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Schottlands Referendum
26.08.2014, 10:52
Beitrag: #1
Schottlands Referendum
Die meisten werden es sicher am Rande mitbekommen haben- am 18. September stimmen die Schotten darüber ab, ob sie das Vereinigte Königreich verlassen oder nicht. Die letzten Umfragewerte lassen einen Verbleib in der UK vermuten, aber ich habe mich bei meinem letzten Schottlandbesuch dann doch mehr mit der Politik als mit Geschichte beschäftigt und mir so meine Gedanken gemacht.
Nein, ich habe nicht die ganzen Schlammschlachten gelesen, die durch die britische Presse toben, sowohl für als auch gegen die Unabhängigkeit. Ich habe mit den Menschen vor Ort gesprochen und meine schottischen Freunde befragt. Die im übrigen allesamt für die Unabhängigkeit sind, wenn auch aus höchst unterschiedlichen Gründen.
Da gibt es diejenigen, die wirtschaftliche Gründe anführen. Vor Schottlands Küsten liegt Öl. Öl, von dem derzeit die britische Regierung profitiert- doch die steckt das Geld nicht etwa in die schottische Infrastruktur, sondern vor allem in den Ausbau Londons. Die Befürworter einer schottischen Unabhängigkeit aus wirtschaftlichen Gründen schielen ganz gerne nach Norwegen, wo das Öl ein starkes soziales Netz und die Infrastruktur finanziert.
Tatsächlich wird hier wenig getan. Ich bin auf meiner Reise von Newcastle bis ganz hoch in den Nordwesten gefahren. Die Straßen sind auf der ersten Teilstrecke noch gut, auch wenn es keine Autobahn gibt, die komplett von Newcastle bis Edinburgh führt. Autobahn hat Schottland nur zwischen Edinburgh und Glasgow und nach Norden bis Stirling und Perth. Das schottische Autobahnsystem ist sehr, sehr überschaubar.
Inverness im Norden ist eine der größten Städte Schottlands und der wichtigste Versorgungsknoten für die Bewohner der Highlands und der Inseln. Einmal im Monat fährt jeder nach Inverness, um sich mit dem Wichtigsten einzudecken, die rund dreistündige Fahrt von Durness oder Wick muss dafür in Kauf genommen werden.
Der Warentransport nach Inverness aus Süden erfolgt über eine auf weiten Strecken einspurige Straße. Etliche LKW befahren diese Straße, an der nur gelegentlich ein zwei bis drei Kilometer langes Teilstück zweispurig ein Überholen dieser LKW erlaubt. Regelmäßig kommt es dort zu schweren Verkehrsunfällen mit Todesopfern. Seit Jahren fordern Verkehrsexperten und Politiker den Ausbau der A9 zur zweispurigen Straße. Aber es geschieht nichts. Zu weit weg von London, finden die Schotten.
Und wenn man erstmal hinter Inverness ist, weiter nach Norden und Westen kommt, werden die Straßenverhältnisse schnell noch schlechter. Im Norden gibt es noch immer viele Single- Track- Roads, also Straßen, in der sich beide Fahrrichtungen eine Fahrspur teilen müssen. Einem entgegenkommenden Fahrzeug muss man in sogenannten „Passingplaces“ ausweichen. Die Qualität dieser Straßen ist oft schlecht.
Bei manchen von ihnen ist die Enge natürlich der Landschaft geschuldet. Nicht überall erlauben der harte Felsen und die tief einschneidenden Fjorde den Bau einer zweispurigen Straße. Und doch- oftmals wäre es durchaus möglich. Wenn alle 100 m ein Passing Place angelegt wird, erscheint es wenig logisch, warum auf hier nicht gleiche eine zweispurige Straße gebaut wird.
Ein sehr gutes Teilstück gibt es dort oben- zwischen Laxford Bridge und Riconich. Schilder weisen darauf hin, daß es die EU war, die den Ausbau dieser Straße bezahlt hat. Möglich wäre es also...

Die schlechte Infrastruktur hat eine enorme Verteuerung der Waren zur Folge- da ist es wenig verwunderlich, daß viele Verfechter der Unabhängigkeit darauf verweisen, daß die Gewinne des schottischen Öls in Schottland besser angelegt wären. Besser als im Unterhalt einer nutzlosen und teuren Monarchie oder dem völlig überflüssigen House of Lords- viele Schotten sind Monarchiegegner.
Selbst wenn die Ölreserven nicht lange reichen, bräuchte sich Schottland langfristig wohl nicht zu sorgen- das Potential für regenerative Energien ist in keiner Region Europas so enorm wie in Schottland. Windkraft, Wasserkraft und Gezeitenanlagen können den Schotten auf Jahre hinwig einen gewissen Wohlstand bescheren. Auch über die zukünftig immer wichtigere Ressource Wasser verfügen die Schotten reichlich- so reichlich, daß die britische Regierung schon darüber nachdachte, das schottische Wasser per Pipelines in Wüstenländer zu verkaufen...

Daß die Argumentation der Befürworter der Unabhängigkeit aus wirtschaftlichen Gründen durchaus in ein Wespennest gestochen haben, zeigen die Reaktionen aus London.
Wäre Schottland wirklich wirtschaftlich so bedeutungslos, wie es die Kampagnen aus England glauben machen wollen und so abhängig von England, könnte man die Schotten doch ruhig ziehen lassen. Doch Banken und Regierung haben eine Menge Geld in eine Angst- Kampagne gesteckt. Ein gewaltiges Drohszenarium wurde aufgebaut, angefangen davon, daß Schottland nicht mehr in die EU käme, über den Ausschluss aus der NATO usw, usw.

Für mich als nunja, halbwegs Außenstehenden, wirken diese Drohgebärden wirklich so, als hätte London mehr Angst, daß Schottland gehen würde, als es die Schotten selbst haben.
Diese Kampagnen haben sich aber zum Teil als Schuss nach Hinten erwiesen. In der letzten Woche erklärte z.B. ein hochangesehener Historiker, der sich bisher für einen Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen hatte, daß er wegen dieser Angstkampagne nun doch für die Unabhängigkeit stimmen würde, weil diese ihm gezeigt hätten, wie sehr man in Großbritannien ein Ausscheiden aus dem Königreich fürchtete.

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26.08.2014, 13:56
Beitrag: #2
RE: Schottlands Referendum
Ich bin ein Fan von William Wallace und Robert the Bruce. Wie ich mich entscheide dürfte damit klar sein. Aber zufällig darf ich nicht abstimmen.
Daß es Schottland besser geht, wenn es nicht von England beherrscht wird und seine Öleinnahmen selbst verwaltet, dürfte außer Zweifel stehen. Es gibt auch keinen Grund, warum es nicht Mitglied der EU und der NATO bleiben soll. Zweifellos ein besseres EU-Mitglied als das UK.
Es gibt auch keinen Grund, warum Schottland das Pfund nicht behalten soll. Aber der Euro ist auch eine ganz schöne Währung. Mit der zu erwartenden guten Wirtschaftslage (s.o., Öleinnahmen) braucht es auch keine Angst vor einer eigenen Währung zu haben.
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26.08.2014, 15:53
Beitrag: #3
RE: Schottlands Referendum
(26.08.2014 13:56)Harald schrieb:  Ich bin ein Fan von William Wallace und Robert the Bruce. Wie ich mich entscheide dürfte damit klar sein. Aber zufällig darf ich nicht abstimmen.
Daß es Schottland besser geht, wenn es nicht von England beherrscht wird und seine Öleinnahmen selbst verwaltet, dürfte außer Zweifel stehen. Es gibt auch keinen Grund, warum es nicht Mitglied der EU und der NATO bleiben soll. Zweifellos ein besseres EU-Mitglied als das UK.

Das ist unbestreitbar. Die Schotten sind insgesamt doch große Anhänger der EU und fühlen sich auch durchaus als Europäer. Mit ihnen hätten wir garantiert weniger Ärger als mit den (englischen) Tories.

(26.08.2014 13:56)Harald schrieb:  Es gibt auch keinen Grund, warum Schottland das Pfund nicht behalten soll.

Einen vernünftigen sicher nicht. Aber die Engländer reagieren da sehr beleidigt und sind der Meinung, daß eine Währungsunsion mit einem Land, das nicht unter ihrer Herrschaft bleiben will, ausgeschlossen sein muss. Sie alte englische Überheblichkeit, die "Gleichberechtigung" irgendwie ausschließt, war dann doch deutlich den Beiträgen englischer Kommentatoren anzumerken.

(26.08.2014 13:56)Harald schrieb:  Aber der Euro ist auch eine ganz schöne Währung. Mit der zu erwartenden guten Wirtschaftslage (s.o., Öleinnahmen) braucht es auch keine Angst vor einer eigenen Währung zu haben.

Sehe ich auch so. Das Problem dabei dürfte sein, daß sie sich kurzfristig erst einmal auf eine Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse einstellen müßten. Sicher nicht für lange, aber erst einmal wäre es unvermeidlich. Es müssen neue Strukturen geschaffen werden, auch die Infrastruktur ausgebaut werden, und das würde ein paar Jahre in Anspruch nehmen.
Leider sind nach Augenschein viele Bravehearts dazu dann doch nicht brave genug...

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26.08.2014, 18:10
Beitrag: #4
RE: Schottlands Referendum
Ist es denn überhaupt realistisch, 300 Jahre nach dem Act of Union, dieses Gebilde, was sich da UK nennt, einfach so zu trennen.
Könnte das - Demokratie hin und her - bezüglich der britischen Staatsräson, überhaupt zugelassen werden? Würde so eine Trennung friedlich verlaufen können?
Das ganze erstmal völlig unabhägig von den separierten Chancen und Risiken, die das "befreite und unabhängige" Schottland in solch einem Szenario künftig hätte.
Etwas ähnliches haben die Briten ja schon mal praktiziert mit dem Austritt Irlands, aber problemlos und friedlich ist das nun wirklich nicht verlaufen.


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!

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26.08.2014, 18:56
Beitrag: #5
RE: Schottlands Referendum
Die Situation ist mit Irland nicht ganz vergleichbar. Der Zusammenschluss von England und Schottland erfolgte schließlich nicht durch Krieg und Eroberung, sondern per Vertrag.

Aber vielleicht ist es hier an der Zeit, einen weiteren Teil meines Artikels einzustellen- ich habe nicht alles auf einmal gebracht, das wäre zu lange gewesen...

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26.08.2014, 19:03
Beitrag: #6
RE: Schottlands Referendum
Dann gibt es Schotten, die die Abstimmung über die Unabhängigkeit als ihr generelles Recht ansehen. Viele Länder hätten in den letzten Jahren von ihrem Recht Gebrauch gemacht, sich für unabhängig zu erklären. Warum also sollten die Schotten das nicht haben? Vor über dreihundert Jahren hätten einige nicht- demokratisch gewählte Adelige den Zusammenschluss beider Länder beschlossen, ohne das Volk zu befragen- es wäre jetzt also höchste Zeit, diese Volksbefragung nachzuholen. Warum solle man sich einer Regierung unterordnen, die zweieinhalb Tausend Meilen entfernt sei und nicht einmal ansatzweise eine Vorstellung davon habe, wie es in Schottland wirklich aussähe- nur weil das ein paar Herren vor ein paar Jahrhunderten so beschlossen haben?

Gerade bei diesen Vertretern verursacht die Intervention ausländischer Regierungen- immer zugunsten des Verbleibs im Königreich- große Wut. Kürzlich sprach sich der Neuseeländische Regierungschef für einen Verbleib Schottlands im Königreich aus. Warum ist Neuseeland dann nicht im Königreich geblieben, fragen sie sich. Oder wenn Barack Obama erklärt, er wünsche den Zusammenhalt, damit sie alle Verbündete blieben, fragen die Schotten, ob er denn tatsächlich erwartet, daß die Schotten den Vereinigten Staaten den Krieg erklären, weil sie nicht mehr Mitgleid des UK sind. (Und viele fragen sich, ob Obama überhaupt weiß, wo Schottland liegt).


Um auf Aviciennas Frage zurückzukommen- viele Länder haben sich in den letzten Jahren für ihre Unabhängigkeit ausgesprochen. Wäre schon ein bißchen seltsam, wenn ausgerechnet die sich als "Mutterland der Demokratie" feiernden Engländern ihren schottischen Nachbarn dieses Recht verweigern würden.
Damit würde England enorm an Glaubwürdigkeit verlieren, aber natürlich können sie Schottland alle möglichen Steine in den Weg legen. Die Aufnahme in die NATO blockieren, (bei der EU dürften sie schlechte Karten haben- wenn Cameron der EU droht, England würde austreten, wenn die EU Schottland aufnimmt, kann ich mir nicht vorstellen, daß diese Drohung irgenjemanden beeindrucken würde....) EiN Rosenkrieg wäre schon warhscheinlich, aber eine kriegerische Auseinandersetzung wohl eher nicht. Auch mit gewaltsamen Ausschreitungen ist eher nicht zu rechnen, eher mit kleinen oder größeren Nadelstichen...

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27.08.2014, 06:39
Beitrag: #7
RE: Schottlands Referendum
(26.08.2014 18:56)Bunbury schrieb:  Die Situation ist mit Irland nicht ganz vergleichbar. Der Zusammenschluss von England und Schottland erfolgte schließlich nicht durch Krieg und Eroberung, sondern per Vertrag.

Vergleichbar ist es schon.
Ich hatte nicht umsonst von ähnlich gesprochen.

Der Vergleich mit Neuseeland und anderen von dir angesprochenen Nachfolgern des British Empire, hinkt allerdings tatsächlich.

Irgendwie drängt sich mir der Verdacht auf, du möchtest mich leicht veralbern...Huh
Gleiches gilt für das Verweisen auf die demokratischen Traditionen der Briten ...
oder glaubst du tatsächlich an Demokratie , wenn es um die essentiellen Belange und Interessen von Staaten geht.

Zwischen Theorie und Realität klafft da eine Riesenlücke, und das weißt du.


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27.08.2014, 10:26
Beitrag: #8
RE: Schottlands Referendum
Veralbern möchte ich dich ganz gewiss nicht. Dazu ist mir das Thema viel zu ernst.

Ich sehe ganz ehrlich gesagt überhaupt keine Ähnlichkeit zwischen den Beziehungen England- Irland und England- Schottland. Gemeinsam ist, daß es gegen England geht und daß Irland und Schottland irgendwann mal eine gälische Sprache hatten. Damit hört die Vergleichbarkeit aber schon auf. Wenn du da anderer Meinung bist, dann wäre ich an den Gründen dafür sehr interessiert...


Glaubst du allen Ernstes, die englische Armee würde in Schottland einmarschieren, um Schottland zum Verbleib im Königreich zu zwingen? Oder James Cameron würde paramilitärische Einheiten losschicken, um alles, was jemals mit englischem Geld bezahlt wurde, in die Luft zu jagen?

Gewaltbereitschaft für oder gegen die Unabhängigkeit ist nirgendwo im Land feststellbar.

Nein, mit Gewalt ist da kaum zu rechnen. Eher mit so Nettigkeiten, daß (private) Verträge zwischen Englischen und Schottischen Firmen gekündigt werden, englische Unternehmen schottische von Ausschreibungen ausschließen, Touristen, die mit der Newcastle Fähre kommen an der Grenze mit Wartezeiten zu rechnen haben- so die typischen sinnlosen Boshaftigkeiten, die ein narzisstischer Partner in Petto hat, wenn der andere ihm mitteilt, daß es an seiner Seite doch nicht ganz doll war...

Das dürfte das Niveau sein, auf dem sich das bewegt. Nichts anderes. Die Engländer haben das übrigens auch schon für den Fall angekündigt, daß die Schotten gegen die Unabhängigkeit stimmen. Extremst beleidigte Politiker fordern eine Bestrafung der Schotten schon alleine dafür, daß sie über die Unabhängigkeit auch nur nachgedacht haben...
Von daher war das mit dem "Mutterland der Demokratie" durchaus sarkastisch gemeint. Aber nicht gegen dich, sondern gegen die bornierten Engländer...
Die aber tatsächlich vor allem immer das Gesicht wahren wollen- und es sich deshalb gar nicht leisten können, den Schotten das Recht auf ihre Abstimmung abzusprechen. Nur beleidigt sein, das ist erlaubt- und das zelebrieren sie ja auch...

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27.08.2014, 11:46
Beitrag: #9
RE: Schottlands Referendum
Ein paar Gedanken zur "Vergleichbarkeit" unstrukturiert, wie es mir eben einfällt.

unser württ. Ministerpräsident ca. 1870-1890 Mittnacht, hielt den Bundesstaat "Deutsches Kaiserreich" für auch wieder auflösbar.
Wobei man ihm damals schon widersprochen hat.
Die Staatsrechtler haben da anscheinend unterschiedliche Meinungen.

Vor kurzem las ich, dass die "kleinräumige" Aufteilung in viele verschiedene Staaten im Nahen Osten eine Schöpfung der 40er-50er Jahre des 20. Jahrhunderts sind.
Eine ähnliche Situation hätte es Jahrtausende lang nicht gegeben.
Der Nahe Osten wäre seit den Zeiten der Assyrer immer Teil von Großreichen gewesen.
Diese Struktur hätte diese ethnische und religiöse Kleinräumigkeit stark gefödert. Aber gleichzeitig zumindest schwere Konflikte unter diesen Gruppen nahezu ausgeschlossen.

Von dem her......

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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27.08.2014, 16:02
Beitrag: #10
RE: Schottlands Referendum
Das Fernsehduell in der BBC am Montagabend gegen den Chef der Unionisten Alistair Darling hat der schottische First Minister Alex Salmond haushoch mit 71 gegen 29 % gewonnen. Trotzdem soll die Mehrheit der Unabhängigkeitsgegner noch immer 56 gegen 44 % betragen. Die Prozentzahl der Unentschiedenen und der Aussageverweigerer ist dabei nicht angegeben, aber ich vermute, daß sie sehr hoch ist.
Auch unsere Meinungsforschungsinstitute sehen immer schlechte Umfrageergebnisse für Meinungen, die ihnen nicht passen.
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27.08.2014, 16:13
Beitrag: #11
RE: Schottlands Referendum
Gut so. Das letzte Duell hatte Salmond nämlich verloren.

Inwieweit den Umfragewerten zu trauen ist, weiß ich nicht. In der Nordwestlichen Ecke jedenfalls sind die deutlichen Zeichen für das "YES" des weißen Kreuzes auf himmelblauen Grund überlegen. Ein sichtbares Zeichen für "Better Together" habe ich jedenfalls nirgendwo gesehen.
Kleine Anekdote am Rande: Wir haben die Assynt- Highland- Games besucht. Die waren, abgesehen von den Hammerschwingern im Rock nicht weiter interessant, aber üblicherweise muss man ja Eintritt zahlen, um auf das Gelände zu kommen. Der YES Stand war drauen, neben dem Eingang und auch sehr gut besucht. Um zu den "Better Together"- Stand zu kommen, mußte man Eintritt zahlen, er war im hintersten Winkel- und sonderlich viel Zulauf hatte er an diesem Tag nicht...
Aber wie gesagt, das ist der Nordwesten...

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27.08.2014, 22:25
Beitrag: #12
RE: Schottlands Referendum
Interessant ist das ganze schon, aber ich gebe zu ich habe nicht wirklich eine Ahnung von der Materie, deshalb verzeihung wegen meiner etwas komischen Fragerei:

-Was hätten die Schotten (laut Argumentation der Pro-Londoner) eigentlich von einem Verbleib?
-Wie groß wäre der Schlag für die ja irgendwie doch noch Welt und Wirtschaftsmacht Großbritannien wenn Schottland sich abspalten würde?
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28.08.2014, 10:48
Beitrag: #13
RE: Schottlands Referendum
Die Vorteile, die die better-together- Leute sehen, liegen in den Verbindungen, die über die Jahrhunderte gewachsen sind. Es könnte im Prinzip alles so weiter gehen wie bisher- Schottland hätte eine stabile Währung, wäre Mitglied in der EU (ein nicht unwichtiges Argument, wenn man bedenkt, daß in Schottland nach wie vor die Landwirtschaft von großer Bedeutung ist) und in der NATO. Die schottischen Banker wünschen natürlich einen Verbleib Schottlands im Königreich, weil die Finanzmetropole natürlich in London sitzt.
Derzeit gibt es abgesehen von einigen Flugverbindungen auch keine direkte Verbindung zwischen Schottland und dem Kontinent- die Fährverbindung zwischen Rosyth und Zeebrugge wurde vor vier Jahren eingstellt.

Der wirtschaftliche Schaden wäre für England nicht unbeträchtlich, wenn man denn daran glaubt, daß Energie und Wasser die Ressorcen der Zukunft sind.

Aber ich habe noch einen letzten Teil geschrieben, den ich hier jetzt gleich noch mal poste

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28.08.2014, 10:52
Beitrag: #14
RE: Schottlands Referendum
Der Grund, warum einige Schotten für die Unabhängigkeit sind, der mich aber am längsten beschäftigt hat, ist der, der aus der Geschichte herauskommt und in die Zukunft reicht.

Schottland ist traditionell ein Land, in dem es ein starkes Gemeinschaftsgefühl gibt. Das frühere Clansystem beruhte auf dem Zusammenhalt des Clans. Zwar gab es immer Anführer, aber für die (Hochland) - Schotten war es immer selbstverständlich, daß der Anführer nicht in Luxus schwelgte, während seine Leute hungerten. Es war selbstverständlich, daß das, was da war, zwischen allen aufgeteilt wurde, selbst wenn der Boss ein kleines bißchen mehr bekam. Nur so konnte in der rauhen Landschaft das Überleben gesichert werden. Die Schotten sind traditionell Sozialisten (im nicht-marxisitschen Sinn)- eine Eigenschaft, die mir in vielen Gesprächen aufgefallen ist.
Der Weg der britischen Regierung, jeder sei sich selbst der nächste, verursacht ihnen enormes Unbehagen- gerade dadurch haben sie das Gefühl, daß London ihnen ihr schottisches Erbe wegnehmen will. Seit Jahrzehnten gewinnt in Schottland Labour- aber in London regieren die Tories.
Es waren die schottische Lebensart, der Zusammenschluss vieler kleiner Leute zu einer starken Gemeinschaft, die in den letzten Jahrzehnten einigen Regionen Schottlands einen gewissen Wohlstand beschert hat, wie z.B. in Assyst, wo sich viele Kleinpächter zusammengeschlossen, das Land aufgekauft und gemeinsam erschlossen haben. Ohne Hilfe aus London. Wenig verwunderlich, daß sich hier eine Mehrheit findet, die den Austritt aus dem Königreich befürwortet.
Diese Schotten stimmen nicht einfach nur über Wirtschaftliche Vorteile oder die Demokratie an sich ab, sie entscheiden zwischen zwei Lebensarten. Die, die sie „selfish“ nennen und die, die sie „caring for each other“ nennen.

Von denen, die der „Better-Together“ Fraktion angehören, habe ich im übrigen wenig richtig gute Argumente gehört. Oder besser gesagt, nicht eines. Ihre Argumente sind vor allem- Angst. Angst, was wird, wenn man den sicheren Rahmen verläßt. Angst davor, wie man es alleine schaffen kann. Welche Währung wird es geben? Wie lange dauert es, bis man wieder in der EU ist? Es gibt eine Heidenangst davor, daß die nächsten Jahre unangenehm werden können.
Aber keine Vision von einer glänzenden Zukunft. Sie klingen wie ein altes Ehepaar, das nur zusammenbleibt, weil man sich aneinander gewöhnt hat und es viel zu anstrengend wäre, etwas Neues anzufangen.

Ein bißchen traurig ist es schon, oder? Man bleibt, weil man Angst hat zu gehen.

Gut, meine Sichtweise ist nicht objektiv. Meine Freunde sind diejenigen, die die schottische Unabhängigkeit befürworten. Mit den anderen habe ich sehr viel oberflächlicher gesprochen.

Ein kleiner Teil meines Revoluzzer- Herzens hofft natürlich, daß diejenigen sich durchsetzen, die eine Vision einer neuen Zukunft haben. Aber ich glaube nicht so recht daran. Warum sollten die Schotten mehr Mut haben als wir? Wir wählen Merkel ja auch immer weiter...

Und so könnte es tatsächlich dazu kommen, daß die Schotten am 18. September als erstes Volk entscheiden, nicht unabhängig sein zu wollen...

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28.08.2014, 11:38
Beitrag: #15
RE: Schottlands Referendum
(28.08.2014 10:52)Bunbury schrieb:  Ein bißchen traurig ist es schon, oder? Man bleibt, weil man Angst hat zu gehen.

Gut, meine Sichtweise ist nicht objektiv. Meine Freunde sind diejenigen, die die schottische Unabhängigkeit befürworten. Mit den anderen habe ich sehr viel oberflächlicher gesprochen.

Ein kleiner Teil meines Revoluzzer- Herzens hofft natürlich, daß diejenigen sich durchsetzen, die eine Vision einer neuen Zukunft haben. Aber ich glaube nicht so recht daran. Warum sollten die Schotten mehr Mut haben als wir? Wir wählen Merkel ja auch immer weiter...

Und so könnte es tatsächlich dazu kommen, daß die Schotten am 18. September als erstes Volk entscheiden, nicht unabhängig sein zu wollen...
Danke Bunbury für deine Sicht auf´s schottische Referendum. So ganz kann ich die Bedenkenträger nicht nachvollziehen, vor allem im Hinblick auf die EU.
Eigentlich sollte es unter dem Dach der EU leichter möglich sein, eine unabhängige Region/Staat durch Referendum zu bilden.
Leider fehlt der EU die Vision einer neuen Zukunft genauso und so wurschtelt sie mit der Brüssel/Nationalstaatendisharmonie weiter.

Dabei gibt es durchaus positive Beispiele für eine zivilisierte Trennung von Nationalstaaten aus jüngster Vergangenheit. Die Tschechoslowakei hat sich 1992 friedlich getrennt und kurz darauf sind beide Staaten unter´s EU-Dach geschlüpft.
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28.08.2014, 11:46
Beitrag: #16
RE: Schottlands Referendum
(27.08.2014 22:25)WDPG schrieb:  Interessant ist das ganze schon, aber ich gebe zu ich habe nicht wirklich eine Ahnung von der Materie, deshalb verzeihung wegen meiner etwas komischen Fragerei:

-Was hätten die Schotten (laut Argumentation der Pro-Londoner) eigentlich von einem Verbleib?
-Wie groß wäre der Schlag für die ja irgendwie doch noch Welt und Wirtschaftsmacht Großbritannien wenn Schottland sich abspalten würde?


So geht es mir auch. Kene Ahnung von den Hintergründen.

Generell gesprochen halte ich diese "Nationalstaats-Euphorien" für falsch.
Was ist im Nahen Osten seit Untergang des Osmanischen Reiches besser geworden? Im Gegenteil, Gefahr für den Weltfrieden rund um die Uhr.
GUS - da ist doch gerade ein richtiger Krieg am ausbrechen. Was wurde in Südosteuropa nach dem Zerfall von ÖU besser? Oder seit Jugoslawien zerbrochen ist.

Es müssten sich doch zwischen den 2 Alternativen "Jetztzustand" und "Auflösung des UK" noch etliche Optionen finden lassen, die die hauptsächlichen Kritikpunkte der Schotten beheben würden.

Ohne gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Aber, wie gesagt, keinerlei Detailkenntnisse.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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28.08.2014, 12:28
Beitrag: #17
RE: Schottlands Referendum
(28.08.2014 11:38)Renegat schrieb:  Danke Bunbury für deine Sicht auf´s schottische Referendum. So ganz kann ich die Bedenkenträger nicht nachvollziehen, vor allem im Hinblick auf die EU.
Eigentlich sollte es unter dem Dach der EU leichter möglich sein, eine unabhängige Region/Staat durch Referendum zu bilden.

Das Problem dabei ist die Angst-Kampagne der Unabhängigkeitsgegner. Sie verweisen darauf, daß Schottland mit der Unabhängigkeit aus der EU ausscheiden würde und einen Neuantrag auf Wiederaufnahme stellen müßte. Zwar gibt es auch hier Drohaussagen britischer Politiker, man werde alles daran setzen, zu verhindenr, daß Schottland dann EU Mitglied wird, aber das ist nicht sonderlich ernst zu nehmen. Ganz Europa möchte Cameron ärgern, und von daher...
So oder so würde ein Neuaufnahme Schottlands in die EU aber eine gewisse Zeit dauern, Jahre, die überbrückt werden müssen. Schottland erhält relativ viele Zahlungen aus der EU (unter anderem für den Straßenbau...) und viele fürchten daher eine drastische Verschlechterung der Lebensbedingungen- und diese Befürchtung ist für ein paar Jahre auch nicht von der Hand zu weisen.


(28.08.2014 11:38)Renegat schrieb:  Dabei gibt es durchaus positive Beispiele für eine zivilisierte Trennung von Nationalstaaten aus jüngster Vergangenheit. Die Tschechoslowakei hat sich 1992 friedlich getrennt und kurz darauf sind beide Staaten unter´s EU-Dach geschlüpft.

Das ist richtig. Aber die Slowakai, die sich damals von Tschechien trennen wollte, hatte eben keine Erdölvorkommen, über das die Tschechen gerne verfügen würden. Und in der Slowakai waren nicht die Atomsprengköpfe der Tschechen gelagert,wie es im Vereinigten Königreich der Fall ist- ein Teil oder sogar ein sehr großer Teil der Atomsprengköpfe Großbritanniens lagert- gegen schottischen Willen- im Forth of Clyde. Die Restbriten hätten schon ein Problem, die an anderer Stelle unterzubringen, weil geeignete Orte nun mal eher in Schottland zu finden sind. Nagut, Wales wäre auch noch eine Option, aber die Waliser möchte man nun auch nicht verärgern...

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28.08.2014, 13:11
Beitrag: #18
RE: Schottlands Referendum
(28.08.2014 12:28)Bunbury schrieb:  Das ist richtig. Aber die Slowakai, die sich damals von Tschechien trennen wollte, hatte eben keine Erdölvorkommen, über das die Tschechen gerne verfügen würden. Und in der Slowakai waren nicht die Atomsprengköpfe der Tschechen gelagert,wie es im Vereinigten Königreich der Fall ist- ein Teil oder sogar ein sehr großer Teil der Atomsprengköpfe Großbritanniens lagert- gegen schottischen Willen- im Forth of Clyde. Die Restbriten hätten schon ein Problem, die an anderer Stelle unterzubringen, weil geeignete Orte nun mal eher in Schottland zu finden sind. Nagut, Wales wäre auch noch eine Option, aber die Waliser möchte man nun auch nicht verärgern...
Dass Schottland gute Karten bei den anderen EU-Staaten hätte, weil diese die Briten und Cameron ärgern wollen, glaube ich unbesehen. Vieles, gerade im europäischen Staatengefüge ist immer noch Psychologie und allein mit nüchterner Faktenabwägung nicht zu greifen.
Leider sind es mit Schottland und Großbritanien auch nicht zwei ungefähr gleichberechtigte Partner, die sich trennen, wie beim Beispiel Tschechoslowakei. Großbritannien ist ja auch so ein Überbleibsel mit einer langen, großartigen Geschichte. In so einer Situation tut sich die Volksseele angeblich immer schwer, sich mit der neuen Rolle abzufinden. Ob es wirklich die Volksseele ist oder eher machtinteressierte Politiker ist dabei die 2. Frage.

Ob es Schottland wirklich so viel besser ginge, wenn es die Londoner Hegemonie gegen die Brüsseler tauscht, hängt wiederum von der Entwicklung der EU ab und da bin ich skeptisch.
Theoretisch könnten die britischen Atomsprengköpfe gut da stehen bleiben, wo sie sind. Sie bräuchten nur in ein EU-Militärbündnis eingegliedert werden. Das aber steht genauso in den Sternen wie andere EU-Visionen.
Wenn Schottland unabhängig EU-Mitglied ist, flössen die Ölgelder eben nicht mehr über den Londoner Umweg in den EU-Verteiler sondern direkt. Ob das soviel Unterschied ausmacht?
Spannender finde ich die Auswirkungen auf die Londoner Bankenszene aber die übersehe ich nicht. Wollen die Schotten nicht das Pfund behalten?
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28.08.2014, 13:12
Beitrag: #19
RE: Schottlands Referendum
(28.08.2014 11:46)Suebe schrieb:  So geht es mir auch. Kene Ahnung von den Hintergründen.

Generell gesprochen halte ich diese "Nationalstaats-Euphorien" für falsch.
Was ist im Nahen Osten seit Untergang des Osmanischen Reiches besser geworden? Im Gegenteil, Gefahr für den Weltfrieden rund um die Uhr.
GUS - da ist doch gerade ein richtiger Krieg am ausbrechen. Was wurde in Südosteuropa nach dem Zerfall von ÖU besser? Oder seit Jugoslawien zerbrochen ist.

Es müssten sich doch zwischen den 2 Alternativen "Jetztzustand" und "Auflösung des UK" noch etliche Optionen finden lassen, die die hauptsächlichen Kritikpunkte der Schotten beheben würden.

Ohne gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Aber, wie gesagt, keinerlei Detailkenntnisse.


Mit "Nationalstaat" hat das ganze recht wenig zu tun. Die Schotten sind keine Nationalisten. Sie sehen sich als Europäer- und sind damit ihren englischen Nachbarn weit voraus.
Auch unter den Unabhäbgikeitsbefürworten gibt es nur einen kleinen Teil (u.a. den durchgeknallten Sean Connery), die im Schottenrock mit Dudelsack für ein neues "Schottland" eintreten. Meine schottischen Freunde machen sich regelmäßg lustig über diejenigen, die auf einmal ihre Kinder in gälischen Schulen anmelden, weil es schick ist, obwohl keines der Elternteile ein Gaelic Native Speaker ist. Die New Gaelic Wave sehen sie eher mit Belustigung, und einer meiner Freunde hat sich einen albernen Satz auf gälisch zurechtgelegt, den er dann immer wieder anbringt, wenn jemand einen auf gälisch macht...

Eher ist es so, daß den Schotten der englische Nationalismus tierisch auf die Nerven geht. Die englische Monarchie, das House of Lords- what a complete waste of money, wie ein guter Schotte sagt.
Es regt sie auf, daß sie von Tories regiert werden, obwohl sie zu 70% Labour wählen. (Will man sich um übrigen vorstellen, wie eine englische Regierung aussieht, wenn die Schotten tatsächlich weg sind?)
Und daß ihre natürlichen Ressourcen ausgebeutet werden, ohne daß sie einen Nutzen davon haben.
Auch aus EU Sicht benehmen sich die Briten alles andere als anständig- für den schottischen Straßenbau werden EU Fördermittel in Anspruch genommen, aber die Erdölerlöse werden in den Ausbau Londons gesteckt, das damit so mächtig wird, daß es die EU weiter erpressen kann.

Schwer vorstellbar, wie das ohne eine Unabhängikeit zu lösen ist. Daß die Engländer der Königin die Mittel kürzen oder das House of Lords abschaffen, ist kaum zu erwarten.
Daß sie Schottland eine eigenständige Regierung in einem Staatenbündnis zugestehen- nun, das haben die Schotten ursprünglich mal im Sinn gehabt, das haben die Engländer abgelehnt.
Und daß Schottland einen größeren Anteil am Ölgewinn erhält, das sehe ich auch nicht.
Im Prinzip geht es um zwei erst einmal inkompatible Systeme. Nicht um Nationalitäten...

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28.08.2014, 13:22
Beitrag: #20
RE: Schottlands Referendum
(28.08.2014 13:11)Renegat schrieb:  Dass Schottland gute Karten bei den anderen EU-Staaten hätte, weil diese die Briten und Cameron ärgern wollen, glaube ich unbesehen. Vieles, gerade im europäischen Staatengefüge ist immer noch Psychologie und allein mit nüchterner Faktenabwägung nicht zu greifen.
Leider sind es mit Schottland und Großbritanien auch nicht zwei ungefähr gleichberechtigte Partner, die sich trennen, wie beim Beispiel Tschechoslowakei.

Genau das ist das Problem bei der Sache. Wobei sich das Kräfteverhältnis beider Staaten in den nächsten Jahren deutlich verschieben könnte...


(28.08.2014 13:11)Renegat schrieb:  Großbritannien ist ja auch so ein Überbleibsel mit einer langen, großartigen Geschichte. In so einer Situation tut sich die Volksseele angeblich immer schwer, sich mit der neuen Rolle abzufinden. Ob es wirklich die Volksseele ist oder eher machtinteressierte Politiker ist dabei die 2. Frage.

Nein, nein, viele Engländer sichd durchaus beleidigt, daß die Schotten die Unbahängikeit wollen. Sie fordern jetzt von ihren Politikern durchaus eine bestrafung der Schotten dafür, daß sie das Referendum überhaupt abhalten.


(28.08.2014 13:11)Renegat schrieb:  Ob es Schottland wirklich so viel besser ginge, wenn es die Londoner Hegemonie gegen die Brüsseler tauscht, hängt wiederum von der Entwicklung der EU ab und da bin ich skeptisch.

Das bin ich letztendlich auch- ich fürchte nämlich, daß die Schotten ihren Hauptgegner zwar richtig lokalisieren, aber völlig falsch personalisieren. Anders ausgedrückt- der genger sitzt zwar in London, ist aber nicht der Engländer, sondern eher der Banker.
Aber immerhin hätten sie eine Chance, die Dinge doch zumindest ein Stück weit zu ändern- und die haben sie momentan eben nicht. Das ist immer gleichzeitig ein Risiko und eine Chance. Was es letztendlich wird, weiss jetzt keiner- und das ist das Problem.


(28.08.2014 13:11)Renegat schrieb:  Theoretisch könnten die britischen Atomsprengköpfe gut da stehen bleiben, wo sie sind. Sie bräuchten nur in ein EU-Militärbündnis eingegliedert werden. Das aber steht genauso in den Sternen wie andere EU-Visionen.

Die Schotten wollen sie aber nicht. Auch ein Streitpunkt im Königreich. Wenn etwas schiefgeht, dann sind es die Schotten, die das Problem haben, nicht die Engländer, die aber auf die Atomwaffen nicht verzichten wollen. Also- warum sollten die Schotten sie haben wollen?


(28.08.2014 13:11)Renegat schrieb:  Wenn Schottland unabhängig EU-Mitglied ist, flössen die Ölgelder eben nicht mehr über den Londoner Umweg in den EU-Verteiler sondern direkt. Ob das soviel Unterschied ausmacht?

Für da Ölgeld, das in die Eu Fließt, macht es sicherlich keinen Unterschied. Aber der Hauptteil des Geldes fließt ja gar nicht in die EU...

(28.08.2014 13:11)Renegat schrieb:  Spannender finde ich die Auswirkungen auf die Londoner Bankenszene aber die übersehe ich nicht. Wollen die Schotten nicht das Pfund behalten?
Würden sie gerne, obwohl sie sich auch mit dem Euro anfreunden würden- wenn auch seit der Krise mit mehr Skepsis.
Aber das ist momentan die letzte große Drohung Englands- wenn die Schotten die Frechheit besitzen, das Königreich verlassen zu wollen, müssen sie eben auch das Pfund verlassen...

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