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Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
19.12.2013, 22:39
Beitrag: #1
Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
In der Antike gab es das nicht, auch in der Neuzeit war die Hautfarbe kein Ausschlusskriterium, sondern eher die angeblich falsche oder noch schlimmer, angeblich keine Religion ("Götzendiener"). Barocke getaufte "Hofmohren" kamen zu Vermögen und Ansehen, heirateten in Adelsfamilien ein (der russische Nationaldichter Puschkin hatte einen in der Ahnentafel).
Das man andere Menschen, besonders Dunkelhäutige, als minderwertig ansah - das begann erst mit Linne und Blumenbach und gipfelte dann bei Darwin und besonders bei Haeckel.
Selbst der Humanist Albert Schweitzer sah in "seinen Schwarzen" unreife Kinder, mit denen er gutväterlich-wohlwollend verkehrte.
Nur mal ein Gedankenanstoß, eure Meinung bitte.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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20.12.2013, 01:01
Beitrag: #2
RE: Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
Du schneidest ein sehr interessantes Thema an. Ich denke, dass Darwin nicht am modernen Rassismus schuld ist, auch wenn z.B. sich die Sozialdarwinisten auf ihn berufen. Darwin schrieb zwar, dass die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese gesichert wird, er bezog dies jedoch nicht auf die menschlichen Rassen. Richtig ist sicher, dass Darwin als Mann des 19. Jahrhunderts - gewollt oder ungewollt - hochmütig auf nichtweiße Menschen schaute. Aber auch bei Marx und Engels findet man Äußerungen, wie Wilde, Hottentotten, Kaffern usw., ebenso könnte man auch Nietzsche als einen der Väter des Rassismus bezeichnen, obwohl er nicht den Übermenschen und den Untermenschen benennt. In allen Fällen muss genau darauf geachtet werden, wie war es gemeint und wie wurde es schließlich ausgelegt.

Der Sozialdarwinismus entstand sicher als Gegenthese zu Gesellschaftsthesen, die an das Gute, an das Altruistische und das soziale Gewissen der Menschen glaubten. Einfach gesagt, die Sozialdarwinisten analysierten die europäischen und nordamerikanischen Gesellschaften, die sich in der Phase des so genannten Manchesterkapitalismus befanden, und schlussfolgerten daraus, dass die darwinischen Erkenntnisse auch für die menschlichen Gesellschaften zutreffen. Sie beachteten keine historischen oder sozialen Gegebenheiten, sie meinten, der Erfolg Einzelner hänge nur von den Genen ab, der Stärkste setzt sich zu Recht durch. D.h. im Umkehrschluss, dass die Erfolglosen minderwertige Gene hätten. Und in letzter Konsequenz auch, dass alle Nichtweißen minderwertig wären. Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass diese Menschen nie die Chance hatten, gleiche Kenntnisse wie die Europäer und Nordamerikaner zu erlangen.
Wozu auch? Für einen Afrikaner waren z.B. Fähigkeiten im Spurenlesen oder das Verhalten von Tieren wichtiger, als z.B. Kenntnisse über den Maschinenbau oder Architektur.

Richtig ist, dass Albert Schweitzer "seine Schwarzen" als unreife Kinder ansah, mit denen er gutväterlich-wohlwollend verkehrte. Aber darin unterschied er sich nicht von Robinsoe Crusoe, der in Freitag auch nur den naiven Wilden sah oder von Harriet Becher-Stowe, die mit ihrem Onkel Tom auch nur einen gutherzigen und unmündigen Mann beschrieb, dem geholfen werden muss. Wenn man will, sind dies auch Beispiele von Rassismus, nur dass die Dunkelhäutigen nicht als minderwertig, sondern eher als kindisch-naiv und gut (im Sinne von Rousseau?) betrachtet werden. In diese Bewertung anderer Rassen geht auch die Idealisierung der nordamerikanischen Indianer durch Karl May u.a. Wobei jetzt nicht das Engagement Albert Schweitzers u.a. geschmälert werden sollte, Menschen mit seiner Einstellung schützten oft verschiedene Ethnien vor den tatsächlichen Rassisten. Ich denke aber, dass es den (meisten) Europäern erst in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, die rassistische Brille abzulegen und das Wirken von Martin Luther King, Kofi Anaan oder Nelson Mandela anzuerkennen und die Taten von Bokassa, Idi Amin oder Charles Taylor zu verabscheuen.

Widersprechen muss ich aber, dass vor dem 19. Jahrhundert das Leben der Afrikaner in Europa besser war. Puschkins Vorfahr war eher die Ausnahme. Der Vater von Alexandre Dumas war der Sohn eines auf Martinique begüterten Adligen und dessen schwarzer Geliebten, er war erfolgreich in der napoleonischen Armee und wurde schließlich doch aufgrund rassistischer Vorurteile gemobbt und deklassiert. Eine andere Karriere, die Schwarzen in Europa offenstand, war als Eunuch im Harem des Sultans in Konstantinopel zu beträchtlicher Macht zu kommen. Auch bei Boccaccio stehen amüsante Geschichten über das Leben einzelner Schwarzer. All diese aufgeführten Lebenswege waren aber nicht die Regel, die meisten Schwarzen mussten in Europa für ihre weiße Herrschaften sehr hart arbeiten.

Aber dies war wohl noch besser, als auf den Baumwollplantagen in nordamerikanischen Kolonien Englands oder Frankreichs zu arbeiten. Dieses Schicksal erlitten auch Weiße, die konnten jedoch nach sieben Jahren ihre Freiheit erlangen. Die Schwarzen blieben ein Leben lang Sklaven und ihren Kindern blieb meist das gleiche Schicksal vorbehalten. Erstmals bildeten wohl Profitgier und Rassismus eine widerwärtige Symbiose (habe vorhin mal ein bisschen Darwin geschmökert), bis zu Carl Peters, Cecil Rhodes und Leopold II. ist es dann nicht mehr weit. Damit will ich nur feststellen, dass es den Rassismus vor Darwin schon gegeben hat und dass die Gründe gleich oder ähnlich wie zu Zeiten Darwins waren. Der Protagonist des Rassismus war wohl der Franzose Gobineau, aber er beschrieb wohl auch nur das Denken seiner Zeitgenossen aus dem 19. Jahrhundert.

Wenn ich es mir richtig überlege, sollte man mit dem "Unglücksraben" Bartolomeo de Las Casas beginnen, der im 16. Jahrhundert auf den Gedanken kam, statt der südamerikanischen Indios Afrikaner als Arbeitssklaven einzusetzen. Der Mann meinte es gut mit seinen anvertrauten christlichen Indios und bereute spät seine Äußerung über die Afrikaner. Der Beginn des modernen Rassismus liegt wohl in der frühkapitalischen Zeit Europas. Im 19. Jahrhundert wurde das rassistische Denken nur beschrieben, Darwins Lehre bot offenbar Anknüpfungen, die zum Sozialdarwinismus führten.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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21.12.2013, 12:33
Beitrag: #3
RE: Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
Das Ganze geht zurück auf die Bibel...
Dort werden die Hamiten als Nachfahren Noahs beschrieben, von denen speziell die Kanaaniter als verflucht angesehen werden - ergo war es gut, dass sie von den Israeliten erobert wurden... (was so nicht geschehen ist, eher ist an einen kulturellen Verschmelzungsprozeß zu denken, auch erkennbar an der parallelen Verwendung der (hebräischen) Bezeichnung "Jahwe" und der (kanaanitischen) Bezeichnung "El" für den höchsten Gott im AT)
Laut wikipedia kam 6.Jh. die Idee auf, Hams Nachfahren hätten aufgrund der Verfluchung durch Noah dunkle Hautfarbe besessen, allerdings wurden die Hamiten noch von den "echt" schwarzhäutigen subsaharischen Afrikanern unterschieden, man dachte also eher an Äthiopier, Berber etc.
John Hanning Speke entwickelte aufgrund seiner Beobachtungen im Bereich des Victoria-Sees die Theorie, hamitische (Hirten-) Völker aus dem Norden (Äthiopien) hätten die ansässigen Bantu erobert und stellten deswegen die herrschenden Schichten - das ist Sozialdarwinismus pur. Von da bis zur These, die Bantuvölker seien kulturell weniger entwickelt bis hin zur These, sie seien minderwertig und die geborenen Sklaven ist es kein weiter Weg mehr.
Die Ideen spätantiker Theologen von der Sündhaftigkeit der "Schwarzen" plus die Ideen des 19.-Jh.-Sozialdarwinismus griffen also ineinander und schufen die These, dass man als "kulturell hochstehender" Europäer die Schwarzafrikaner ruhig versklaven dürfe.

Soweit die europäische Sicht.
Aber Rassismus gibt es auch bei den Arabern (= "Semiten"); dieser Rassismus muss aber andere Grundlagen haben, ebenso wie der asiatische Rassismus, den z.B. Chinesen und Japaner hingebungsvoll pflegen, z.T. seit Jahrtausenden (Chinesen!). Der arabische, chinesische und japanische Rassismus geht m.E. auf das Gefühl der Überlegenheit der eigenen Kultur zurück, bei den Arabern wohl auch auf die traditionelle Haltung von Nichtarabern bzw. wohl von Anfang an auch schon von Schwarzafrikanern bei den Beduinen. Dass Schwarz(Ost-)afrikaner in Arabien als Sklaven gehalten wurden, kann man wohl bis auf die Zeit des äthiopisch-jemenitischen Reichs von Saba-Diamat im 1.Jt.v.Chr. (!) zurückführen.
Auch die alten Ägypter kannten Schwarzafrikaner als traditionelle Gegner und potentielle Sklaven, zumindest solange, bis in der Zeit von Theben als Reichshauptstadt das Gebiet von Kusch derart intensiv in das Reich "eingebaut" wurde, dass es dunkel-/schwarzhäutige Menschen in die oberen Ränge des Reichs schafften. Dass z.B. Teje so dunkelhäutig dargestellt wurde, hängt nach Ansicht mancher Wissenschaftler nur bedingt damit zusammen, dass das Köpfchen aus dunklem Material gefertigt ist...

VG
Christian
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21.12.2013, 14:14
Beitrag: #4
RE: Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
(21.12.2013 12:33)913Chris schrieb:  John Hanning Speke entwickelte aufgrund seiner Beobachtungen im Bereich des Victoria-Sees die Theorie, hamitische (Hirten-) Völker aus dem Norden (Äthiopien) hätten die ansässigen Bantu erobert und stellten deswegen die herrschenden Schichten - das ist Sozialdarwinismus pur.
So ganz aus der Luft ist das nicht gegriffen. Der Gegensatz von ackerbauenden Hutu und viehhaltenden Tutsi beruht darauf. Obwohl beide (inzwischen) die gleiche Bantumundart sprechen, sind Tutsi meist schlanker und größer, oft auch heller und schmalnasig. So wie die Äthiopier und Massai etwa. Als der Völkermord in Ruanda 1994 passierte, waren die Opfer jedenfalls ganz gut schon äußerlich für die Mörder zu erkennen.

Was @Chris über die Israeliten, Ostasiaten oder Araber ausführt, ist kein Rassismus im biologischen Sinn, d.h. wegen der Physognomie. Hier war das Ausschlussprinzip Kultur und Religion, da kann man schlecht von Rassismus sprechen. Der Begriff wird aber leider allgemein ziemlich inflationär gebraucht und mit Fremdenfeindlichkeit, die m.E. viel weiter in der Definition geht, in einen Topf geworfen. Wenn Samstags vor der Dorfdisco die Burschen aus der Nachbarschaft verhauen werden oder Hooligans sich prügeln, ist das bestimmt kein Rassismus.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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21.12.2013, 20:56
Beitrag: #5
RE: Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
(19.12.2013 22:39)Arkona schrieb:  In der Antike gab es das nicht, auch in der Neuzeit war die Hautfarbe kein Ausschlusskriterium, sondern eher die angeblich falsche oder noch schlimmer, angeblich keine Religion ("Götzendiener"). Barocke getaufte "Hofmohren" kamen zu Vermögen und Ansehen, heirateten in Adelsfamilien ein (der russische Nationaldichter Puschkin hatte einen in der Ahnentafel).
Das man andere Menschen, besonders Dunkelhäutige, als minderwertig ansah - das begann erst mit Linne und Blumenbach und gipfelte dann bei Darwin und besonders bei Haeckel.
Selbst der Humanist Albert Schweitzer sah in "seinen Schwarzen" unreife Kinder, mit denen er gutväterlich-wohlwollend verkehrte.
Nur mal ein Gedankenanstoß, eure Meinung bitte.

Du reduzierst Rassismus im Wesentlichen auf Schwarze als Opfer, was ich für zu kurz gegriffen halte. Rassismus gabs/gibts in allen Richtungen, dh. Schwarze können auch Täter sein (z.B.Vertreibung weißer Farmer aus Simbawe, Diskriminierung von Albinos in Schwarzafrika, Genozid in Ruanda...)

Wenn ich daran denke, was z.B. die Römer über die sog. "Barbaren" (z.B. Germanen) schrieben, ist deine Prämisse so nicht haltbar.

MfG, Titus Feuerfuchs
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21.12.2013, 21:08
Beitrag: #6
RE: Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
(21.12.2013 14:14)Arkona schrieb:  [...]

Was @Chris über die Israeliten, Ostasiaten oder Araber ausführt, ist kein Rassismus im biologischen Sinn, d.h. wegen der Physognomie. Hier war das Ausschlussprinzip Kultur und Religion, da kann man schlecht von Rassismus sprechen.
Der Begriff wird aber leider allgemein ziemlich inflationär gebraucht und mit Fremdenfeindlichkeit, die m.E. viel weiter in der Definition geht, in einen Topf geworfen. [....]

Gut, das stimmt im Wesentlichen, wobei ich anmerke, dass die Grenzen fließend sind. So wie der Rassismusbegriff heute verwendet wird, deckt er auch Xenophobie ab, was ich allerdings bedenklich finde.

Der NS zeigte allerdings, dass das von dir charakterisierte auf Religion beruhende Auschlussprinzip (Antisemitismus) schnell ins Biologische kippen kann....

MfG, Titus Feuerfuchs
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