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Urheimat der Indoeuropäer
14.11.2014, 15:29
Beitrag: #41
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(14.11.2014 14:39)Dietrich schrieb:  Davon ganz abgesehen könnten Berührungen beider Sprachfamilien durchaus zwischen in Mitteleuropa ansässigen indoeuropäischen Bevölkerungsgruppen und östlich benachbarten uralischen erfolgt sein.

Mit Sicherheit. Das europäische Russland war noch im Mittelalter über weite Strecken von Finno-Ugriern besiedelt, Moskau war mal Mordwinenland.
Viele Begriffe sind aus dem frühen Indogermanischen ins Uralische gewandert, umgekehrt aber kaum (Haarmann: Die Indoeuropäer). Man vermutet, dass die Landwirtschaft betreibenden Indogermanen damals ein höhere Sozialprestige hatten als die noch jagenden und sammelnden Uralier.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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14.11.2014, 16:40
Beitrag: #42
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(14.11.2014 15:29)Arkona schrieb:  Mit Sicherheit. Das europäische Russland war noch im Mittelalter über weite Strecken von Finno-Ugriern besiedelt, Moskau war mal Mordwinenland.
Viele Begriffe sind aus dem frühen Indogermanischen ins Uralische gewandert, umgekehrt aber kaum (Haarmann: Die Indoeuropäer). Man vermutet, dass die Landwirtschaft betreibenden Indogermanen damals ein höhere Sozialprestige hatten als die noch jagenden und sammelnden Uralier.

Ich habe Haarmanns Büchlein "Indoeuropäer" auch bei mir stehen. Er ist ja wirklich ein kompetenter Sprachwissenschaftler, der schon einiges publiziert hat. Was mir weniger gefällt ist seine Tendenz, offene Hypothesen zuweilen als begründete Tatsachen hinzustellen. So muss z.B. die so genannte "Urheimat" der Indoeuropäer offen bleiben, denn sie ist nach wie vor in der Forschung umstritten, und für die von Haarmann postulierte südrussische Ausgangsbasis gibt es nach Meinung vieler Wissenschaftler keine archäologischen Belege. Auch wenn also die postulierte Urheimat in Südrussland eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat, so bleibt das durchaus umstritten.

Ähnliches gilt für die neolithische Donauzivilisation, die Haarmann in einer seiner Publikationen zur "Hochkultur" aufpustet. Die auf Keramiken zu findenden Zeichen der neolithischen Bevölkerung erklärt Haarmann zu einer "Schrift", was überwiegend keine Zustimmung findet. Gegenwärtig können wir lediglich von "Symbolen" sprechen, denn für eine "Schrift" gibt es keine ausreichenden Begründungen. Ganz abgesehen davon, dass natürlich noch niemand auch nur ein Wort dieser "Schrift" hätte entziffern können.
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14.11.2014, 17:18
Beitrag: #43
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Nachdem Renfrew (Anatolien) als widerlegt gilt, landen wir mit dem wahrscheinlichsten Szenario in der Ostukraine. David Anthony, den ich weiter oben verlinkt habe, verweist auf die frühen Kontakte zum Uralischen (sicher) und Kartwelischen (Kaukasus, nicht gesichert). Wer mit Englisch klarkommt, sollte das mal lesen.
Gimbutas mag im Detail sich geirrt haben, aber grob gesehen scheint "Kurgan" wohl doch zu stimmen.

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14.11.2014, 17:57
Beitrag: #44
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(14.11.2014 17:18)Arkona schrieb:  Nachdem Renfrew (Anatolien) als widerlegt gilt, landen wir mit dem wahrscheinlichsten Szenario in der Ostukraine. David Anthony, den ich weiter oben verlinkt habe, verweist auf die frühen Kontakte zum Uralischen (sicher) und Kartwelischen (Kaukasus, nicht gesichert). Wer mit Englisch klarkommt, sollte das mal lesen.
Gimbutas mag im Detail sich geirrt haben, aber grob gesehen scheint "Kurgan" wohl doch zu stimmen.

Ein ernst zu nehmender Kritiker ist z.B. Alexander Häusler, der eine indoeuropäische Expansion als "Mythos" bezeichnet. Er vertritt die Hypothese, dass die Indoeuropäer identisch sind mit der alteingesessenen mitteleuropäischen Bevölkerung und sich organisch in diesem Raum entwickelt hätten - ohne Invasionen und Zuwanderungen, für die es keinen archäologischen Beleg gibt.

http://www.uni-leipzig.de/~diffint/index...File/36/23

Es gibt noch andere!
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14.11.2014, 18:53
Beitrag: #45
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Also sind wir wieder bei Kossina und Co. samt ihrem Ariermythos? Das hieße ja, dass Pferdehaltung und Rad mitteleuropäische Erfindungen aus dem Waldland sind. Und wie erklären wir uns die Tocharer?

Sicher wird man in der Branche wie in jeder Wissenschaft nur etwas, wenn man Dogmen umwirft und etwas Neues kreiert. Eine quasi Bestätigung von Kurgan verschafft einem ehrgeizigen Jungwissenschaftler keine Lorbeeren.
Die Links hast du neulich schon gestellt, ich habe sogar schon etwas quer gelesen. Jetzt funzen sie aber nicht.

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14.11.2014, 19:04
Beitrag: #46
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(14.11.2014 18:53)Arkona schrieb:  Also sind wir wieder bei Kossina und Co. samt ihrem Ariermythos? Das hieße ja, dass Pferdehaltung und Rad mitteleuropäische Erfindungen aus dem Waldland sind. Und wie erklären wir uns die Tocharer?

Etwas differenzierter handelt Häusler das schon ab und bringt vor allem zahlreiche Argumente, warum die indoeuropäische Wanderung nach seiner Meinung ein "Mythos" ist. lies das mal in Ruhe durch.

Wenn man ehrlich ist, lässt sich das Phänomen der Indoeuropäer sowohl von Ursitzen in Mittel- und Osteuropa als auch von Südrussland her beschreiben. Die seriöse Forschung weist stets zu Recht darauf hin, dass es bis heute keine unumstrittenen Beweise oder archäologischen Belege für die eine andere Hypothese gibt.

Was die Tocherer betrifft: Da sie eine Kentum-Sprache sprachen, die zum Westzweig der indoeuropäischen Sprachfamilie zählt, wird ohnehin von vielen eine Wanderung aus osteuropäischen Sitzen angenommen.

Diese Links müssten klappen:

http://www.sarks.fi/fa/PDF/FA21_23.pdf

http://www.nomadsed.de/fileadmin/user_up...eusler.pdf
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14.11.2014, 21:22
Beitrag: #47
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(14.11.2014 18:53)Arkona schrieb:  Also sind wir wieder bei Kossina und Co. samt ihrem Ariermythos? Das hieße ja, dass Pferdehaltung und Rad mitteleuropäische Erfindungen aus dem Waldland sind. Und wie erklären wir uns die Tocharer?

./.

Ich kann bei Euerm Fachgespräch nicht mithalten.

Nur der Hinweis, dass ca. 5.000 Jahre alte Räder, sowohl mit rundem als auch mit eckigem Achsloch im Federseegebiet und auch an ein paar anderen Stellen in Mitteleuropa gefunden wurden.
Mithin so alt wie die bisher ältesten Funde aus Mesopotamien.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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14.11.2014, 22:11
Beitrag: #48
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Das ist die Badener Kultur, die ihr Kerngebiet eigentlich nördlich des Balkan hatte und damit in räumlicher und zeitlicher Nähe bei den vermuteten frühen Indogermanen lag, falls es nicht sogar ein Ableger dieser war.

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15.11.2014, 14:46
Beitrag: #49
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(14.11.2014 17:18)Arkona schrieb:  Nachdem Renfrew (Anatolien) als widerlegt gilt, landen wir mit dem wahrscheinlichsten Szenario in der Ostukraine. David Anthony, den ich weiter oben verlinkt habe, verweist auf die frühen Kontakte zum Uralischen (sicher) und Kartwelischen (Kaukasus, nicht gesichert). Wer mit Englisch klarkommt, sollte das mal lesen.
Gimbutas mag im Detail sich geirrt haben, aber grob gesehen scheint "Kurgan" wohl doch zu stimmen.

Ich will darauf noch einmal zurückkommen. Auch mir erscheint die vor allem von Marija Gimbutas und späteren Archäologen und Indogermanisten postulierte südrussische "Urheimat" der Indoeuropäer wahrscheinlich - auch wenn sich das nicht ausreichend belegen lässt. Es ist halt eine Hypothese und dessen sollte man sich bei allen Diskussionen bewusst sein.

Plausibel erscheint sie mir, wenn man einmal das großräumige Aubreitungsgebiet der Indoeuropäer betrachtet. Sieht man auf Europa und Indien so liegt es nahe, eine Ursprungsposition dazwischen anzunehmen, von der aus sich indoeuropäische Gruppen sowohl nach Osten (Indien, Iran) als auch nach Westen (Europa) ausbreiteten. - Ferner gibt es "weiche" Faktoren wie z.B. die patriarchalische Religion und Gesellschaftsstruktur der Indoeuropäer, die zur Verehrung von Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttinnen der neolithischen europäischen Bauern wenig passt.

Was die "Kurgane" betrifft, so ist das als Argument sehr umstritten. Häusler behauptet, dass auch andere Kulturen solche Kurgane hinterlassen hätten und sie kein Beweis für ein Auftreten indoeuropäischer Gruppen seien. Dennoch sind die Kurgane vielfach und nachweisbar mit frühen indoeuropäischen Expansionen verbunden, so in Norddeutschland, Griechenland oder Italien.

Hüten muss man sich vor der Vorstellung, indoeuropäische Kriegerscharen hätten auf breiter Front gleich den Hunnen Europa überrannt. Das ist heute vom Tisch und ins Rich der Fantasy zu verweisen. Vielmehr muss man sich ein allmähliches Einsickern indoeuropäischer Sprachträger in mehreren Wellen vorstellen, die keineswgs flächendeckend waren. Nachdem Indoeuropäer in einigen Gebieten ihre Sprache und Teile ihrer Kultur durchgesetzt hatten, wurden auch andere ethnische Gruppen "indoeuropäisiert". So breitete sich ein indoeuropäischer Formenkreis großräumig aus, ohne dass indessen überall ethnisch originäre Indoeuropäer am Werk waren.

Haarmann meint, es hätte u.a. auch ein Eliteransfer stattgefunden, ähnlich wie bei der Romanisierung Europas: Herrschaftsträger wie Beamte und Offiziere brachten römische Kultur und Sprache, die einheimischen Eliten übernahmen das, weil sie auch künftig an der Macht bleiben wollten - und auch weil die neue "Mode" schick war. Ein ähnliches Szenario ist auch hinsichtlich der Ausbreitung indoeuropäischer Sprachen und Kulturen denkbar.

Dass wir es bei dieser Thematik lediglich mit Hypothesen und Spekulationen zu tun haben, muss klar sein.
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15.11.2014, 15:10
Beitrag: #50
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Es gibt ja eine Parallele, nämlich die ersten Konquistadoren mit Pferden. Da standen die Indios zunächst auch nur scheu mit offenem Mund da.

Wer in den neolithischen Bauerndörfern mit Pferd und (Streit)wagen auftauchte, war doch sofort sowas wie ein Halbgott. Ungefähr der Effekt, den ein Poser im Porsche beim Dorftanz auslöst. Da brauchte man keine kampfkräftige mordbrennende Horde oder das ganze Volk samt Karren und Herden hinter sich, um sich zum Cheffe aufzuschwingen und die lokale Damenwelt zu beeindrucken. Elitetransfer, eigentlich ein treffender Ausdruck, allein das Vorbild wirkt. Schmökel hat das als Auszug von "Jungmannschaften" beschrieben.

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15.11.2014, 15:31
Beitrag: #51
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(15.11.2014 15:10)Arkona schrieb:  Es gibt ja eine Parallele, nämlich die ersten Konquistadoren mit Pferden. Da standen die Indios zunächst auch nur scheu mit offenem Mund da.

Wer in den neolithischen Bauerndörfern mit Pferd und (Streit)wagen auftauchte, war doch sofort sowas wie ein Halbgott. Ungefähr der Effekt, den ein Poser im Porsche beim Dorftanz auslöst. Da brauchte man keine kampfkräftige mordbrennende Horde oder das ganze Volk samt Karren und Herden hinter sich, um sich zum Cheffe aufzuschwingen und die lokale Damenwelt zu beeindrucken. Elitetransfer, eigentlich ein treffender Ausdruck, allein das Vorbild wirkt. Schmökel hat das als Auszug von "Jungmannschaften" beschrieben.

Ich denke man muss sich vor der Vorstellung hüten, alle indigenen Stämme Europas seien expandierenden Indoeuropäern nun um den Hals gefallen. Mit Sicherheit hat es auch Kämpfe um die Vorherrschaft gegeben, die blutig verliefen.

Dennoch müssen die einwandernden indoeuropäischen Gruppen den Autochthonen auch waffentechnisch überlegen gewesen sein, wobei das Sortiment nur klein war. 3000 v. Chr. verfügten die Eindringlinge noch nicht über Metallwaffen, was die Frage aufwirft, in welcher Hinsicht sie den Eingeborenen überlegen waren.
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15.11.2014, 16:29
Beitrag: #52
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(15.11.2014 15:31)Dietrich schrieb:  3000 v. Chr. verfügten die Eindringlinge noch nicht über Metallwaffen, was die Frage aufwirft, in welcher Hinsicht sie den Eingeborenen überlegen waren.

Wenn sie damals wirklich das Pferdemonopol besaßen, beantwortet sich das eigentlich von allein.

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15.11.2014, 16:47
Beitrag: #53
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(15.11.2014 16:29)Arkona schrieb:  Wenn sie damals wirklich das Pferdemonopol besaßen, beantwortet sich das eigentlich von allein.

Ich wei0 nicht, Arkona, ob allein das Pferd als Erklärung für die Durchsetzungskraft der Indoeuropäer ausreicht. Schriftquellen aus Indien (die Veden, Rigveda) zum Vordringen der Indoeuropäer um 1500 v. Chr, zeigen, dass diese Gruppen ziemlich aggressiv vorgingen.

Als Nomaden waren diese Gruppen vermutlich ein rücksichtsloseres Vorgehen gewohnt, als es die einheimischen neolithischen Bauern kannten - sei es in Indien und im Iran, sei es in Europa. In Schleswig-Holstein finden wir zeitgleiche Bestattungen in Megalithgräbern und benachbarten Steinkisten-Einzelgräbern. Das deutet auf ein miteinander hin, wobei man nicht weiß, wie die Machtverhältnisse aussahen. Vielleicht hatten sich die Eliten beider Ethnien bereits zusammengetan und nur noch das Volk beharrte traditionell auf seinen "Hünengräbern".
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15.11.2014, 16:50
Beitrag: #54
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Nochmal zu Häussler: Ich habe das gestern mal überflogen. Er beschränkt sich bei der ganzen Ausbreitungsfrage auf Europa, was die ganze Problematik ziemlich einengt. Mir will auch nicht in den Sinn, warum das Speichenrad eine Erfindung aus den Bergen Vorderasien sein soll. Die frühesten Funde stammen jedenfalls von ganz woanders. http://de.wikipedia.org/wiki/Sintashta-Kultur
Wirklich effektiv sind Streitwagen doch nur in offenem Gelände gewesen. Wenn später Ramses II. sich damit durch Palästina quälte, war das wohl eher Prestige. Die berühmte Hethiterschlacht fand dann ja auch in der Orontesebene statt. Die vornehmen Kelten und davor die Helden Homers fuhren damit zwar angeberisch in den Kampf, saßen dann aber meist ab.

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15.11.2014, 16:59
Beitrag: #55
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(15.11.2014 16:47)Dietrich schrieb:  Ich wei0 nicht, Arkona, ob allein das Pferd als Erklärung für die Durchsetzungskraft der Indoeuropäer ausreicht. Schriftquellen aus Indien (die Veden, Rigveda) zum Vordringen der Indoeuropäer um 1500 v. Chr, zeigen, dass diese Gruppen ziemlich aggressiv vorgingen.

Das eine ergibt das andere. Moderne Pferdesportler tragen die Nase meist auch etwas höher als ihre latschenden Mitmenschen. Big Grin

Dass traditionelle Hirtenstämme selbst ohne Reittiere eher auf Krawall gebürstet sind, zeigt auch die Frühgeschichte Afrikas mit ihrer Bantuexpansion und das Verhältnis der Niloten (z.B. Massai) zu ihrer sesshaften Umgebung.

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15.11.2014, 19:45
Beitrag: #56
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(15.11.2014 16:50)Arkona schrieb:  Nochmal zu Häussler: Ich habe das gestern mal überflogen. Er beschränkt sich bei der ganzen Ausbreitungsfrage auf Europa, was die ganze Problematik ziemlich einengt.

Das ist ein Kritikpunkt, der mir als erstes auffiel. Wie lässt sich eine Ausbreitung der Indoeuropäer über die riesige Distanz von Mitteleuropa bis Indien erklären, wenn man eine "Urheimat" in Zentraleuropa annimmt?

Recht hat Häusler wenn er sagt, dass irgendwelche Invasionen von Reiternomaden von Westasien nach Europa archäologisch nicht zu belegen sind. Insofern ist der Gedanke verführerisch, die Entstehung der Indoeuropäer aus einer ungestörten mesolithischen und neolithischen indigenen europäischen Bevölkerung heraus anzunehmen. Die einzige Einwirkung von außen wären neolithische Bauern, die vom Balkan her Richtung Norden zogen. Das vollzog sich allerdings in Mittel- und Norddeutschland vermutlich stark im Rahmen eines Kulturtransfers und sicher nicht mehr durch Einwirkung anatolischer Bauern.
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15.11.2014, 20:02
Beitrag: #57
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Wobei die anatolischen Bauern, die Renfrew ins Spiel brachte, ein paar tausend Jahre früher als die Indogermanen zu verorten sind, genau wie @Pauls Ertebölle-Leute.
Nochmal was zum Thema Kulturtransfer: Das neolithische Paket trat ja keineswegs einen Siegeszug durch Europa an. Im Gegenteil, es dauerte selbst für damalige Verhältnisse quälend langsam. Das spricht in der Tat für Kulturtransfer und nicht für Völkerverschiebungen, hat aber mit der Indogermanen-Problematik primär erstmal nix zu tun. Sich ohne unmittelbare Not mit Landwirtschaft abzuknechten, war jedenfalls kein besonders attraktives Lebensmodell für die alteingesessenen Mesolithiker.

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16.11.2014, 14:50
Beitrag: #58
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(15.11.2014 20:02)Arkona schrieb:  Wobei die anatolischen Bauern, die Renfrew ins Spiel brachte, ein paar tausend Jahre früher als die Indogermanen zu verorten sind, genau wie @Pauls Ertebölle-Leute.

Wenn man davon ausgeht, dass die Indoeuropäer aus einer indigenen europäischen Bevölkerung heraus entstanden, stellt sich das Problem nicht. Als die frühen Ackerbauern etwa um 5500 v. Chr. Mitteleuropa erreichten, waren die indoeuropäischen Ethnien Zentraleuropas erst im Entstehen. Sie übernahmen später neolithische Wirtschaftsweisen von den Bandkeramikern bzw. deren Nachfolgern und zwar durch kulturelle Aneignung.

(15.11.2014 20:02)Arkona schrieb:  Nochmal was zum Thema Kulturtransfer: Das neolithische Paket trat ja keineswegs einen Siegeszug durch Europa an. Im Gegenteil, es dauerte selbst für damalige Verhältnisse quälend langsam. Das spricht in der Tat für Kulturtransfer und nicht für Völkerverschiebungen, hat aber mit der Indogermanen-Problematik primär erstmal nix zu tun. Sich ohne unmittelbare Not mit Landwirtschaft abzuknechten, war jedenfalls kein besonders attraktives Lebensmodell für die alteingesessenen Mesolithiker.

Die ersten Ackerbauern auf europäischem Boden finden wir etwa um 6800 v. Chr. in Thessalien, wo sich die Proto-Sesklo-Kultur herausbildte mit zentralen Fundorten in Nea Nikomedia und Sesklo. Diese Kultur ist noch ganz anatolisch geprägt, was Überreste von Pflanzen, Haustieren und Geräten zeigen. Etwa um 5500 v. Chr. erreicht die Neolithisierung Mitteleuropa, was zahlreiche Fundorte und reichhaltige archäologische Überreste belegen.

Umstritten ist, in welchem Ausmaß man sich von Süden nach Norden wandernde Bauern vorstellen muss, oder ob es lediglich eine Kulturtrift gab, also die Weitergabe von Kentnissen. Gegenwärtig nimmt man an, dass sich der Strom wandernder Bauern Richtung Norden stark abschwächte und im Verlauf der Ausbreitung des Ackerbaus immer stärker eine Kulturtrift in den Vordergrund trat. Hierzu gibt es eine Reihe von DNA-Analysen, die jedoch zum Teil widersprüchlich ausfallen.

Sicher ist, dass auch die mesolithische Bevölkerung irgendwann zur sesshaften Lebensweise und zum Ackerbau überging, denn sie hat sich natürlich nicht in Luft aufgelöst. Eine gewisse zeit werden beide Lebensformen nebeneinander bestanden haben, doch dem sesshaften Bauerntum gehörte die Zukunft.
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16.11.2014, 19:06
Beitrag: #59
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(16.11.2014 14:50)Dietrich schrieb:  Etwa um 5500 v. Chr. erreicht die Neolithisierung Mitteleuropa, was zahlreiche Fundorte und reichhaltige archäologische Überreste belegen.

Die Trichterbecherkultur entstand ohne die Indogermanen. Die Megalithbauweise hatte man aus Westeuropa übernommen, die Bauweise der Häuser sowie die Sitte, die Toten unter Langhügeln zu begraben, ist zuerst im heutigen Polen feststellbar.
Die polnischen Langhäuser sind ohne Landwirtschaft nicht denkbar, ebensowenig die Megalithbauten - für letztere brauchte man eine Menge Leute, die über einen längeren Zeitraum in einem begrenzten Areal ernährt werden mussten. Das geht nur mit Hilfe von Landwirtschaft.
Zwischen mesolithischer Kunst (und damit auch Religion), Grabbauweise (wieder in intensiver Zusammenhang mit Religion), Keramik und Werkzeugherstellung - z.B. der Äxte/Streitäxte - läßt sich kein Bruch feststellen. Die Bevölkerung hat sich also wohl nicht geändert. Wohl aber die Wirtschaftsweise. Statt vorwiegend Jagd betreiben die Menschen in Mitteleuropa jetzt vorwiegend Landwirtschaft.
Das Wissen könnten die Trichterbecherleute von den Indogermanen vermittelt bekommen haben, aber sie waren wohl keine Indogermanen.

Ein zusätzliches Indiz kommt von den Skeletten der Trichterbecherleute: Sie weisen zwei Besonderheiten auf, die vor und nach der Trichterbecherzeit in Europa so nicht mehr vorkommen.
Eines ist genetisch: Die Trichterbecherleute hatten überproportional oft einen Überbiss. Anscheinend hat sich hier tatsächlich eine Bevölkerung ausgebreitet, aber sie war wohl nicht-indogermanisch (sonst wäre der Überbiss heute weiter verbreitet) und sie kam - wie die Bauweise der Häuser zeigt - wohl aus dem heutigen Polen.
Das zweite hat mit Gewohnheiten, also Kultur zu tun: Die Schienbeine der Trichterbecherleute weisen charakteristische Abnutzungsspuren auf, die auf ein häufiges Hocken auf den Fersen hindeuten. Das war offenbar die typische Arbeits- und Ruhehaltung dieser Menschen. Auch das deutet wieder darauf hin, dass die Trichterbecherleute keine Indogermanen waren (von denen so etwas nicht bekannt ist) und dass sich hier wohl eine bestimmte Bevölkerung mitsamt ihrer Kultur über ganz Mitteleuropa verbreitet hat.

VG
Christian
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16.11.2014, 19:25
Beitrag: #60
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Die Landwirtschaft hat sich am Atlantik entlang und die Donau hinauf Nordwärts ausgebreitet. Den Atlantik nordwärts breiteten sich Kulturmerkmale aus, welche mit Megalithbauten verbunden waren. Irgendwo im heutigen Deutschland sind sie auf Indogermanen gestoßen, welche die Landwirtschaft übernahmen und sie wiederum nach Norden zu den Ertebölleleuten ausbreiteten. Als sie später mit diesen verschmolzen wurde Südskandinavien indogermanisch und die vorher südlich sitzenden Indogermanen übernahmen Teile der Sprache von den Ertebölleleuten. Dies vollzog sich in der zeitlichen Phase der Trichterbecherkultur.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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