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Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
05.01.2015, 10:31
Beitrag: #1
Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
Aktuell ist durch Pegida aber auch schon vorher oft von Parallelgesellschaften die Rede.
Da klingt es manchmal so, als würden Migranten absichtlich in ein bestimmtes Stadtviertel ziehen, um dort eine Parallelgesellschaft zu gründen, weil das so schön gemütlich und das Viertel so nett ist.

Dabei ist das Wort Parallelgesellschaft eine relativ neue Wortschöpfung, für Umstände, die fast so alt sind wie die Menschheit. http://de.wikipedia.org/wiki/Parallelgesellschaft

Mich interessiert an diesem Thema nicht nur die aktuelle Situation, sondern ich würde gerne auch rückwärts gucken und Beispiele von historischen Parallelgesellschaften diskutieren.


Für mich sind dabei 2 Aspekte relevant.
1. Wohnviertel, Wohnungsmarkt,
heute überwiegend in privatwirtschaftlicher Hand. Das bedeutet, der Staat, die Kommune hat kaum noch Einfluß auf die Zusammensetzung von Wohnvierteln. Menschen der Unterschicht werden in bestimmte Viertel abgedrängt, weil sie woanders kaum eine von ihnen bezahlbare Wohnung finden. Das Wohnviertel bestimmt das Lebensumfeld, die Nachbarschaft, die Kindergärten und Schulen, die die Kinder besuchen müssen.

2. Subkultur
Die Kultur einer Gesellschaft ist nie einheitlich, sondern auch bei Einheimischen abhängig von den Lebensumständen, Interessen, der Gesellschaftsschicht und den Einkommensverhältnissen. Der jungdynamische Bänker wird kaum privaten Kontakt zu Putzfrauen und Schnellimbisslieferfahrern pflegen.

Viele Probleme, die aktuell diskutiert werden, ergeben sich aus den sehr verschiedenen Lebensumständen in unserer Gesellschaft. Die Verschiedenheit hat nicht nur etwas mit der Erziehung zu tun sondern auch mit dem sozialen Umfeld.
Ein deutsches Ober- und Mittelschichtkind hat heute kaum noch die Möglichkeit, sich draußen unbeaufsichtigt Spielkameraden aus allen Schichten auszuwählen und ganz zwanglos für sich selbst zu lernen, wie man mit anderen Kindern umgeht, Frendschaften schließt. Kinder in den Armenvierteln spielen zwangsläufig noch draußen, dort lernen sie mit anderen Kindern klar zu kommen, sich allein zu behaupten ohne den "Helikopterschutz" der Eltern.
Das sind zwei sehr unterschiedliche Lebenswelten, natürlich gibt es diverse Zwischenformen, die sich ins Erwachsenenalter fortsetzen und die soziale Kompetenz von Menschen prägen.
Spannend wird es, wenn beide Welten zusammenkommen, etwa am Arbeitsplatz, weil es doch immer wieder mal einer aus der Unterschicht schafft, eine Aufstiegsperspektive zu verfolgen.
Irgendwo habe ich neulich gelesen, dass sozial gemischte Teams erfolgreicher sind als einheitliche.
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05.01.2015, 11:28
Beitrag: #2
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Aktuell ist durch Pegida aber auch schon vorher oft von Parallelgesellschaften die Rede.
Da klingt es manchmal so, als würden Migranten absichtlich in ein bestimmtes Stadtviertel ziehen, um dort eine Parallelgesellschaft zu gründen, weil das so schön gemütlich und das Viertel so nett ist.

Dabei ist das Wort Parallelgesellschaft eine relativ neue Wortschöpfung, für Umstände, die fast so alt sind wie die Menschheit. http://de.wikipedia.org/wiki/Parallelgesellschaft

Mich interessiert an diesem Thema nicht nur die aktuelle Situation, sondern ich würde gerne auch rückwärts gucken und Beispiele von historischen Parallelgesellschaften diskutieren.


Für mich sind dabei 2 Aspekte relevant.
1. Wohnviertel, Wohnungsmarkt,
heute überwiegend in privatwirtschaftlicher Hand. Das bedeutet, der Staat, die Kommune hat kaum noch Einfluß auf die Zusammensetzung von Wohnvierteln. Menschen der Unterschicht werden in bestimmte Viertel abgedrängt, weil sie woanders kaum eine von ihnen bezahlbare Wohnung finden. Das Wohnviertel bestimmt das Lebensumfeld, die Nachbarschaft, die Kindergärten und Schulen, die die Kinder besuchen müssen.

./.

Halte ich mich mal an dDeinen 1. Punkt.

Bei mir im Städtchen hat man in den 70ern, teures Verkehrsgutachten, eine zuvor sehr ruhige Wohnstraße zur innerstädtischen Hauptverkehrsstraße gemacht.
Die Bausubstanz dort war/ist Gründerzeitlich, meist 2-3 Wohnungen in den Häusern, in aller Regel nicht unterkellert, aber auch ein paar Fabrikantenvillen dazwischen. Insgesamt Bürgerlich.

In den Villen, sehr hohes Verkehrsaufkommen! sind heute Büros, auch die Lebenshilfe mit betreutem Wohnen hat einsgesamt 3 dieser Villen umfunktioniert.
Die Bürgerhäuser sind heute fast alle im Besitz von Familien mit Migrationshintergrund, Türken. Kosovo usw. mit dem Ergebnis, dass ausgerechnet an dieser Hauptverkehrsstraße heute die "Kinder-Dichte" im Städtchen mit Abstand am höchsten ist.
Dazwischen drei Industriebrachen, eine umfunktioniert in was weiß ich wie viele Fitnessstudios, Bio-Läden, Carl-Class usw. usf. Die beiden anderen abgerissen, neue Lebensmittelsupermärkte Lidl + Norma.

Es ist natürlich so, dass es sehr wohl Wohnviertel mit bezahlbaren Mietwohnungen, Kindergärten, Spielplätzen usw. weiter außerhalb gibt.
Aber entweder wurden diese Migranten von den schwäbischen Häuslebauern angesteckt, oder aber sie haben von zu Hause aus ein nachhaltiges Eigentumsdenken! Die kaufen sich keine Eigentumswohnungen, die wollen ein Haus auf eigenem Grund. Und werden in dem Viertel natürlch konstengünstig fündig.

Jetzt komme ich darauf:
Zitat:Mich interessiert an diesem Thema nicht nur die aktuelle Situation, sondern ich würde gerne auch rückwärts gucken und Beispiele von historischen Parallelgesellschaften diskutieren.

In diesem Viertel steht aber nicht umsonst die erste kath. Kirche am Ort.
Die Erbauer der Häuser in diesem Viertel waren zu einem sehr hohen Prozentsatz Katholisch, zugezogen in die Industriestadt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Und hier damals! durchaus als Migranten wahrgenommen, denen, so richtig, keiner traute.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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05.01.2015, 11:50
Beitrag: #3
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(05.01.2015 11:28)Suebe schrieb:  In diesem Viertel steht aber nicht umsonst die erste kath. Kirche am Ort.
Die Erbauer der Häuser in diesem Viertel waren zu einem sehr hohen Prozentsatz Katholisch, zugezogen in die Industriestadt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Und hier damals! durchaus als Migranten wahrgenommen, denen, so richtig, keiner traute.
Eine ähnliche Konstellation kenne ich auch.
Bei mir um die Ecke steht eine katholische Kirche aus der Gründerzeit, gebaut für Arbeiter, die man damals aus dem katholischen Eichsfeld angeworben hatte. Deutsch sprachen die sicher, so weit ist das Eichsfeld gar nicht, aber sie waren eben katholisch. Da man die Arbeiter brauchte, baute ihnen der Fabrikbesitzer eine Kirche, Arbeitersiedlungen neben der Fabrik waren damals sowieso üblich.
Inzwischen ist die Fabrik geschlossen, die Arbeiterhäuschen in schicke, teure Reihenhäuschen umgewandelt und die katholische Kirche hat mit dem gleichen Besucherschwund zu kämpfen wie alle Kirchen.
Die katholischen Arbeiter hat man damals pragmatisch als Parallelgesellschaft behandelt, hat keinen gestört aus der evangelischen Nachbarschaft. Heute, gut 100 Jahre später, erinnert nur noch die Kirche an die Geschichte. In den ehemaligen Arbeiterhäuschen wohnt die übliche großstädtische Mittelschicht, vielleicht sind da sogar zufällig Nachkommen der Eichsfelder darunter. Die inzwischen schicken Reihenhäuschen musste man sich bei Umwandlung vor ca 25 Jahren leisten können.
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05.01.2015, 12:47
Beitrag: #4
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(05.01.2015 11:50)Renegat schrieb:  
(05.01.2015 11:28)Suebe schrieb:  In diesem Viertel steht aber nicht umsonst die erste kath. Kirche am Ort.
Die Erbauer der Häuser in diesem Viertel waren zu einem sehr hohen Prozentsatz Katholisch, zugezogen in die Industriestadt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Und hier damals! durchaus als Migranten wahrgenommen, denen, so richtig, keiner traute.
Eine ähnliche Konstellation kenne ich auch.
Bei mir um die Ecke steht eine katholische Kirche aus der Gründerzeit, gebaut für Arbeiter, die man damals aus dem katholischen Eichsfeld angeworben hatte. Deutsch sprachen die sicher, so weit ist das Eichsfeld gar nicht, aber sie waren eben katholisch. Da man die Arbeiter brauchte, baute ihnen der Fabrikbesitzer eine Kirche, Arbeitersiedlungen neben der Fabrik waren damals sowieso üblich.
Inzwischen ist die Fabrik geschlossen, die Arbeiterhäuschen in schicke, teure Reihenhäuschen umgewandelt und die katholische Kirche hat mit dem gleichen Besucherschwund zu kämpfen wie alle Kirchen.
Die katholischen Arbeiter hat man damals pragmatisch als Parallelgesellschaft behandelt, hat keinen gestört aus der evangelischen Nachbarschaft. Heute, gut 100 Jahre später, erinnert nur noch die Kirche an die Geschichte. In den ehemaligen Arbeiterhäuschen wohnt die übliche großstädtische Mittelschicht, vielleicht sind da sogar zufällig Nachkommen der Eichsfelder darunter. Die inzwischen schicken Reihenhäuschen musste man sich bei Umwandlung vor ca 25 Jahren leisten können.

Die Katholen haben bei uns ja sogar schwäbisch gesprochen.

Aber, wie gesagt, die einen Migranten wurden da 2 Generationen später, in den gleichen Häusern, von den anderen ersetzt.

Klar, in der Großstadt läuft das kostenbedingt anders.
Die Häuser waren natürlich alle Sanierungsbedürftig, aber zu Preisen unter 100.000 DM zu haben, Und die Sanierung hat die Kosovaren und Türken nicht gestört. Machen sie selbst, zusammen mit "Onkel-Sohn". Wink
Und, notabene, 500 Meter eben (was bei uns was heißen will) ins Stadtzentrum!

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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05.01.2015, 13:14
Beitrag: #5
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(05.01.2015 12:47)Suebe schrieb:  Die Katholen haben bei uns ja sogar schwäbisch gesprochen.

Aber, wie gesagt, die einen Migranten wurden da 2 Generationen später, in den gleichen Häusern, von den anderen ersetzt.

Klar, in der Großstadt läuft das kostenbedingt anders.
Die Häuser waren natürlich alle Sanierungsbedürftig, aber zu Preisen unter 100.000 DM zu haben, Und die Sanierung hat die Kosovaren und Türken nicht gestört. Machen sie selbst, zusammen mit "Onkel-Sohn". Wink
Und, notabene, 500 Meter eben (was bei uns was heißen will) ins Stadtzentrum!
Und zu den Preisen sind bei euch keine Profis interessiert? Liegt das an der Durchgangsstraße?
Oder ist der Preis Stand von vorgestern?
Am Stadtrand haben wir diesen Wechsel auch zum Teil. Die in die Jahre gekommenen Handtuchreihenhäuser werden verkauft, weil die inzwischen gealterten Bewohner nicht mehr auf der Treppe wohnen und lieber in die seniorengerechte Eigentumswohnung nahe der Innenstadt ziehen wollen. Wobei sie gerade in den alten Gründerzeitvierteln die ärmeren Schichten verdrängen, die da lange gewohnt haben und zum großen Teil Migrationshintergrund haben.
Wohnen als Abbild der Gesellschaft, schon immer?
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05.01.2015, 13:44
Beitrag: #6
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
Wird überall so sein. Hier in Ingolstadt ist 1845 die erste evangelische Kirche (gleichzeitig die erste evangelische Pfarrkirche Bayerns) mitten im Zentrum, am Holzmarkt gebaut worden - wohl für die Arbeiter, die an der Festung bauten wie auch für die evangelischen Soldaten. Da es damals mehr Soldaten als Zivilisten in Ingolstadt gab, mussten sich eher die Einheimischen integrieren...was sie in altbayerischer Sturheit aber auch nicht wollten.
So blieben die Evangelischen in Ingolstadt lange Zeit Außenseiter, eigentlich bis zur Ankunft vieler evangelischer Flüchtlinge nach 1945. Der allgemeine Umbruch und die schiere Zahl von Evangelischen führten dazu, dass die erzwungene Eigenbrötlerei der lutherischen Konfession im Raum Ingolstädt ein Ende hatte.
Diese Eigenbrötlerei war noch im 19.Jh. ganz extrem - es wurden gar eigene Ansiedlungen für Kolonisten aus der Pfalz, aus Baden, Württemberg und Franken gegründet: 1832 Friedrichshofen (1835 von der Nachbargemeinde Gaimersheim politisch unabhängig geworden, Grund waren konfessionelle "Unstimmigkeiten"), 1816 Brunnenreuth (die ersten - ursprünglich v.a. pfälzischen und mehrheitlich evangelischen - Kolonisten kamen aus dem Donaumoos; anfangs hausten die Siedler buchstäblich in Erdlöchern, erst 1829/30 konnte der spätere Gründer von Friedrichshofen, Friedrich Schultheiß, einen Schulbau finanzieren, 1874 wurde im Ortsteil Spitalhof die einzige evanglische Dorfkirche Bayerns erbaut).

Ich bin mir nicht sicher, ob der evangelisch-katholische Gegensatz im Ingolstadt des 19.Jhs. vergleichbar ist mit dem christlich-islamischen Gegensatz bzw. dem Migranten-Einheimischen-Gegensatz heutigentags (immerhin um die 40% der Einwohner Ingolstadts haben Migrationshintergrund, etwa 9% der Ingolstädter sind muslimisch, in Ingolstadt steht die größte Moschee Bayerns). Ich denke aber schon.
Es dauerte 100 Jahre, bis die Evangelischen in Ingolstadt keine Außenseiter mehr waren. Demgegenüber stehen heute 9000 Muslime unter 130.000 Ingolstädtern, die sich in zwei Bezirken konzentrieren (entspricht ungefähr dem Zahlenverhältnis der Evangelischen zu den Katholischen des 19.Jhs.). Diese beiden Bezirke stellen zwar soziale Brennpunkte in Ingolstadt dar, aber eben auch deshalb, weil
- Audi "seine" Gastarbeiter bevorzugt ums Werk herum angesiedelt hat (in Plattenbauten) und weil
- später (nach 1990) auch die sog. "Russlanddeutschen" in genau denselben Vierteln angesiedelt wurden. Dass sich daraus Probleme ergeben, hätte eigentlich allen klar sein sollen. Nur - in den "vornehmeren" Vierteln wollte man weder Türken noch "Russen" haben, so blieb der Stadt in den Neunzigern auch wenig anderes übrig.

Der Punkt ist der: Vor allem im Piusviertel (= dem Audi-Viertel) kann man beobachten, wie kroatische, türkische etc. Reisebüros, Supermärkte, sonstige Läden aus dem Bodengeschossen sind, v.a. in den letzten 20, 30 Jahren. Namen aus allen Erdteilen sind an den Klingelschildern zu lesen. Stadtteilfeste sind ein Sammelsurium aus unterschiedlichsten Musikstilen, Spielen, Süßigkeiten. Das ganze Viertel entwickelt so langsam ein eigenes Flair, von denjenigen Ingolstädtern, die sich zur "Intelligenz" rechnen, sichern sich viele Wohnungen (allerdings weniger in den Plattenbauten als vielmehr in den übriggebliebenen gründerzeitlichen Häusern in der Nähe der Altstadt), die Stadt investiert in die Infrastruktur (gerade wird die Ringstraße untertunnelt). Ich denke, es dauert noch 20 Jahre, spätestens dann ist zumindest das Piusviertel ein zwar etwas anderes Viertel von Ingolstadt, aber kein sozialer Brennpunkt mehr. Das heißt: Die Integration der "Ausländer" in Ingolstadt läuft nicht mehr innerhalb von 100, sondern innerhalb von vielleicht 50 Jahren ab.

Noch mal was zu den Zahlen:
"Der Ausländeranteil an der Ingolstädter Bevölkerung lag 2005 bei 12,7 %, davon wiederum kommen 26,6 % aus den EU-Mitgliedstaaten. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund liegt hingegen bei ca. 40 % (Stand Dezember 2010)[14]. Die größte Gruppe der ausländischen Einwohner bilden die Türken mit 5273 Personen, gefolgt von den 3442 Angehörigen der Staaten des ehemaligen Jugoslawiens und 678 italienischen Staatsangehörigen. Zwischen den Stadtbezirken gibt es große Unterschiede beim Anteil der ausländischen Bevölkerung. So leben in den Stadtbezirken Süd und West unter 5 % ausländische Bürger, während es in den Bezirken Nordost und Nordwest über 20 % sind. Insgesamt liegt der Anteil von Personen ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zum Teil deutlich niedriger als in den übrigen bayerischen Großstädten." (Wikipedia)

Rechne ich richtig? 12,7% Ausländer plus 40% Migranten = 52,7% der Einwohner Ingolstadts haben keine deutsche Herkunft. Mehr als die Hälfte.

Gleichzeitig ist Ingolstadt die am schnellsten wachsende Großstadt Bayerns und diejenige mit der niedrigsten Arbeitslosenrate.

Ich wage eine These: Solange Ingolstadt durch die Festung und das Militär sich nicht entwickeln konnte, blieben "Migranten" (in der Rolle waren die Evangelischen im 19.Jh. hierzulande) Außenseiter und ließen sich kaum integrieren. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg stieg die Zahl der Migranten (Sudetendeutsche, Italiener, Jugoslawen, Türken, nach 1990 noch einmal "Jugoslawen", Russlanddeutsche, Albaner...) enorm an, was aber bei weitem nicht die Probleme brachte wie der Zuzug der Evangelischen im 19.Jh., sondern im Gegenteil zur weiteren Prosperität der Stadt beitrug.

VG
Christian
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05.01.2015, 14:20
Beitrag: #7
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Aktuell ist durch Pegida aber auch schon vorher oft von Parallelgesellschaften die Rede.
Da klingt es manchmal so, als würden Migranten absichtlich in ein bestimmtes Stadtviertel ziehen, um dort eine Parallelgesellschaft zu gründen, weil das so schön gemütlich und das Viertel so nett ist.

Dabei ist das Wort Parallelgesellschaft eine relativ neue Wortschöpfung, für Umstände, die fast so alt sind wie die Menschheit. http://de.wikipedia.org/wiki/Parallelgesellschaft

Mich interessiert an diesem Thema nicht nur die aktuelle Situation, sondern ich würde gerne auch rückwärts gucken und Beispiele von historischen Parallelgesellschaften diskutieren.

Ich mag den Begriff "Parallelgesellschaften" einfach deswegen nicht, weil es eben seit der steinzeitlichen Stammeskultur nicht mehr üblich war, daß alle Menschen die gleichen kulturellen Vorstellungen und Bedingungen teilten.

Ein typisches Beispiel für "Parallelgesellschaften" war der Feudalismus. Oder will ernsthaft irgendjemand behaupten, die Bauern und der Adel hätten nach den gleichen Regeln am gleichen Platz gelebt? Beide bildeten strang genommen "Parallelgesellschaften", wo der eine sich nicht mit dem anderen gemischt hat. Auch hier gab es zwangsläufig Überschneidungen, meist mit ungutem Ausgang für die Bauern.

(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Für mich sind dabei 2 Aspekte relevant.
1. Wohnviertel, Wohnungsmarkt,
heute überwiegend in privatwirtschaftlicher Hand. Das bedeutet, der Staat, die Kommune hat kaum noch Einfluß auf die Zusammensetzung von Wohnvierteln. Menschen der Unterschicht werden in bestimmte Viertel abgedrängt, weil sie woanders kaum eine von ihnen bezahlbare Wohnung finden. Das Wohnviertel bestimmt das Lebensumfeld, die Nachbarschaft, die Kindergärten und Schulen, die die Kinder besuchen müssen.

Ich weiß nicht, ob ich diese Meinung so teile. Mit den Maßnahmen, die eine Kommune in bestimmten Stadtvierteln durchführt, bestimmt sie sehr wohl, wie sich die Mieten entwickeln und wie sich die Mieter zusammensetzen. Sie entscheidet darüber, welches Bauland sie wofür ausweist. Sie setzt Schulen instand oder läßt es bleiben, begrünt Flächen oder läßt es bleiben. Sie genehmigt den Bau von Geschäften oder läßt auch das bleiben.
Wobei die Kommunen naturgemäß bereit sind, in Viertel, in denen die wohlhabenderen Menschen leben, mehr zu investieren als in die anderen. Mit den Ergebnis, das die Schere ganz schnell weiter auseinandergeht.

(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  2. Subkultur
Die Kultur einer Gesellschaft ist nie einheitlich, sondern auch bei Einheimischen abhängig von den Lebensumständen, Interessen, der Gesellschaftsschicht und den Einkommensverhältnissen. Der jungdynamische Bänker wird kaum privaten Kontakt zu Putzfrauen und Schnellimbisslieferfahrern pflegen.

Viele Probleme, die aktuell diskutiert werden, ergeben sich aus den sehr verschiedenen Lebensumständen in unserer Gesellschaft. Die Verschiedenheit hat nicht nur etwas mit der Erziehung zu tun sondern auch mit dem sozialen Umfeld..


Stimmt. Es gibt eine Subkultur nicht weit von hier entfernt, die man als "bankische Subkultur" verstehen kann. Das ist tatsächlich ein ganzes Wohnviertel, die alle ähnliche Lebensumstände aufweisen, ähnliche Hobbies pflegen und ähnliche Vorlieben haben. Und sie grenzen sich ganz massiv nach außen ab. Wer nicht über ein bestimmtes Einkommen und Bildungsstandard und den richtigen Lebensstil pflegt, erhält keinen Zustritt zu dieser "Parallelgesellschaft." Die aber natürlich nie jemand so nennen wird, weil es ja um die sogenannte Elite geht...

(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Ein deutsches Ober- und Mittelschichtkind hat heute kaum noch die Möglichkeit, sich draußen unbeaufsichtigt Spielkameraden aus allen Schichten auszuwählen und ganz zwanglos für sich selbst zu lernen, wie man mit anderen Kindern umgeht, Frendschaften schließt. Kinder in den Armenvierteln spielen zwangsläufig noch draußen, dort lernen sie mit anderen Kindern klar zu kommen, sich allein zu behaupten ohne den "Helikopterschutz" der Eltern

Ich fürchte, auch hier muss ich wiedersprechen. Für das Oberschicht- und Mittelschicht (die eh immer dünner wird) Kind mag das ja vielleicht zutreffen- für die Kinder aus untereren Schichten gilt das aber leider nicht mehr. Wenn sie wenigstens auf der Straße spielen würden, dann hätten sie noch Bildungschancen...
Aber leider ist gerade bei den Kindern aus der Unterschicht der Medienkonsum exorbitant hoch. Sie verbringen die meiste Zeit am Fernseher und vor dem Computer oder der Spielekonsole. Sie spielen eben nicht mehr draußen.

(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Spannend wird es, wenn beide Welten zusammenkommen, etwa am Arbeitsplatz, weil es doch immer wieder mal einer aus der Unterschicht schafft, eine Aufstiegsperspektive zu verfolgen.
Irgendwo habe ich neulich gelesen, dass sozial gemischte Teams erfolgreicher sind als einheitliche.

Fraglich, ob das auch in Zukunft so bleiben wird. Die Teams, die du meinst, sind ja vor mindestens 15 Jahren Kinder gewesen. Da waren die Sozialerfahrungen sehr unterschiedlich, und das Team konnte profitieren. Fraglich, ob das auch in Zukunft so sein wird, oder ob eine Kommunikation nicht irgendwann völlig unmöglich sein wird- wie eben früher mal zwischen Adel und Bauern...

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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05.01.2015, 16:04
Beitrag: #8
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
Die übergroße Mehrheit hält sich an die deutschen Gesetze. Persönlich meine ich, man hätte die Leute, die nach D kommen, besser prüfen und checken sollen. Das wurde verhindert bzw. schärfere Gesetze fehlen, wir haben das vor allem den 'Blümchen'-Grünen mit ihrer Humanitätsduselei zu verdanken. Jeder von denen sollte einen Einwanderer aufnehmen, dann würde es schnell besser werden.
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05.01.2015, 16:05
Beitrag: #9
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
Bin strikt gegen noch mehr Islam in Deutschland.
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05.01.2015, 20:07
Beitrag: #10
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(05.01.2015 13:44)913Chris schrieb:  Wird überall so sein. Hier in Ingolstadt ist 1845 die erste evangelische Kirche (gleichzeitig die erste evangelische Pfarrkirche Bayerns) mitten im Zentrum, am Holzmarkt gebaut worden - wohl für die Arbeiter, die an der Festung bauten wie auch für die evangelischen Soldaten. Da es damals mehr Soldaten als Zivilisten in Ingolstadt gab, mussten sich eher die Einheimischen integrieren...was sie in altbayerischer Sturheit aber auch nicht wollten.
So blieben die Evangelischen in Ingolstadt lange Zeit Außenseiter, eigentlich bis zur Ankunft vieler evangelischer Flüchtlinge nach 1945. Der allgemeine Umbruch und die schiere Zahl von Evangelischen führten dazu, dass die erzwungene Eigenbrötlerei der lutherischen Konfession im Raum Ingolstädt ein Ende hatte.
Diese Eigenbrötlerei war noch im 19.Jh. ganz extrem - es wurden gar eigene Ansiedlungen für Kolonisten aus der Pfalz, aus Baden, Württemberg und Franken gegründet: 1832 Friedrichshofen (1835 von der Nachbargemeinde Gaimersheim politisch unabhängig geworden, Grund waren konfessionelle "Unstimmigkeiten"), 1816 Brunnenreuth (die ersten - ursprünglich v.a. pfälzischen und mehrheitlich evangelischen - Kolonisten kamen aus dem Donaumoos; anfangs hausten die Siedler buchstäblich in Erdlöchern, erst 1829/30 konnte der spätere Gründer von Friedrichshofen, Friedrich Schultheiß, einen Schulbau finanzieren, 1874 wurde im Ortsteil Spitalhof die einzige evanglische Dorfkirche Bayerns erbaut).

Ich bin mir nicht sicher, ob der evangelisch-katholische Gegensatz im Ingolstadt des 19.Jhs. vergleichbar ist mit dem christlich-islamischen Gegensatz bzw. dem Migranten-Einheimischen-Gegensatz heutigentags (immerhin um die 40% der Einwohner Ingolstadts haben Migrationshintergrund, etwa 9% der Ingolstädter sind muslimisch, in Ingolstadt steht die größte Moschee Bayerns). Ich denke aber schon.
Es dauerte 100 Jahre, bis die Evangelischen in Ingolstadt keine Außenseiter mehr waren.

Etwas ketzerisch in den Raum geworfen, dauerte die Beilegung des ev-kath.- Gegensatzes so lange bis mit dem Islam eine weitere Religion zur Abgrenzung hinzukam?
Nein, eigentlich war es das nicht, irgendwann zwischen den 60ern und 80ern hatte sich die Trennung zwischen den Konfessionen so ziemlich erledigt und die Hinterhofmoscheen störten noch nicht.


(05.01.2015 13:44)913Chris schrieb:  Demgegenüber stehen heute 9000 Muslime unter 130.000 Ingolstädtern, die sich in zwei Bezirken konzentrieren (entspricht ungefähr dem Zahlenverhältnis der Evangelischen zu den Katholischen des 19.Jhs.). Diese beiden Bezirke stellen zwar soziale Brennpunkte in Ingolstadt dar, aber eben auch deshalb, weil
- Audi "seine" Gastarbeiter bevorzugt ums Werk herum angesiedelt hat (in Plattenbauten) und weil
- später (nach 1990) auch die sog. "Russlanddeutschen" in genau denselben Vierteln angesiedelt wurden. Dass sich daraus Probleme ergeben, hätte eigentlich allen klar sein sollen. Nur - in den "vornehmeren" Vierteln wollte man weder Türken noch "Russen" haben, so blieb der Stadt in den Neunzigern auch wenig anderes übrig.

Auch ohne Audi ist das bei uns genauso, die sozialen Brennpunkte sind in den 70er Großwohnanlagen, dem BRD-Plattenbau. Die Zuzugszeitpunkte sind ähnlich. In diesen Betonsilos scheint es jede soziale Maßnahme bes. schwer zu haben, wer es irgendwie schafft, zieht da weg und wenn es nur in den Nachbarstadtteil mit den auch nicht mehr schönen 50er Jahre Blöcken ist.

(05.01.2015 13:44)913Chris schrieb:  Der Punkt ist der: Vor allem im Piusviertel (= dem Audi-Viertel) kann man beobachten, wie kroatische, türkische etc. Reisebüros, Supermärkte, sonstige Läden aus dem Bodengeschossen sind, v.a. in den letzten 20, 30 Jahren. Namen aus allen Erdteilen sind an den Klingelschildern zu lesen. Stadtteilfeste sind ein Sammelsurium aus unterschiedlichsten Musikstilen, Spielen, Süßigkeiten. Das ganze Viertel entwickelt so langsam ein eigenes Flair, von denjenigen Ingolstädtern, die sich zur "Intelligenz" rechnen, sichern sich viele Wohnungen (allerdings weniger in den Plattenbauten als vielmehr in den übriggebliebenen gründerzeitlichen Häusern in der Nähe der Altstadt), die Stadt investiert in die Infrastruktur (gerade wird die Ringstraße untertunnelt). Ich denke, es dauert noch 20 Jahre, spätestens dann ist zumindest das Piusviertel ein zwar etwas anderes Viertel von Ingolstadt, aber kein sozialer Brennpunkt mehr. Das heißt: Die Integration der "Ausländer" in Ingolstadt läuft nicht mehr innerhalb von 100, sondern innerhalb von vielleicht 50 Jahren ab.

Unsere alte Arbeiterstadt, Anfang des 20. Jhd. eingemeindet, im Straßenbild eine bunte Mischung aus Wiederaufbau-Gründerzeit neben 50er Schlicht gliedert sich in 3 Bereiche. Die Mitte um das alte Rathaus ist schon ziemlich gentrifiziert. Die schönen, großen Eigentumswohnungen muß man sich leisten können und hat trotzdem eine Adresse mit linken Touch.
Der nördliche Bereich um eine Einkaufsstraße ist bekannt für seine bes. bunte Mischung, Eine-Welt-fair-trade-Laden neben 1-€-Shop und Gebrauchtmöbelladen neben Edel-Bio-Döner. In 10 Jahren wird´s da richtig teuer.

(05.01.2015 13:44)913Chris schrieb:  Noch mal was zu den Zahlen:
"Der Ausländeranteil an der Ingolstädter Bevölkerung lag 2005 bei 12,7 %, davon wiederum kommen 26,6 % aus den EU-Mitgliedstaaten. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund liegt hingegen bei ca. 40 % (Stand Dezember 2010)[14]. Die größte Gruppe der ausländischen Einwohner bilden die Türken mit 5273 Personen, gefolgt von den 3442 Angehörigen der Staaten des ehemaligen Jugoslawiens und 678 italienischen Staatsangehörigen. Zwischen den Stadtbezirken gibt es große Unterschiede beim Anteil der ausländischen Bevölkerung. So leben in den Stadtbezirken Süd und West unter 5 % ausländische Bürger, während es in den Bezirken Nordost und Nordwest über 20 % sind. Insgesamt liegt der Anteil von Personen ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zum Teil deutlich niedriger als in den übrigen bayerischen Großstädten." (Wikipedia)

Rechne ich richtig? 12,7% Ausländer plus 40% Migranten = 52,7% der Einwohner Ingolstadts haben keine deutsche Herkunft. Mehr als die Hälfte.

Gleichzeitig ist Ingolstadt die am schnellsten wachsende Großstadt Bayerns und diejenige mit der niedrigsten Arbeitslosenrate.

Ich wage eine These: Solange Ingolstadt durch die Festung und das Militär sich nicht entwickeln konnte, blieben "Migranten" (in der Rolle waren die Evangelischen im 19.Jh. hierzulande) Außenseiter und ließen sich kaum integrieren. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg stieg die Zahl der Migranten (Sudetendeutsche, Italiener, Jugoslawen, Türken, nach 1990 noch einmal "Jugoslawen", Russlanddeutsche, Albaner...) enorm an, was aber bei weitem nicht die Probleme brachte wie der Zuzug der Evangelischen im 19.Jh., sondern im Gegenteil zur weiteren Prosperität der Stadt beitrug.

Kann gut sein, dass deine These stimmt, Chris. Richtig vergleichen kann man zwar die Zeiten nicht, vielleicht funktioniert der Vergleich besser über die sterbenden Regionen. Davon gibt es etliche, manchmal weiß man nicht warum. Hatte schonmal versucht, dass hier zu thematisieren http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=6503
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05.01.2015, 20:41
Beitrag: #11
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Aktuell ist durch Pegida aber auch schon vorher oft von Parallelgesellschaften die Rede.
Da klingt es manchmal so, als würden Migranten absichtlich in ein bestimmtes Stadtviertel ziehen, um dort eine Parallelgesellschaft zu gründen, weil das so schön gemütlich und das Viertel so nett ist.

Dabei ist das Wort Parallelgesellschaft eine relativ neue Wortschöpfung, für Umstände, die fast so alt sind wie die Menschheit. http://de.wikipedia.org/wiki/Parallelgesellschaft

Mich interessiert an diesem Thema nicht nur die aktuelle Situation, sondern ich würde gerne auch rückwärts gucken und Beispiele von historischen Parallelgesellschaften diskutieren.

(05.01.2015 14:20)Bunbury schrieb:  Ich mag den Begriff "Parallelgesellschaften" einfach deswegen nicht, weil es eben seit der steinzeitlichen Stammeskultur nicht mehr üblich war, daß alle Menschen die gleichen kulturellen Vorstellungen und Bedingungen teilten.

Ich mag ihn auch nicht, deshalb der Thread. Die schreckliche Bedrohung durch Parallelgesellschaften ist z.Zt. aber in aller Munde.
Das klingt dann nach einem ganz neuen Phänomen.

(05.01.2015 14:20)Bunbury schrieb:  Ein typisches Beispiel für "Parallelgesellschaften" war der Feudalismus. Oder will ernsthaft irgendjemand behaupten, die Bauern und der Adel hätten nach den gleichen Regeln am gleichen Platz gelebt? Beide bildeten strang genommen "Parallelgesellschaften", wo der eine sich nicht mit dem anderen gemischt hat. Auch hier gab es zwangsläufig Überschneidungen, meist mit ungutem Ausgang für die Bauern.

Das Thema ist vielschichtig, wahrscheinlich muß man vertikale von horizontalen Schichtungen unterscheiden, das ist dann aber nicht mehr parallel.
Das in den Vorbeiträgen genannte Nebeneinander von Protestanten und Katholiken war schon ein bißchen paralleler = nebeneinander als die Ständegesellschaft. Die zugezogene anderskonfessionelle Minderheit bildete zuerst aber immer die Arbeiterunterschicht, bis auf Chris´Ingolstädter Soldaten.

(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Für mich sind dabei 2 Aspekte relevant.
1. Wohnviertel, Wohnungsmarkt,
heute überwiegend in privatwirtschaftlicher Hand. Das bedeutet, der Staat, die Kommune hat kaum noch Einfluß auf die Zusammensetzung von Wohnvierteln. Menschen der Unterschicht werden in bestimmte Viertel abgedrängt, weil sie woanders kaum eine von ihnen bezahlbare Wohnung finden. Das Wohnviertel bestimmt das Lebensumfeld, die Nachbarschaft, die Kindergärten und Schulen, die die Kinder besuchen müssen.

(05.01.2015 14:20)Bunbury schrieb:  Ich weiß nicht, ob ich diese Meinung so teile. Mit den Maßnahmen, die eine Kommune in bestimmten Stadtvierteln durchführt, bestimmt sie sehr wohl, wie sich die Mieten entwickeln und wie sich die Mieter zusammensetzen. Sie entscheidet darüber, welches Bauland sie wofür ausweist. Sie setzt Schulen instand oder läßt es bleiben, begrünt Flächen oder läßt es bleiben. Sie genehmigt den Bau von Geschäften oder läßt auch das bleiben.
Wobei die Kommunen naturgemäß bereit sind, in Viertel, in denen die wohlhabenderen Menschen leben, mehr zu investieren als in die anderen. Mit den Ergebnis, das die Schere ganz schnell weiter auseinandergeht.

Stimmt schon, einen gewissen Einfluss hat die Kommune noch über indirekte Maßnahmen.
Die Zusammensetzung der Nachbarschaften bestimmen aber die Möglichkeiten des Mieters bzw. der Vermieter, der leider oft ein Abwohnspezialist ist.



(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Ein deutsches Ober- und Mittelschichtkind hat heute kaum noch die Möglichkeit, sich draußen unbeaufsichtigt Spielkameraden aus allen Schichten auszuwählen und ganz zwanglos für sich selbst zu lernen, wie man mit anderen Kindern umgeht, Frendschaften schließt. Kinder in den Armenvierteln spielen zwangsläufig noch draußen, dort lernen sie mit anderen Kindern klar zu kommen, sich allein zu behaupten ohne den "Helikopterschutz" der Eltern

(05.01.2015 14:20)Bunbury schrieb:  Ich fürchte, auch hier muss ich wiedersprechen. Für das Oberschicht- und Mittelschicht (die eh immer dünner wird) Kind mag das ja vielleicht zutreffen- für die Kinder aus untereren Schichten gilt das aber leider nicht mehr. Wenn sie wenigstens auf der Straße spielen würden, dann hätten sie noch Bildungschancen...
Aber leider ist gerade bei den Kindern aus der Unterschicht der Medienkonsum exorbitant hoch. Sie verbringen die meiste Zeit am Fernseher und vor dem Computer oder der Spielekonsole. Sie spielen eben nicht mehr draußen.

Das wäre sehr schade, denn gerade die andere soziale Kompetenz könnte ihnen im späteren Leben weiterhelfen.

(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Spannend wird es, wenn beide Welten zusammenkommen, etwa am Arbeitsplatz, weil es doch immer wieder mal einer aus der Unterschicht schafft, eine Aufstiegsperspektive zu verfolgen.
Irgendwo habe ich neulich gelesen, dass sozial gemischte Teams erfolgreicher sind als einheitliche.

(05.01.2015 14:20)Bunbury schrieb:  Fraglich, ob das auch in Zukunft so bleiben wird. Die Teams, die du meinst, sind ja vor mindestens 15 Jahren Kinder gewesen. Da waren die Sozialerfahrungen sehr unterschiedlich, und das Team konnte profitieren. Fraglich, ob das auch in Zukunft so sein wird, oder ob eine Kommunikation nicht irgendwann völlig unmöglich sein wird- wie eben früher mal zwischen Adel und Bauern...
Mit den Kindheiten vor 15 Jahren hast du recht. Allerdings mag ich es nicht so pessimistisch sehen. Es gibt immerhin schon ab und an den ganz schwachen Trend, den Blick vom Smartphone zu erheben. Wink
Wenn man sich das nicht leisten kann, ist die Chance noch größer, sich von langweiligen Unterhaltungskästen abzuwenden.
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06.01.2015, 12:30
Beitrag: #12
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(05.01.2015 20:41)Renegat schrieb:  Ich mag ihn auch nicht, deshalb der Thread. Die schreckliche Bedrohung durch Parallelgesellschaften ist z.Zt. aber in aller Munde.
Das klingt dann nach einem ganz neuen Phänomen.

Ich sehe durchaus eine Gefährdung durch Parallelgesellschaften- aber eben eine andere, als eben durch die Medien geistert.
Ich habe ja z.B. von der Bankersubkultur geschrieben, die sich ganz massiv nach außen abgerenzt. Jetzt muss man sich einfach mal klar machen, daß das Entscheidungsträger sind, die, wenn auch nicht auf der obersten Ebene, doch auf einer sehr hohen Ebene angesiedelt sind. Diese Entscheidung werden nach bloßen Zahlen getroffen, weil diese Entscheidungsträger eben in ihrer eigenen Welt leben und vom den Leben "draußen" eben keine Ahnung mehr haben. Und das halte ich für sehr viel bedenklicher als wenn sich in einem türkisch bewohnten Stadtviertel ein türkischer Supermarkt ansiedelt und ein türkischer Fußballverein gegründet wird.

(05.01.2015 20:41)Renegat schrieb:  
(05.01.2015 14:20)Bunbury schrieb:  Ein typisches Beispiel für "Parallelgesellschaften" war der Feudalismus. Oder will ernsthaft irgendjemand behaupten, die Bauern und der Adel hätten nach den gleichen Regeln am gleichen Platz gelebt? Beide bildeten strang genommen "Parallelgesellschaften", wo der eine sich nicht mit dem anderen gemischt hat. Auch hier gab es zwangsläufig Überschneidungen, meist mit ungutem Ausgang für die Bauern.

Das Thema ist vielschichtig, wahrscheinlich muß man vertikale von horizontalen Schichtungen unterscheiden, das ist dann aber nicht mehr parallel.
Das in den Vorbeiträgen genannte Nebeneinander von Protestanten und Katholiken war schon ein bißchen paralleler = nebeneinander als die Ständegesellschaft. Die zugezogene anderskonfessionelle Minderheit bildete zuerst aber immer die Arbeiterunterschicht, bis auf Chris´Ingolstädter Soldaten.

Ich habe das Beispiel gewußt ausgewählt, um zu verdeutlichen wie lächerlich der Begriff der "Parallelgesellschaften" ist. Parallel sind sie insofern, daß jede Gesellschaftsschicht für sich bleibt und beide gewissermaßen Parallel neben einander leben. Da, wo sie sich überschneiden, sind sie natürlich nicht mehr parallel.
Aber das trifft auch auf die bänkische Subkultur und das Türkenviertel zu. Beides sind homogene Lebenswelten, die sich nur selten mischen- und wo sie es tun (z.B. in der grundschule), ist die Hierarchie auch klar vorgegeben.

(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  Stimmt schon, einen gewissen Einfluss hat die Kommune noch über indirekte Maßnahmen.
Die Zusammensetzung der Nachbarschaften bestimmen aber die Möglichkeiten des Mieters bzw. der Vermieter, der leider oft ein Abwohnspezialist ist.

Ich weiß nicht, ob ich dem so uneingeschränkt zustimmen würde. Ich lebe hier z.B. in einer sehr koreanischen Umgebung, einfach deshalb, weil es eine internationale Schule hier gibt, auf die die Koreaner ihrer Kinder schicken wollen. Sie haben exorbitante Mieten dafür geboten, daß sie in der Nähe der Schule wohnen können. Das wiederum hat die Grundstücksmakler dazu veranlaßt, hier jedes Grundstück aufzukaufen und verdichtet zu bebauen. Und die Gemeinde genehmigt jeden Erweiterungsbau der Schule.
Und wenn bsp. eine Gemeinde erlaubt, daß sich, weil in einer bestimmten Gegend schon einige Menschen einer gewissen Nationalität (hier sind es z.B. Koreaner) leben, ein derartiger Supermarkt und ein Kulturzentrum ansiedelt, dann werden Menschen dieser Nationalität, die ins Rhein- Main-Gebiet ziehen, sich bevorzugt in diesem Stadtviertel niederlassen.
Gemeinden, die eine solche Ballung von Nationalitäten verhindern wollen, täten gut daran, länderspezialisierte Märkte z.B. in die Stadtmitte oder ins Gewerbegebiet am Rand zu etablieren, so daß eine spezialisierung von Wohngebieten gar nicht mehr erfolgt.
Aber das Problem der Wohnviertel ist vielschichtig. Wir haben hier inzwischen das Problem, daß eine Gemeinde, die sich "Stadt der Schulen" nennt und viele Familien anlocken will, Probleme hat, Erzieher für ihre Kinderbetreuungseinrichtungen zu finden, weil sich ein Erzieher die Mieten hier gar nicht mehr leisten kann...
Und egal, wie ich es drehe und wende, die Kommune hat durchaus Einfluss gehabt.



(05.01.2015 10:31)Renegat schrieb:  
(05.01.2015 14:20)Bunbury schrieb:  Fraglich, ob das auch in Zukunft so bleiben wird. Die Teams, die du meinst, sind ja vor mindestens 15 Jahren Kinder gewesen. Da waren die Sozialerfahrungen sehr unterschiedlich, und das Team konnte profitieren. Fraglich, ob das auch in Zukunft so sein wird, oder ob eine Kommunikation nicht irgendwann völlig unmöglich sein wird- wie eben früher mal zwischen Adel und Bauern...
Mit den Kindheiten vor 15 Jahren hast du recht. Allerdings mag ich es nicht so pessimistisch sehen. Es gibt immerhin schon ab und an den ganz schwachen Trend, den Blick vom Smartphone zu erheben. Wink
Wenn man sich das nicht leisten kann, ist die Chance noch größer, sich von langweiligen Unterhaltungskästen abzuwenden.
Falsch gedacht, fürchte ich- die Unterhaltungskästen werden sich leider immer geleistet. Und viele gerade der ausländischen Mitbürger glauben ja auch den Werbeaussagen, daß die elektronischen Medien die Bildungschancen erhöhen. Wer so etwas nicht hat, wird ausgegrenzt. Und das ist eine Tatsache. Also wird lieber an anderer Stelle gespart.
Ich hoffe auf den Trend weg vom Smartphone. Aber Die Auswirkungen werden wir in ein paar Jahren erst mal spüren...

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06.01.2015, 13:02
Beitrag: #13
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
Bunbury, ich lasse die unübersichtlichen Zitate weg und antworte frei auf deinen sehr interessanten Beitrag.
So weit wie du mit der Bänkerparallelgesellschaft war ich noch gar nicht, kann dem aber einiges abgewinnen, vor allem, wenn ich noch das mittlere - obere Management von international agierenden Firmen mit einbeziehe. Diese, sowie ihre Lobby bilden schon eine recht abgehobene Kaste mit einem parallelen Weltbild und mit Sicherheit anderen Werten.
So betrachtet würden die Pegidademonstrationen durchaus Sinn ergeben, denn der Einfluss dieser Gruppe auf die Politiker ist nicht klein. Nur scheinen die Pegidademonstranten in Dresden das noch nicht zu wissen und statt dessen lieber ein einfacheres Feindbild zu entwickeln.

Zu den kommunalen Ballungen komme ich später.
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06.01.2015, 14:50
Beitrag: #14
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(06.01.2015 12:30)Bunbury schrieb:  ./.

Ich weiß nicht, ob ich dem so uneingeschränkt zustimmen würde. Ich lebe hier z.B. in einer sehr koreanischen Umgebung, einfach deshalb, weil es eine internationale Schule hier gibt, auf die die Koreaner ihrer Kinder schicken wollen. Sie haben exorbitante Mieten dafür geboten, daß sie in der Nähe der Schule wohnen können. Das wiederum hat die Grundstücksmakler dazu veranlaßt, hier jedes Grundstück aufzukaufen und verdichtet zu bebauen. Und die Gemeinde genehmigt jeden Erweiterungsbau der Schule.
Und wenn bsp. eine Gemeinde erlaubt, daß sich, weil in einer bestimmten Gegend schon einige Menschen einer gewissen Nationalität (hier sind es z.B. Koreaner) leben, ein derartiger Supermarkt und ein Kulturzentrum ansiedelt, dann werden Menschen dieser Nationalität, die ins Rhein- Main-Gebiet ziehen, sich bevorzugt in diesem Stadtviertel niederlassen.
Gemeinden, die eine solche Ballung von Nationalitäten verhindern wollen, täten gut daran, länderspezialisierte Märkte z.B. in die Stadtmitte oder ins Gewerbegebiet am Rand zu etablieren, so daß eine spezialisierung von Wohngebieten gar nicht mehr erfolgt.
Aber das Problem der Wohnviertel ist vielschichtig. Wir haben hier inzwischen das Problem, daß eine Gemeinde, die sich "Stadt der Schulen" nennt und viele Familien anlocken will, Probleme hat, Erzieher für ihre Kinderbetreuungseinrichtungen zu finden, weil sich ein Erzieher die Mieten hier gar nicht mehr leisten kann...
Und egal, wie ich es drehe und wende, die Kommune hat durchaus Einfluss gehabt.

./.

Sorry, aber hier der Ruf nach der Kommune, ... führt nicht weiter.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen kann eine Kommune so nicht umsetzen.
Die hätten innert Tagen diverse Verfahren am Hals die sie allesamt verlieren würden.
Außerdem: Wer will dafür die politische Verantwortung übernehmen?

Seh ich das richtig? Dich stören nicht die Koreaner, dich stören die hohen Mieten.

Da muss man anders vorgehen.
Mitstreiter suchen, findet man welche, was anleiern.
Findet man keine, akzeptieren oder wegziehen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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08.01.2015, 16:22
Beitrag: #15
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(06.01.2015 13:02)Renegat schrieb:  Bunbury, ich lasse die unübersichtlichen Zitate weg und antworte frei auf deinen sehr interessanten Beitrag.
So weit wie du mit der Bänkerparallelgesellschaft war ich noch gar nicht, kann dem aber einiges abgewinnen, vor allem, wenn ich noch das mittlere - obere Management von international agierenden Firmen mit einbeziehe. Diese, sowie ihre Lobby bilden schon eine recht abgehobene Kaste mit einem parallelen Weltbild und mit Sicherheit anderen Werten.
So betrachtet würden die Pegidademonstrationen durchaus Sinn ergeben, denn der Einfluss dieser Gruppe auf die Politiker ist nicht klein. Nur scheinen die Pegidademonstranten in Dresden das noch nicht zu wissen und statt dessen lieber ein einfacheres Feindbild zu entwickeln.

Und zynisch gesprochen - der Bankerparallelgesellschaft kommt es eigentlich ganz recht, worauf die Pegida Leute ihren Zorn richten. Solange können sie schön weiter machen.
Ich bin jetzt aber mal gespannt, demnächst soll es ja "Fragida" geben, eine Demo in Frankfurt. Und das dürfte den Bankern wieder gar nicht so gut schmecken. Nun, ich behalte es mal im Auge.

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08.01.2015, 17:02
Beitrag: #16
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(06.01.2015 14:50)Suebe schrieb:  Sorry, aber hier der Ruf nach der Kommune, ... führt nicht weiter.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen kann eine Kommune so nicht umsetzen.
Die hätten innert Tagen diverse Verfahren am Hals die sie allesamt verlieren würden.
Außerdem: Wer will dafür die politische Verantwortung übernehmen?

Politische verantwortung übernehmen will keiner, das ist ja das Problem. Jeder schaut nur bis zur nächsten Wahl und nicht weiter.
Aber natürlich kann die Kommune entscheiden, ob sie einen Erweiterungsbau der Schule genehmigt oder nicht. Und damit entscheidet sie auch darüber, daß mehr Mieter hierher ziehen, die sich hohe Mieten leisten können und die verdrängen, die sich diese Mieten nicht leisten können.
Wie bitte will eine Stadt, die sich "Stadt der Schulen" nennt, die Familienangebote, mit denen sie lockt, auch umsetzen, wenn sich das dafür notwendige Personal die Wohnkosten nicht leisten kann?
Es sind durchaus kommunalpolitische Entscheidungen, an der einen Stelle, die in der derzeitigen Legislaturperiode Gewinn verspricht, wachsen zu lassen, und die damit verbundenen Kosten dann späteren Entsheidungsträgern zu hinterlassen...

(06.01.2015 14:50)Suebe schrieb:  Seh ich das richtig? Dich stören nicht die Koreaner, dich stören die hohen Mieten.

Du verstehst das falsch- mich stören weder meine Nachbarn noch die hohen Mieten (die mich nicht betreffen). Es ging hier lediglich um die Schilderung, wie aus einer Stadtgegend mit völlig gemischter Bevölkerungsstruktur vor 15 Jahren- eine Art nationales Viertel geworden ist. Und das wurde von der Kommune sehenden Auges in Kauf genommen. Die Kommune hat daran halt gut verdient, in dem sie ein paar kommunale Grünflächen zur Erweiterung verkauft hat und dann einen nahegelegenen Sportplatz gleich mit dazu, um darauf eng stehende Eigenheime zu errichten.

Das zieht durchaus Probleme nach sich. So bringen die koreanischen Mütter, die in der Regel nicht mal gut Auto fahren können, ihre Kinder mit dem Auto (!) zur 300 m entfernten Schule. Warum, weiß ich auch nicht, aber es ist so.
Die Damen und Herren, die kein Deutsch sprechen, und nur die Männer zum Teil englisch, sind mit den deutschen Vorschriften zur Mülltrennung natürlich völlig überfordert und ich bin mal gespannt, wie sich das mit der Biomülltonne weiter entwickelt. In koreanisch hat die Stadt dann die Anweisungen zur Mülltrennung natürlich nicht drucken lassen.... Alles nix wildes zur Zeit und nix, worüber man sich groß aufregen muss.
Nur bringen viele Kleinigkeiten irgendwann mal das Faß zum Überlaufen. Wir haben hier kein Problem mit islamischen Mitbürgern, weil die Vorgänger der heutigen Politikergeneration eben darauf geachtet haben, daß sich alle über die Stadt verteilt haben. Es gibt hier deswegen so viele angepaßte und gut integrierte Muslime, weil sie verteilt waren.

Aber jetzt wird durch die Entscheidungen der Kommune gefördert, daß sich immer mehr spezialisierte Wohnviertel bilden- und das halte ich für bedenklich. Und jede Entscheidung, die im Stadtparlament getroffen wird, scheint den Trend noch voranzutreiben.
So hilflos sind die Kommunen nicht...

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08.01.2015, 21:16
Beitrag: #17
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
Wir sollen das hier auch mal historisch betrachten, meinte der 3nd Ersteller.

Henry Miller, (ja ich lese ihn sehr gerne, denkt von mir was ihr wollt Lol)
ist in einem Stockdeutschen Viertel New Yorks aufgewachsen, ca. 1900 bis 1920, als er etliche Jahre später wieder hinkommt, hat sich alles total gewandelt. Nichtmal rudimentär mehr ein deutsches Viertel.
Eine Einwanderergeneration später gab es keine deutschen Viertel mehr.
Verarbeitet in Wendekreis des Steinbocks.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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09.01.2015, 13:45
Beitrag: #18
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(06.01.2015 14:50)Suebe schrieb:  Sorry, aber hier der Ruf nach der Kommune, ... führt nicht weiter.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen kann eine Kommune so nicht umsetzen.
Die hätten innert Tagen diverse Verfahren am Hals die sie allesamt verlieren würden.
Außerdem: Wer will dafür die politische Verantwortung übernehmen?

(08.01.2015 17:02)Bunbury schrieb:  Politische verantwortung übernehmen will keiner, das ist ja das Problem. Jeder schaut nur bis zur nächsten Wahl und nicht weiter.
Aber natürlich kann die Kommune entscheiden, ob sie einen Erweiterungsbau der Schule genehmigt oder nicht. Und damit entscheidet sie auch darüber, daß mehr Mieter hierher ziehen, die sich hohe Mieten leisten können und die verdrängen, die sich diese Mieten nicht leisten können.
Wie bitte will eine Stadt, die sich "Stadt der Schulen" nennt, die Familienangebote, mit denen sie lockt, auch umsetzen, wenn sich das dafür notwendige Personal die Wohnkosten nicht leisten kann?
Es sind durchaus kommunalpolitische Entscheidungen, an der einen Stelle, die in der derzeitigen Legislaturperiode Gewinn verspricht, wachsen zu lassen, und die damit verbundenen Kosten dann späteren Entsheidungsträgern zu hinterlassen...

Das ist kein so ungewöhnliches Phänomen. Auf den Nordseeinseln, insbes. Sylt hat das Personal, also alle Menschen, die dort arbeiten, um die Urlauber zu betreuen, auch Probleme eine zum Gehalt passende Wohnung zu finden. Desweiteren gibt es ein in den nächsten Jahren zunehmendes Problem mit Rentnern, die keine Superrente sondern eine kleinere Rente beziehen und trotzdem gerne innenstadtnah wohnen wollen.
Dagegen gibt es Maßnahmen. Die Kommunen können z.B. bei Neubauprojekten die Auflage machen, dass ein bestimmter Anteil der neuen Wohnungen zu sozialverträglichen Preisen zu vermieten sein muß. Verlangt natürlich einen gewissen Verwaltungsaufwand, denn die Berechtigung der Interessenten für die günstigeren Wohnungen muß überprüft werden, Wohnungsämter, Wohnberechtigungsscheine etc
Der Anreiz wieder vermehrt sozialen Wohnungsbau mit Fördermitteln zu betreiben ist z.Zt. nicht groß, weil die Zinsen so niedrig sind.

(06.01.2015 14:50)Suebe schrieb:  Seh ich das richtig? Dich stören nicht die Koreaner, dich stören die hohen Mieten.

(08.01.2015 17:02)Bunbury schrieb:  Du verstehst das falsch- mich stören weder meine Nachbarn noch die hohen Mieten (die mich nicht betreffen). Es ging hier lediglich um die Schilderung, wie aus einer Stadtgegend mit völlig gemischter Bevölkerungsstruktur vor 15 Jahren- eine Art nationales Viertel geworden ist. Und das wurde von der Kommune sehenden Auges in Kauf genommen. Die Kommune hat daran halt gut verdient, in dem sie ein paar kommunale Grünflächen zur Erweiterung verkauft hat und dann einen nahegelegenen Sportplatz gleich mit dazu, um darauf eng stehende Eigenheime zu errichten.

Das zieht durchaus Probleme nach sich. So bringen die koreanischen Mütter, die in der Regel nicht mal gut Auto fahren können, ihre Kinder mit dem Auto (!) zur 300 m entfernten Schule. Warum, weiß ich auch nicht, aber es ist so.
Die Damen und Herren, die kein Deutsch sprechen, und nur die Männer zum Teil englisch, sind mit den deutschen Vorschriften zur Mülltrennung natürlich völlig überfordert und ich bin mal gespannt, wie sich das mit der Biomülltonne weiter entwickelt. In koreanisch hat die Stadt dann die Anweisungen zur Mülltrennung natürlich nicht drucken lassen.... Alles nix wildes zur Zeit und nix, worüber man sich groß aufregen muss.
Nur bringen viele Kleinigkeiten irgendwann mal das Faß zum Überlaufen. Wir haben hier kein Problem mit islamischen Mitbürgern, weil die Vorgänger der heutigen Politikergeneration eben darauf geachtet haben, daß sich alle über die Stadt verteilt haben. Es gibt hier deswegen so viele angepaßte und gut integrierte Muslime, weil sie verteilt waren.

Das Mülltrennungsverständnis wird sich spätestens dann einstellen, wenn die Kinder das übernehmen. Sowas lernt man doch auch in der Schule.

(08.01.2015 17:02)Bunbury schrieb:  Aber jetzt wird durch die Entscheidungen der Kommune gefördert, daß sich immer mehr spezialisierte Wohnviertel bilden- und das halte ich für bedenklich. Und jede Entscheidung, die im Stadtparlament getroffen wird, scheint den Trend noch voranzutreiben.
So hilflos sind die Kommunen nicht...

Eine von den Kommunen verordnete ethnische Durchmischung ist mir nicht sympathisch, denn das greift doch ziemlich in die Freiheitsrechte der Bürger ein.
Der Staat/die Kommune hat die Aufgabe den Schwächeren zu schützen und schwach bedeutet heute arm. Wer nicht genug Einkommen hat, kann seinen Wohnort am Markt nicht frei wählen, da ist die Kommune gefordert, dass ärmere Bevölkerungsschichten nicht komplett in Problemviertel abgedrängt werden.
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09.01.2015, 16:51
Beitrag: #19
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(09.01.2015 13:45)Renegat schrieb:  ./.

Eine von den Kommunen verordnete ethnische Durchmischung ist mir nicht sympathisch, denn das greift doch ziemlich in die Freiheitsrechte der Bürger ein.
Der Staat/die Kommune hat die Aufgabe den Schwächeren zu schützen und schwach bedeutet heute arm. Wer nicht genug Einkommen hat, kann seinen Wohnort am Markt nicht frei wählen, da ist die Kommune gefordert, dass ärmere Bevölkerungsschichten nicht komplett in Problemviertel abgedrängt werden.

Bei uns gab es nach dem 1. WK große Wohnungsnot, eine im Krieg gebaute Munitionsfabrik musste abgebaut werden, da hat das Reich das ganze Gebietm war voll erschlossen, der Stadt zum Kauf angeboten.
Die Stadt hat dann dort von einer eigens gegründeten Wohnungsbaugesellschaft (mein Großvater im Aufsichtsrat)) ein ganzes Stadtviertel erstellt. Nach damals modernsten Erkenntnissen. Die Wohnungen mussten natürlich nach sozialen Gesichtspunkten zugeteilt werden.
Mit der Folge, dass das Viertel recht früh den Namen "Klein Moskau" bekam, und der zentrale Platz dort trug über die Jahrzehnte nicht den Dichternamen der aufgestellten Schilder, sondern hieß "Roter Platz".
Es wurden im Winter auch mal die Treppengeländer abgesägt und durch die Öfen gejagt, und ähnliches hat mein Großvater manchmal erzählt.

Man hat durchaus Probleme kommen sehen, und ist ihnen zuvor mit den Mitteln der Verwaltung begegnet, so wurde ein "Behördenhaus" mit 12 Wohnungen in das Wohngebiet integriert, bewohnt fast ausschließlich von Polizeibeamten mit ihren Familien.

Nichts desto trotz war es noch in den 60ern für einen 14-15jährigen mit einer garantierten Tracht Prügel verbunden, wenn er sich dort sehen ließ.

Heute wohnen in dem Viertel zu einem nicht geringen Teil die Enkel und Urenkel der damaligen Erstbezieher, die Mieten sind nicht hoch, und die haben für heutige Verhältnisse ganz erhebliche Garten und Hofräume, die einstigen Kleintierställe sind heute meist Garagen.

Probleme gibt es nicht mehr.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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09.01.2015, 17:25
Beitrag: #20
RE: Parallelgesellschaft-Subkultur-Ghetto+Nationale Minderheiten
(09.01.2015 16:51)Suebe schrieb:  
(09.01.2015 13:45)Renegat schrieb:  ./.

Eine von den Kommunen verordnete ethnische Durchmischung ist mir nicht sympathisch, denn das greift doch ziemlich in die Freiheitsrechte der Bürger ein.
Der Staat/die Kommune hat die Aufgabe den Schwächeren zu schützen und schwach bedeutet heute arm. Wer nicht genug Einkommen hat, kann seinen Wohnort am Markt nicht frei wählen, da ist die Kommune gefordert, dass ärmere Bevölkerungsschichten nicht komplett in Problemviertel abgedrängt werden.

Bei uns gab es nach dem 1. WK große Wohnungsnot, eine im Krieg gebaute Munitionsfabrik musste abgebaut werden, da hat das Reich das ganze Gebietm war voll erschlossen, der Stadt zum Kauf angeboten.
Die Stadt hat dann dort von einer eigens gegründeten Wohnungsbaugesellschaft (mein Großvater im Aufsichtsrat)) ein ganzes Stadtviertel erstellt. Nach damals modernsten Erkenntnissen. Die Wohnungen mussten natürlich nach sozialen Gesichtspunkten zugeteilt werden.
Mit der Folge, dass das Viertel recht früh den Namen "Klein Moskau" bekam, und der zentrale Platz dort trug über die Jahrzehnte nicht den Dichternamen der aufgestellten Schilder, sondern hieß "Roter Platz".
Es wurden im Winter auch mal die Treppengeländer abgesägt und durch die Öfen gejagt, und ähnliches hat mein Großvater manchmal erzählt.

Man hat durchaus Probleme kommen sehen, und ist ihnen zuvor mit den Mitteln der Verwaltung begegnet, so wurde ein "Behördenhaus" mit 12 Wohnungen in das Wohngebiet integriert, bewohnt fast ausschließlich von Polizeibeamten mit ihren Familien.

Nichts desto trotz war es noch in den 60ern für einen 14-15jährigen mit einer garantierten Tracht Prügel verbunden, wenn er sich dort sehen ließ.

Heute wohnen in dem Viertel zu einem nicht geringen Teil die Enkel und Urenkel der damaligen Erstbezieher, die Mieten sind nicht hoch, und die haben für heutige Verhältnisse ganz erhebliche Garten und Hofräume, die einstigen Kleintierställe sind heute meist Garagen.

Probleme gibt es nicht mehr.

Die Wohnungen gibt es also noch. Gibt es auch die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft noch? Oder ist die inzwischen privatisiert?

In meiner Stadt ist die größte Wohnungsgesellschaft noch im städtischen Besitz, genau wie die Stadtwerke. Sie wirtschaften zwar eigenständig und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, haben aber Gewinnabführungsvertrag mit der Stadt. Viele Städte haben sich aber in den letzten Jahrzehnten von ihrem Tafelsilber getrennt und damit ein Instrument aus der Hand gegeben.

Trotzdem kann man auch heute noch ein solches Herauswachsen von Vierteln erkennen, wenn die Substanz stimmt und vor allem, wenn die nächste, dort geborene Generation eine Perspektive hat.
Maßnahmen wie die "Soziale Stadt" können dabei helfen. http://www.staedtebaufoerderung.info/StB..._node.html
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