Phryger = Seevölker in Anatolien?
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31.03.2013, 16:53
Beitrag: #51
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(28.03.2013 12:40)Harald1 schrieb: @Sansavoir: Hast du schon mal von Piraterie gelebt? Dann wüßtest du wie schwer das ist, wenn man damit auch noch ganze Völker ernähren muß. Ach, wenn man durch Landwirtschaft, Viehzucht (und vielleicht etwas Handel) nur ein kärgliches Einkommen zusammenbekommt, dann kann die Piraterie für ein Volk durchaus eine ziemlich rentable Einnahmequelle sein. Die Griechen waren ja in ihrer frühen Zeit auch zu beträchtlichen Teilen Piraten und schämten sich auch gar nicht dafür - es war ein ganz normaler "Berufszweig", solange es nicht gegen einen selbst ging. ![]() Und wenn man sonst keine Wahl hat, weil das heimatliche Land, auf dem man besagte andere "Wirtschaftszweige" betreiben kann, einem weggenommen wurde, dann kann es durchaus sein, dass man sich auf die Piraterie verlegt. Mit etwas Übung kann man sich dadurch schon ernähren - solange das nicht alle so machen. Bestes Beispiel sind die Isaurier, die in einem extrem kärglichen Bergland in Kleinasien lebten, sich auf die Piraterie konzentrierten und quasi über die ganze Zeit des römischen Weltreiches hinweg von Rom nur teilweise besiegt werden konnten. Nur so als Einschub. Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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31.03.2013, 17:12
Beitrag: #52
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(31.03.2013 16:53)Maxdorfer schrieb: Ach, wenn man durch Landwirtschaft, Viehzucht (und vielleicht etwas Handel) nur ein kärgliches Einkommen zusammenbekommt, dann kann die Piraterie für ein Volk durchaus eine ziemlich rentable Einnahmequelle sein. Die Griechen waren ja in ihrer frühen Zeit auch zu beträchtlichen Teilen Piraten und schämten sich auch gar nicht dafür - es war ein ganz normaler "Berufszweig", solange es nicht gegen einen selbst ging. Wobei aber bei den Griechen nicht das ganze Volk als Piraten unterwegs war. Die Frauen Griechinnen saßen mit ihrer Nachkommenschar schön in irgendwelchen Festungen herum, während die Männer draußen auf dem Meer herumpiratierierten. Außerdem spricht die Tatsache, daß die Ägäis nach dem Zusammenbruch der bronzezeitlichen Strukturen gleich wieder besiedelt wurde, nicht wirklich dafür, daß die lebensbedingungen so schlecht waren, daß man mit der Piraterie sein Einkommen aufbessern mußte... Wenn jedoch die Seevölker tatsächlich Völker von Außerhalb der Ägäis auf Wanderschft waren, kann die Piraterie nichts mehr gewesen sein als eine kurzfriste "hungerhilfe." Ein ganzes Volk auf Dauer von der Piraterie zu ernähren düfte schweirig sein. Wandernde Völker dürften eher auf der Suche nach geeignetem Land gewesen sein und nur zwischendrin ein bißchen Piraten gewesen sein. Es ist auch nirgendwo die Rede davon, daß die Seevölker Frauen mit an Bord hatten- das widerspricht aber so ein bißchen der Theorie der einwandernden Völker... (31.03.2013 16:53)Maxdorfer schrieb: Und wenn man sonst keine Wahl hat, weil das heimatliche Land, auf dem man besagte andere "Wirtschaftszweige" betreiben kann, einem weggenommen wurde, dann kann es durchaus sein, dass man sich auf die Piraterie verlegt. Das ist auf jeden Fall richtig. In dem Fall aber müßte es einen Aggressor gegeben haben, der den zur Piraterie gezwungenen die Möglichkeit zum Erwerb des Lebensunterhaltes genommen hat. Hast du eine Idee, wer dieser Aggressor gewesen sein könnte? Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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31.03.2013, 20:12
Beitrag: #53
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Die "Seevölker" zogen aber auch landseitig mit Kind und Kegel auf Ochsenkarren durch Palästina. Es ist wohl doch vergleichbar mit den späteren Völkerwanderungen, die Flotten lieferten nur logistische Unterstützung. Ein reiner "Männerbund" wie die Bukanier in der Karibik waren sie sicher nicht. Frauen müssen trotzdem Mangelware gewesen sein, sonst hätten die späteren Philister nicht so schnell ein semitisches Idiom übernommen. Kinder lernen ihre "Muttersprache", so sagt der Name es schon - von wem gleich noch?
„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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31.03.2013, 21:50
Beitrag: #54
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(31.03.2013 20:12)Arkona schrieb: Die "Seevölker" zogen aber auch landseitig mit Kind und Kegel auf Ochsenkarren durch Palästina. Es ist wohl doch vergleichbar mit den späteren Völkerwanderungen, Ist es das wirklich? Oder passen wir nur das wenige, was wir über die Seevölkerstürme wissen in ein Korsett, das wir halt kennen? Heute gilt es als eher unwarhscheinlich, daß Seevölkerangriffe und Ochsenkarrenzüge zusammengehörten, weil beides zeitlich nicht recht übereinstimmt. (31.03.2013 20:12)Arkona schrieb: Ein reiner "Männerbund" wie die Bukanier in der Karibik waren sie sicher nicht. Frauen müssen trotzdem Mangelware gewesen sein, sonst hätten die späteren Philister nicht so schnell ein semitisches Idiom übernommen. Kinder lernen ihre "Muttersprache", so sagt der Name es schon - von wem gleich noch? Natürlich von der Mutter. Aber ich habe ohnehin nie behauptet, daß die Seevölker Völker auf Wanderschaft waren. Ich vertrete ja durchaus die These, daß die Völker, die vom Balkan kamen, erst kamen, nachdem schon alles platt war. In dem Szenario, das mir sehr viel wahrscheinlicher erscheint, kommen Frauen nicht vor... Was aber wiederum dafür spricht, daß die piratisierenden Seevölker nicht von außerhalb der Ägäis kamen, sondern von innerhalb... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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01.04.2013, 13:09
Beitrag: #55
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Ich glaube, daß die Seevölker hauptsächlich Leleger waren, nichtindoeuropäische Stämme aus Kleinasien, oftmals in einem Atemzug mit den indoeuropäischen Karen genannt. Es ist überliefert, daß sie von den jonischen Inseln vertrieben wurden und daß sie gute Seefahrer waren.
Es können auch indoeuropäische Bevölkerungsteile (Karen?) eingestreut sein, aber summasumarum wissen wir halt zu wenig. |
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01.04.2013, 13:14
Beitrag: #56
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Sais
Von wegen keine Frauen... „Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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01.04.2013, 13:26
Beitrag: #57
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Vielleicht wissen wir auch nicht zu wenig, sondern können alles nicht so recht einordnen. Schließlich haben sich Ägypter, hethiter, Minoer, Griechen nicht wirklich darum bemüht, ein einheitliches System von Bezeichnungen zu finden...
Der Begriff der "Seevölker" stammt aus Ägypten (wobei- strengegnommen stammt er von einem Franzosen, der die Inschrift in Medinet habu übersetzt hat), und laut Medinet habu haben die Seevölker auch das Reich der Hethiter zerstört. "Seevölker" ist dabei aber eine ungenaue Bezeichnung, die viel Spielraum für interpretationne läßt. Die "Seevölker" sollen von den "inseln" gekommen sein, ein antiker Autor vertrat die Auffassung, daß das die Ägäis gewesen sei. In den Tontafeln der Hethiter wiederum sind die Seevölker natürlich nicht erwähnt. Andererseits zeichnet sich das Bild ab, daß das Hethiterreich zunehmend durch ein Staatenbündnis namens "Ahhijawa" bedroht war. Demnach war Ahhijawa zu Anfangg noch mit den Hethitern verbündet und löste sich zunehmend aus dem Einflussbereich der hetither. Wo "Ahihijawa" lag, ist nicht genau geklärt. lange zeit versuchte man, es mit dem mykenischen Griechenland gleichzusetzen, (Ahhijawa = Achaia) was aber nicht nur lautsprachlich nicht hinhaut. Auf einer Tontafel in Hattusa steht verzeichnet, daß der König von Hattusa dem König von Ahhijawa einen Wagenlenker als Boten schickte-sehr unwahrscheinlich, wenn damit das mykenische Griechenland gemeint gewesen wäre. Meistens wird Ahhijawa heute irgendwo westlich des hethiterreichs in Anatolien verortet. Jetzt die spannende Frage- die Seevölker werden als ein Bund von Völkern beschrieben, die möglicherweise aus der Ägäis gekommen sind und das hetithitische Reich zu Fall gerbacht haben soll. Die Hethitischen Tontafeln dagegen beschreiben einen Bund von Staaten, von dem sie sich bedroht sahen, der im Westen von Anatolien verortet war (also an der östlichen Ägäisküste). Meinen also beide Quellen, die ägyptische wie die hethitische- das gleiche? Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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01.04.2013, 18:02
Beitrag: #58
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(01.04.2013 13:26)Bunbury schrieb: Meinen also beide Quellen, die ägyptische wie die hethitische- das gleiche?Das verspricht interessant zu werden. Weiter! Weiter!! Milet und Umgebung haben nämlich die "Seevölkerzeit" offenbar relativ unbeschadet überstanden...und das, obwohl Milet und auch das nördlich benachbarte Reich Arzawa mit der Hauptstadt Apasa (= Ephesos) ab etwa 1300 v.Chr. hethitisch beherrscht waren...davor allerdings beschwert sich der hethitische König, dass Arzawa - zu dem damals auch Milet gehörte - gegen ihn Krieg führt. Interessanterweise beschwert er sich beim König von Ahhijawa! Der sollte also zu dieser Zeit so etwas wie eine Oberhoheit über Arzawa und auch Milet ausgeübt haben. Die Hethiter besiegten allerdings dann sowohl Arzawa als auch Milet, was sich u.a. daran zeigt, dass Milet VI wie eine hethitische Stadt aussieht und - anders als die vorhergehenden Baustufen, die alle zerstört wurden - nicht mehr wie eine mykenische oder minoische Stadt. Das Ganze ging allerdings zwangsläufig auf Kosten Ahhijawas. Die homerischen "Achäer" führten wenige Jahrzehnte später Krieg gegen Troja. Etwa, um den Machtverlust im westlichen Kleinasien mit einem Machtzuwachs im nordwestlichen Kleinasien wett zu machen?!? Immer vorausgesetzt, Achäer und Ahhijawa meinen das selbe Volk...(warum eigentlich haut das sprachgeschichtlich bzw. lautsprachlich nicht hin?) VG Christian |
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01.04.2013, 20:04
Beitrag: #59
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Zur letzterem: Ich bin kein Sprachwissenschaftler, deswegen muss ich denen galuben, die sagen, daß es sich bei Ahhijawa und Achaia um eine oberflächlich sprachliche Entsprechung handelt, diese aber nicht völlig in Einklang zu bringen ist mit den üblicherweise bekannten lautsprachlichen Verschiebungen. (Gut, es gibt natürlich auch welche, die sagen, daß man vom einen zum anderen kommen könnte, aber die sind wohl in der Minderheit.)
Interessanterweise vertreten diejenigen, die sich der Geschichte der Ägäis von der griechischen Seite her nähern, durchaus die Meinung Ahhijawa seien die mykenischen Griechen. Diejenigen, die von der hethitischen Seite her kommen, verneinen das. Demnach wäre Ahhijawa ein Bündnis von Reichen westlich der Hetither, und zwar auf dem Festland Anatoliens- Boten waren im Stande, Ahhijawa auf dem landweg zu erreichen. Darüberhinaus schlossen sich nach Quellenlage die mykenischen Stadtstaaten nur ein einziges Mal zu einem Bündnis zusammen- und das war im Kampf gegen Troja. (Da habe ich es ja schon wieder erwähnt... anscheinend geht es bei dem Thema nicht,ohne immer wieder darauf zu verweisen.) Ahhijawa hatte aber einen Oberkönig, den der hethitische König als gleichwertig ansah- das paßt genauso wenig zu Mykene wie die Tatsache, daß das Hetitherreich auf den ganzen überleiferten mykenischen Dokumenten nicht einmal erwähnt wird. Warum sollten die Mykener die mit keinem Wort erwähnen, mit denen sie erst eine Weile verbündet waren und für die sie am Ende zur Bedrohung wurden? Wenn man jetzt die Hinweise auf die Herkunft der Angreifer (sprich Seevölker und Ahhijawa) auf den Westen Anatoliens erst nimmt, ebenso wie die Tatsache, daß beide ein Bündnis mehrerer Reiche darstellten, lautet die Frage schon: Gab es zum Ende der Bronzezeit im Westen Anatoliens (möglicherweise sogar entlang der Schwarzmeerküste) ein Staatenbündnis, das die anderen Staaten angriff und in den ägyptischen Tempelinschriften als "Seevölker", in den hethitischen Inschriften aber "Ahhijawa" genannt wird? Demnach wäre die Seevölkerinvasion ein Angriffskrieg innerhalb der Ägäis auf einige Königreiche gewesen. Ich halte das für durchaus möglich. Bis heute sind die ganzen auf den Tontafeln in Hattusa genannten Kleinkönigreiche nicht eindeutig identifiziert. Sicher gibt es (begründete) Vermutungen, aber nichts davon ist so sicher, daß es nicht angezweifelt werden könnte. Gerade die verhältnisse in Anatolien hinterlassen doch sehr viele ungeklärte Fragen. Die Lage der >anatolischen Kleinkönigreiche hängt dann zu sehr davon ab, wo die andren Königreiche denn nun genau lagen- eine kleine verschiebung hier bringt das ganze Bild durcheinander Du folgst beispielsweise der Annahme, Millawanda sei Milet gewesen. Das ist zwar wahrscheinlich, aber keineswegs sicher... ![]() Stammen die Seevölker aus Anatolien, würden sich aber einige Fragen gewissermaßen in nichts auflösen. Dann wäre es plötzlich keine Frage mehr, wie die Seevölker das im Landesinnern gelegene hetitische Reich zu Fall brachten und gleichzeitg das Mittelmeer heimsuchten. Dann läge das auf der Hand... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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01.04.2013, 20:21
Beitrag: #60
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Wenn die Seevölker aus Anatolien stammen - warum sind dann in den hethitischen Quellen keine Entsprechungen zu den in der Merenptah-Inschrift genannten Völkernamen enthalten?
Merenptah erwähnt die Šardana, Šekeleša, Aqi-waša, Luka, Turiša, Mešweš, Tjehenu und die Tjemehu. Die Sardana erinnern verdächtig an die Sarden, also ein Seefahrervolk aus dem westlichen Mittelmeer. Dito die Sekelesa (Sikuler aus Sizilien?) Die Aqiwasa könnten die Ahhiwaja sein, die Luka die Lykier. Die Turisa könnten die Tyrsener sein, ein Volk aus der nördlichen Ägäis, eventuell die Vorfahren der Etrusker, die in ihren italienischen Wohnsitzen ebenfalls der Seefahrt zugetan waren und denen ja eine kleinasiatische Herkunft nachgesagt wurde... Die Meschwesch waren ein auch in anderen ägyptischen Quellen belegter Stamm aus Libyen. Tjehenu iund Tjemehu sind ägyptische Bezeichungen für Regionen in Libyen. Zwei Völker eventuell aus dem westlichen Mittelmeer, zwei Völker eventuell aus dem (nördlichen?) Ägäisraum, ein Volk aus Anatolien (damals noch Nordwestanatolien), zwei Völker aus Libyen. Warum stießen Völker aus dem westlichen Mittelmeer und aus Libyen zu den Seevölkern, wenn diese allein aus Nord- oder Nordwestanatolien stammten (wozu man, wenn man großzügig ist - und ich bin großzügig - auch die Ägäisvölker zählen kann)? Übrigens: Nirgendwo erfahren wir davon, dass einmal eine mykenische Stadt, sei es Mykene selbst oder z.B. auch Theben, mal die Oberhoheit über die anderen Mykenerstädte gehabt hat. Das müsste aber als Voraussetzung für ein Reich Ahhijawa eingetroffen sein - und zwar auf längere Zeit, immerhin tauchen die Ahhijawa immer wieder in den hethitischen Quellen auf. Ramses III. schreibt, dass Ḫatti, Qadi, Qarqemiš, Arzawa, und Alasia sowie Amurru von den Seevölkern vernichtet bzw. verheert worden seien. Hatti ist das Hethiterreich, Quadi das Reich Kizzuwatna in Kilikien, Qarqemisch ist Karkemisch in Nordsyrien, Arzawa liegt im Westen Anatoliens und hat Apasa/Ephesos als Hauptstadt, Alasia ist Zypern, Amurru ist ein Staat der auch in der Bibel bekannten Amoriter im nördlichen Libanon; hier sollen die Seevölker gelagert haben. Das würde zu deiner These passen: Als erstes wurde das Hethiterreich vernichtet, danach bewegte man sich südwärts der Küste entlang. |
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01.04.2013, 21:37
Beitrag: #61
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Man kann doch nicht sinn- und zwecklos unter zweifellos großen Verlusten Staaten vernichten und dann weiterziehen, das gibt doch keinen Sinn. Hatti nahmen die Phryger in Besitz. Was ist mit den anderen Ländern? In Nordsyrien schufen die geschlagenen Hatti-Hethiter Kleinstaaten. Was war das Ziel der Sieger ? Ägypten erobern?
Dann hätte man doch Zypern (mit billigen Krediten) als Ausgangsbasis nehmen und dort die Frauen parken können. |
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01.04.2013, 22:06
Beitrag: #62
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Wenn die Seevölker aus Anatolien stammen - warum sind dann in den hethitischen Quellen keine Entsprechungen zu den in der Merenptah-Inschrift genannten Völkernamen enthalten? Ich habe jetzt einige Bücher über das Thema Seevölkwer gelesen, und es gibt lediglich zwei Völker, die man wirklich enträtselt zu haben glaubt- nämlich die Sardana und die von dir gar nicht erwähnten Peleset. Bei allen anderen sind die Vorschläge über die Herkunft sehr unterschiedlich. Schon die Bezeichnungen der Merenptah- inschrift stimmt nicht mit der aus Medinet Habu überein- und beides stammt aus Ägypten. Da sich die hethiter und Ägypter kaum auf gemeinsame Bezeichnungen geeinigt haben dürfte, könnte es durchaus möglich sein, daß die Hethiter andere Bezeichnungen gewählt haben, die wir auch kennen. Mehrere Namen, die möglicherweise aus hetithtischen Schriften bekannt sind, nennst du ja selbst... (01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Sardana erinnern verdächtig an die Sarden, also ein Seefahrervolk aus dem westlichen Mittelmeer. ... bei denen aber jeglicher Grund fehlt, warum sie das Hethitierreich, Ugarit oder Ägypten angegriffen haben sollen... (01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Dito die Sekelesa (Sikuler aus Sizilien?)Hier gilt das gleiche. Wenn sie aus Sizilien stammen- welches Intresse besteht an einem Angriff auf Hattusa, Ugarit oder Ägypten? (01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Die Aqiwasa könnten die Ahhiwaja sein, die Luka die Lykier. Die werden aber in den hetitischen Quellen genannt. Und ich glaube nicht daran, daß die Ahhijawa die Achaier sind... ![]() (01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Die Turisa könnten die Tyrsener sein, ein Volk aus der nördlichen Ägäis, eventuell die Vorfahren der Etrusker, die in ihren italienischen Wohnsitzen ebenfalls der Seefahrt zugetan waren und denen ja eine kleinasiatische Herkunft nachgesagt wurde....Interessanter Hinweis. Sind die Turisa identisch mit den Tekkern? (01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Die Meschwesch waren ein auch in anderen ägyptischen Quellen belegter Stamm aus Libyen. Stimmt. Aber soweit war ich noch nicht. ![]() (01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Zwei Völker eventuell aus dem westlichen Mittelmeer, zwei Völker eventuell aus dem (nördlichen?) Ägäisraum, ein Volk aus Anatolien (damals noch Nordwestanatolien), zwei Völker aus Libyen.. nenn mir einen vernünftigen Grund, warum zwei Völker aus dem westlichen Mittelmeer im östlichen Mittelmeer herumwildern sollten... Ich meine, man steht doch nicht einfach mal in Sardinien auf und sagt sich "Oh, heute fahre ich mal los und mache die Hethiter platt...." Das einzige, was ich mir vorstellen könnte, sofern die Identifizierung tatsächlich richtig ist, wäre, daß die Inschriften mal wieder zeitlich nicht ganz genau waren und die Völker aus dem westlichen Mittelmeer nach dem hauptansturm der Seevölker kamen, weil Platz da war- und daß die Inschriften da etwas durcheinanderwarfen. (Was bei ägyptischen Tempelinschriften auch nicht unmöglich ist.) Die beiden Völker aus dem nördlichen Ägäisraum - da habe ich meine Probleme mit. Denn - ich wiederhole es gerne noch mal- Ahhijawa ist meiner Meinung nach nicht das mykensciehe Griechenland, sondern liegt irgendwo in Anatolien. Und was nun die Leute aus der Nordägäis anbetrifft, die die Vorfahren der Etrusker gewesen sein sollen- hat man nicht vor einiger Zeit festgestellt, daß die Vorfahren der Etrusker von der anatolischen Küste kamen? (01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Übrigens: Nirgendwo erfahren wir davon, dass einmal eine mykenische Stadt, sei es Mykene selbst oder z.B. auch Theben, mal die Oberhoheit über die anderen Mykenerstädte gehabt hat. Das müsste aber als Voraussetzung für ein Reich Ahhijawa eingetroffen sein - und zwar auf längere Zeit, immerhin tauchen die Ahhijawa immer wieder in den hethitischen Quellen auf. Stimmt. Deswegen glaube ich ja auch nicht, daß Ahhijawa das mykensiche Griechenland ist. Die standen meiner meinung nach nämlich auf der andren Seite... (01.04.2013 20:21)913Chris schrieb: Ramses III. schreibt, dass Ḫatti, Qadi, Qarqemiš, Arzawa, und Alasia sowie Amurru von den Seevölkern vernichtet bzw. verheert worden seien. Ist ja nicht meine These- ist nur ein Buch, das ich gerade lese- und du sollst mir dabei helfen, ein paar Behauptungen, die da drin stehen zu überprüfen... ![]() Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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01.04.2013, 22:12
Beitrag: #63
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(01.04.2013 21:37)Harald1 schrieb: Man kann doch nicht sinn- und zwecklos unter zweifellos großen Verlusten Staaten vernichten und dann weiterziehen, das gibt doch keinen Sinn. Stimmt. Aber man kann sich auf der Suche nach potentiellem Siedlungsland durch die Gegend schlagen. Man schlägt eine Armee oder auch Flotte, hat damit das Reich, dem die Armee oder Flotte gehörte und das ohnehin schon geschwächt war, zum Zusammenbruch gebracht, aber Land zum Siedeln hat man deswegen immer noch nicht - denn da leben schon Menschen. Also zieht man weiter. Das nächste Reich wehrt sich wieder gegen die Eindringlinge, auch diesmal gewinnt man eine Schlacht, entdeckt dann aber, dass einem das Land nicht gefällt - und zieht wieder weiter. So oder so ähnlich stelle ich mir den Seevölkerzug vor. Ein Teil der Seevölker hat sich dann in Palästina angesiedelt, und zwar interessanterweise NUR an der Küste, nicht im Inland - die Hebräer waren ein "Inland-Volk", die Kanaaniter waren zwar Seefahrer, aber ihre Hauptorte waren weiter nördlich, und die Städte, die die Philister in Besitz nahmen, waren zuvor in ägyptischem Besitz. Möglicherweise wandelte da Ramses III. in den Spuren von Ramses II. - der Sieg über die Seevölker war vielleicht gar keiner, sondern eher ein Patt wie in der Schlacht von Karkemisch gegen die Hethiter. So konnten zumindest die Philister von der ägyptischen Schwäche profitieren und das spätere Philisterland in Besitz nehmen... WENN die Schardana wirklich die Sarden waren und die Schekelescha die sizilianischen Sikuler, könnte es sein, dass diese beiden weiterzogen Richtung Libyen und dann nach Westen, bis sie die beiden später nach ihnen benannten Inseln fanden und sich dort niederließen. Oder es könnte sein, dass sie schlicht nach Hause zurückkehrten. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit des Seevölkerzuges liegt nämlich darin, dass es gar keine Völkerwanderung war, sondern "nur" ein gigantischer Raubzug, und dass sich Angehörige vieler Völker daran beteiligten (so nach und nach, nachdem sie erkannt hatten, welche Möglichkeiten hier lagen). Sikuler und Sarden wären demnach gar nicht "komplett" mitgewandert, sondern nur mit einem gewissen Kontingent. Wer sich da an den Trojanischen Krieg á la Homer erinnert fühlt - nur zu. Damit dieses Szenario stimmen kann, müsste allerdings Ramses III. gehörig übertrieben haben bei seiner Darstellung der Abwehrschlacht gegen die Seevölker, und Hethiter, Ugariter und Zyprer müssten schon erheblich mehr geschwächt gewesen sein als gedacht, damit sie unter dem Ansturm von lediglich einer riesigen Piratenflotte gleich komplett zusammenbrachen. Aber auch dafür gibt es Parallelen in der Geschichte: Etwa Henry Morgan, der Panama City abbrannte und aus der ehemaligen Hauptstadt des spanisch-amerikanischen Reiches eine Provinzstadt machte. Und das mit einem Minimum an Männern. Was konnte dagegen ein ganzes Piratenheer - das auch zahlenmässig ein "richtiges" Heer gewesen sein müsste - anrichten? Ein 1000 Jahre alte Handelsstadt so vernichten, dass sie nie wieder aufgebaut werden konnte (Ugarit)? Warum denn nicht, noch dazu in der Auflösungsphase, in der sich die Welt des Alten Orient gegen Ende der Bronzezeit nachgewiesenermaßen befand?? VG Christian |
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01.04.2013, 22:13
Beitrag: #64
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(01.04.2013 21:37)Harald1 schrieb: Man kann doch nicht sinn- und zwecklos unter zweifellos großen Verlusten Staaten vernichten und dann weiterziehen, das gibt doch keinen Sinn. Hatti nahmen die Phryger in Besitz. Was ist mit den anderen Ländern? In Nordsyrien schufen die geschlagenen Hatti-Hethiter Kleinstaaten. Was war das Ziel der Sieger ? Ägypten erobern? Wer sagt denn, daß es sinn- oder zwecklos war? Wenn diese Theorie, der ich gerade nachgehe, dann stand am Anfang des ganzen Krieges ein Krieg um Handelrouten. Der handel war das, was in der Bronzezeit die Städte und Völker reich machte und den Städten und Reichen Macht verlieh, hatte aber zum Ende der Bronzezeit seine Grenzen erreicht. (Die Grenzen des Wachstums galten auch schon damals). Wenn man nicht mehr auf friedlichem Weg expandieren kann, dann tut man es eben auf kriegerischem Weg... Das Ziel könnte die volle Kontrolle über die Handelsrouten im östlichen Mittelmeer gewesen sein... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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03.04.2013, 10:15
Beitrag: #65
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Im Ausstellungsband "Traum und Wirklichkeit - Troja" von 2001 schreibt einer meiner ehemaligen Tübinger (Gast-)Dozenten, Peter Högemann, dass "Midas´ Rolle als Bewahrer hethitischer (!) Traditionen, aber auch als Vermittler nahöstlicher, eisenzeitlicher Errungenschaften, z.B. der Wehrtechnnik, hier vor allem der assyrischen (!) Kavallerie, aber auch von Kunstgewerbe, vielleicht auch der Alphabetschrift, (...) erst in Umrissen erkennbar [ist]." (S.63). Am Rande: Das griechische Alphabet ist uns in seiner ostionischen = anatolisch-ionischen Form geläufig...
Auch Priamos wird von Homer so beschrieben, dass er in jungen Jahren phrygischer Bundesgenosse gewesen sei, seine Frau Hekabe sei gar selbst Phrygerin gewesen! Klingt nicht so, als seien die Phryger Teil einer Gruppe (der Seevölker nämlich) gewesen, die Troja mit zerstört hätte... Überdies ist der Name Priamos luwisch. Im mysischen Pergamon saß ein weiterer trojanischer Verbündeter: Telephos, der lange vor dem trojanischen Krieg mit seinen Streitwagen Achilles an der Landung in seinem Land hinderte und zur Heimkehr zwang. Telephos ist die griechische Version des Namens einer uranatolischen Vegetationsgottheit namens Telibinu. Telephos´ Sohn Eurypylos war laut Homer Führer der Keteier (nach dem um 600 schreibenden Lyriker Alkaios ein älterer Name für die Mysier) und Bundesgenosse des Priamos. Auch die Lyder - zweifelsfrei ein anatolisches Volk, dessen homerische Bezeichnung "Maionier" luwisch ist und die ältere Bezeichnung darstellt - sind mit den Mysiern verwandt. Das Ganze deutet eher darauf hin, dass es eine trojanisch-phrygische-lydische Kulturkontinuität gegeben hat. Laut Xanthos, unserer ältesten nichthomerischen Quelle zu Anatolien, sind die Phryger erst nach dem trojanischen Krieg eingewandert (aus Thrakien); wir haben es also bei Homer mit einer für Epen häufig anzutreffenden Vermischung von Zeithorizonten zu tun. Nichts desto trotz aber auch mit einem Hinweis, dass die Phryger NICHT zu den Seevölkern gehört haben können. VG Christian |
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03.04.2013, 10:40
Beitrag: #66
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Wieso ist das ein Hinwei, daß die Phryger nicht zu den Seevölkern gehört haben können?
Oder verfolgst du die Theorie, daß es die Seevölker waren, die Troja zerstört haben- somit also die Mykener Bestandteil dre Seevölker waren? ich frage jetzt einfach mal ganz blöd und verfolge damit auch keine besondere Theorie, es ist nur eine Frage. Aber zunächst einmal zurück zu Troja: Warum sollten die Phryger nicht zu Trojas Verbündeten gezählt haben, auch wenn sie damals noch nicht nach Anatolien eingewandert waren? Troja kontrollierte den Zugang zum Marmarameer, den Bosporus und dem schwarzen Meer. Sicherlich führten auch einige Handelsrouten von Troja in die Länder nördlich des Marmarameers und des schwarzen Meeres- also dem Herkunftsgebiet der Phryger. Warum ist es also ausgeschlossen, daß die Phryger an der Seite der Trojaner gekämpft haben? Vor allem dann nicht, wenn der Trojanische Krieg nicht um die schöne Helena, sondern ebenb um Handelsrouten geführt wurde? Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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03.04.2013, 10:44
Beitrag: #67
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Die Threadfrage war doch, ob die Phryger zu den Seevölkern gehört haben. Haben sie nicht.
Ebenso geistert durch die Forschung die These, dass Troja gar nicht von Griechen, sondern eben von Seevölkern zerstört worden sei, Homer also irrte. Wären die Phryger Teil der Seevölker gewesen, hätten sie Troja mit zerstören müssen. Haben sie aber nicht, sie gehörten also aus einem weiteren Grund nicht zu den Seevölkern. Das wollte ich eigentlich nur sagen. VG Christian |
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03.04.2013, 11:04
Beitrag: #68
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Ich glaube nicht, daß Troja durch die Seevölker zerstört wurde- ich ziehe viel eher in Betracht, daß die Trojaner zu den Seevölkern gehörten...
Es gibt durchaus Hinweise darauf- so wird eines der Seevölker als "Tekker" bezeichnet. Die Bezeichnung für die Menschen aus Troja nach dem trojanischen Krieg lautete aber "Teuker"... Aber das muss ich noch ein bißchen nachprüfen, deswegen werde ich das jetzt auch noch nicht so vehement verteidigen, falls du es in der Luft zerreißt... ![]() Und wenn tatsächlich die Trojaner zu den Seevölkern gehört haben, dann könnten auch die Phryger mitdabei gewesen sein.... Laß uns einfach mal kruz spekulieren- wenn die Trojaner mit bei den Seevölkern dabei waren, dann könnte der trojanische Krieg geführt worden sein, um die Seevölkerinvasion zu stoppen. Was ich für eine ganz reizvolle, wenn natürlich auch sehr gewagte und höchst spekulative Überlegung halte. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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03.04.2013, 11:47
Beitrag: #69
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 11:04)Bunbury schrieb: Ich glaube nicht, daß Troja durch die Seevölker zerstört wurde- ich ziehe viel eher in Betracht, daß die Trojaner zu den Seevölkern gehörten... Bitte, mach ich doch gerne. Dazu brauch ich bloß Tante Wiki: http://de.wikipedia.org/wiki/Sikeler ![]() (03.04.2013 11:04)Bunbury schrieb: Und wenn tatsächlich die Trojaner zu den Seevölkern gehört haben, dann könnten auch die Phryger mitdabei gewesen sein.... Dann schon. Aber: "WENN"!! (03.04.2013 11:04)Bunbury schrieb: Laß uns einfach mal kruz spekulieren- wenn die Trojaner mit bei den Seevölkern dabei waren, dann könnte der trojanische Krieg geführt worden sein, um die Seevölkerinvasion zu stoppen. Dann hätten die Mykener im Sinn gehabt, quasi den Seevölkern den Durchgang ins Mittelmeer zu sperren... Mja... Reizvolle Spekulation, aber hast da auch was, was als Beweise oder auch nur als Hinweis dienen könnte?? VG Christian |
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03.04.2013, 13:37
Beitrag: #70
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Bleib doch lieber bei den nordschottischen Piktenstämmen.
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03.04.2013, 14:04
Beitrag: #71
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 11:47)913Chris schrieb:(03.04.2013 11:04)Bunbury schrieb: Laß uns einfach mal kruz spekulieren- wenn die Trojaner mit bei den Seevölkern dabei waren, dann könnte der trojanische Krieg geführt worden sein, um die Seevölkerinvasion zu stoppen. Momentan erst mal nicht viel mehr als den Hinweis, daß die Seevölker als Bund verschiedener Völker beschreiben werden und nach Ansicht einiger Forscher in Anatolien ihren Anfang nahmen- und das dasgleiche auf das trojanische Bündnis zutrifft... Letztendlich ist die Ursache des trojanischen Krieges reine Spekulation- es sei denn man nimmt Homer ernst und glaubt, daß dieser ganze Krieg nur deshlab begonnen wurde, weil ein trojanischer Königssohn einem achaiischen König die Frau ausgespannt hat.. Was es an Hinweisen auf einen Handelskrieg zwischen Troja und Mykene gibt, steht nicht im Widerspruch zu der Annahme, daß die Anatolier zuerst angefangen haben könnten... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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03.04.2013, 14:19
Beitrag: #72
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 13:37)Harald1 schrieb: Bleib doch lieber bei den nordschottischen Piktenstämmen. Die Moderation mag mich verbessern, wenn ich mich irre, aber soweit ich mich recht entsinne, soll dies ein Forum sein, in dem historische Fragen diskutiert und erörtert werden. Um das altbekannte wiederzukauen braucht es kein Forum- da haben wir gegen Tante Wiki eh keine Chance. Es zwingt dich keiner, meine Beiträge zu lesen- du kannst mich gerne auf die Ignorierliste setzen. Wär mir bei deinen diskussionsbereichernden Kommentaren macnhmal sogar lieber.... ![]() Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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03.04.2013, 14:51
Beitrag: #73
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 14:04)Bunbury schrieb: Momentan erst mal nicht viel mehr als den Hinweis, daß die Seevölker als Bund verschiedener Völker beschreiben werden und nach Ansicht einiger Forscher in Anatolien ihren Anfang nahmen- und das dasgleiche auf das trojanische Bündnis zutrifft... Laut Wikipedia spricht sogar noch einiges mehr für die These, die Seevölker könnten aus dem mykenischen Einflussbereich stammen - was Italien und Anatolien mit einschließt... VG Christian |
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03.04.2013, 21:39
Beitrag: #74
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Bei Wikipedia bin ich da sehr vorsichtig- da kann morgen nämlich schon wieder etwas anderes stehen. ist zumindest meine Erfahrung gerade in dieser Sache...
Aber WDPG hat immer noch nicht verraten, wie er und Luki auf den Gedanken gekommen sind, die Phryger könnten Bestandteil der Seevölker gewesen sein. Einfach nur, weil sie am Ende da saßen, wo vorher die Hethiter waren? Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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04.04.2013, 11:33
Beitrag: #75
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 21:39)Bunbury schrieb: Aber WDPG hat immer noch nicht verraten, wie er und Luki auf den Gedanken gekommen sind, die Phryger könnten Bestandteil der Seevölker gewesen sein. Das wir darüber gesprochen haben war schon etliche Zeit lang her. Ich kam ehrlich gesagt aus dem von dir geschriebenen Grund auf den Gedanken. Die Phryger folgten den Hethitern nach, OK bis sie ein größere Reich bildeten dauerte es etwas, aber der zeitliche Abstand vom Ende der Hethiter und der Besiedlung durch die Phryger ist nicht so gigantisch groß. Da kam mir der Gedanke das, dass ja eine Möglichkeit sein könnte. Eine die man hier (eigentlich damals noch im alten Forum, wo ich die Frage dann aber nie gestellt habe) mal reinstellen kann. Das war eigentlich der ganze Hintergrund. |
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04.04.2013, 12:38
Beitrag: #76
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(03.04.2013 21:39)Bunbury schrieb: Bei Wikipedia bin ich da sehr vorsichtig- da kann morgen nämlich schon wieder etwas anderes stehen. ist zumindest meine Erfahrung gerade in dieser Sache... Tscha, das is halt bei Tante Wiki so. Aber ich hab mir mal eine Literaturangabe aus dem Seevölker-Artikel zur Brust genommen (http://www.salimbeti.com/micenei/sea.htm). Die werden die einzelnen Seevölker sehr detailliert beschrieben. Die Schardana etwa. Sie tauchen seit der Amarna-Zeit immer wieder in den ägyptischen Quellen auf. Unter Echnaton sind sie Teil der ägyptischen Garnison von Byblos. Unter Ramses II. sind sie Teil der bei Kadesh eingesetzten Söldner und sogar der Leibgarde Ramses´ II. Unter Merenptah werden sie zuerst als Teil der Seevölker bezeichnet (wobei diese Bezeichnung so allgemein ist, dass es durchaus nicht ausgeschlossen ist, dass die Ägypter nicht immer dieselben Völker mit der Bezeichnung meinten...) und greifen Ägypten zusammen mit libyschen Stämmen an. Sie werden anschließend im Delta angesiedelt, konnten also wohl von den Ägyptern nicht wirklich geschlagen werden, auch wenn Merenptah in seiner Inschrift in alter pharaonischer Tradition das Gegenteil behauptet. Unter Ramses III., der die "finale Schlacht" gegen die Seevölker zu Land und zur See schlägt, sind die Schardana wieder unter den Feinden der Ägypter, oft zusammen mit Peleset/Philistern abgebildet. Etwa 1100 v.Chr. sind die Schardana zum letzten Mal in ägyptischen Inschriften überliefert, und zwar als eines der Völker, die Phönizien bewohnen. Aus Ugarit haben wir eine Nachricht, nach der ein Vater eines Schardana einen semitischen Namen trägt. Auch stellen die Ägypter die Schardana so dar, wie sie üblicherweise Semiten darstellen. Die Dolchschwerter der Schardana erinnern ebenfalls an östliche, semitische oder hurritische Vorbilder. Darüber hinaus ist überliefert, dass die Schardana wie auch die Ekwesh und Schekelesch beschnitten waren, anders etwa als die Philisiter/Peleset, die in der Bibel geradezu das Paradebeispiel für Nichtbeschnittene darstellen. All das legt nahe, dass die Ägypter die Schardana als semitisches Volk der Levanteküste kannten. Nun gibt es aber Hinweise, dass die Schardana eventuell nicht aus der Levanteregion stammten. Sie tragen auch Schwerter und Schilde, die an ägäische oder anatolische Vorbilder erinnern, dito ihre Lamellenpanzer. Ihr Name taucht in der namenkundlichen Überlieferung Westanatoliens wiederholt auf, und zwar interessanterweise ausgerechnet in der Region, die später von Lydern bewohnt wird (die ldische Hauptstadt heißt Sardis, es gibt dort einen Berg namens Sardena, eine Ebene von Sardanion und eine Bevölkerungsgruppe der ionischen Küste, die als kampfkräftig bezeichnet wird, namens Sardonier. Es könnte nun sein, dass die Schardana ursprünglich eine Sölndertruppe aus dem Ägäisraum und/oder aus Westanatolien waren, die den Ägyptern über Generationen hinweg als Söldner dienten und sich in der Zeit ihrer Anwesenheit in der Levante derart akkulturierten, dass sie von den Ägyptern für Semiten gehalten wurden. Die Verbindung ins westliche Mittelmeer stellt sich im Lichte der zitierten Homepage so dar, dass von Sardinien und Korsika die einzigen Belege für Hörnerhelme stammen und auch der Name Sardinien auf die Schardana hinedeutet. Die Belege sind in erster Linie Menhire, die Hörner(-helme) tragen und die aus der Zeit zwischen 1400 bis 1000 v.Chr. stammen. Mit einer 200jährigen Pause (während der sich offenbar die Nuraghen-Kultur entwickelt!) tauchen dann auf Sardinien kleine Bornzestatuetten auf, die eindeutig Hörnerhelme sowie die schon Jahrhunderte zuvor von den Ägyptern dargestellten Rundschilde tragen. Eine phönizische Inschrift ("Stele di Nora") aus dem 8.Jh. nennt die Einwohner Sardiniens "srdn", was unter Hinzufügung der in dieser Konsonantenkombination üblichen Vokale "Sardana" ergibt... Andererseits sind von Zypern (Enkomi) und aus Mykene Darstellungen von Hörnerhelmen aus dem 12.Jh.v.Chr. belegt, also aus der Zeit kurz nach den Seevölkerangriffen. Besonders aufgrund der Hörnerhelme wird kaum bezweifelt, dass da eine Verbindung besteht zwischen dem Ägäisraum, den Schardana und Sardinien. Aber welche? Am logischsten erscheint mir, dass Schardana aus dem östlichen Mittelmeer ins westliche gekommen sind und sich hier angesiedelt haben. Wenn die Schardana Verbündete der Libyer gewesen sind, wäre der Schritt auf die Inseln des westlichen Mittelmeers nicht mehr weit gewesen. Und nach der Niederlage gegen die Ägypter könnten sich Teile der Schardana in Phönizien pder bei den Philistern angesiedelt haben, während andere Teile ins westliche Mittelmeer gezogen sind. Da die Schardana beschnitten waren - im westlichen Mittelmeer absolut unüblich - und da sie von den Ägyptern wie Semiten dargestellt werden, ist es m.E. wahrscheinlich, dass die Schardana nicht von Sardinien gekommen sind, sondern dahin gewandert sind. VG Christian |
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04.04.2013, 16:26
Beitrag: #77
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Peleset und Danuna
Im Unterschied zu den Schardana tauchen die Peleset erst in den ägyptischen Inschriften auf, als sie z.Zt. von Ramses III. im Verbund mit anderen Seevölkern Ägypten angriffen. Sie gehörten sowohl zur Land- wie auch zur Seestreitmacht der Seevölker. Mit ihnen können allerdings auch schon einige Söldner identifiziert werden, die unter Ramses III. zusammen mit Schardana und Danuna als ägyptische Söldner gegen die Libyer kämpften. Aus der Darstellung in Medinet Habu tragen die Peleset wie auch die Danuna Rundschilde mit metallenen Schmuck- oder Verstärkungsscheiben auf der Außenseite, lange Schwerter (die quer auf dem Rücken getragen werden) und lange Speere oder Lanzen, dazu die berühmten „Federkronen“-Helme, die in einigen Fällen nicht nur den Kopf, sondern auch Wangen und Nacken schützen. Solche Helme bestanden wohl aus Ringen aus Leder oder Metall, in die Strohbüschel oder auch echte Federn gesteckt wurden. Sie sind bis Sardinien nachgewiesen, hauptsächlich jedoch während der Bronzezeit und der frühen Eisenzeit im Bereich des Nahen Ostens und des östlichen Mittelmeers. Außerdem werden sie in Medinet Habu gezeigt, wie die Peleset (im Kampf gegen Schardana-Söldner des Pharaos!) auf Streitwagen nahöstlicher Bauart kämpfen. Das Interessante an dieser Darstellung ist, dass die Peleset nach mykenischer Art mit Speer und Schwert bewaffnet kämpfen und nicht nach nahöstlicher Art mit Pfeil und Bogen. Offenbar haben die Peleset die mykenische Kampfweise mit den nahöstlichen Streitwagen verbunden, was voraussetzt, dass sie eines von beiden schon vorher kannten und dann lange genug im Bereich der anderen Kampfweise lebten, um beides kombinieren zu können. Auf einer vereinzelten Darstellung in Medinet Habu erkennen wir jedoch auch einen namentlich als solchen bezeichneten gefangenen Peleset, der NICHT den typischen Federhelm trägt, sondern nur eine den Oberkopf bedeckende Kappe. Es waren also wohl unterschiedliche Kopfbedeckungen bei den Peleset üblich, wenn man nicht davon ausgeht, die Kappe des gefangenen Peleset sei etwa eine Art Unterlage für den Federhelm, der in diesem Fall abgenommen worden ist. Die Rüstungen, die die Peleset auf den Darstellungen von Medinet Habu tragen, erinnern zum Teil an kretische und ägäische Bronzerüstungen, zum Teil aber auch an die Lamellenrüstungen der Schardana. Auch die Schiffe der Peleset wie auch der übrigen Seevölker haben große Ähnlichkeit mit ägäisch-mykenischen Schiffen, auch wenn die Ruder, die diese Schiffe zweifellos hatten, nicht gezeigt werden. Sie waren wohl aufgrund der Schlachtsituation im Schiffsinneren untergebracht. Wenn die Peleset sowie die anderen seefahrenden Seevölker daher nicht gleich als mykenische Griechen identifizert werden müssen, dann doch zumindest als Völker, die aus dem Einflussbereich der mykenischen Kultur stammen müssten oder sich mindestens beim Durchzug durch die Ägäis so viel Zeit gelassen haben müssen, dass sie die Schiffsbautechniken der Mykener übernehmen konnten. Schon Champollion identifizierte die Peleset als die biblischen Philister, die in den fünf Städten Aschdod, Askalon, Gaza, Ekron und Ghat siedelten. Diese Städte waren alle vor dem Seevölkersturm unter ägyptischer Kontrolle, die Peleset wurden also wohl dort mit der (mehr oder weniger erzwungenen) Erlaubnis der Ägypter angesiedelt. Außerdem schreibt Ramses III. explizit, er habe die Peleset „in seinen Festungen“ angesiedelt. Die Philister beherrschten dank ihrer militärischen Überlegenheit und ihrem regionalen Eisenmonopol über die eingesessene Bevölkerung auch das Hinterland ihrer „Dekapolis“ (wohl in Absprache mit dem Pharao, der sie als seine „Vasallen“ bezeichnete) und lieferten so den Hintergrund zu den in der Bibel überlieferten Geschichten über Kampf, aber auch Zusammenarbeit zwischen dieser eingesessenen Bevölkerung, die sich aus mow nomadischen Hebräern und städtisch siedelnden Kanaanitern zusammen setzte. Wer waren nun Peleset und Danuna? Die Peleset sind recht zuverlässig mit den Philistern identifizert, wie oben schon erwähnt. Die Danuna könnten mit den homerischen „Danaern“ zusammenhängen. Wo aber kamen diese Völker her? Homer erwähnt verschiedene Male die „Pelasger“. Sie sollen sowohl in Thrakien wie auch auf Kreta und den ägäischen Inselns gewohnt haben. Weiterhin gibt die Bibel die Auskunft, die Philister seien von Kreta gekommen, wobei für die Zeit Salomos (laut Bibel die Zeit zwischen 1000 und 900 v.Chr., also die Jahrhunderte unmittelbar nach dem Seevölkersturm) davon gesprochen wird, dass Söldner aus „Kreti und Pleti“ in der königlichen Leibwache dienten. Kreter und Peleter müssten also zwar beide von Kreta gekommen sein, aber doch noch unterschiedlichen Charakter gehabt haben. Die Dorer, die in historischer Zeit Teile Kretas bewohnten, kamen aber erst ab ca. 1000 v.Chr. auf die Insel und fallen als etwaige Vorfahren der Peleset weg. Dennoch belegt die große Ähnlichkeit der Keramik der Philister mit der Keramik, die auf Kreta und in der Ägäis bis nach Troja in der Späthelladisch-IIIC genannten Zeitstufe verbreitet ist (also um 1190, genau in der Zeit, in der der Seevölkersturm stattfand, bis etwa 1030 v.Chr.), dass die Philister tatsächlich vor ihrem Eintreffen in Palästina im Bereich der griechisch-kretischen Kultur gelebt haben müssen. Das müsste allerdings schon um 1700 v.Chr., also lange vor dem Seevölkersturm, der Fall gewesen sein, denn auf dem sog. Phaistos-Disk ist ein Schriftzeichen, das einen Federhelm darstellt. Den minoischen Kretern war also diese Art von Helm schon bekannt. Auch ist auf Kreta eine Staue ausgegraben worden, die aus dem 13. bis 12.Jh.v.Chr. stammt und ebenfalls eine Federkrone trägt. Von Malta ist eine Puppe ägyptischer Herkunft bekannt, die eine Federkrone trägt, aufgrund der Gesichtsgestaltung jedoch eher als Karikatur angesprochen wird denn als naturalistische Darstellung. Eine andere kretische Helmart ist belegt durch einen Fund, der auf etwa 1200 v.Chr. datiert wird, also mitten in die Seevölkerzeit fällt. Dieser Helm ist aus metallenen Bändern aufgebaut, die übereinander und im Wechsel mit Ornamentbändern angeordnet sind und so einen zylinderähnlichen Helm ergeben, der an eine Tiara erinnert – und an Darstellungen von Seevölkerhelmen aus Medinet Habu. Einen weiteren Hinweis auf eine Herkunft der Philister aus dem Ägäisraum oder auch aus Anatolien liefern Särge der Philister, die in Palästina ausgegraben worden sind. Diese Särge sind so gestaltet, dass sie an menschliche Figuren erinnern. Sie tragen Gesichter mit Federkronen auf der Außenseite. Die Gestaltung der Gesichter erinnert an die sog. „Maske des Agamemnon“, die Schliemann in Mykene ausgrub. Die Philister lebten also sehr wahrscheinlich seit der mykenischen Zeit im griechischen Bereich. Wenn sie nicht hier als Volk entstanden sind, müssen sie mindestens lange Zeit hier verbracht haben und sich von den mykenischen Griechen kulturell einiges abgeschaut haben. Sie gelangten dann irgendwie nach Anatolien und von dort im Gefolge der restlichen Seevölker bis Ägypten, wo sie von den Ägyptern schließlich angesiedelt wurden. Bei den Danuna, deren Name mitunter auch als „Denyen“ gelesen wird, sind wir auf noch viel mehr Spekulationen angewiesen als bei den Peleset. Sie könnten wie gesagt mit den homerischen „Danaern“ gleich gesetzt werden. Aus ägyptischen Inschriften und aus den Amarna-Briefen sind uns die „Danunäer“ überliefert, wahrscheinlich sind Denyen, Danaer und Danunäer drei Bezeichnungen für das gleiche Volk. Nach der ägyptischen Darstellung gibt es in Griechenland eine Landschaft namens „Danaja“, zu der Mukana (Mykene), Deqis (Theben), Mişana (Messenenien), Nuplija (Nauplion), Kutira (Kythera) und Weleja (Elis) gehören sowie wahrscheinlich auch der Ort Amukla (Amyklai), der aber später aus unbekannten Gründen wieder aus der ägyptischen Liste gestrichen wurde. Dazu würde passen, dass die Griechen die Danaer von einem mythischen Stammvater „Danaos“ ableiten, der Herrscher über die Argolis im Nordosten der Peloponnes gewesen sei. Gleichzeitig wäre dann Danaos im Zentrum der Landschaft gesessen, die von den Ägyptern als „Danaja“ bezeichnet wurde und die von Theben im Norden bis zur Insel Kythera südlich der Peloponnes reichte. Dagegen sprechen nun aber ausgerechnet ägyptische Quellen, die berühmten Amarna-Briefe aus der Zeit Echnatons, die schon im 14.Jh.v.Chr. ein Volk mit dem akkadischen Namen „Danuna“ im Süden von Anatolien in der Ebene von Adana verorten. Der König des nordsyrischen Stadtstaates Ja´udi erwähnt um 800 v.Chr., dass ein „Danunäer-König“ als Großkönig über die ganze Region geherrscht habe, wobei sein Land noch zur Zeit seines Vaters anderen Herrschern unterstanden hätte. Im 14.Jh. v.Chr. war die Region zum hethitischen Reich gehörig, allerdings „nur“ in der Form eines Vasallenkönigreichs (Kizzuwatna). Der König von Ja´udi war dann dem König von Que (dem Nachfolgestaat von Kizzuwatna!) unterworfen, dessen Hauptstadt das spätere Adana war, der also wohl als „Danunäer-König“ angesprochen war. Von Kizzuwatna aus nun startete der Untergang des hethitischen Großreichs, denn hier herrschte ein Onkel des vorletzten Hethiterkönigs, der seinen Neffen vom Thron stürzte und selbst die Herrschaft übernahm. In diese Thronstreitigkeiten hinein platzten die Seevölker und brachten dem geschwächten Großreich den Untergang. Das passt aber nicht zu der Nachricht, dass „Danuna“ zu den Seevölkern gehört hatten, außer, man geht davon aus, dass anatolische Danuna und griechische Danajer von Ramses III. gleichgesetzt wurden. Möglich auch, dass griechische Danajer zu den Seevölkern gehört hatten, die die hethitisch-ugaritische Flotte vor Zypern schlugen und dass sich nach dem Untergang der Hethiter wie auch Ugarits anatolische Danuna den Seevölkern anschlossen, und dass dann aufgrund der Namensähnlichkeit beide Völker von den Ägyptern nicht mehr unterschieden wurden. Gegen diese Alternative wiederum spricht, dass die Danuna in Medinet Habu einheitlich dargestellt werden, was bei der Herkunft eines Teils der Danuna aus Griechenland und eines anderen Teils aus Anatolien wohl schwer möglich gewesen wäre. VG Christian |
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04.04.2013, 19:03
Beitrag: #78
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Tjeker / Sikuler / Sikeler
Die Bezeichnung Tjeker für einen Teil der Seevölker findet sich in Medinet Habu in der monumentalen Inschrift, die Ramses III. anlässlich seines Kampfes gegen die sog. Seevölker verfassen hat lassen. Die Schwierigkeit bei der Identifizierung der Tjeker bzw. Sikeler liegt darin, dass die ägyptische Schreibung sowohl als „tkr“ als auch als „skl“ gelesen werden kann. Die Bezeichnung „Sikeler“ ist sogar die eigentlich üblichere gewesen; nur auf neuägyptisch lässt sich das Wort auch als „Tjeker“ lesen. In Keilschrift ergibt sich „Sikeler“, was auch die Griechen so übernahmen. Die Sikeler sind dabei nicht zu verwechseln mit der Urbevölkerung Siziliens, wobei allerdings Querverbindungen nicht unmöglich sind, denn die Seevölker-Sikeler/Tjeker könnten nach der Niederlage gegen die Ägypter sehr wohl mindestens teilweise Richtung Westen gewandert sein und auf Sizilien gelandet sein. Die Tjeker werden in Medinet Habu zusammen mit den Peleset am häufigsten dargestellt, sie scheinen also eine der größten Gruppen innerhalb der Seevölker gewesen zu sein. Sie sind neben den Peleset und den Danuna die einzigen, die sowohl an der Land- wie auch an der Seeschlacht beteiligt sind. Sie benutzten eine ganz ähnliche Keramik wie die Peleset/Philister, scheinen also wie sie auch im kretisch-ägäischen Raum gelebt zu haben bzw. von dort zu stammen. Wie bei den Peleset auch deuten gewichtige Hinweise Richtung Kreta; die Tjeker werden daher manchmal als auch möglicherweise eteokretisches Volk angesehen. Aus Zypern stammen Darstellungen von Kriegern, die nahe legen, dass die Tjeker hier zumindest zeitweise gesiedelt haben. Die Art, wie die „Schilfblatt-Helme“ der Tjeker in Medinet Habu dargestellt werden, erinnert an mykenische Helme, wie sie z.B. auf der berühmten „Kriegervase“ abgebildet sind. Die Tjeker kämpften mit kurzen Schwertern, runden Schilden und langen Speeren. Sie sind auf den Darstellungen in Medinet Habu ganz ähnlich dargestellt wie die Schekelesch und die Weschwesch, jedoch mit deutlich hellerer Hautfarbe. Bedeutsam im Zusammenhang mit den Tjekern ist nun, dass sie als einziger Teil der Seevölker auch in einer Quelle ausführlich erwähnt werden, die nicht im Zusammenhang mit dem Seevölkersturm steht: Im sog. „Reisebericht des Wenamun“ aus dem 11.Jh.v.Chr. reist der Titelheld in die Stadt Dor, die er als „Stadt der Tjeker“ bezeichnet, im heutigen Nordisrael und trifft dort auf einen Stadtfürsten namens „Beder“. Dieser Beder ist somit der einzige Angehörige der Seevölker, der uns namentlich bekannt ist. Schon Mitte des 11.Jh.v.Chr. wurde Dor zerstört (vermutlich von den aufstrebenden Phöniziern), seitdem fehlt jede Nachricht über den Verbleib der Tjeker. Allerdings sind die archäologisch feststellbaren Spuren der Tjeker in Dor auch zuvor schon eher spärlich, so dass zwar auf ihre Anwesenheit in Dor geschlossen werden kann, aber sie stellten keinesfalls die Bevölkerungsmehrheit. Woher könnten nun die Tjeker gekommen sein? Lange wurde vermutet, sie könnten aus der Gegend von Troja gestammt haben, denn dort ist ein Volk der „Teukrer“ überliefert. Von der Stadt Salamis auf Zypern ist überliefert, dass sein mythischer Gründer „Teuker“ hieß. Auch ihrer Keramik und Waffenausstattung nach steht zu vermuten, dass die Tjeker irgendwo aus dem Ägäisraum kommen. Zählt man alle Hinweise zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Ein möglicher Weg der Tjeker, der sie schlussendlich nach Dor in Kanaan geführt haben könnte, führt von der Troas oder Griechenland über Zypern und/oder Kreta nach Dor. Die Tjeker waren wohl tatsächlich auf Landsuche, sonst hätten sie sich nicht zu Land und zu Wasser auf Ägypten zubewegt (was im Übrigen auch für die Peleset und die Danuna gilt) und sie waren zwar zahlreich in der Schlacht gegen die Ägypter vertreten, aber sie waren nicht so viele, als dass sie in Dor mehr als die herrschende Oberschicht stellen konnten. Eventuell sind auch Teile der Tjeker ins westliche Mittelmeer gewandert (zusammen mit Teilen der Schardana?) und haben sich dort auf Sizilien niedergelassen, wobei allerdings die Griechen überliefern, die Sikuler Siziliens seien aus Italien gekommen. Eine solche Wanderung könnte allerdings erklären, warum die Tjeker in Medinet Habu als sehr zahlreich dargestellt werden und dann in Dor offenbar nur wenige sind. VG Christian |
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04.04.2013, 23:29
Beitrag: #79
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Erst mal Danke für die vielen Infos.
Das alles läßt ja jetzt ein paar interessante Schlussfolgerungen zu, findest du nicht auch? Damit kann man doch noch ein bißchen spielen, wenn du Lust hast. ![]() ![]() Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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05.04.2013, 12:47
Beitrag: #80
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Man sollte nicht mit der heutigen Weltkarte im Kopf denken. Man liess sich dort nieder,wo man unangefochten gut leben konnte und hatte keinen Grund dann weiterzuziehen. Ein übergreifendes und abgesprochenes strategisches Konzept, Ägypten von 3 Seiten (W,E, zur See - nur die Nubier von S fehlen noch) anzugreifen, gab es bestimmt nicht.
Das gilt im Grunde für alle "Völkerwanderungen". „Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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05.04.2013, 14:41
Beitrag: #81
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(05.04.2013 12:47)Arkona schrieb: Ein übergreifendes und abgesprochenes strategisches Konzept, Ägypten von 3 Seiten (W,E, zur See - nur die Nubier von S fehlen noch) anzugreifen, gab es bestimmt nicht. Aber das Ziel der Seevölker könnte letzten Endes schon das "Goldene Ägypten" gewesen sein. Wenn sie sich irgendwann teilten oder auch nur alte Kontakte aufrecht erhielten (so dass die in Libyen sitzenden wussten, was die, die vom Hethiterreich her kamen, vorhatten), könnten sie ihren Angriff schon koordiniert haben, mit den Möglichkeiten der Zeit zumindest. VG Christian |
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05.04.2013, 21:59
Beitrag: #82
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(05.04.2013 14:41)913Chris schrieb:(05.04.2013 12:47)Arkona schrieb: Ein übergreifendes und abgesprochenes strategisches Konzept, Ägypten von 3 Seiten (W,E, zur See - nur die Nubier von S fehlen noch) anzugreifen, gab es bestimmt nicht. Eine Koordination halte ich für durchaus warhscheinlich, aber davon, daß die Seevölker Ägypten erobern wollten, glaube ich nicht. Lassen wir doch mal das Szenario, daß es den Seevölkern primär darum ging, Land zu erobern, in dem sie sich niederlassen wollten. (Was ich nebenbei gesagt, ohnehin nicht glaube). Wie wir ja schon festgestellt hatten, waren es lediglich Krieger, die per Schiff kamen, während eventuelle Frauen mit dem Planwagen nachkamen. Da ja der Seevölkersturm im Nordosten der Ägäis gestartet ist, kann ich mir das Szenario beim besten Willen nicht vorstellen. Nein, die Seevölker haben Ägypten nicht angegriffen, um das Land zu besetzen und zu erobern. Ich könnte mir, sofern es sich um eine koordinierte Aktion ging, gut vorstellen, daß es vielleicht darum ging, den Nil zu kontrollieren, um sich vor allem die ägyptischen Getreidevorräte zu sichern. Wer auf dem Schiff und mit Ochsenkarren unterwegs ist, kann nicht sähen und ernten, aber essen muss er trotzdem. Warum hier und da eine Siedlung anggreifen, wenn man die ägyptishe Getreideversorgung unter Kontrolle bekommen kann? Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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06.04.2013, 07:53
Beitrag: #83
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
nachdem Chris ja so viele Informationen zu den Seevölkern geliefert hat, wäre es vielleicht mal Zeit eine Art Resümee zu ziehen.
Es gibt zwei oder drei (das "oder" deswegen, weil die dritte eigentlich nur eine Variante ist) grundsätzliche Thesen über die Seevölkerinvasion und ihren Bezug zum Ende der Bronzezeit. Die eine Haupttheorie ist die "Völkerwanderungstheorie", die in etwa die klassische Seevölkertheorie ist. Das zweite ist die "Krieg-um-Handelsrouten"- Theorie, die die von mir präferierte ist. Jetzt habe ich heute nacht mal überlegt, beide Theorien in ihren Grundzügen darzustellen, so als zwischenschritt. Dabei habe ich aber festgestellt, daß ich gar nicht im Stande bin, eine auch nur halbwegs sachliche Völkerwanderungstheorie darzustellen. Bei mir würde sich das in etwa so anhören "Da kamen dann also aus dem Norden, über den Balkan, eine Reihe von Wirtschaftsflüchtlingen, die an den gut befestigten, reichen Städten der Ägäis vorbeizogen und den kriegerischen Seevölkern soviel Angst einjagten, daß die auf ihre Schiffe sprangen und lieber gut befestigte Städte weiter südlich und östlich überfielen und plünderten, als den Eindringlingen eines auf die nase zu geben..." Wie ihr seht, ist das kaum sachlich, und vielleicht findet sich ja einer derjenigen, die die klassische Völkerwanderungstheorie für die wahrscheinliche oder gar erwiesene halten, um in einigen Worten ein Szenario über das Ende der Bronzezeit und den Seevölkersturm zu schreiben. Wenn nicht, muss ich das ja wohl machen, aber den Anfang habt ihr ja schon oben gelesen.... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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06.04.2013, 08:35
Beitrag: #84
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Wo ist da der Widerspuch? Die Seevölkerwanderung wurde m.E. von der Urnenfelder-Kultur auf dem Balkan ausgelöst, was weiter nördlich und östlich gerade los war wissen wir nicht. Muss aber eine Rolle gespielt haben, Domino-Effekt.
„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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06.04.2013, 11:04
Beitrag: #85
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(05.04.2013 21:59)Bunbury schrieb: Eine Koordination halte ich für durchaus warhscheinlich, aber davon, daß die Seevölker Ägypten erobern wollten, glaube ich nicht. Bestimmt nicht das ganze Land - obwohl, wenn sich´s ergeben hätte, hätten die verschiedenen Völker sich Ägypten wohl auch komplett untereinander aufgeteilt. Wie aber das Ergebnis des Seevölkersturms zeigt - Ansiedlung verschiedener Seevölker in Palästina (Philister in der Dekapolis, Tjekker in Dor) oder im Delta (Schardana) - könnte es sehr wohl sein, dass die Seevölker genau das wollten: Einen Wohnort in ägyptischem Gebiet. Ägypten musste ja gerade in Zeiten des allgemeinen Zusammenbruchs und der Krise in den nördlicheren Regionen quasi als "Land der Glücklichen" gelten...und wie wir wissen, hatten z.B. die Mykener und Anatolier alte bis uralte Handelsbeziehungen nach Ägypten, sie kannten also das Land recht gut. Wäre ja auch nicht das erste Mal gewesen, dass ein Angriff auf Ägypten mit der Ansiedlung der Angreifer endete. Die Libyer bspw. machten das schon einige Zeit so, was dann letzten Endes viel später darin endete, dass eine libysche - ägyptisierte - Dynastie den Pharao stellte. Gut möglich, dass hier sogar Nachfahren ehemaliger Seevölker mit im Spiel waren...aber das ist nun pure Spekulation. VG Christian |
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06.04.2013, 11:05
Beitrag: #86
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(06.04.2013 08:35)Arkona schrieb: Wo ist da der Widerspuch? Die Seevölkerwanderung wurde m.E. von der Urnenfelder-Kultur auf dem Balkan ausgelöst, was weiter nördlich und östlich gerade los war wissen wir nicht. Muss aber eine Rolle gespielt haben, Domino-Effekt. Nicht "muss" sondern "kann". Wir wissen einfach nicht, was die Seevölkerwanderung ausgelöst hat. Deswegen lässt sich´s da j aauch so herrlich spekulieren... ![]() VG Christian |
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06.04.2013, 18:25
Beitrag: #87
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(06.04.2013 11:05)913Chris schrieb:(06.04.2013 08:35)Arkona schrieb: Wo ist da der Widerspuch? Die Seevölkerwanderung wurde m.E. von der Urnenfelder-Kultur auf dem Balkan ausgelöst, was weiter nördlich und östlich gerade los war wissen wir nicht. Muss aber eine Rolle gespielt haben, Domino-Effekt. Ohne Grund packt man nicht Kind und Kegel auf Schiffe oder Ochsenkarren und zieht ins Blaue los. Da muss etwas in Nordosteuropa passiert sein, von dem wir vielleicht gar nichts wissen. „Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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07.04.2013, 02:22
Beitrag: #88
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Das Schlachtfeld vom Tollensee wurde gefunden. Es gab also territoriale Probleme, die wahrscheinlich zu Auswanderungen geführt haben. Wir wissen aus archäologischen Funden, das sich germanische Kulturen östlich der Oder ausbreiteten und dabei wahrscheinlich andere Indogermanen verdrängten. Solche Auswanderer wurden dann als Veneter, Illyrer...bezeichnet. Sie wanderten südwärts und verdrängten dabei womöglich wieder andere Völker. Dieser Dominoeffekt kann sehr weit im Norden begonnen haben.
viele Grüße Paul aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn) in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt |
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07.04.2013, 18:06
Beitrag: #89
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Schekelesch
Über die Schekelesch wissen wir weit weniger als über die Schardana, Peleset, Danuna oder auch Tjeker. Sie werden in den Berichten von Ramses III. und in den Texten aus Ugarit nur nebenher erwähnt, obwohl sie wohl eine der auch militärisch wichtigeren Bestandteile der Seevölker darstellten. Unter Pharao Merenptah, dem Nachfolger von Ramses II., tauchen sie zum ersten Mal in den Berichten auf, als sie um 1220 v.Chr. zusammen mit „allen“ Libyern und großen Kontingenten der Ekwesch (= „Aqi-wascha“ / Ahhijawa?), der Turischa und der Schardana das westliche Delta angriffen. Meschwesch, „Leute von der Insel Kos“ in der Ägäis und aus Lykien in Anatolien stellten dabei weitere Abteilungen der Angreifer. In der Schlacht von Sais konnte Merenptah den Ansturm abwehren, mehrere tausend der Gegner töten und im Tempel von Karnak eine triumphierende Inschrift hinterlassen. Ramses III. hat zwar 40 Jahre später erneut über die Seevölker gesiegt, aber der Sieg war wohl so knapp, dass er es z.B. den Philistern erlauben musste, sich in ägyptischen Städten in Palästina nieder zu lassen. Im Papyrus Harris wird interessanterweise darüber hinaus berichtet, dass Ramses III. auch diverse Seevölkergruppen als Garnisonen beschäftigte. Ob immer ganz freiwillig, sei der Phantasie des Lesers überlassen; Dor beispielsweise, später als „Stadt der Tjeker“ bezeichnet, könnte eine dieser „Garnisonen“ gewesen sein. Auch die Schekelesch waren möglicherweise in der Position, von Ramses III. die Ansiedlung in einer äygptischen Stadt zu fordern, woraufhin Ramses III. diese Besatzung als „Garnison“ bezeichnete. Schekelesch, Ekwesch und Schardana verbindet, dass sie in der Inschrift in Karnak, mit der Ramses III. seinen Sieg über die Seevölker glorifiziert, als „beschnitten“ bezeichnet werden, was auf einen nahöstlichen kulturellen Hintergrund aller drei Seevölker hindeutet. Wie aber bei der Analyse der möglichen kulturellen Wurzeln der Schardana bereits deutlich wurde, könnte es ebenso sein, dass ein Volk z.B. aus dem Ägäisbereich stammt, eine Zeitlang im Nahen Osten lebte und dabei nahöstliche Praktiken wie die Beschneidung übernahm. Von den Schekelesch wissen wir weit weniger als von den Schardana, weil sie in Karnak nur am Rande erwähnt werden, so dass wir hier über eine Abstammung aus dem Ägäisraum noch mehr spekulieren müssen als bei den Schardana. Möglicherweise sind jedoch Ekwesch, Schardana und Schekelesch mindestens einen Teil des Weges nach Ägypten zusammen gezogen. Wir können in Karnak jedoch erkennen, wie die Schekelesch ausgesehen haben: Zu ihrer Tracht gehörten textile Kopfbedeckungen und ein Medaillon auf der Brust. Sie waren meist bartlos, kämpften mit zwei Speeren bzw. einem Speer und einer Lanze, einem Schwert und einem Rundschild. Zieht man die Informationen der Merenptah-Inschrift in Medinet Habu hinzu, könnte es sein, dass die Schekelsch wie die Schardana auch Hörnerhelme trugen, nur im Unterschied zu den Schardana hatten die Schekelesch zusätzlich zu den Hörnern knopfförmige Aufsätze an der Spitze ihrer Helme. Wie bei den Tjekern/Sikelern auch haben viele über die Namensähnlichkeit der Schekelesch mit den sizilischen Ureinwohnern vom Volk der „Sikuler“ gerätselt. Möglicherweise sind Schekelesch nach der Niederlage gegen Ramses III. nicht nur Richtung Levante gezogen (in diesem Fall zurückgezogen), sondern es haben sich auch Teile des Volkes Richtung Westen bewegt und sich auf Sizilien niedergelassen. Bei den Schekelsch deutet jedoch noch weniger als bei den Sikelern darauf hin, dass diese These richtig ist. Da im frühen 11.Jh.v.Chr. in einem ägyptischen Text zuerst die Städte der sog. „Philister-Pentapolis“ genannt werden und dann der Reihe nach die Völker der Schardana, Schekelesch und Philister, wurde schon spekuliert, dass alle drei Völker sich in den fünf Städten niederließen, die in der Bibel als „Städte der Philister“ bezeichnet werden (Askalon, Aschdod, Gaza, Gath und Ekron). Die im „Reisebericht des Wenamun“ aus dem 9.Jh.v.Chr. erwähnten „Schiffe der Schekelesch“ im Hafen von Byblos deuten darauf hin, dass an dieser Spekulation was dran sein könnte. Wo genau die Schekelesch sich aber nun niederließen, ob bei den Philistern oder an der heute nordisraelischen Küste, bleibt unklar. Laut einer Publikation von Stern aus dem Jahr 2000 lässt sich die kulturelle Hinterlassenschaft der Schekelesch nicht von der der Philister unterscheiden. Noch rätselhafter wie das Verbleiben der Schekelesch ist ihre Herkunft. Die Ähnlichkeiten mit den Schardana, Philistern und anderen deutet darauf hin, dass auch für die Schekelesch eine ägäische oder zumindest westanatolische Herkunft angenommen werden kann. Aufgrund der Namensähnlichkeit wurde auch schon angenommen, die Schekelesch stammten aus Sagalassos in Pisidien, einer südanatolischen Landschaft östlich an Karien anschließend, die für ihre kriegerischen Bewohner noch in der Perserzeit bekannt war. Beziehungen zwischen ägäischen Völkern im westlichen Kleinasien, Griechenland und Zypern sind theoretisch von Pisidien aus möglich. Die Schekelesch könnten also vielleicht nachträglich zum Seevölkersturm dazu gestoßen sein. Oder irgendwann zuvor nach Pisidien gewandert sein, eventuell aus Gebieten, die den Ursprungsgebieten der Schardana und Peleset benachbart waren. Womit wir wieder in Griechenland und/oder Westanatolien als Ursprungsgebiet gelandet wären… VG Christian |
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07.04.2013, 18:29
Beitrag: #90
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(06.04.2013 18:25)Arkona schrieb: Ohne Grund packt man nicht Kind und Kegel auf Schiffe oder Ochsenkarren und zieht ins Blaue los. Da muss etwas in Nordosteuropa passiert sein, von dem wir vielleicht gar nichts wissen. Natürlich macht man das nicht ohne Grund. Die Frage ist nur- warum muss Grund zwangsläufig außerhalb liegen? Warum ist es so völlig undenkbar, daß der Zusammenbruch der Mittelmeerkulturen von innen heraus erfolgte? Vielleicht muss man Wirtschaftswissenschaftler sein wie ich, um auf den Gedanken zu kommen, daß die Ursache des Zusammenbruchs aus dem System selbst gekommen ist. Der Reichtum der späten Bronzezeit beruhte auf dem Handel. Nicht auf Produktion doer der reinen Erzförderung oder dem Nahrungsmittelanbau, sondern aus dem Handel. Wer die Handelwege und Handelsknoten kontrollierte war reich und besaß Macht. Gibt es irgendeinen Grund anzunehmen, daß die Menschen in der späten Bronzezeit weniger gierig nach dem einen wie dem anderen gewesen wären als heute? Ich glaube nicht. Die Mittel mögen andere sein, aber die Motivation der Menschen war wohl immer die gleichen. Die, die reich waren und Macht hatten waren also nicht zufrieden und wollten mehr. Am Ende der Bronzzeit aber war der Kuchen verteilt- das System an sich konnte nicht mehr expandieren, wer expandieren wollte, konnte dies nur auf Kosten der anderen tun. Und genau das ist meiner Meinung nach geschehen- und hat den kompletten Systemzusammenbruch ausgelöst, der dann dazu geführt hat, daß der ganze Mittelmeerraum in Bewegung geriet. Die Einwanderung über den Balkan war dann die Folge des Zusammenbruchs, nicht die Ursache... So, das war jetzt die ultrakurzfassung.... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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07.04.2013, 18:49
Beitrag: #91
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(07.04.2013 18:06)913Chris schrieb: Womit wir wieder in Griechenland und/oder Westanatolien als Ursprungsgebiet gelandet wären… Der Anfang des Seevölkersturmes scheint somit also tatsächlich dort oben in der Ecke gewesen zu sein- und je länger ich mir das so ansehe, um so unsinniger erscheint mir die Theorie, daß die Krieger ihre Schiffe bestiegen haben, weil da über den Balkan jemand aus dem Norden oder Osten kam... Könnte der Anfang vielleicht tatsächlich die innere Schwäche des Hethiterreiches gewesen sein? Daß die Nachbarn, bisher durch eine Art Kräftegleichgewicht in Schach gehalten, plötzlich die Möglichkeit sahen, sich doch noch ein Stück Kuchen unter den Nagel zu reißen? Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.04.2013, 21:51
Beitrag: #92
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
So, ich habe mich jetzt noch mal weiter in das Thema reingestürzt, und je mehr ich darüber lese und höre, um so sicherer bin ich mir, daß die Ägyter mit "Seevölker" keineswegs immer die gleichen Völker meinten- ja daß die beiden ägyptischen Texte nicht einmal den gleichen Sachverhalt beschreiben.
Der erste ägptische Text stammt aus einer Zeit von ca. 1240 v. Chr. und er kann gar nicht die gleichen Völker meinen wie die zweite Inschrift. Diese Schlacht wäre um 1177 v. Chr. geschlagen worden. Die Zerstörung von Ugarit läßt sich dank einer Beschriebung auf einer Tontafel, die die bedrohung durch die Feinde sowie eine Sonnenfinsternis beschreibt auf das Jahr 1192 v. Chr datieren. Erst nach der Zerstörung von Ugarit tauchen Beschreibungen von Ochsenkarren und Menschenzügen auf. Menschen, die eine neue Heimat suchen. Diese Menschen stammen anscheinend aus Ugarit und den zerstörten anderen Städten- und somit von innerhalb des Mittelmeerraumes. Eine Meeresbodenanalyse des Toten Meeres verrät auch, warum sich die Menschen nicht einfach irgendwo niederließen- um das Jahr 1200 v. Chr. herrschte in der Gegend um das Tote Meer eine Dürre. Manche Forsher spekulieren jetzt, daß die die gleiche Dürre auch die Ägäis betroffen hat und somit den Seevölkersturm ausgelöst hat. Die ägyptische Inschirft von 1240 v Chr. kann nicht die gleichen Seevölker gemeint haben. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, daß die gleiche Gruppe von Leuten 1240 v. Chr., Ägypten angreift, dann spurlos verschwindet, um dann fast 50 Jahre später Ugarit zu zerstören... Die spannende Frage lautet nun- ist der Bericht falsch, ist er falsch datiert- oder völlig falsch interpretiert...? Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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12.04.2013, 16:49
Beitrag: #93
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Nach meinen Informationen war der zeitliche Abstand zwischen den beiden Schlachten "Ägypten vs. Seevölker" nicht ganz so groß, aber wahrscheinlich beziehen wir uns einfach auf zwei unterschiedliche Chronologien (für Ägypten gibt es ja insgesamt drei).
Die erste Schlacht unter Pharao Merenptha (Inschrift von Karnak) fand nach meiner Chronologie 1208 v.Chr. statt, die zweite unter Ramses III. 1180 v.Chr. (Inschrift von Medinet Habu). Um 1190 v.Chr. wurde Ugarit von Seevölkern zerstört. Hätten die Ochsenkarren usw. aus der Ugariter Gegend gestammt, hätten sie schon genügend Zeit gehabt (Maximum etwa 12 Jahre), um bis ins Nildelta zu kommen. Aber auch die Hethiter bzw. Ugariter kämpften sowohl gegen Land- als auch gegen Seevölker. Zypern/Alaschia z.B. muss von Seevölkern eingenommen worden sein, der dortige König warnte (vergebens) seinen Kollegen in Ugarit vor einem ähnlichen Schicksal. Die Hethiter hatten um 1190 v.Chr. mit einer offenbar gewaltigen Hungersnot im Land zu kämpfen, in deren Gefolge sich wohl diverse Vasallen der Hethiter im Aufstand übten (eventuell wurden daraus die "Land-Seevölker?!?). Die Truppen Ugarits waren irgendwo im hethitischen Kernland eingesetzt, die Flotte vor Zypern, während der hethitische König Suppiluliuma II. in Lykien ("Lukka-Länder") gegen nicht näher benannte (Land-)Feinde kämpfte. Der Sieg der anatolischen Völker über die Hethiter und ihre Verbündete dürfte das Klima nicht geändert haben, so dass die Hungersnot fortbestanden haben dürfte. Logische Folge müsste gewesen sein: Daraufhin haben sich diverse Völker Anatoliens auf den Weg gemacht und quasi eine "Hungerflucht" angetreten. Über kurz oder lang dürften diese Völker sich mit den Seefahrern zusammengetan haben. Alternative: Die "Landvölker" Anatoliens auf ihrer Suche nach Landstrichen, die nicht von der verheerenden Trockenheit befallen waren, und die Seevölker - wohl ebenfalls auf der Suche nach Siedlungsland und/oder nach Beute - waren zufällig auf dem Weg zum gleichen Ziel: Zum reichen und dank des Nils und seiner südlichen Lage wohl kaum von der anatolischen Dürre beeinträchtigten Ägypten. VG Christian |
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12.04.2013, 18:11
Beitrag: #94
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
Auch wenn der zeitliche Abstand nicht ganz so groß war, denke ich nicht, daß die "ersten" Seevölker genau die gleichen waren wie die "zweiten".
Ich gehe momentan davon aus, daß in der Tat die Schwäche des Hethiterreiches dazu führte, daß sich einige anatolische Staaten zusammenschlossen, um sich der Hethitischen Vorherrschaft zu entldeigen. Möglicherweise- es ging immerhin um die Bronzezeit- ging es dabei auch darum, sich den Zugang zu den hetitischen Erzvorräten zu verschaffen. Wenn das mit eine Rolle gespielt hat (und es gibt eigentlich nichts, was wirklich dagegen spricht), hätte sich das andere Staaten im Mittelmmerraum vermutlich nicht so einfach bieten lassen, weil ja ihr Reichtum an anderen Routen und dergleichen hing. (In dieses Seznario würde dann wunderbar der Trojanische Krieg passen... ![]() Dieser Krieg in der Ägäis und Anatolien führte dann aber dazu, daß die Handelsrouten zusammenbrachen und die Handelsplätze nicht mehr versorgt wurden. Und das führte dann wohl zu einer ersten landflucht- überlicherweise verlassen die Menschen die Städte, wenn der Handel zusammenbricht. Südlich von Anatolien haben sich dann vermutlich zwei Dinge vermischt- der (Handels) Krieg, der von diesem anatolsichen Staatenbündnis losgetreten worden war und die Menschen, die auf der Flucht waren, weil ihre alten Städte zerstört waren oder von der Versorgung abgeschnitten. Die ersten Seevölker wären demnach tatsächlich Krieger oder sogar Söldner gewesen, erst die zweiten waren dann auf der Suche nach neuem Lebensraum. Was ich jetzt nicht glaube, ist, daß sich alle bewußt auf den Weg nach Ägypten gemacht haben. Es ergab sich mehr oder weniger zwangsläufig von selbst- die Menschen wurden nach Süden getrieben. In Anatolien und der Ägäis tobte der Krieg, im Nahen Osten ist die Dürre nachweisbar (für Anatolien ist sie im übrigen nicht nachgewiesen- man nimmt es nur an, weil ja irgendwas am Anfang gestanden haben muss) - in welche andere Richtung sollten sie denn gehen? Da bleibt eigentlich nur der Weg nach Süden- und da war Ägypten nun mal das reichste land. Ich denke nicht, daß Ägypten von vorneherein das Ziel war.... Und ja, in diesem Szenario könnten die Phryger tatsächlich Teil der Seevölker gewesen sein... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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12.04.2013, 20:40
Beitrag: #95
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(12.04.2013 18:11)Bunbury schrieb: Auch wenn der zeitliche Abstand nicht ganz so groß war, denke ich nicht, daß die "ersten" Seevölker genau die gleichen waren wie die "zweiten". Die Ägypter haben bestimmt nicht aus Spaß zweimal im Abstand von mehreren Jahrzehnten die gleichen Völkernamen verwendet. Ich denke, dass die Schardana etc. Söldner waren, die irgendwo im Raum Ägäis-Kreta-Zypern-(West-)Anatolien lebten und sich, wenn irgendwo Krieg im Verzug war, meldeten. Zwischen den großen Kriegen (= Angriffen auf Ägypten) können diese Völker durchaus auch gewandert sein, aber die Völker an sich waren mit Sicherheit bei Merenptah und bei Ramses III. dieselben. Die Darstellungen von Karnak und Medinet Habu gleichen sich nicht zufällig in auffälliger Weise... Die Lage in Anatolien wurde ebenso mit Sicherheit nicht "nur" aufgrund eines Handelskrieges so drastisch wie in den Quellen beschrieben. Innere Schwäche des Hethiterreichs aufgrund von Thronstreitigkeiten und Bürgerkriegen (= Kriegen zwischen Großkönig und Vasallenkönigen aus der Herrscherfamilie, vgl. Kizzuwatna vs. Hattuscha am Ende des Hethiterreichs) könnte Feinde geradzu eingeladen haben, mal einen ÜBerfall zu versuchen, dazu die Dürre in Anatolien, die Hungerflüchtlinge zur Folge hatte, vielleicht noch ein paar Erdbeben, schon hast du eine wunderschöne Endzeitstimmung beisammen, die die Wanderung ganzer Völker richtiggehend logisch macht...besonders, wenn es sich um Völker handelt, die seit Jahrzehnten gewohnt sind, dass die Männer immer wieder mal für ein Jahr oder länger irgendwo sind, um Krieg zu führen, und dabei aus erster Hand mitkriegen, ein wie schönes Land doch Ägypten ist... VG Christian |
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12.04.2013, 21:40
Beitrag: #96
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(12.04.2013 20:40)913Chris schrieb: Die Ägypter haben bestimmt nicht aus Spaß zweimal im Abstand von mehreren Jahrzehnten die gleichen Völkernamen verwendet. Es gibt verschiedene Stellen in ägyptischen Tempelinschriften, die sich derartig ähnlich sind, obwohl sie zu unterschiedlichen zeiten verfaßt wurden, daß es als beinahe sicher gilt, daß das gleiche Ereignis zweimal verbraten wurde. Die ägyptischen Inschriften sind alles in allem keine historischen Dokumentationen, sondern im allgemeinen dienen sie dazu, einen Pharao zu verherrlichen. Daß oftmals als Sieg dargestellt wurde, was in Wahrheit bestenfalls ein Remis war, ist mehrfach nachgewiesen. Warum also soll alles, was über die Seevölker berichtet wird, plötzlich exakt der Wahrheit entsprechen? Warum sollen nicht bei der zweiten Seevölkerschlacht Völker aufgeführt sein, die vielleicht gar nicht (mehr) dabei waren, die das ganze aber für den Pharao viel großartiger klingen lassen? Ein Sieg gegen sieben odre acht verschiedene Völker klingt doch um einiges großartiger als einer gegen drei oder vier... Nein, auf die ägyptischen Inschriften alleine würde ich mich nicht verlassen. Zumindest würde ich sie nicht unbedingt für bare Münze nehmen. Ein bißchen Skepsis ist durchaus angebracht- man weiß doch, daß sie in vielerlei Beziehung unzuverlässig sind. (12.04.2013 20:40)913Chris schrieb: Die Lage in Anatolien wurde ebenso mit Sicherheit nicht "nur" aufgrund eines Handelskrieges so drastisch wie in den Quellen beschrieben.. "Nur" ein Handelskrieg? Ich glaube, du unterschätzt hier die Bedeutung des Handels für die Region gewaltig. Der Reichtum der späten Bronzezeit war das Resultat eines gut funktionierenden Handelsnetzes. Aber- wenn der Handel, von dem die Menschen leben- zusammenbricht, wovon leben sie dann? Wenn Getreidelieferungen ausbleiben, aber rund um die Städte nicht genug angebaut werden kann, um die Städte zu versorgen? Insbesondere, wenn die klimatischen Bedingungen nicht ideal sind... (12.04.2013 20:40)913Chris schrieb: Innere Schwäche des Hethiterreichs aufgrund von Thronstreitigkeiten und Bürgerkriegen (= Kriegen zwischen Großkönig und Vasallenkönigen aus der Herrscherfamilie, vgl. Kizzuwatna vs. Hattuscha am Ende des Hethiterreichs) könnte Feinde geradzu eingeladen haben, mal einen ÜBerfall zu versuchen,davon gehe ich aus. Das stand höchstwahrscheinlich am Anfang- Das Gleichgewicht der Kräfte ist hier wohl ins Schwanken geraten (12.04.2013 20:40)913Chris schrieb: dazu die Dürre in Anatolien,, Ist die denn inzwischen nachgewiesen? Soweit ich weiß, ist die Dürre fürs tote Meer nachgwiesen, als Erklräung, warum diejnigen, die sich aus Ugarit aufgemacht haben, sich nicht irgendwo südlich von Ugarit niedergelassen haben. Daß in Anatolien eine Dürre geherrscht hat, wurde in dieser Zusammenhang geschlussfolgert, weil das ein Grund für die Seevölkerwanderung gewesen sein könnte. Nur darf man so meiner Meinung nach nicht argumentieren. Dann muss man die Dürre schon nacweisen. Dann kann sie ein Grund sein. Aber nicht aufgrund der Seevölkerstürme schlußfolgern, daß die Dürre vom Toten Meer bestimmt auch in Anatolien geherrscht hat... (12.04.2013 20:40)913Chris schrieb: die Hungerflüchtlinge zur Folge hatte, vielleicht noch ein paar Erdbeben, , Die Erbeben zählen eigentlich nicht. Denn die meisten Städte in der Ägäis und Anatolien, die nachweislich von Erdbeben betroffen waren, wurden nicht einfach so aufgegeben, sondern wieder aufgebaut. Das ist es nänmlich, was man üblicherwiese nach einem Erdbeben tut- man geht hin und baut die Stadt halt wieder auf. So geschehen u.a. auch in Troja... (12.04.2013 20:40)913Chris schrieb: schon hast du eine wunderschöne Endzeitstimmung beisammen, die die Wanderung ganzer Völker richtiggehend logisch macht... die Logik erschließt sich mir auch, wenn ein ganzer Lebensraum plötzlich durch Krieg zerstört würde. Es blieb nicht dabei, daß ein paar anatolische Staaten gegen Hattusa den Aufstand geprobt haben. Die Stimmung am Ende der Bronzezeit war extrem angespannt, wie die starken Befestigungsanlagen in der gesamten Ägäis beweisen. Es ist nicht nötig, Städte und Paläste zu befestigen, wenn jeder friedlich handel treibt und jeder dem anderen sein Brötchen gönnt. Man geht hin und schützt und befestigt seine Stellung, wenn man Angriffe fürchtet- wie sie beispeilsweise durch einen Markt gegeben ist, der die Grenzen seines Wachstums erreicht hat, wenn man nicht nur darauf achten muss, daß man selbst angegriffen wird, sondern auch darauf, daß der Nachbar möglichst nicht mächtiger wird, weil das einen selbst gefährdet. In einer derartig angespannten Situation gibt es nicht einfach "nur" einen Handelskrieg- wenn da die eine Partei übermütig wird und sich etwas aneignet, was nach Meinung einer anderen Partei dieser gar nicht zusteht, beginnt ein Flächenbrand... Tatsächlich lassen sich bis heute eher Flüchtlingsströme aus Kriegsgebieten erkennen als aus Erdbebenregionen... Bei einem Erdbeben wartet man ganz einfach ab, bis sich die Erde wieder beruhigt, dann kehrt man zurück und baut neu. In Kriegsgebieten weiß man nicht, wie lange der Krieg noch dauert. Also macht man sich aus dem Staub. Warum sollen die Menschen damals anders gewesen sein als heute? Als Ugarit zerstört wurde, machte sich fast die ganze Einwohnerschaft auf den Weg. Nix mit Erdbeben, nix mit Dürre. zerstörung durch andere hat da viel nachhaltiger gewirkt... (12.04.2013 20:40)913Chris schrieb: besonders, wenn es sich um Völker handelt, die seit Jahrzehnten gewohnt sind, dass die Männer immer wieder mal für ein Jahr oder länger irgendwo sind, um Krieg zu führen, und dabei aus erster Hand mitkriegen, ein wie schönes Land doch Ägypten ist... Du glaubst also wirlich, daß diejenigen, die Ugarit verlassen haben, gesagt haben "Ach, Ägypten ist am schönsten, da wollen wir hin?" Nee, unwahrscheinlich. Erst mal will man weg. Und dann läßt man sich da nieder, wo man das Gefühl hat, daß man da bleiben kann. Daß man irgendwann, nachdem es anderswo nicht geklappt hat, zu dem Schluss kam, Ägypten sei einen Versuch wert, das kann ich mir schon eher vorstellen. Aber nicht, daß die Flüchtlinge ihre Heimat gezielt verlassen, um nach Ägypten zu gehen. Damals gab es noch kein Fernsehen und nichts- woher sollten die meisten Menschen wissen, wie schön es in Ägypten war? Selbst wenn es ein paar Männer wußten- die Mehrzahl des Volkes wußte es nicht. Und daß die, wenn es mühsam ist, nicht länger weiter ziehen wollen, weil das gelobte Land noch nicht in Sicht ist, kann man auch schon in der Bibel nachlesen.... Es gibt für eine Menschenmenge nur einen Grund weiter zu ziehen- weil es dort, wo sie gerade sind, einfach keine Möglichkeit zum bleiben gibt. Wenn man die Möglichkeit hat, sich dort, wo man ist, sein leben einzurichten, zieht man nicht weiter- nicht wenn man auch noch die Kinder dabei hat. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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12.04.2013, 23:29
Beitrag: #97
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Es gibt verschiedene Stellen in ägyptischen Tempelinschriften, die sich derartig ähnlich sind, obwohl sie zu unterschiedlichen zeiten verfaßt wurden, daß es als beinahe sicher gilt, daß das gleiche Ereignis zweimal verbraten wurde. Nur werden die Völkernamen der Seevölker in Medinet Habu z.T. anders geschrieben wie in Karnak, ews stecken aber die gleichen Völker dahinter. Auch noch früher, in den Amarna-Briefen, werden Schardana, Danuna und Lukka erwähnt, die Echnaton als Söldner dienten. Schon unter Amenhotep III. (1386-1321 BC) sprechen die Ägypter von Seevölkern. Ramses II. erwähnt Völker, die mit den Hethitern kämpfen, unter anderem die Masa, die Lukka sowie die "Karkusha". Auf Seiten Ramses II. kämpften Schardana. Merneptha erwähnt 1208 v.Chr., dass Libyer, Ekwesh, Teresh, Lukka, Schardana, Schekelesch und Meshwesh ihn angegriffen hätten. Ramses III. spricht dann etwa 20 Jahre später von Peleset, Tjekker, Shekelesh, Denyen and Weshesh. Schardana werden nicht erwähnt, aber bildlich dargestellt - das allerdings mag eine Kopie von Mernepthas Inschrift sein oder eines der anderen Völker, die Hörnerhelme trugen. Zur Zeit Ramses´ IV. wurde das Große Papyrus Harris verfasst, in dem man Ramses III. sagen lässt, er habe die Denyen geschlagen auf (oder zwischen) ihren Inseln, die Tjeker und Peleset verbrannt, wobei eine Militäroperation der Ägypter zur See angedeutet wird. Einige Scherden und Weschesch "vom Meer" seien gefangen genommen worden und in Ägypten angesiedelt. Ein Datum, wann das alles stattgefunden hat, wird nicht angegeben. Im Anastasi-Papyrus, das frühestens aus der Spätzeit Ramses´ III. stammen kann, eher aber jünger ist, ist die Rede von Schardana, Kehek, Meshwesh, und "Negern" (wahrscheinlich Sudanesen bzw. Nubier), die gegen Ägypter kämpfen, und zwar irgendwo in Nordafrika. Die Namensliste des Amenemope von ca. 1100 v.Chr. listet Völkernamen auf, die in Palästina bzw. dem Libanon siedeln. Nach einer Reihe von sechs Ortsnamen, von denen vier eindeutig in Palästina liegen, werden die Schardana , die Tjeker und die Peleset genannt, die diese Städte bewohnen. Die Erzählung von Wenamun, die ungefähr 925 v.Chr. aufgeschrieben wurde und ca. 1075 v.Chr. spielt, erwähnt die Tjeker in der Stadt Dor sowie Schardana-Schiffe, die im Hafen liegen. Alles in allem scheinen sich diverse Seevölker eine ganze Zeitlang im Bereich der Levante und Nordafrikas rumgetrieben zu haben. (12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Die ägyptischen Inschriften sind alles in allem keine historischen Dokumentationen, Stimmt. Trotzdem kann man aus einigen so einige Fakten rauslesen. (12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Nein, auf die ägyptischen Inschriften alleine würde ich mich nicht verlassen. Wie wärs dann mit ugaritischen Quellen? Da fleht ein Hethiterkönig ungefähr zur Zeit des Merneptah-Angriffs den König von Ugarit an, Lebensmittel zu schicken, es gehe - wörtlich! - um Leben oder Tod. Auch Merneptha hat Getreide an die Hethiter geschickt, um eine Hungersnot zu lindern. (12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: "Nur" ein Handelskrieg? Genau das meinte ich ja: Es kamen mehrere Faktoren zusammen, die zur Katastrophe führten. Denn auch wenn vermutlich einige, wenn nicht (fast?) alle Seevölker, die in ägyptischen Schriften erwähnt werden, aus dem Ägäisraum stammen dürften, die mykenischen Städte und Paläste waren anschließend zerstört oder aber ohne größere Bedeutung. Irgendwer hat die zerstört. Wer, wenn nicht die Seevölker? (12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Ist die denn inzwischen nachgewiesen? Tut man auch nicht. Die Info hat man aus dem hethitischen Staatsarchiv. (12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Die Erbeben zählen eigentlich nicht. Denn die meisten Städte in der Ägäis und Anatolien, die nachweislich von Erdbeben betroffen waren, wurden nicht einfach so aufgegeben, sondern wieder aufgebaut. In diversen griechisch-mykenischen Städten geschah aber genau das nicht. Warum? Doch offensichtlich, weil die Städte (kurz?) nach den Erdbeben einer weiteren Bedrohung ausgesetzt waren, die den Wiederaufbau verhinderte, während ausweislich der Linear-B-Täfelchen das Handelsvolumen schon vorher erheblich zurück gegangen war. (12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Als Ugarit zerstört wurde, machte sich fast die ganze Einwohnerschaft auf den Weg. Nix mit Erdbeben, nix mit Dürre. zerstörung durch andere hat da viel nachhaltiger gewirkt... Jetzt hätte ich gerne eine Quelle. ![]() (12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Du glaubst also wirlich, daß diejenigen, die Ugarit verlassen haben, gesagt haben "Ach, Ägypten ist am schönsten, da wollen wir hin?" Nicht unbedingt oder nur die Ugariter. Aber sonst dürfte Ägypten gerade in der Zusammenbruchszeit der späten Bronzezeit so eine Art "Insel der Seeligen" gewesen zu sein. Siehe z.B. die Bibel. Die Hebräer waren zwar quasi "in der Nachbarschaft", aber so anziehend Ägypten auf die Hebräer immer wieder gewirkt hat, dürfte das Niltal mit seinen zwei oder mehr Ernten pro Jahr, dem stabilen Wetter und der zumindest bis Ramses III. stabilen Regierung auch auf andere Völker gewirkt haben. Und, wie gesagt, wenn wir den Inschriften glauben können, dann kannten diverse Seevölker Ägypten schon länger aus eigener Anschauung. Und gerade mit Kindern geht man vielleicht einer Konfrontation mit irgendwelchen syrischen oder mesopotamischen Mächten doch eher aus dem Weg, wenn man genau weiß, dass auch hier die Dürre zugeschlagen hat und Chaos = Unsicherheit droht und wenn man gleichzeitig genau weiß, weiter südlich lockt das pure Paradies (vergleichbar mit dem "Goldenen Westen" von früher...) VG Christian |
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13.04.2013, 00:24
Beitrag: #98
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(12.04.2013 23:29)913Chris schrieb: Nur werden die Völkernamen der Seevölker in Medinet Habu z.T. anders geschrieben wie in Karnak, ews stecken aber die gleichen Völker dahinter. Auch noch früher, in den Amarna-Briefen, werden Schardana, Danuna und Lukka erwähnt, die Echnaton als Söldner dienten. Schon unter Amenhotep III. (1386-1321 BC) sprechen die Ägypter von Seevölkern. Ramses II. erwähnt Völker, die mit den Hethitern kämpfen, unter anderem die Masa, die Lukka sowie die "Karkusha". Auf Seiten Ramses II. kämpften Schardana. Merneptha erwähnt 1208 v.Chr., dass Libyer, Ekwesh, Teresh, Lukka, Schardana, Schekelesch und Meshwesh ihn angegriffen hätten. Gerade wenn ein Pharao behauptet, er habe jemanden geschlagen, ist Skepsis angebracht... Natürlich ist nicht alles reine Erfindung, aber es ist ja schon fraglich (und das hattest du auch mal an anderr Stelle geschrieben), ob hier wirklich immer die gleichen Völker gemeint sind. Und entsprechend dem alten Sprichwort "Viel Feind, viel ehr" beweist die Nennung in einer Tempelinschrift nicht zwangsläufig, daß die eine oder andere Gruppe wirklich dabei war, sondern nur, daß sie dabei gewesen sein könnte... Du siehst doch selbst, daß die Völker keineswegs immer übereinstimmen. Auch heute noch führt eine falsche Annahme, wenn sie denn lange genug wiederholt wird, dazu, daß sie allgemein für die Wahrheit gehalten wird... (12.04.2013 23:29)913Chris schrieb: Die Namensliste des Amenemope von ca. 1100 v.Chr. listet Völkernamen auf, die in Palästina bzw. dem Libanon siedeln. Nach einer Reihe von sechs Ortsnamen, von denen vier eindeutig in Palästina liegen, werden die Schardana , die Tjeker und die Peleset genannt, die diese Städte bewohnen. Ich habe ja nie bestritten, daß die Seevölker in Bewegung gekommen sind und sich an anderen Stellen im Mittelmeerraum niedergelassen haben. Aber daß sich z.B. die Tjeker 1075 in Dor niedergelassen haben, beweist nicht, daß sie bei beiden Angriffen auf Ägypten dabei waren. Vielleicht waren sie nur an einem beteiligt. Vielleicht waren sie auch bei beiden dabei- nachweisbar ist das nicht. (12.04.2013 23:29)913Chris schrieb: Alles in allem scheinen sich diverse Seevölker eine ganze Zeitlang im Bereich der Levante und Nordafrikas rumgetrieben zu haben. Das ist so ungefähr der einzige Bestnadteil der Geschichte, der von wirklich keinem Diskutanten bestritten wird... ![]() (12.04.2013 23:29)913Chris schrieb:(12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Die ägyptischen Inschriften sind alles in allem keine historischen Dokumentationen, Ich finde eher, man kann die Fakten herauslesen, die man herauslesen will... (12.04.2013 23:29)913Chris schrieb: Wie wärs dann mit ugaritischen Quellen? Da fleht ein Hethiterkönig ungefähr zur Zeit des Merneptah-Angriffs den König von Ugarit an, Lebensmittel zu schicken, es gehe - wörtlich! - um Leben oder Tod. Auch Merneptha hat Getreide an die Hethiter geschickt, um eine Hungersnot zu lindern. Wieso beweist ein Hilferuf eines Hethiterkönigs, welche Seevölkerstämme jetzt beim ersten Angriff auf Ägypten dabei waren? Der Zusammenhang zwischen beiden Aussagen erschließt mich mir jetzt nicht zwangsläufig. Der Hilferuf beweist, daß es ungefähr (was bedeute eigentlich ungefähr in dem Zusammenhang) zur gleichen zeit, als ein Angriff auf Ägypten erfolgte, im hethitischen Reich eine Hungersnot gab. Nicht mehr und nicht weniger. (12.04.2013 23:29)913Chris schrieb: Genau das meinte ich ja: Es kamen mehrere Faktoren zusammen, die zur Katastrophe führten. Denn auch wenn vermutlich einige, wenn nicht (fast?) alle Seevölker, die in ägyptischen Schriften erwähnt werden, aus dem Ägäisraum stammen dürften, die mykenischen Städte und Paläste waren anschließend zerstört oder aber ohne größere Bedeutung. Irgendwer hat die zerstört. Wer, wenn nicht die Seevölker? Du versuchst, eine Schlussfolgerung mit einer Schlussfolgerung zu beweisen ![]() Zum einen besteht natürlich die Möglichkeit, daß einige der mykenischen Paläste und Städte tatsächlich im Kampf gegen die Seevölker zerstört wurden- aber das kann auch im Rahmen des - ich nenne es jetzt einfach mal so- 0. Weltkrieges in der Ägäis geschehen sein. Die zweite Möglichkeit zum Niedergang und zur zerstörung der paläste liefert Homer- Agamemnon kehrt nach 10 Jahren Krieg nach hause zurück und wird vom Liebhaber seiner Frau erschlagen. Odysseus wird aufs Meer hinaus getrieben, und als er zurückkehrt, wird seine Frau von Verehern umlagert. Es lassen sich noch weitre Beispiele finden- aber es könnte darauf deuten, daß es im mykenischen Griechenland verstärkt zu Palastumstürzen gekommen ist. Klar, dafür gibt es keinen beweis, aber es gibt ja auch keinen dafür, daß es die Seevölker waren... (12.04.2013 23:29)913Chris schrieb: Tut man auch nicht. Die Info hat man aus dem hethitischen Staatsarchiv. Jetzt bitte ganz genau: Ich ging zwar immer davon aus, daß das hethitische Straatsarchiv von einer Hungernot und Mißernten sprach, aber war wirklich explizit von einer Dürre die Rede? Ich meinte, an anderer Stelle mal gelesen zu haben, daß das Klima zwar nicht ideal war, aber daß es aufgrund von Bürgerkriegen zu dem schlechten Ernteergebnis kam... (12.04.2013 23:29)913Chris schrieb:(12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Die Erbeben zählen eigentlich nicht. Denn die meisten Städte in der Ägäis und Anatolien, die nachweislich von Erdbeben betroffen waren, wurden nicht einfach so aufgegeben, sondern wieder aufgebaut. Oder umgekehrt. Hier wurden die Städte nicht wieder aufgebaut, weil durch den Rückgang des Handels eine Lebensgrundlage weggebrochen ist und die Menschen schon begonnen haben, die Städte zu verlassen... (12.04.2013 23:29)913Chris schrieb:(12.04.2013 21:40)Bunbury schrieb: Als Ugarit zerstört wurde, machte sich fast die ganze Einwohnerschaft auf den Weg. Nix mit Erdbeben, nix mit Dürre. zerstörung durch andere hat da viel nachhaltiger gewirkt... Das war eine Dokumentation, die gleiche, die belegte, das Ugarit 1192 v. Christus zerstört wurde, daß die meisten Seevölker aus der Ägäis stammten, daß aufgrund der Ablagerungen des Toten Meeres eine Dürre dort festgestellt wurde, die um etwa 1200 v. Chr begann. Dort hieß es, daß nach der zerstörung von Ugarit erstmalig von Planwagen und Menschenzügen die Rede war, vorher immer nur von Kriegern auf Schiffen. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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30.04.2013, 21:40
Beitrag: #99
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(25.03.2013 11:01)913Chris schrieb: Nachdem die Hethiter als Machtfaktor weggefallen waren - und angesichts der Fragilität des Hethiterreiches am Ende der Bronzezeit (Stichwort Machtkämpfe um den Thron) reichte eine Niederlage in einer Seeschlacht, um den ganzen Staat zu Fall zu bringen. Zogen dazu noch einige Völker auf dem Landweg durchs Land (und konnten nicht aufgehalten werden), war das Ansehen der Hethiter bei den beherrschten anatolischen Völkern dahin und damit ihre Macht. Reich zerstört. Ich denke schon das da auch Völker auf den Landweg waren, die dem Hethiterreich zu schaffen gemacht haben. Das, dass Hethiterreich bereits geschwächt war ist klar. Ein Großreich in voller Blüte bricht nicht zusammen weil es ein paar Schlachten verliert, zumindest nicht so plötzlich. Das es drastische Linienstreitigkeiten gab ist mir klar, aber irgendwie hat das ganze für mich noch immer etwas Rätselhaftes. Unter Tudhalija IV konnte man sogar noch Zypern erobern. Schon unter seinem Sohn Suppiluliuma II versank das Reich in Schwierigkeiten, ging sogar unter und das fast spuhrlos. Ich denke da müssen die Invasionen schon massiv sein und wie ich mir fast denke die Linienkämpfe extrem heftig gewesen sein, auch andere Faktoren sind noch denkbar. Eine reine Seeinvasion wäre wohl zu schwach gewesen, vermute ich. |
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30.04.2013, 21:54
Beitrag: #100
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RE: Phryger = Seevölker in Anatolien?
(25.03.2013 18:55)Bunbury schrieb: Was ist aber, wenn es anders war? Wenn das System der späten Bronzezeit seinen zenit überschritten hatte und keine Expansion und Weiterentwicklung mehr erlaubte? Wenn es Konflikte gab um das, was bereits da war? Was, wenn der Kulturumbruch am Ende der Bronzezeit dadurch ausgelöst wurde, daß einer der Beteiligten auf Kosten der anderen wachsen wollte? (Wobei ich nicht zwangsläufig davon ausgehe, daß die Mykener die Agressoren waren. ) Was passiert, wenn ein Markt gesättigt ist? Übernahmeschlachten beginnen. Der Reichtum der späten Bronzezeit beruhte auf Handel. Also warum sollte es hier nicht um die Sicherung des eigenen Wohlstandes gegangen sein? Dort, wo keine Expansion mehr möglich ist, greift man die Konkurrenten an... Interessante Überlegung, eine Frage an dich als Expertin (und natürlich auch alle anderen): Wo waren hier die Hethiter? Durch innere Streitigkeiten schon zu sehr geschwächt? Oder warum spielten sie sonst keine Rolle in diesen Kämpfen - immerhin waren sie gar nicht so lange Zeit vor ihrem Untergang noch eine bedeutende Millitärmacht. |
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