Mindesten in den letzten Zügen.
Die Vandalen siedelten, so wird vermutet, im ersten Jahrhunderten nach. Chr. (Tacitus, Plinius) noch östlich der Oder - zu einem Zeitpunkt, als die Latène-Kultur längst verschwunden war.
Die Hermunduren siedelten am Oberlauf der Elbe, bevor Teile von ihnen um die Zeitwende von Ahenobarbus an den Main umgesiedelt wurden. Auch dies zu einem Zeitpunkt, als die Latène-Kultur nicht mehr existenz war.

Die von Dir genannten Germanenstämme tauchten im Latène-Kulturgebiet Süddeutschlands erst auf, als die Kultur selbst bereits verschwunden war. Also können sie wohl nicht die "Kulturträger" gewesen sein. Dies waren die Kelten, welche später gebietsweise zu "gallorömisch" wurden Big Grin oder, in anderen Fällen (wie vermutlich eben in Hessen) die Region bereits verlassen hatten. Das ganze ist eine Frage der Datierung - und auch die verschiedenen "Keltenwälle" kannst Du nicht zu "Germanenwällen" machen.

Die Latene kultur verschwand nicht. Sie entwickelte sich zu unserer mittelalterlichen Kultur weiter. In der Landwirtschaft wurden römische Einflüsse aufgenommen. Die Handwerke wurden weiter betrieben, mit wenigen Ausnahmen. Die Glas- und Münzhersteller zogen vom Dünsberg letztlich nach Köln. Die Metallverarbeitung wurde etwas stärker dezentral in Waldschmieden weiter geführt. Opida wurden keine mehr errichtet, aber die meisten Städte z.B. im Lahngebiet Wetflaria hatten sowieso keine Ringwälle.
Die Vandalen lebten in Schlesien /Südpolen und hatten dort Latene Kultur. Die Hermunduren lebten in Sachsen-Anhalt und Thüringen und hatten dort ebenfalls Latene Kultur. Sie breiteten sich dann nach Bayern und Böhmen aus. Der sich in Hessen entwickelnde Neustamm der Chatten behielt die Latene Kultur der Ubier, Usipeter und Tenkterer.

viele Grüße

Paul

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06.07.2016, 13:43
Beitrag: #115
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 08:47)Paul schrieb:  Die Latene kultur verschwand nicht. Sie entwickelte sich zu unserer mittelalterlichen Kultur weiter.

Nach Latène kamen die Römer und romaniserten den Kontinent und die Britischen Inseln.

Die Kultur des Mittelalters baut also mitnichten auf der Keltenkultur auf.
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06.07.2016, 14:22
Beitrag: #116
RE: Der Untergang von Sprachen
(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb:  Soweit ich weiß, geht die Forschung ohnehin davon aus, dass von den Stämmen, die den Kelten zugerechnet werden, nicht alle der gleichen Volksgruppe entstammen.

Wer einen Stamm als "keltisch" bezeichnet sagt damit, dass seine Angehörigen keltisch sprechen, sich der keltischen Kultur zugehörig fühlen und eine keltische Identität besitzen. Bei einigen Stämmen ist sich die Forschung hinsichtlich der ethnischen Identität allerdings unsicher. Wenn keine Berichte antiker Schriftsteller vorliegen und lediglich Bodenfunde ausgewertet werden können, ist die Interpretation der materiellen Hinterlassenschaft zuweilen problematisch.

(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb:  Bei einigen Gruppen geht man z.B. davon aus, dass es sich lediglich um einen Elitentransfer handelte-

Welche sollen das sein?

(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb:  darauf spielte wohl auch Suebe an. Und andere Stämme wurden lediglich "keltenisiert".

Das hat es sicher gegeben, so wie es auch Stämme gab, die germanisiert wurden.

(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb:  Fraglich ist auch, ob man die ethnische Identität wirklich behalten kann, wenn man eine fremde Kultur übernimmt- viel mehr als die Abstammung zeichnet die Kultur eine Volksgruppe aus. Vielleicht ist das auch die Erklärung, warum die keltischen Sprachen so leicht verschwanden...

Ein keltisch sprechender Stamm wird von Archäologen und Ethnologen als "keltisch" klassifiziert. Als was denn sonst?

In der Regel sind dabei Sprache und keltische Sachkultur identisch. Stämme mit nichtkeltischer Sprache gelten nicht als keltisch, auch wenn sie Elemente einer anderen Kultur übernommen haben. So hat z.B. die Latène-Kultur die Germanen stark beeinflusst. Im Bereich der Jastorfkultur wurden keltische Gürtelschließen, Armreifen, Waffen und scheibengedrehte keltische Keramik gefunden. Dennoch sind die in diesem Raum siedelnden Menschen keine Kelten, sondern Germanen. Die Jastorf-Kultur gilt sogar als Entstehungsraum der Germanen.

Ein anderes Beispiek ist der Hellenismus. Die hellenistische Kultur breitete sich im gesamten östlichen Mittelmeerraum aus, ohne dass indes die dort lebenden Völker zu "Hellenen" bzw. "Griechen" wurden.

Dass es Grenzfälle gibt, will ich gerne zugeben. Aber wir können die Ausnahmen nicht zur Regel machen.
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06.07.2016, 17:41
Beitrag: #117
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb:  Wer einen Stamm als "keltisch" bezeichnet sagt damit, dass seine Angehörigen keltisch sprechen, sich der keltischen Kultur zugehörig fühlen und eine keltische Identität besitzen.

Damit hast du aber schon ein schwieriges Thema angesprochen. Die Kelten haben keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen- und damit ist überhaupt nicht bewiesen, dass die keltische Sprache auch die "muttersprache" war- das keltische kann genauso gut auch eine Art Lingua Franca gewesen sein. Wir entwicklen uns derzeit zum Englischen hin, das Englische zieht immer mehr ins Deutsche ein. ich wünshce späteren Sprachforschern in 1000 Jahren viel Spaß beim Enträtseln, ob die Sprache, die hier gesprochen wurde, nun deutsch oder englisch war.
Es gibt ein keltisches Kerngebiet, innerhalb dessen ganz sicher keltisch gesprochen wurde, aber in den Randgebieten....
Deswegen sind mir in den letzten Jahren immer mehr Berichte untergekommen, wo das keltische eindeutiger an der Kultur und den Bräuchen festgemacht wird als an der Sprache.




(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb:  
(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb:  Bei einigen Gruppen geht man z.B. davon aus, dass es sich lediglich um einen Elitentransfer handelte-

Welche sollen das sein?

Sagte ich doch schon- bsp. Irland. Die irische Bevölkerung stammt männlicherseits von Indogermanen ab, die vor der Entstehung der Kelten vor ca. 4000 Jahren nach Irland einwanderten. Und diese Iren sind im übrigen eng verwandt mit den Walisern und Basken.

(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb:  
(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb:  darauf spielte wohl auch Suebe an. Und andere Stämme wurden lediglich "keltenisiert".

Das hat es sicher gegeben, so wie es auch Stämme gab, die germanisiert wurden.

Stimmt. Und das eine dürfte vom anderen nicht immer leicht zu unterscheiden sein.


(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb:  Ein keltisch sprechender Stamm wird von Archäologen und Ethnologen als "keltisch" klassifiziert. Als was denn sonst?

Woher weißt du, welche Sprache z.B. die Bewohner des Altkönigs 500 v Chr. gesprochen haben? Schriftliche Aufzeichnungen existieren nicht, schriftliche Berichte der Römer liegen auch nicht vor. Also ist die Sprache letztendlich unbekannt...
Wonach wird der Altkönig den Kelten zugerechnet? Aufgrund seiner Kultur.
Der nahegelegene Bleibiskopf ist vorkeltisch, noch nicht keltisch. Aber es besteht Siedlungskontinuität.
Also- was ist passiert? Sind Kelten eingewandert? Hat sich die keltische Sprache verbreitet? Oder erst einmal nur die Kultur?


(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb:  Ein anderes Beispiek ist der Hellenismus. Die hellenistische Kultur breitete sich im gesamten östlichen Mittelmeerraum aus, ohne dass indes die dort lebenden Völker zu "Hellenen" bzw. "Griechen" wurden.

Das ist ein ganz schlechtes Beispiel, einfach, weil die Griechen sich ja selbst als Griechen bezeichnet und von den anderen abgegrenzt haben. Und weil sie viel schriftliches- also Sprache- hinterlassen haben.
Bei den Kelten gilt das nicht.
Hier wird oft von der Kultur auf die Sprache geschlossen. Wenn die Griechen keine geschriebenen Sprache hinterlassen hätten, würdest du heute nicht so sicher sagen können, dass die dort lebenden Völker keine Griechen wurden. Wink

(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb:  Dass es Grenzfälle gibt, will ich gerne zugeben. Aber wir können die Ausnahmen nicht zur Regel machen.

Mir geht es gar nicht darum Ausnahmen zur Regel zu machen, sondern ich mache darauf aufmerksam, dass die üblichen Defintionen bei den Kelten nicht gelten.
Durch den Mangel an schriftlichen Zeugnissen entziehen sie sich der klaren Einteilung und Definition. Man hat ein Kerngebiet, in dem man davon ausgehen kann, dass Sprache, Kultur und Bräuche rein keltisch waren- aber je weiter man nach außen geht, um so unsicherer wird es. Und - wo war diese Grenze? Auch das ist nicht klar...

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06.07.2016, 19:08
Beitrag: #118
RE: Der Untergang von Sprachen
Der Historiker liebt nichts so sehr wie die Schriftlichkeit.
Und die Hauptaufgabe des Archäologen ist die Schriftquellen nochmals zusätzlich zu beweisen. Es sind die Sternstunden der Historie, wenn die Archäologen irgend einen Satz des Käsar zB aus dem Gallischen Krieg mit neuen Funden in Deckung zu bringen.

Nur, es ist immer eine gewisse Gefahr, wenn man weiß was man zu finden hat.
maW: man kennt was man findet. Ein Problem der Fund

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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06.07.2016, 19:13
Beitrag: #119
RE: Der Untergang von Sprachen
Noch ein interessantes Detail zu dieser Germanen/Kelten-Diskussion.

Jörg Biel schreibt aaO, dass der Reichtum Manchings durch Sklavenhandel entstanden wäre. Der Preis für einen Sklaven lag zdZ in Manching wohl bei einer Amphore Wein.

Der verhältnismäßig niedrige Preis veranlasst Biel zu der These, dass die Kelten in der Hauptsache Germanen handelten. Von denen es "reichlich" gegeben hätte.

Sorry, aber der Gedanke an keltische Sklavenjäger-Züge durch Nord- und Mitteldeutschland amüsiert mich hier in dem 3nd doch sehr....

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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06.07.2016, 20:47
Beitrag: #120
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 19:13)Suebe schrieb:  Noch ein interessantes Detail zu dieser Germanen/Kelten-Diskussion.

Jörg Biel schreibt aaO, dass der Reichtum Manchings durch Sklavenhandel entstanden wäre. Der Preis für einen Sklaven lag zdZ in Manching wohl bei einer Amphore Wein.

Der verhältnismäßig niedrige Preis veranlasst Biel zu der These, dass die Kelten in der Hauptsache Germanen handelten. Von denen es "reichlich" gegeben hätte.

Sorry, aber der Gedanke an keltische Sklavenjäger-Züge durch Nord- und Mitteldeutschland amüsiert mich hier in dem 3nd doch sehr....

In der Bronzezeit hat es diese Sklavenjagden sicherlich gegeben. Später werden die Kelten wohl überwiegend über Handel an Sklaven gekommen sein, Schwerter gegen Sklaven. Die Sueben werden wohl die meisten Sklaven an die Kelten verkauft haben. Kelten und Ubier haben auch mit Skandinavien Handel getrieben. Normale Produkte brauchten die Kelten nicht aus Skandinawien beziehen. Da waren Sklaven, Frauenhaar, Felle, Bernstein und Stockfisch wohl bevorzugte "Güter".

viele Grüße

Paul

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06.07.2016, 21:01
Beitrag: #121
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 19:13)Suebe schrieb:  Sorry, aber der Gedanke an keltische Sklavenjäger-Züge durch Nord- und Mitteldeutschland amüsiert mich hier in dem 3nd doch sehr....

Verrätst du mir den Witz bei Gelegenheit? ich brauche gerade was zum lachen....

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06.07.2016, 21:18
Beitrag: #122
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 13:43)Dietrich schrieb:  
(06.07.2016 08:47)Paul schrieb:  Die Latene kultur verschwand nicht. Sie entwickelte sich zu unserer mittelalterlichen Kultur weiter.

Nach Latène kamen die Römer und romaniserten den Kontinent und die Britischen Inseln.

Die Kultur des Mittelalters baut also mitnichten auf der Keltenkultur auf.

Sehr richtig. Und nach den Römern kamen die Germanen und aus dem Gemisch Römer und germanische Völker und den später dazu kommenden slawischen Völkern entwickelte sich die mittelalterliche Kultur.

Tatsächlich aber entwickelte sich die mittelalterliche Kultur, vereinfacht gesagt, im Wesentlichen aus dem Christentum resp. der Christianisierung (inkl. ihrer römischen Relikte) in Kombination mit den von den Franken im Frühmittelalter entwickelten Feudalismus (Lehenswirtschaft, Gefolgschaft etc. woraus u.a. später auch das Rittertum entstand).
Und, für Paul, dieser Feudalismus war eine "Erfindung" der frühmittelalterlichen Franken - also eine Eigenleistung - und nicht ein Bestandteil oder Relikt der germanischen Jastorf-Kultur und schon gar nicht der keltischen Latène-Kultur.

Die mittelalterliche Kultur entwickelte sich - mit Ausnahme von Byzanz - in stärkerer oder schwächerer Ausprägung über ganz Europa (bis Moskau).
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06.07.2016, 21:54
Beitrag: #123
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Damit hast du aber schon ein schwieriges Thema angesprochen. Die Kelten haben keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen- und damit ist überhaupt nicht bewiesen, dass die keltische Sprache auch die "muttersprache" war- das keltische kann genauso gut auch eine Art Lingua Franca gewesen sein.

Das ist jetzt doch eine etwas steile These. Die Kelten, welche von den Römern als solche bezeichnet und auch beschrieben wurden, werden dies ja wohl meist aufgrund der Sprache gemacht haben und dürften wohl auch in der Lage gewesen sein, keltisch von anderen Sprachen zu unterscheiden. Schliesslich waren sie ein Kulturvolk und nicht ganz unbedarft. Und auch die Kelten dürften Übersetzer gehabt haben, wie sonst hätten sie jeweils mit den Römern verhandelt ? Um eine Sprache erkennen zu können braucht es nicht unbedingt Schriftlichkeit und schliesslich wird auch heute noch keltisch gesprochen (gälisch, walisisch, bretonsisch) so das die Sprachwissenschaftler dies ohne weiteres einordnen können.

Das keltisch eine Art Lingua franca gewesen sein könnte, halte ich für höchst unwahrscheinlich. Cäsar beispielsweise erwähnt, dass die bei Bibracte geschlagenen Helvetier in griechisch geschriebene Verzeichnisse mit sich geführt haben. Also darf nicht nur darauf geschlossen werden, dass es Kelten gegeben hat, die griechisch konnten sondern auch, dass die Kelten wie die meisten antiken Völker jener Zeit griechisch als Lingua franca benutzt hatten.

(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Sagte ich doch schon- bsp. Irland. Die irische Bevölkerung stammt männlicherseits von Indogermanen ab, die vor der Entstehung der Kelten vor ca. 4000 Jahren nach Irland einwanderten. Und diese Iren sind im übrigen eng verwandt mit den Walisern und Basken.

Was heisst "männlicherseits" im Zsammenhang mit der Sprachverwandtschaft ? Das verstehe ich jetzt nicht.

Willst Du sagen, dass es vor den Kelten in Irland und Wales ein indogermanisches Volk gab, welches keine Kelten waren ?
Das ist ja schon möglich.
Nur ist es dann nicht möglich, dass dieses Volk mit den Basken verwandt ist. Baskisch ist die einzige noch heute existierende Sprache Europas die weder zur Indogermanischen-, Finnougrischen-, Semitischen- noch Turkomongolischen-Sprachgruppe gehört. Genaugenommen gehört baskisch gar keiner Sprachgruppe an resp. ist eine eigene Sprachgruppe.
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06.07.2016, 22:05
Beitrag: #124
RE: Der Untergang von Sprachen
Die meisten Elemente der Latene Kultur wurden beibehalten und breiteten sich in Germanien aus. Die Römer brachten verbesserten Mörtel, welcher Steinhäuser ermöglichte und einige Nahrungspflanzen.
Der Feudalismus war sicherlich eine neue gesellschaftliche Entwicklung. Die Germanen und Kelten kannten schon "Klientel" Stämme, also unterschiedlich abhängige Stämme.

viele Grüße

Paul

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07.07.2016, 14:07
Beitrag: #125
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Die Kelten haben keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen- und damit ist überhaupt nicht bewiesen, dass die keltische Sprache auch die "muttersprache" war- das keltische kann genauso gut auch eine Art Lingua Franca gewesen sein.

Es gibt Stämme, die von der Archäologie und von Historikern eindeutig als "keltisch" klassifiziert werden. Und von denen sprechen wir hier. Wo das nicht möglich ist, wird diese Aussage von der Forschung eingeschränkt.

Maßgeblich für solche Entscheidungen sind die Berichte antiker Autoren sowie die Interpretation der Sachfunde, d.h. der materiellen Hinterlassenschaft.

(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Es gibt ein keltisches Kerngebiet, innerhalb dessen ganz sicher keltisch gesprochen wurde, aber in den Randgebieten....

In den Übergangszonen zwischen Kelten und Germanen sind exakte Zuordnungen problematisch. Aber auch dort kristallisiert sich zu irgendeinem Zeitpunkt ein ethnischer Bestand heraus. Wo Klassifikationen fraglich sind. hat die Archäologie keine Scheu, das ausdrücklich zu betonen.

(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Sagte ich doch schon- bsp. Irland. Die irische Bevölkerung stammt männlicherseits von Indogermanen ab, die vor der Entstehung der Kelten vor ca. 4000 Jahren nach Irland einwanderten. Und diese Iren sind im übrigen eng verwandt mit den Walisern und Basken.

In Irland gab es vor Einwanderung der Indoeuropäer eine autochthone nichtindoeuropäische Bevölkerung. Kelten wanderten etwa ab 600 v. Chr. auf die Insel ein, wobei genaue Daten umstritten sind. Ob vor den Kelten noch eine andere indoeuropäische Bevölkerungsgruppe auf die Insel eingewandert war, ist nicht belegbar und umstritten.

(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Woher weißt du, welche Sprache z.B. die Bewohner des Altkönigs 500 v Chr. gesprochen haben? Schriftliche Aufzeichnungen existieren nicht, schriftliche Berichte der Römer liegen auch nicht vor. Also ist die Sprache letztendlich unbekannt...

Ich weiß das überhaupt nicht.
Archäologen und Historiker sichern Funde, rekonstruieren Zusammenhänge und ordnen Funde anhand kunstgeschichtlicher Merkmale historisch ein. Ob Kelten also den Altkönig zur Latène-Zeit beiedelten, kann nur die Archäologie beantworten. Die sagt dazu:

"In der La-Tène-Zeit, etwa um 400 v. Chr., besiedelten Kelten den Altkönig. Aus der Zeit stammen die zwei Ring- und Annexwälle des auf dem Gipfelplateau befindlichen Ringwalls Altkönig." https://de.wikipedia.org/wiki/Altk%C3%B6nig

(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Das ist ein ganz schlechtes Beispiel, einfach, weil die Griechen sich ja selbst als Griechen bezeichnet und von den anderen abgegrenzt haben. Und weil sie viel schriftliches- also Sprache- hinterlassen haben.

Warum soll der Hellenismus ein schlechtes Beispiel sein?
Du hast behauptet, eine Kultur würde auch die Sprache beeinflussen. Dass das nicht immer der Fall ist, zeigt die Kultur des Hellenismus. Andere Beispiele zeigen das Gegenteil. Es gibt also keinen unveränderlichen Automatismus in dieser Frage.

(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Bei den Kelten gilt das nicht.
Hier wird oft von der Kultur auf die Sprache geschlossen.

Ich habe schon mehrfach gesagt, dass es sich die Archäologen und Historiker so einfach nicht machen. Erst nach sorgfältiger Interpretation der materiellen Hinterlassenschaft - Waffen, Schmuck, Geräte, Bauwerke, Gräber, Bestattungskultur u.a. - sowie eventuellen Schriftquellen antiker Autoren werden Bevölkerungsgruppen oder Stämme bestimmten Ethnien zugeordnet.
Falls das nicht möglich ist, äußern sich Archäologen entsprechend und verfassen gegebenenfalls eine Hypothese. Das Verfahren ist durchaus transparent.

Die Kelten der Hallstatt- und Latène-Zeit sind archäologisch sehr gut bezeugt Wir kennen zahlreiche Höhensiedlungren (oppida), denken wir an den Mont Auxois (das antike Alesia), den Mont Beuvray (das antike Bibracte), an die Heuneburg bei Hundersingen an der oberen Donau oder den Glauberg in der hessischen Wetterau. Die wichtigsten Funde lieferten unberaubte Fürstengräber, darunter das um 480 v. Chr. angelegte Hügelgrab von Vix beim oppidum Mont Lassois mit reichstem Inventar, der 1977 edntdeckte Tumulus von Hochdorf beim oppidum Hohenasperg aus der Zeit um 540 v. Chr mit kostbarsten Beigaben sowie das Grab vom Glauberg, entdeckt 1994.

Alexander Demandt sagt dazu: "Erst für die weiter zurückliegenden Perioden werden die Annahmen über das, was "keltisch" heißen darf, ungewisser."

Vgl hierzu: Alexander Demandt, Die Kelten, München 1998, S. 15 f.
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07.07.2016, 15:57
Beitrag: #126
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 21:54)Aguyar schrieb:  Das ist jetzt doch eine etwas steile These. Die Kelten, welche von den Römern als solche bezeichnet und auch beschrieben wurden, werden dies ja wohl meist aufgrund der Sprache gemacht haben und dürften wohl auch in der Lage gewesen sein, keltisch von anderen Sprachen zu unterscheiden. Schliesslich waren sie ein Kulturvolk und nicht ganz unbedarft. Und auch die Kelten dürften Übersetzer gehabt haben, wie sonst hätten sie jeweils mit den Römern verhandelt ?

Halt- ich habe nicht gesagt, dass es keine keltischen Muttersprachler gegeben hat. Das wäre in der Tat völliger Quatsch.
Aber es gilt zu differenzieren- zum einen nach der Jahreszahl und zum anderen nach der Region.
Zum Beispiel erinnere ich mich noch an Bücher, die die Hallstatt- Kultur als "Kelten" bezeichnet haben, was heute so niemand mehr tut- eben weil die Sprache nicht überliefert ist. Die hallstattkultur wird anhand von Begräbnisriten und materiellen Gegenständen identifiziert. Der Übergnag zur Latene zeit ist von einer Veränderungen in den Fibeln gekennzeichnet- die Sprache ist ebenfalls unbekannt.
irgendwann tauchen die ersten Gallier als nachbarn der Römer auf, die keltisch sprechen. Und sicher können die Römer das erkennen. Aber wie weit reicht die keltische Sprache zu dem zeitpunkt, als die Römer mit ihnen in Verbindung kommen? Breitet sich die Sprache dann auf der anderen Seite des keltischen Sprachbereiches zuerst als Handelssprache aus, weil man über die Kelten in der Mitte mit den Römern handelt? Wie breiten sich keltische Kultur und Sprache aus? Über Eroberugen? Elitetranfer? Handel?
Die Römer haben nicht von oben auf Europa geschaut und von dort aus ihre Urteile gefällt- sie haben es von Rom aus getan.



(06.07.2016 21:54)Aguyar schrieb:  Um eine Sprache erkennen zu können braucht es nicht unbedingt Schriftlichkeit und schliesslich wird auch heute noch keltisch gesprochen (gälisch, walisisch, bretonsisch) so das die Sprachwissenschaftler dies ohne weiteres einordnen können.

Nö, können sie nicht unbedingt. Der Unterschied zwischen dem Gälischen und den britannischen Formen der heutigen keltischen Sprachen ist zwar erkennbar, aber über die Ursachen wird gestritten.

(06.07.2016 21:54)Aguyar schrieb:  Das keltisch eine Art Lingua franca gewesen sein könnte, halte ich für höchst unwahrscheinlich. Cäsar beispielsweise erwähnt, dass die bei Bibracte geschlagenen Helvetier in griechisch geschriebene Verzeichnisse mit sich geführt haben. Also darf nicht nur darauf geschlossen werden, dass es Kelten gegeben hat, die griechisch konnten sondern auch, dass die Kelten wie die meisten antiken Völker jener Zeit griechisch als Lingua franca benutzt hatten.

Caesar lebte um 60 v.Chr. Und um seine Zeit hast du recht.
Die Kelten aber gab es wohl schon 400 Jahre früher. Wie sieht es da aus? Wer will da bitte beurteilen, wer eine keltische Sprache als Muttersprache hatte?

(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Sagte ich doch schon- bsp. Irland. Die irische Bevölkerung stammt männlicherseits von Indogermanen ab, die vor der Entstehung der Kelten vor ca. 4000 Jahren nach Irland einwanderten. Und diese Iren sind im übrigen eng verwandt mit den Walisern und Basken.

Was heisst "männlicherseits" im Zsammenhang mit der Sprachverwandtschaft ? Das verstehe ich jetzt nicht.

Willst Du sagen, dass es vor den Kelten in Irland und Wales ein indogermanisches Volk gab, welches keine Kelten waren ?
Das ist ja schon möglich.
Nur ist es dann nicht möglich, dass dieses Volk mit den Basken verwandt ist. Baskisch ist die einzige noch heute existierende Sprache Europas die weder zur Indogermanischen-, Finnougrischen-, Semitischen- noch Turkomongolischen-Sprachgruppe gehört. Genaugenommen gehört baskisch gar keiner Sprachgruppe an resp. ist eine eigene Sprachgruppe.
[/quote]

Ich kann dir nur sagen, dass eine genetische Untersuchung von 165 männlichen irischem Skeletten ergeben hat, dass diese in der männlichen Linie von Einwanderern abstammen, die vor 4000 Jahren nach Irland einwanderten und Kulturgüter mitbrachten, die üblicherweise den Indogermanen zugeschrieben werden.
Eine Vergleich mit anderen Studien hat dann überraschenderweise gezeigt, dass diese Iren mit Walisern und Basken verwandt waren.
An der Erklärung rätseln die Wissenschaftler noch. Es paßt nicht zusammen, also ist irgendwo ein Fehler. Entweder in der wissenschaftlichen methodik- oder aber Sprache und Abstammung gehören doch nicht so eng zusammen, wie immer vermutet...

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07.07.2016, 16:04
Beitrag: #127
RE: Der Untergang von Sprachen
(07.07.2016 14:07)Dietrich schrieb:  
(06.07.2016 17:41)Bunbury schrieb:  Bei den Kelten gilt das nicht.
Hier wird oft von der Kultur auf die Sprache geschlossen.

Ich habe schon mehrfach gesagt, dass es sich die Archäologen und Historiker so einfach nicht machen. Erst nach sorgfältiger Interpretation der materiellen Hinterlassenschaft - Waffen, Schmuck, Geräte, Bauwerke, Gräber, Bestattungskultur u.a. - sowie eventuellen Schriftquellen antiker Autoren werden Bevölkerungsgruppen oder Stämme bestimmten Ethnien zugeordnet.
Falls das nicht möglich ist, äußern sich Archäologen entsprechend und verfassen gegebenenfalls eine Hypothese. Das Verfahren ist durchaus transparent.

Die Kelten der Hallstatt- und Latène-Zeit sind archäologisch sehr gut bezeugt Wir kennen zahlreiche Höhensiedlungren (oppida), denken wir an den Mont Auxois (das antike Alesia), den Mont Beuvray (das antike Bibracte), an die Heuneburg bei Hundersingen an der oberen Donau oder den Glauberg in der hessischen Wetterau. Die wichtigsten Funde lieferten unberaubte Fürstengräber, darunter das um 480 v. Chr. angelegte Hügelgrab von Vix beim oppidum Mont Lassois mit reichstem Inventar, der 1977 edntdeckte Tumulus von Hochdorf beim oppidum Hohenasperg aus der Zeit um 540 v. Chr mit kostbarsten Beigaben sowie das Grab vom Glauberg, entdeckt 1994.

Alexander Demandt sagt dazu: "Erst für die weiter zurückliegenden Perioden werden die Annahmen über das, was "keltisch" heißen darf, ungewisser."

Vgl hierzu: Alexander Demandt, Die Kelten, München 1998, S. 15 f.

Ich widerspreche dir hier ja gar nicht. Es ist nur eindeutiger, die Kelten ihrer Kultur nach zuzuordnen, für die es genug Belege gibt, als das Keltentum an der Sprache festzumache, die für weite Teile gar nicht belegt ist.
Und wie du mir mit Altkönig und Glauberg auch bestätigt hast, erfolgt auch hier die Zuordnung zu den Kelten nicht aufgrund der Sprache, sondern aufgrund dessen, was sie hinterlassen haben.
Mehr wollte ich gar nicht....Smile

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07.07.2016, 17:10
Beitrag: #128
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 20:47)Paul schrieb:  
(06.07.2016 19:13)Suebe schrieb:  Noch ein interessantes Detail zu dieser Germanen/Kelten-Diskussion.

Jörg Biel schreibt aaO, dass der Reichtum Manchings durch Sklavenhandel entstanden wäre. Der Preis für einen Sklaven lag zdZ in Manching wohl bei einer Amphore Wein.

Der verhältnismäßig niedrige Preis veranlasst Biel zu der These, dass die Kelten in der Hauptsache Germanen handelten. Von denen es "reichlich" gegeben hätte.

Sorry, aber der Gedanke an keltische Sklavenjäger-Züge durch Nord- und Mitteldeutschland amüsiert mich hier in dem 3nd doch sehr....

In der Bronzezeit hat es diese Sklavenjagden sicherlich gegeben. Später werden die Kelten wohl überwiegend über Handel an Sklaven gekommen sein, Schwerter gegen Sklaven. Die Sueben werden wohl die meisten Sklaven an die Kelten verkauft haben. Kelten und Ubier haben auch mit Skandinavien Handel getrieben. Normale Produkte brauchten die Kelten nicht aus Skandinawien beziehen. Da waren Sklaven, Frauenhaar, Felle, Bernstein und Stockfisch wohl bevorzugte "Güter".


In der Bronzezeit war noch nichts mit Manching.
Hier handelt es sich um die Zeit ca. 100 vor der Zeitenwende.
Und Jörg Biel stellt diese, mich amüsierende These, auf, indem er die verhältnismäßige "Billigkeit" eines Sklaven in Manching zu erklären versucht.
Die Germanengebiete boten genug Möglichkeiten günstig an Sklaven zu gelangen. (Originalton Prof. Jörg Biel)
Eine Amphore Wein für einen Sklaven.... also billiger kommt man kaum mehr an Arbeitskräfte....Bat

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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07.07.2016, 19:43
Beitrag: #129
RE: Der Untergang von Sprachen
(07.07.2016 16:04)Bunbury schrieb:  Ich widerspreche dir hier ja gar nicht. Es ist nur eindeutiger, die Kelten ihrer Kultur nach zuzuordnen, für die es genug Belege gibt, a

Selbstverständlich ist das erste Kriterium für eine Einordnung vorgeschichtlicher Ethnien die Kultur und die materielle Hinterlassenschaft.

Allerdings darf man vermuten, dass eine kulturell als "keltisch" definierte Ethnie auch keltisch sprach.
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07.07.2016, 22:23
Beitrag: #130
RE: Der Untergang von Sprachen
(07.07.2016 17:10)Suebe schrieb:  In der Bronzezeit war noch nichts mit Manching.
Hier handelt es sich um die Zeit ca. 100 vor der Zeitenwende.
Und Jörg Biel stellt diese, mich amüsierende These, auf, indem er die verhältnismäßige "Billigkeit" eines Sklaven in Manching zu erklären versucht.
Die Germanengebiete boten genug Möglichkeiten günstig an Sklaven zu gelangen. (Originalton Prof. Jörg Biel)
Eine Amphore Wein für einen Sklaven.... also billiger kommt man kaum mehr an Arbeitskräfte....Bat

Um 100 vor Chr. expandierten germanische Stämme. Wo hätten die Kelten Sklavenjagden veranstaltet und welche Stämme hätten sie heimgesucht?
Die Sueben werden bei ihrer Ausbreitung Gefangene gemacht haben. Deshalb haben sich germanische und keltische Stämme zurückgezogen.
So mancher Quade kann bei ihren Angriffen und Rachefeldzügen der Tenkterer von den Tenkterern gefangen genommen worden sein, bevor diese flohen und sich im Gebiet der Menapier niederließen.
Ubier und die benachbarten Kelten hielten Frieden und waren eher verbündet, so das die Ubier den Treverern und Eburonen Truppen im Kampf gegen Rom stellten.

viele Grüße

Paul

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08.07.2016, 08:39
Beitrag: #131
RE: Der Untergang von Sprachen
(07.07.2016 19:43)Dietrich schrieb:  
(07.07.2016 16:04)Bunbury schrieb:  Ich widerspreche dir hier ja gar nicht. Es ist nur eindeutiger, die Kelten ihrer Kultur nach zuzuordnen, für die es genug Belege gibt, a

Selbstverständlich ist das erste Kriterium für eine Einordnung vorgeschichtlicher Ethnien die Kultur und die materielle Hinterlassenschaft.

Allerdings darf man vermuten, dass eine kulturell als "keltisch" definierte Ethnie auch keltisch sprach.

Ja, die Wahrscheinlichkeit ist groß. Aber da vieles im Dunkel liegt, und die Kelten letztendlich nicht völlig greifbar und eindeutig abgrenzbar sind, ist es wöhl genauer, die Kelten über ihre Kultur zu definieren als über ihre Sprache.
Diese Ungenauigkeit in der Definition führt zu einigen Auseinandersetzungen, die aber nur den Definitionen geschuldet sind, die wir uns heute setzen- und über die die betreffenden Stämme warhscheinlich verwundert die Köpfe schütteln würden...Wink

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08.07.2016, 10:17
Beitrag: #132
RE: Der Untergang von Sprachen
Ab Ariovist und Cäsar liegt nicht mehr alles im Dunklen. Es gibt römische Berichte, welche die Ausgrabungen ergänzen. Es gibt auch die Weihesteine der Ubier für ihre Göttinen, sowie Orts- und Gewässerbezeichnungen welche von Peter Paul Schweitzer untersucht wurden. Wenn es konkret um Stämme geht, werden die konkret zugeordnet, also Ubier, Usipeter, Tenkterer, Hermunduren, Vandalen, Nemeter zu den Germanen, Helvetier und Bojer zu den Kelten. Treverer und Menapier werden oft als Mischstämme bezeichnet. Hier gibt es eine Diskrepanz, wenn man die Funde der Latene Kultur als keltisch bezeichnet, obwohl die Funde von Germanen stammten.

viele Grüße

Paul

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08.07.2016, 14:13
Beitrag: #133
RE: Der Untergang von Sprachen
(06.07.2016 21:54)Aguyar schrieb:  Willst Du sagen, dass es vor den Kelten in Irland und Wales ein indogermanisches Volk gab, welches keine Kelten waren ?
Das ist ja schon möglich.
Nur ist es dann nicht möglich, dass dieses Volk mit den Basken verwandt ist.

Die Frage ist an Bunbury gerichtet, doch möchte ich gern Stellung dazu nehmen.

In Irland gab es vor Einwanderung der Indoeuropäer eine autochthone Bevölkerung, die sich ethnisch nicht näher bestimmen lässt. Ob und wann indoeuropäische Bevölkerungsgruppen einwanderten, ist unklar. Vermutlich erfolgte das wie auch in Britannien während der Bronzezeit.

Wann keltische Gruppen in Irland einwanderten ist umstritten. Meist wird dafür 600 v. Chr. angenommen, doch gibt es auch Schätzungen, die etwa die Zeit um 300 v. Chr, postulieren.
Ferner gibt es eine Hypothese, die eine keltische Zuwanderung verneint, und die keltische Sprache und Kultur allein einer Kulturtrift zuschreibt. Das würde bedeuten, dass eine autochthone Inselbevölkerung lediglich einen Sprachwechsel vorgenommen hätte. - Allerdings hat sich diese Hypothese nicht durchsetzen können.

Im Einzelnen stellt sich Irlands Vorgeschichte so dar:

Die ersten bäuerlichen Kulturen lassen sich im 4. Jahrtausend v. Chr. feststellen. Bemerkenswerte Bodendenkmäler dieser und der folgenden Zeit sind die unzähligen Megalithgräber, darunter die monumentalen Bauten der Boynekultur. Die Frühbronzezeit (Beginn ca. 2000 v. Chr.) lieferte die meisten metallenen Fundgegenstände, u.a. Flachbeile, Stabdolche aus Kupfer und Bronze sowie Lunulae. In die Spätbronzezeit gehören viele Depot- und Siedlungsfunde, sogenannte Crannogs.

Der Zeitpunkt der keltischen Einwanderung ist wie oben beschrieben ungeklärt. Die Eisenzeit setzt erst ca. 300 v. Chr. ein und wird in ihrer ersten Phase durch den künstlerisch hochstehenden keltischen La-Tène-Stil geprägt. Mächtige Ringwälle keltischer Kleinkönige datieren in diese Zeit.

Den Römern in Britannien waren die Kelten in Irland als "Scoti" bekannt, den ebenfalls keltischen Briten als Gwyddyl. Die Goidil, wie sich die keltischen Eroberer selbst nannten, errichteten über die eingesessene Bevölkerung Irlands eine Oberherrschaft, die erst im 5. Jh. n. Chr. (!) ganz durchgestzt werden konnte.
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08.07.2016, 15:59
Beitrag: #134
RE: Der Untergang von Sprachen
Eine alte, inzwischen aber zumindest stark in Zweifel gezogene Theorie besagte, dass die britischen Inseln zwei Wellen keltischer Einwanderer erlebte.
Diese These orientierte sich daran, dass die in Schottland und Irland gesprochenen keltischen Sprachen ältere Formen seien als die in Wales, Cornwall und der Betragne gesprochene Sprachen. Die irische und schottische Sprache sind das sogenannte "q-keltisch" und zeigt sich u.a. im typisch schottischen Namenszusatz "Mac", was "Sohn von" bedeutet. Im Walisischen, das dem p-keltischen zugesprochen wird, lautet der gleiche Namenszusatz "ap".
Früher hat man geglaubt, dass eine erste keltische Wanderungswelle mit q-keltischer Sprache um ca. 800 v. Chr. nach Großbritannien und Irland gelangt sei, und dass eine spätere Wanderugnswelle 400 Jahre später die restlichen q-keltischen Stämme nach Irland bagedrängt haben.
Durch das immer weitere Voranschreiten gentechnischer Analysen ist diese These so allerdings nicht mehr haltbar. Auch gilt die Einteilung in q-keltische und p-keltische Sprachen heute als überholt, weil sie lediglich aufgrund dieses Lautes Sprachen eng zu einander stellt, die sich in anderen Punkten aber stärker von einander unterscheiden als manche q-keltische von einer p-keltischen.

So, jetzt habe ich aber doch noch mal genauer nachgeforscht- und festgestellt, dass ich da zwei Artikel durcheinander geworfen habe.
Iren, Waliser und Basken sind enger miteinander verwandt als mit anderen europäishen Völkern, aber diese Verwandtschft läßt sich auf eine gemeinsame Herkunft vor 10.000 Jahren zurückführen, also nix mit Indogermanen.
DNA Iren, Waliser, Basken

Wikipedia hat aus meiner zweiten Quelle folgende Informationen übernommen:

Untersuchungen des Genoms eines Frauenskelets aus Ballynahatty bei Belfast, das auf 3343–3020 v.Chr. datiert wurde, zeigt, dass sie genetisch zu Menschen aus dem Nahen Osten gehört, obwohl sie auch andere Einflüsse zeigt. Drei Männerskelette von der Rathlin Island im County Antrim, die auf 2026–1534 v.Chr. datiert wurden, weisen hingegen eine genetische Verwandtschaft zu Steppenvölkern aus dem Süden Russlands auf. Die Funde stellen zwei Wellen von Einwanderern in Europa dar, die im Neolithikum zunächst die Landwirtschaft nach Europa brachten und dann in der Bronzezeit eine bessere Metalltechnik einführten. Damit verdrängten sie in vielen Teilen Europas eine bereits ansässige Jäger und Sammlerbevölkerung, doch in Irland trafen sie auf ein bis dahin von diesen unbesiedeltes Gebiet und aus den beiden Einwandererwellen bildeten sich die Iren. Eine sehr enge genetische Beziehung besteht zu den Schotten und den Walisern, die auf die Entstehung eine insularen keltischen Genoms um 4000 v. Chr. hindeuten[2][3] Es besteht weiterhin eine ethnische Verwandtschaft mit den Bewohnern Cornwalls, den Manx auf der Isle of Man, aber auch den Bretonen (Keltische Nationen).

In meiner zweiten Quelle wurde das Frauenskelett als "neolithisch" bezeichnet, die drei Mänenrskelette als indogermanisch. Der Wikipedia Text ist allerdings ungenau, weil das Wort "keltisch" hier nicht in dem Sinn gebraucht wird, den wir üblicherweise verwenden, sondern meint ganz offensichtlich die Abstammung der Einwohner der britischen Inseln nach Ende der größeren Einwanderungswelle. "Keltisch" bezieht sich dabei nicht auf damals, sondern auf das, was heute "keltisch" ist.

Untersuchung 4 Skelette

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08.07.2016, 16:11
Beitrag: #135
RE: Der Untergang von Sprachen
Interessant finde ich hier die Überlieferte Sagenwelt Irlands.
Dort gelten die Formoire als die ältesten Einwohner der Insel. Sie werden als primitiv und erdverbunden aber direkt beschrieben.
Die Formoire wurden den Legenden nach von den Tuatha de Danaan verdrängt, den Angehörigen des Feenvolkes, das als verschlagen und listig, bunt und eitel beschrieben wird.
Und dann erst kamen die Menschen. Von den Formoire war da fast nichts mehr übrig, aber die listigen Tuatha de Danaan ist es immer wieder gelungen, sich in das Leben der Menschen einzumischen.

Einige Wissenschaftler glauben, dass sich in der irischen Überlieferung, uralte Erinnerungen an die neolitischen Siedler (Formoire), die Ankunft der ersten Indo- Germanen (Tuatha de Danaan) und dann der keltischen Ankömmlinge erhalten haben... Aber wie gesagt, das ist reine Spekulation (wenn auch eine, die mir zugegebener maßen sehr gefällt....)

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08.07.2016, 17:17
Beitrag: #136
RE: Der Untergang von Sprachen
Etwas besser erforscht als die irische Vorgeschichte ist die britische. Von dort lassen sich Hypothesen zur irischen ableiten.

1997 wurde am Skelett eines mittelsteinzeitlichen Mannes, das in der Cheddar Gorge von Somerset gefunden worden war, eine DNA-Analyse durchgeführt. Als man die Resultate mit der DNA der Einheimischen verglich, fand man heraus, dass einer der Einwohner von Cheddar Grove ein direkter Nachkomme des 9000 Jahre alten Mannes war. Diese Erkenntnis erschütterte die traditionelle Ansicht, dass nacheinander mehrere Masseneinwanderungen stattgefunden hatten, die die jeweils ansässigen Völker auslöschten." https://en.wikipedia.org/wiki/Cheddar_Man

Im allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Britischen Inseln erst nach Abschmelzen des Eisschildes besiedelt werden konnten, also ab etwa 9000 v. Chr. Zu dieser Zeit gab es eine breite Landverbindung zwischen Britannien und dem Kontinent, auf der mesolithische Jäger, Sammler und Fischer vorwiegend aus dem westeuropäischen Raum (heutiges Frankreich und Spanien) einwanderten. Diese mesolithische Bevölkerung bildete also den Grundstock der britischen Bevölkerung, den in den späteren Jahrtausenden neolithische "early farmers", "Beaker people" (Glockenbecherleute), Kelten und andere Bevölkerungsgruppen überschichteten.

Es scheint demnach eine altansässige Bevölkerung gegeben zu haben, deren Grundstock bis in die frühe nacheiszeitliche Periode zurückgeht. Etwa um 4000 v. Chr. erfolgte dann die Neolithisierung Britanniens. Ob damals frühe Ackerbauern (early farmers) vom Festland auf die Insel einwanderten oder ob es lediglich einen Kulturtransfer gab, ist umstritten. Vor allem auch, ob es sich um eine zahlenmäßig größere Zuwanderung handelte.

Ab etwa 2500 v. Chr. gab es eine gut nachweisbare Einwanderung durch Leute der Glockenbecherkultur (Beaker-People), die die Kenntnis der Metallverarbeitung mitbrachten. Auch hier ist umstritten, in welcher Größenordnung man sich die Migration der Glockenbecherleute vorzustellen hat.

Was aus dieser Bevölkerungsfusion hervorging, repräsentiert die britische Bevölkerung, die Stonehenge errichtete. Es mag jedoch sein, dass bereits die vorangehende jungsteinzeitliche Bevölkerung mit der Errichtung von Megalithbauten begann, denn die erste Phase von Stonehenge wird auf etwa 3000 v. Chr. datiert.

Ähnlich hat sich auch die Vorgeschichte Irlands abgespielt. Das frühe Mesolithikum zeigt Mikrolithen aus der Zeit um 7000 v. Chr., d.h. es gab auf Irland eine mesolithische Bevölkerung von Jägern, Fischrn und Sammlern. Zwischen 4000 und 2500 v. Chr. finden sich Spuren einer jungsteinzeitlichen Kultur mit rechteckigen Häusern und geschliffenen Steinwerkzeugen. Mit Eintreffen der Ackerbauern in Irland (etwa 4000 v. Chr.) kam Nutzvieh, Getreide und die zugehörige Innovation nach Irland, was zu einem signifikanten Bevölkerungswachstum führte. Die Töpferei kam auf und man verwendete vermehrt geschliffene Steinwerkzeuge. Diese Ackerbauern kamen vom Festland, ob darunter auch Individuen waren, deren Vorfahren einst als früheste Ackerbauern aus Anatolien zugewandert waren, ist denkbar.

Ab der Bronzezeit entstanden Siedlungen der Glockenbecherkultur (Beaker-People) wie auch in Britannien. Vermutlich wanderten die Glockenbecherleute über Britannien nach Irland ein. In dieser Zeit kamen vielleicht (!) auch indoeuropäische Bevölkerungsgruppen nach Irland, doch kann ich dazu weder in der Fachliteratur noch im Netz etwas finden. Erst im Hinblick auf die Einwanderung der Kelten, die um 600 v. Chr. erfolgt sein soll, ist man sich wieder einig.

Es mag also durchaus sein, dass die Kelten um 600 v. Chr. auf eine nichindogermanische autochthone Inselbevölkerung stießen, die sie überschichteten.

DNA-Tests an Walisern, Iren und Basken sollen angeblich belegen, dass sie eine Y-Chromosom-Gemeinschaft bilden. Alle zusammen können ihre Abstammung auf eine paläolithische Gemeinschaft von Jägern und Sammlern zurückführen, die vor der Ankunft der Ackerbauern vor 10.000 Jahren in Europa lebten. http://www.wissenschaft.de/home/-/journa...4/1212504/

Das bedeutet allerdings nichts anderes, als dass die mesolithische Bevölkerung Irlands vom Kontinent einwanderte und auf einen alten Gen-Pool zurückgeht, dem auch die Basken entstammen. Man darf sich also nicht vorstellen, dass Basken nach Irland übersetzten.
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09.07.2016, 12:45
Beitrag: #137
RE: Der Untergang von Sprachen
(08.07.2016 17:17)Dietrich schrieb:  Es scheint demnach eine altansässige Bevölkerung gegeben zu haben, deren Grundstock bis in die frühe nacheiszeitliche Periode zurückgeht. Etwa um 4000 v. Chr. erfolgte dann die Neolithisierung Britanniens. Ob damals frühe Ackerbauern (early farmers) vom Festland auf die Insel einwanderten oder ob es lediglich einen Kulturtransfer gab, ist umstritten. Vor allem auch, ob es sich um eine zahlenmäßig größere Zuwanderung handelte.

Ab etwa 2500 v. Chr. gab es eine gut nachweisbare Einwanderung durch Leute der Glockenbecherkultur (Beaker-People), die die Kenntnis der Metallverarbeitung mitbrachten. Auch hier ist umstritten, in welcher Größenordnung man sich die Migration der Glockenbecherleute vorzustellen hat.

Was aus dieser Bevölkerungsfusion hervorging, repräsentiert die britische Bevölkerung, die Stonehenge errichtete. Es mag jedoch sein, dass bereits die vorangehende jungsteinzeitliche Bevölkerung mit der Errichtung von Megalithbauten begann, denn die erste Phase von Stonehenge wird auf etwa 3000 v. Chr. datiert.

So wird es gerne angenommen, aber so geradlinig und eindeutig verlief die britannische Geschichte eben nicht.

Der älteste Steinkreis Britanniens, der in etwa so alt ist wie die erste Phase von Stonehenge, sind die Standing Stones of Stenness auf den Orkney Inseln. Hier wurden rund 700 Jahre vor Stonehenge die ersten steinernen Megalithbauten errichtet. Die dort typische Kultur war einflussreich und reichte weit bis in den Süden hinunter- entstanden ist sie auf den Orkneyinseln, wo es im Zentrum der Orkneys eine wahre Ansammlung von megaltithbauten gibt.
Einer der Stonehenge Ausgräber, Mike Parker Paerce spekultierte anläßlich einer großen Ausgrabung auf Orkney (Ness of Brodgar), dass die britannische Megalithkultur durchaus ihre eigenen Wurzeln gehabt haben könnte- die Bewohner der Orkney Inseln hätten den leicht zugänglichen Rohstoff Stein anstelle des bis dahin gebräuchlichen Holzes verwendet, der auf Orkney nicht so leicht anzutreffen sei- und dies habe die Errichtung von Steinkreisen über die britische Inseln nach sich gezogen.
Aber die Ausgrabungen am ness of Brodgar dauern noch immer an und sind noch längst nicht ausgewertet. Nachgewiesen ist aber, dass beide Zentren in Kontak miteinander standen. Wie sie stark sie sich beeinflußt haben, ist fraglich- und wie gesagt- das kulturelle Zentrum der Orkney Inseln ist etwas älter....


(08.07.2016 17:17)Dietrich schrieb:  Das bedeutet allerdings nichts anderes, als dass die mesolithische Bevölkerung Irlands vom Kontinent einwanderte und auf einen alten Gen-Pool zurückgeht, dem auch die Basken entstammen. Man darf sich also nicht vorstellen, dass Basken nach Irland übersetzten.

Nö. Es zeigt nur, dass indoeuropäische Iren und nicht indoeuropäische Basken die gleichen Vorfahren hatten und dass Sprache und Kultur nicht immer nur durch Wanderungen weitergegeben wurden.
Der Vergleich zwischen Iren, Walisern und Basken hat nämlich noch eines gezeigt- diese drei Gruppen sind untereinander enger verwandt als mit anderen Gruppen in Europa.
Auch wiederum ein Beweis dafür, dass die Bevölkerungsentwicklung nicht linear verlaufen ist...

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09.07.2016, 13:20
Beitrag: #138
RE: Der Untergang von Sprachen
(09.07.2016 12:45)Bunbury schrieb:  Nö. Es zeigt nur, dass indoeuropäische Iren und nicht indoeuropäische Basken die gleichen Vorfahren hatten und dass Sprache und Kultur nicht immer nur durch Wanderungen weitergegeben wurden.
Der Vergleich zwischen Iren, Walisern und Basken hat nämlich noch eines gezeigt- diese drei Gruppen sind untereinander enger verwandt als mit anderen Gruppen in Europa.
Auch wiederum ein Beweis dafür, dass die Bevölkerungsentwicklung nicht linear verlaufen ist...

Es gibt auf den Britischen Inseln eine alte vorindoeuropäische Bevölkerungsschicht. Sie geht zurück auf die mesolithischen Jäger, Fischer und Sammler, die noch bis ins 6. Jahrtausend v. Chr. auf der Landbrücke zwischen dem Kontinent und Britannien hin und her wanderten. Diese mesolithische Bevölkerung aus dem Raum Nordspanien/SW-Frankreich entstammte einer alten paläolithischen Basis. Das führt heute zu dem DNA.Ergebnis einer Verwandtschaft von Basken, Iren und Walisern, die allesamt aus dieser alteuropäischen Bevölkerung hervorgingen. Im oben angeführten Link heißt es somit zu Recht:

"DNA-Tests an Walisern, Iren und Basken belegen, dass sie eine Y-Chromosom-Gemeinschaft bilden. Alle zusammen können ihre Abstammung auf eine paläolithische Gemeinschaft von Jägern und Sammlern zurückführen, die vor der Ankunft der Ackerbauern vor 10.000 Jahren in Europa lebten. Dies ist das Ergebnis einer Gemeinschaftsstudie vom University College London und der University of California, die in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde."

Die indoeuropäische Einwanderung nach Mitteleuropa erfolgte erst in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr., berührte aber die Britischen Inseln kaum. Höchstens die Wessex-Kultur in Südengland führen einige auf die Einwanderung indoeuropäischer Bevölkerungsgruppen zurück, was allerdings umstritten ist.

Erst mit den Kelten erfolgte etwa um 600 v. Chr. (Datum ist umstritten) die Einwanderung indoeuropäischer Bevölkerungsgruppen. Ob wir allerdings mit einer zahlenmäßig großen Migration oder eher mit einem Kulturtransfer zu rechnen haben, ist bis heute Gegenstand wissenschaftllicher Kontroversen.
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10.07.2016, 10:55
Beitrag: #139
RE: Der Untergang von Sprachen
So intensiv kann die keltische/indogermanische Einwanderung nach Irland und Wales nicht gewesen sein, sonst hätte sich der vorindogermanische Genpool, den Iren und Waliser mit den Basken teilen, nicht heute noch so präsent sein.
Wenn man deine und Bunburys Aussagen mal zusammenführt, dann kommt dabei heraus, dass Iren, Waliser und Basken lediglich diejenigen Völker Westeuropas darstellen, bei denen der vorindogermanische Gen-Anteil am wenigsten mit indogermanischen Genen vermischt wurde...Wink
Weiter gedacht hätten wir dann in den Iren, Walisern und Basken jeweils eine Bevölkerung vor uns, bei denen die Indogermanisierung nicht so sehr durch Einwanderung, sondern mehr durch Kulturtransfer abgelaufen ist; bei den Iren und Walisern intensiver als bei den Basken, schließlich sind Irisch und Walisisch indogermanische Sprachen, Baskisch aber nicht Wink
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11.07.2016, 09:42
Beitrag: #140
RE: Der Untergang von Sprachen
(09.07.2016 13:20)Dietrich schrieb:  Es gibt auf den Britischen Inseln eine alte vorindoeuropäische Bevölkerungsschicht. Sie geht zurück auf die mesolithischen Jäger, Fischer und Sammler, die noch bis ins 6. Jahrtausend v. Chr. auf der Landbrücke zwischen dem Kontinent und Britannien hin und her wanderten. Diese mesolithische Bevölkerung aus dem Raum Nordspanien/SW-Frankreich entstammte einer alten paläolithischen Basis. Das führt heute zu dem DNA.Ergebnis einer Verwandtschaft von Basken, Iren und Walisern, die allesamt aus dieser alteuropäischen Bevölkerung hervorgingen. Im oben angeführten Link heißt es somit zu Recht:

"DNA-Tests an Walisern, Iren und Basken belegen, dass sie eine Y-Chromosom-Gemeinschaft bilden. Alle zusammen können ihre Abstammung auf eine paläolithische Gemeinschaft von Jägern und Sammlern zurückführen, die vor der Ankunft der Ackerbauern vor 10.000 Jahren in Europa lebten. Dies ist das Ergebnis einer Gemeinschaftsstudie vom University College London und der University of California, die in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde."

Dann scheint also die mesolithische Bevölkerung von Irland und Wales im weitesten Sinne mit den Basken verwandt gesehen zu sein.

Offenbar ist da aber nicht die Rede von Indoeuropäern, die vor den Kelten eingewandert wären. Es war eigentlich auch lediglich diese Aussage, die mich irritiert hat. Zumal es ja - wie es kein Kelten- oder Germanengen gibt - erst recht kein Indoeuroäer-Gen gibt. Und meines Wissens ist die Existenz der Indoeuropäer nur sprachlich gesichert. Ihre kulturellen Hinterlassenschaften (Werkzeuge, Geräte) kennt man nicht, sonst müsste man sich nicht über ihr Herkunftsgebiet (Südrussische Steppe, Anatolien) streiten. Archäologisch fassbar sind sie jedenfalls nicht. Wie man die Einwanderung von Indoeuropäern ohne Kenntnis der sprachlichen Entwicklung behaupten kann, ist mir deshalb auch schleiferhaft.

Was mir durch die zitierten Untersuchungen möglich erscheint, ist, dass man in Irland vor der Einwanderung der Kelten eine dem Baskischen verwandte Ursprache gesprochen hat.
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11.07.2016, 12:53
Beitrag: #141
RE: Der Untergang von Sprachen
(11.07.2016 09:42)Aguyar schrieb:  Offenbar ist da aber nicht die Rede von Indoeuropäern, die vor den Kelten eingewandert wären. Es war eigentlich auch lediglich diese Aussage, die mich irritiert hat. Zumal es ja - wie es kein Kelten- oder Germanengen gibt - erst recht kein Indoeuroäer-Gen gibt.

Du beziehst dich jetzt nur auf den einen Artikel.
Ich habe einen zweiten zitiert.
Der bezieht sich auf die Untersuchung von 4 Skeletten.

Der Wiki-Aritkel bezieht sich auf diese Untersuchung:

"Ein Frauenskelett, dass auf Untersuchungen des Genoms eines Frauenskelets aus Ballynahatty bei Belfast, das auf 3343–3020 v.Chr. datiert wurde, zeigt, dass sie genetisch zu Menschen aus dem Nahen Osten gehört, obwohl sie auch andere Einflüsse zeigt. Drei Männerskelette von der Rathlin Island im County Antrim, die auf 2026–1534 v.Chr. datiert wurden, weisen hingegen eine genetische Verwandtschaft zu Steppenvölkern aus dem Süden Russlands auf. "

Zumindest, wenn man der These anhängt, dass die Indoeuropäer aus dem Gebiet der südrussischen Steppe kommen, läßt sich die These vertreten, dass vor 4000 Jahren Indoeuropäer nach Irland einwanderten.

(11.07.2016 09:42)Aguyar schrieb:  Und meines Wissens ist die Existenz der Indoeuropäer nur sprachlich gesichert. Ihre kulturellen Hinterlassenschaften (Werkzeuge, Geräte) kennt man nicht, sonst müsste man sich nicht über ihr Herkunftsgebiet (Südrussische Steppe, Anatolien) streiten. Archäologisch fassbar sind sie jedenfalls nicht. Wie man die Einwanderung von Indoeuropäern ohne Kenntnis der sprachlichen Entwicklung behaupten kann, ist mir deshalb auch schleiferhaft.

Es ist ein Rückschluss. Es gibt eine Verwandtschaft von Sprachen, das läßt sich nachweisen. Und vermutlich geht diese Verwandtschaft auf eine gemeinsame Ursprache zurück. Das ist eine Hypothese, aber die ist plausibel. Wenn man sich ansieht, wie grundsätzlich unterschiedlich z.B. die indoeuropäischen Sprachen von den fernöstlichen sind, dann gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sich die ganzen Sprachen der indoeurpäischen Sprachfamilie an unterschiedlichen Orten unabhängig von einander entwickelt haben.
Einige der Wörter, an denen diese verwandtschaft festgemacht wird, weisen aber in der Tat auf eine bestimmte Kultur hin, die sich im entsprechenden Zeitraum auch verbreitet hat. Dass alte Kulturen von neuen Techniken und Kulturen abgelöst wurden, läßt sich archäologisch nachweisen.
Das das eine mit dem anderen im Zusammenhang steht, erscheint mir zwar logisch, aber ich denke, dass das bisherige wissenschaftliche Modell zu linear ist in seiner Ausrichtung. Nicht eine neue Kultur hat alte Kulturen verdrängt, nicht eine neue Sprache alte Sprachen verdrängt, sondern es gab Beeinflussungen. Von Neu nach Alt, aber auch von Alt zurück nach Neu. Von Sprache zu Kultur, aber auch zu Kultur zu Sprache.

Wie dem auch sei- vor 4000 wanderten Menschen nach Irland ein, die genetisch aus der südrussischen Steppe stammen und sie brachten die Technim der Metallverarbeitung mit.
Beides Dinge, die mit den Indoeuropäern in Verbindung gebracht werden.
Aber wenn dir die Bezeichnung "Indoeuropäer" nicht liegt, dann von mir aus metallverarbeitende Menschen aus der Südrussischen Steppe, deren Sprache unbekannt ist.

Die Kelten waren jedenfalls nicht die ersten, die seit dem Ende des Neolithikums einwanderten...


(11.07.2016 09:42)Aguyar schrieb:  Was mir durch die zitierten Untersuchungen möglich erscheint, ist, dass man in Irland vor der Einwanderung der Kelten eine dem Baskischen verwandte Ursprache gesprochen hat.

Aber damit ignorierst du die Eiwanderer aus der südrussischen Steppe, die es ja gegeben hat, egal, welche Sprache sie sprachen.
Irland besaß zunächst eine neolithische Bevölkerung, die genetisch aus Anatolien stammte- und deren Reste sich auch in Wales und dem Baskenland finden lassen.
In einer zweiten Einwanderungswelle kamen Menschen aus der südrussischen Steppe, die eine bessere Metallverabeiteung mitbrachten- und ganz egal, welche Sprache sie sprachen, es ist sehr unwahrscheinlich, dass von dieser Sprache nichts in Irland gelandet sein soll.
In einer dritten Einwanderungswelle kamen dann die Kelten.

Eines ist damit aber auch noch nicht geklärt- warum sprachen die Iren dann ein ganz anderes keltisch als die Waliser?

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11.07.2016, 13:49
Beitrag: #142
RE: Der Untergang von Sprachen
Aguyar schrieb:  Dann scheint also die mesolithische Bevölkerung von Irland und Wales im weitesten Sinne mit den Basken verwandt gesehen zu sein.

Iren, Basken und Waliser zeigen die Gene einer alteuropäischen Bevölkerung deutlicher, da es sich um Restpopulationen in geografisch isolierten Räumen handelt. Die Bevölkerung Mitteleuropas hingegen erlebte im Verlauf einiger Jahrtausende eine vielfache Überschichtung durch fremde Bevölkerunsgruppen, was sich auf die Gensubstanz entsprechend auswirkte.

Aguyar schrieb:  Offenbar ist da aber nicht die Rede von Indoeuropäern, die vor den Kelten eingewandert wären.

Die vermutete indoeuropäische Einwanderung nach Mitteleuropa erfolgte in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. Somit taucht die Frage auf, ob indoeuropäische Bevölkerungsgruppen nach 2000 v. Chr. - und noch vor Ankunft der Kelten - auf die Britischen Inseln einwanderten. Das wird meist verneint. Ledig die britische Wessex-Kultur könnte darauf hindeuten, doch ist das umstritten. Meist wird die Wessex-Kultur als Spätausläufer der Beaker-Kultur (Glockenbecher-Kultur) betrachtet. https://de.wikipedia.org/wiki/Wessex-Kultur

Aguyar schrieb:  Und meines Wissens ist die Existenz der Indoeuropäer nur sprachlich gesichert.

Wo es eine Sprache gibt, muss es auch Träger dieser Sprache geben. Insofern haben sich namhafte Archäologen, Sprachwissenschaftler, Genetiker und Althistoriker mit der Identität und Herkunft der Indoeuropäer befasst: Colin Renfrew, David Anthony, Harald Haarmann, Marija Gimbutas, Alexander Häusler, James P. Mallory, Luigi Cavalli-Sforza und viele andere.
Das Problem der Indoeuropäer ist bis heute umstritten. Du kannst das im einzelnen hier nachlesen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Indogermanen
https://de.wikipedia.org/wiki/Proto-Indoeurop%C3%A4er

Auch in diesem Forum gibt es einen Pfad, wo Identität und Herkunft der Indoeuropäer ausführlich diskutiert wurden: http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...dogermanen
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11.07.2016, 16:13
Beitrag: #143
RE: Der Untergang von Sprachen
(11.07.2016 12:53)Bunbury schrieb:  Es ist ein Rückschluss. Es gibt eine Verwandtschaft von Sprachen, das läßt sich nachweisen. Und vermutlich geht diese Verwandtschaft auf eine gemeinsame Ursprache zurück. Das ist eine Hypothese, aber die ist plausibel. Wenn man sich ansieht, wie grundsätzlich unterschiedlich z.B. die indoeuropäischen Sprachen von den fernöstlichen sind, dann gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sich die ganzen Sprachen der indoeurpäischen Sprachfamilie an unterschiedlichen Orten unabhängig von einander entwickelt haben.

Das habe ich ja wirklich nie bestritten. Natürlich gibt es die Ursprache Indoeuorpäisch. Und natürlich kann man davon ausgehen, dass, wenn es in allen oder einem grossen Teil der indoreupäischen Sprache ein ähnliches Wort z. B. für ein bestimmtes Werkzeug gibt, dass bereits die Indoeuropäer dieses Werkzeug hergestellt und verwendet haben. Bei Haustieren lässt sich das weniger gut ermitteln, denn, wenn es beispiesweise für "Pferd" einen gemeinsame indoeuroäische Stammform gibt, ist es nicht zwangsläufig, dass das Pferd bei den Indogermanen bereits domestiziert sein musste.

Ich bestreite aber dennoch, dass man eine Kultur an den Indoeuropäern festmachen kann - Metallverarbeitung konnten z.B. auch die Vorfahren der semitischen oder der Han-Völkern. Du gibst ja z.B. zu bedenken, dass die Latène-Kulutr nicht mit keltisch-sprachigen Völkern identisch sein muss (was ich tue), aber mit den viel älteren Indoeruopäern soll das hingegen gelingen ?

(11.07.2016 12:53)Bunbury schrieb:  Wie dem auch sei- vor 4000 wanderten Menschen nach Irland ein, die genetisch aus der südrussischen Steppe stammen und sie brachten die Technim der Metallverarbeitung mit.
Beides Dinge, die mit den Indoeuropäern in Verbindung gebracht werden.
Aber wenn dir die Bezeichnung "Indoeuropäer" nicht liegt, dann von mir aus metallverarbeitende Menschen aus der Südrussischen Steppe, deren Sprache unbekannt ist.

Das würde ich vorziehen. Wenn es sich bei den vor 4000 Jahren in Irland Einwandernden (vor allem auch Einwanderinnen) um Indoeuropäer handelte, dann wären diese kurz vor oder zum Mindesten gleichzeitig mit den "ersten Indogermanen in Europa" (Mykener, Hethiter) eingewandert. Das wäre zum Mindesten recht bemerkenswert.

(11.07.2016 12:53)Bunbury schrieb:  Irland besaß zunächst eine neolithische Bevölkerung, die genetisch aus Anatolien stammte- und deren Reste sich auch in Wales und dem Baskenland finden lassen.

Interessant ist das auf jeden Fall. Vor allem die Verbindung zu den Basken.
Allerdings vielleicht doch nicht ganz so erstaunlich, wenn ich mir die Wikipedia-Bemerkungen bez. Y-Chromosom und der R1b-Halogruppe anschaue.

https://de.wikipedia.org/wiki/Haplogrupp...28Y-DNA%29

https://de.wikipedia.org/wiki/Altmediter...1b-map.JPG

Möglicherweise interpretiere ich aber auch hier etwas falsch - ich bin "biologisch" etwas unbedarft.Shy

(11.07.2016 12:53)Bunbury schrieb:  Eines ist damit aber auch noch nicht geklärt- warum sprachen die Iren dann ein ganz anderes keltisch als die Waliser?

Das verstehe ich nicht ganz. Es dürften dieselben Gründe sein, weshalb die Deutschen ein ganz anderes Germanisch sprechen als die Engländer oder als die Isländer. Und, so nehme ich an, dass auch Bretonisch wiederum ein ganz anderes Keltisch ist. Oder sehe ich das zu einfach ?
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11.07.2016, 17:33
Beitrag: #144
RE: Der Untergang von Sprachen
(11.07.2016 16:13)Aguyar schrieb:  Ich bestreite aber dennoch, dass man eine Kultur an den Indoeuropäern festmachen kann -

Je nachdem, welcher Hypothese zur Urheimat der Indoeuropäer man folgt, existieren verschiedene Theorien zur Kultur. So gibt es einige Wissenschaftler wie den Amerikaner David Anthony oder die verstorbene Archäologin Marija Gimbutas, die als Ausgangspunkt der Indoeuropäer den Steppenraum Südrusslands zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer annehmen und die dortige Jamnaja- oder auch Kurgankultur (3600-2500 v. Chr.) als proto-indoeuropäisch ansehen. Dazu heißt es u.a.:

"Marija Gimbutas identifizierte die Jamnaja-Kultur in ihrer Kurgan-Hypothese als Kandidaten für die Urheimat der indogermanischen Sprachen, zusammen mit der davor liegenden Sredny-Stog-Kultur am mittleren Dnepr und der Chwalynsk-Kultur an der mittleren Wolga. Dieser Auffassung folgt David W. Anthony u. a. mit dem Argument der linguistisch belegten langdauernden Kontakte der indogermanischen mit den uralischen Sprachen. [4] Eine Studie aus dem Jahr 2015 untermauert diese These an Hand genetischer Analysen. Demnach beträgt der genetische Jamnaja-Anteil bei den Schnurkeramikern 75 %.[5] Eine weitere großangelegte genetische Studie von 2015 kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass es in der Bronzezeit eine massive Migration von Trägern der Jamnaja-Kultur gab, und zwar mit zwei Hauptrichtungen: eine Bewegung in nordwestlicher Richtung, also nach Nordeuropa, und eine gen Osten, in Richtung der Altai-Sajan-Region."

https://de.wikipedia.org/wiki/Jamnaja-Kultur

Der britische Archäologe Colin Renfrew entwickelte eine Hypothese, wonach die Indoeuropäer identisch sind mit den ersten Ackerbauern, die ab dem 7. Jahrtausend v, Chr. von Anatolien aus Europa kolonisierten, Folglich nennt man diese Hypothese die "Anatolien-Hypothese". Das kulturelle Profil wären dann die Starcevo- und bandkeramische Kultur. Aufgrund chronologioscher Probleme ist diese Hypothese sehr umstritten. https://de.wikipedia.org/wiki/Anatolien-Hypothese

Der Archäologe Alexander Häusler bestreitet jede Invasionshypothese. Er geht davon aus, dass sich die Indoeuropäer organisch aus der nacheiszeitlichen mesolithischen Bevölkerung Mitteleuropas entwickelt haben, ohne jeden Einbruch von außen. http://www.nomadsed.de/fileadmin/user_up...eusler.pdf

Man sieht also, dass das Problem der Indoeuropäer bis heute umstritten und ungelöst ist - trotz zahlreicher Hypothesen.

Mehrheitlich wird gegenwärtig die Herkunft aus dem Raum zwischen Osteuropa und Kaspischem Meer angenommen. Würde das zuteffen, hätten die Proto-Indoeuropäer eine nomadische Kultur gehabt, wie es für Steppenvölker typisch ist. Die Toten wurden mit Ocker bestreut (daher auch der Name Ockergrab-Kultur), über den Gräbern errichtete man Hügel (Kurgane). n den Gräbern wurden Knochen von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen und Pferden gefunden, die auf den Brauch der Mitgabe von Fleisch für das Jenseits hindeuten. Dieser Brauch wurde auch bei späteren indogermanischen Stämmen, wie den Indoiranern, ausgeübt.

(11.07.2016 16:13)Aguyar schrieb:  Das würde ich vorziehen. Wenn es sich bei den vor 4000 Jahren in Irland Einwandernden (vor allem auch Einwanderinnen) um Indoeuropäer handelte, dann wären diese kurz vor oder zum Mindesten gleichzeitig mit den "ersten Indogermanen in Europa" (Mykener, Hethiter) eingewandert. Das wäre zum Mindesten recht bemerkenswert.

Was die Archäologen sicher wissen, ist die Einwanderung der Beaker-People etwa um 2500 v. Chr., die Händler waren und die Kenntnis der Metallverarbeitung auf die Britischen Inseln brachten. Diese Glockenbecherleute sind in ganz West- und Mitteleuropa anzutreffen, wanderten in kleinen Gruppen und waren mit Sicherheit keine Indoeuropäer. Ihr ethnisches Profil ist unbekannt. Vor allem die Männer besaßen einen auffallend steilen Hinterkopf, den Archäologen "planoccipitalen Steilkopf" nennen. Er erinnert an die Kopfform der Figuren der Osterinsel. In Mitteleuropa gab es dafür keine Vorläufer. Heute kommt diese Kopfform noch häufiger in Portugal und im Baskenland und vereinzelt im Vorderen Orient vor.

Ob noch vor den Kelten andere indoeuropäische Gruppen auf die Britischen Inseln einwanderten, sit unbekannt.
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11.07.2016, 18:18
Beitrag: #145
RE: Der Untergang von Sprachen
Die Steppen Südrusslands sind sekundäre Ausbreitungsgebiete. Die Gebiete nördlich davon als "Urheimat" erklären vieles besser z.B. das einfachere kulturelle Niveau der nördlichen Indogermanen, welche Landwirtschaft und Eisenverarbeitung erst später kennenlernten, nachdem sie in den sekundären Ausbreitungsgebieten schon bekannt waren.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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11.07.2016, 18:46
Beitrag: #146
RE: Der Untergang von Sprachen
(11.07.2016 16:13)Aguyar schrieb:  Ich bestreite aber dennoch, dass man eine Kultur an den Indoeuropäern festmachen kann - Metallverarbeitung konnten z.B. auch die Vorfahren der semitischen oder der Han-Völkern. Du gibst ja z.B. zu bedenken, dass die Latène-Kulutr nicht mit keltisch-sprachigen Völkern identisch sein muss (was ich tue), aber mit den viel älteren Indoeruopäern soll das hingegen gelingen ?

Ich glaube, hier haben wir uns komplett falsch verstanden. Mir ging es darum, dass wir nicht mit Sicherheit annehmen können, dass die Träger einer bestimmten Kultur eine bestimmte, einheitliche Sprache sprachen- und dass es die geburts bzz einzige Sprache war. Das glaube ich weder bei den Kelten noch bei den Indogermanen.
Bei beiden zeichnet sich aber im Hintergrund eine Grundidentität ab, die beide den Kelten wegen ihres früheren Alters natürlich deutlicher ist als bei den Indoeuropäern, die sehr nebelhaft bleibt. Dennoch lassen sich mit der verbreitung des südrussischen Steppengenoms gewisse Änderungen im Lebenswandel feststellen. Natürlich gab es auch metallverarbeitung anders wo, aber eben ... andere Techniken.

(11.07.2016 16:13)Aguyar schrieb:  
(11.07.2016 12:53)Bunbury schrieb:  Wie dem auch sei- vor 4000 wanderten Menschen nach Irland ein, die genetisch aus der südrussischen Steppe stammen und sie brachten die Technim der Metallverarbeitung mit.
Beides Dinge, die mit den Indoeuropäern in Verbindung gebracht werden.
Aber wenn dir die Bezeichnung "Indoeuropäer" nicht liegt, dann von mir aus metallverarbeitende Menschen aus der Südrussischen Steppe, deren Sprache unbekannt ist.

Das würde ich vorziehen. Wenn es sich bei den vor 4000 Jahren in Irland Einwandernden (vor allem auch Einwanderinnen) um Indoeuropäer handelte, dann wären diese kurz vor oder zum Mindesten gleichzeitig mit den "ersten Indogermanen in Europa" (Mykener, Hethiter) eingewandert. Das wäre zum Mindesten recht bemerkenswert.

Die untersuchte Frau ist älter und stammt nicht aus der südrussischen Steppe, sondern aus Anatolien. Aber abgesehen davon- So bemerkenswert ist es aber vielleicht auch nicht. ich weiß aus diversen schottischen Museen, dass die britischen Inseln im 3000 Jahrtausend vor Christus einen gewaltigen Aufschwung erlebten und sehr rasch besiedelt wurden, weil das Klima für ungefähr 1000 Jahre auf den britischen Inseln fast ideal war. Möglich, dass sich Menschen in Bewegung setzten, weil es anderswo eben nicht mehr so ideal war...
Ich will auch gar nicht behaupten, dass es wirklich das waren, was wir heute "Indoeuropäer" nennen. Allerdings halte ich es auch nicht für galubhaft, dass sich kurz hintereinander zwei völlig unterschiedliche Volksgruppen aus der gleichen Region in Bewegung gesetzt haben, die überhaupt nichts miteinander zu tun hatten. Selbst wenn die Iren nicht von den gleichen südrussischen Steppennomaden abstammten wie die Hetither, dürften sie zumindest "Cousins" gewesen sein...

(11.07.2016 16:13)Aguyar schrieb:  
(11.07.2016 12:53)Bunbury schrieb:  Eines ist damit aber auch noch nicht geklärt- warum sprachen die Iren dann ein ganz anderes keltisch als die Waliser?

Das verstehe ich nicht ganz. Es dürften dieselben Gründe sein, weshalb die Deutschen ein ganz anderes Germanisch sprechen als die Engländer oder als die Isländer. Und, so nehme ich an, dass auch Bretonisch wiederum ein ganz anderes Keltisch ist. Oder sehe ich das zu einfach ?

Das Bretonische und das Walisische sind miteinander verwandt, und man nimmt an, dass sich beide aus der keltischen Sprache entwickelt hat, die in Britannien zur Zeit der römischen Erobrung gesprochen wurde.
Das irische scheint eine ältere Form des keltischen zu sein.
Eine alte Theorie besagte, dass in einem ersten Schwung Kelten beide britischen Inseln besiedelten, und dass es eine zweite Besiedlungswelle gab, die nur noch das heutige Großbritannien erreichte. Einige Historiker glauben, dass die zweite Welle mit Caesars Eroberung von Gallien zusammenhing, dass also keltische Stämme außerhalb Galliens nach Britannien gelangten. ich selbst halte das für nicht so wahrscheinlich, dass dann in so kurzer Zeit die Altkeltische Sprache komplett verdrängt wurde. Dass die Schotten heute wieder eine Form des q-keltischen sprechen, ist nicht darauf zurückzuführen, dass die zweite Welle nicht bis Schottland kam, sondern dass zumindest der Westen von Schottland wieder von Irland aus erobert und regiert wurde...

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11.07.2016, 19:40
Beitrag: #147
RE: Der Untergang von Sprachen
(11.07.2016 18:46)Bunbury schrieb:  Bei beiden zeichnet sich aber im Hintergrund eine Grundidentität ab, die beide den Kelten wegen ihres früheren Alters natürlich deutlicher ist als bei den Indoeuropäern, die sehr nebelhaft bleibt. Dennoch lassen sich mit der verbreitung des südrussischen Steppengenoms gewisse Änderungen im Lebenswandel feststellen. Natürlich gab es auch metallverarbeitung anders wo, aber eben ... andere Techniken.

Änderungen im Lebenswandel ? Du gehst hier natürlich davon aus, dass der Herkunftsort der Indoeuropäer Südrussland ist. Die Kurgan-These ist zwar, soweit ich das Überblicke (auch aufgrund von Dieters Links) die heute wohl anerkannteste These - allerdings ist Anatolien (eine andere These als Heimat der Indoeuropäer) noch nicht vom Tisch.

Von einer Kultur auf eine Sprache oder eine genetische Gruppe ist tatsächlich problematisch. Dazu ein Scherz, den ich mal in einem anderen Forum ....
Stell Dir vor, in 1000 oder 2000 Jahren werden wir selbst ausgegraben. Wir hinterlassen keine Schriftquellen, da wir die Schriftlichkeit auf Elektronik umgestellt haben und die Compis und Labtops nach solanger Zeit längst entmagnetisiert und die Daten futsch sind. Wir werden dann ebenso wie die Leuter der" Schnurkeramischen Becherkultur" nach unseren unzerstörbaren Alltagsgegenständen beurteilt und so zu einer "Henkelplastischen Klobürstenkultur" Kultur erklärt, welche sich über Europa (Verbrauch) bis nach China (Herstellung) ausgebreitet und sich sich durch diesselben Sitten, Traditionen, Rituale und Sprache (!) ausgezeichnet hat. Eine der schwungvollen Hypothese über die Prä-HKler dürfte dann die Theorie sein, dass die "Plastiker" auf ihren Wanderungen in der "Naturborsten-Kultur" aufgegangen sind und die...

Was die Verwandtschaft mit Iren, Walisern und Basken würde mich ja schon interessieren, ob diese Verwandschaft möglicherweise lediglich auf die Haplogruppe R1b (Y-DNA) zurückführen ist - vielleicht sollte man auch mal in der Bretagne entspr. Forschungen durchführen.
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11.07.2016, 19:44
Beitrag: #148
RE: Der Untergang von Sprachen
(11.07.2016 18:46)Bunbury schrieb:  Das würde ich vorziehen. Wenn es sich bei den vor 4000 Jahren in Irland Einwandernden (vor allem auch Einwanderinnen) um Indoeuropäer handelte, dann wären diese kurz vor oder zum Mindesten gleichzeitig mit den "ersten Indogermanen in Europa" (Mykener, Hethiter) eingewandert. Das wäre zum Mindesten recht bemerkenswert

Es gab vier zentrale Einwanderungswellen auf die Britischen Inseln, wobei jeweils die zahlenmäßige Anzahl umstritten ist:

1. Einwanderung mesolithischer Jäger und Sammler vom Kontinent auf die seit dem 7. Jt. v. Chr. eisfreien Britischen Inseln.

2. Etwa um 4000 v. Chr. Einwanderung erster Ackerbauern ("early farmers") von SW-Frankreich/Mitteleuropa und Neolithisierung Englands. (KEINE Indoeuropäer)

3. Etwa um 2400 v. Chr. Einwanderung der Glockenbecherleute (beaker-people), die die Kenntnis der Metallverarbeitung mitbringen (KEINE Indoeuropäer).

4. Ab etwa 600 v. Chr. Einwanderung keltischer Gruppen.

Ob VOR den Kelten noch Indoeuropäer anderer ethnischer Herkunft einwanderten, ist unklar. Höchstens die Wessex-Kultur (ab etwa 1800 v. Chr.) könnte darauf hindeuten.
Inwieweit jeweils größere Migrantenströme anzunehmen sind oder eher eine Kulturtrift wirkte, ist umstritten.
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11.07.2016, 23:20
Beitrag: #149
RE: Der Untergang von Sprachen
(11.07.2016 19:44)Dietrich schrieb:  3. Etwa um 2400 v. Chr. Einwanderung der Glockenbecherleute (beaker-people), die die Kenntnis der Metallverarbeitung mitbringen (KEINE Indoeuropäer).

Demnach stammten die Glockenbecherleute aus den südrussischen Steppen....
Da hatte ich zwar etwas anderes gelesen, aber das ist dann die zwangsläufige Schlussfolgerung deiner Aussage in Kombination mit den drei Skeletten mit der Verwandtschaft aus den Südrussischen Steppen...


Und was nun die Herkunft der Indoeuropäer anbetrifft, so findet sich bei Tante Wiki über die Schnurkeramiker folgender Hinweis:

"[i]Eine 2015 veröffentlichte genetische Studie von Forschern der Harvard Medical School in Boston stellte fest, dass die DNA von Angehörigen der Schnurkeramik-Kultur im Gegensatz zu den Vorgängern zu 75 Prozent mit der von Angehörigen der Jamnaja-Kultur übereinstimmt. Demnach muss es im 3. Jahrtausend v. Chr. eine massive Einwanderung von den südrussischen Steppengebieten nach Zentraleuropa gegeben haben.[/i] [6]"

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12.07.2016, 00:30
Beitrag: #150
RE: Der Untergang von Sprachen
(11.07.2016 23:20)Bunbury schrieb:  
(11.07.2016 19:44)Dietrich schrieb:  3. Etwa um 2400 v. Chr. Einwanderung der Glockenbecherleute (beaker-people), die die Kenntnis der Metallverarbeitung mitbringen (KEINE Indoeuropäer).

Demnach stammten die Glockenbecherleute aus den südrussischen Steppen....
Da hatte ich zwar etwas anderes gelesen, aber das ist dann die zwangsläufige Schlussfolgerung deiner Aussage in Kombination mit den drei Skeletten mit der Verwandtschaft aus den Südrussischen Steppen...


Und was nun die Herkunft der Indoeuropäer anbetrifft, so findet sich bei Tante Wiki über die Schnurkeramiker folgender Hinweis:

"[i]Eine 2015 veröffentlichte genetische Studie von Forschern der Harvard Medical School in Boston stellte fest, dass die DNA von Angehörigen der Schnurkeramik-Kultur im Gegensatz zu den Vorgängern zu 75 Prozent mit der von Angehörigen der Jamnaja-Kultur übereinstimmt. Demnach muss es im 3. Jahrtausend v. Chr. eine massive Einwanderung von den südrussischen Steppengebieten nach Zentraleuropa gegeben haben.[/i] [6]"

Diese Schlußfolgerung ist aber wahrscheinlich nicht richtig o. einzig logisch. Es könnte Regionen mit höherer Übereinstimmung geben z.B. Regionen, die nördlich der Jamnaja-Kultur lagen. Die Jamnaja-Kultur entstand nach der Einwanderung von Indogermanen und Vermischung mit dem dortigen Bauernvolk.

viele Grüße

Paul

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