Wittelsbacher als Fast-Großmacht
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28.12.2013, 11:35
Beitrag: #1
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Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Servus!
Auf Anregung von Suebe hab ich mich mal aufgerafft und, da es die Wittelsbacher ja nie über die regionale Großmacht hinausgeschafft haben, hier ein neues Thema erstellt: (28.12.2013 09:44)Suebe schrieb:(28.12.2013 02:10)zaphodB. schrieb: das heißt wenn die diversen Wittelbacher Linien sich einig gewesen wären,hätten sie damals an der Schwelle zur Großmacht gestanden. VG Christian |
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28.12.2013, 12:28
Beitrag: #2
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Zu mehreren Zeitpunkten standen die Wittelsbacher kurz davor, zu einer der wirklich mächtigen europäischen Dynastien zu werden.
Im Mittelalter: Gleich der zweite bayerische Herzog aus der Familie der Wittelsbacher, Ludwig I. und auch noch seine Nachfolger Otto II. und Ludwig II. spielten während der Regierungszeit von Kaiser Friedrich II. und danach im Konzert der europäischen Mächte in vorderster Linie mit. http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Ludwig..._Kelheimer http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Otto_I..._Bayern%29 http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Ludwig...i_Rhein%29 Ludwig IV., Nachfolger Ludwigs II. in der Pfalz und in Oberbayern, erreichte dann einen ersten Machthöhepunkt der Wittelsbacher, als er der erste von nur drei Kaisern aus dem Haus Wittelsbach wurde. Da er viele Söhne hatte und sich gegen die versammelte Konkurrenz der Luxemburger, Habsburger und des Papstes kaum durchsetzen konnte, stattdessen die Sammlung von Territorien für seine Söhne als oberstes Ziel seiner Herrschaft hatte, diese Söhne ihm aber als Politiker nicht das Wasser reichen konnten, versank Wittelsbach erst mal wieder in der Mittelmäßigkeit, auch wenn Otto III. von Niederbayern in der ungarischen Reichspolitik ein gehöriges Wort mitzureden hatte; die ungarische Königin Gisela war Ottos Schwester, Ottos Mutter war ebenfalls Königin von Ungarn gewesen, Otto selber wurde als Bela IV. König von Ungarn, allerdings nur für zwei Jahre, bevor er Karl-Robert von Anjou unterlag, der daraufhin Ungarn beherrschte. http://www.monacensis.de/tipps/mensch/Ka..._der_Bayer http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Otto_I...rbayern%29 Seit dieser Zeit aber gehörten die Wittelsbacher endgültig zum Kreis der anerkannt bedeutenden Dynastien. Neben den Habsburgern (deren Hausmacht den Wittelsbachern aber fehlte) waren die Wittelsbacher immer diejenige deutsche Dynastie, die als für die bedeutendste angesehen wurde. Heiraten mit anderen europäischen Königsdynastien zeigten dies auch deutlich. In der frühen Neuzeit: Herzog und später Kurfürst Maximilian I. hatte von seinem Vater ein völlig verschuldetes Herzogtum übernommen. Er war ein Finanzgenie und ein fast schon fanatischer Katholik. Es gelang ihm , die Finanzmittel zu beschaffen (unter anderem durch ein Monopol auf das Weißbierbrauen in Bayern; die Einnahmen aus diesem Monopol überstiegen schon bald die Einnahmen aus der bisherigen Hautpeinnahmequelle, der Salzsteuer, und flossen komplett in Maximilians Privatschatulle (!)), um als einziger Fürst den 30jährigen Krieg von Anfang bis Ende nicht nur mitzukämpfen, sondern auch noch die ganze Zeit ein eigenes Heer zu unterhalten. Als Maximilian drei Jahre nach Ende des Krieges starb, war Bayern nicht nur nicht mehr pleite, sondern sogar schon wieder derart auf dem Weg zur Erholung und zum Aufbau einer erneuten Großmachtrolle, dass sein Enkel Max Emanuel schon wieder in ganz Europa auf Territorienjagd gehen konnte und kurz davor stand, den spanischen (!) Thron zu erwerben. Das scheiterte nur daran, dass der Sohn von Max Emanuel, der spanischer König werden sollte, zu früh starb. Allerdings hatten sich die europäischen Dynasten nur deswegen auf den Bayern geeinigt, weil er nicht mächtig genug war, Frankreich, Habsburg oder England gefährlich zu werden... http://www.deutsche-biographie.de/sfz70660.html http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Maximi...I._Emanuel Karl Albrecht, ein weiterer Sohn von Max Emanuel, schaffte es dann als dritter Wittelsbacher nach Ludwig IV. und Ruprecht von der Pfalz auf den römisch-deutschen Kaiserthron, allerdings wurde er da nicht glücklich, musste vielmehr mit der Gegnerschaft der Habsburger kämpfen, denen er letztendlich unterlag; Bayern litt in dieser Zeit unter der Besetzung durch die Österreicher, Karl Albrecht saß krank und gebrochen in Frankfurt und verlieh in dieser Zeit z.B. einem gewissen Johann Caspar Goethe den Titel eines Kaiserlichen Rates. Besagter Goethe war Vater von Johann Wolfgang (von) Goethe... http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Karl_VII. In der Neuzeit: Keine Großmachtambitionen Bayerns mehr möglich, Habsburg, Preußen und Frankreich hatten Bayern bei weitem überholt, aber als Mittelmacht spielte Bayern nach wie vor eine europäische Rolle. Nach Karl Albrechts Kaiserabenteuer war Bayern mal wieder ziemlich pleite. Max III. Joseph hatte damit zu tun, die zerrütteten Finanzen seines Vaters wieder in Ordnung zu bringe, dessen Nachfolger Karl Theodor und Max IV Joseph taten desgleichen, wobei hier zu beachten ist, dass die drei Letztgenannten drei verschiedenen Zweigen des Hauses Witteslbach entstammten. Das alte Münchner Haus war mit Max III. Joseph ausgestorben, aber auch Karl Theodor hatte keine männlichen Nachkommen, sodass die kleine Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken Bayern und die Pfalz übernahm. Und erst einmal - wieder mal - finanzielle Probleme hatte. Immerhin schaffte es Max IV. Joseph, in den napoleonischen Wirren die Königswürde für Bayern zu erlangen. http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Maximi...II._Joseph http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Maximi..._Bayern%29 Unter Ludwig I. schaffte Bayern so etwas wie einen Wiederaufstieg. Kulturell wurde München so etwas wie eine heimliche Hauptstadt Deutschlands, Ludwigs Sohn Otto kam auf den neugeschaffenen griechischen Königsthron. http://www.deutsche-biographie.de/sfz70572.html Max II. und Ludwig II. mischten sich nicht mehr groß in die europäische Politik ein, nach dem Ende der wittelsbachischen Herrschaft in Bayern war das Land zwar innerhalb der Weimarer Republik eine Art zweiter Führungsstaat nach Preußen, v.a. in der Anfangszeit mit Räterepublik etc., aber fest in den deutschen Staat eingebunden. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in Bayern zwar das Grundgesetz erarbeitet und kamen aus Bayern immer wieder wichtige Bundespolitiker, aber Bayern war im Laufe des 19.Jhs. in derart hohem Maße ein deutscher Teilstaat geworden, dass Ambitionen etwa auf ein unabhängiges Bayern zwischen einer deutschen und einer österreichischen Republik zwar theoretisch möglich waren, aber praktisch undurchführbar. So, eine erste Faktengrundlage hoffe ich hiermit geschaffen zu haben. Auf dieser Grundlage müssten wir eigentlich diskutieren können, wie kurz Bayern bzw. Wittelsbach zu bestimmten Zeitpunkten davor stand, zur europäischen Großmacht aufzusteigen und was das jeweils verhindert hat. Wohlan denn: Lasset uns diskutieren! VG Christian |
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28.12.2013, 12:39
Beitrag: #3
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Der Ludwig,
den sein Vetter in Konstanz meucheln wollte, war doch zeitweilig "Regent" Frankreichs, das war ebenso eigentlich schon der Schritt über die Schwelle. Aber ich habe da nur "Wissen" aus einem Ganghofer-Roman, Ochsenkrieg? "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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28.12.2013, 20:54
Beitrag: #4
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Das war der Ludwig VII. "der Gebartete", der dann Herzog des Teilherzogtums Bayern-Ingolstadt geworden ist und dort Münster und Neues Schloß erbauen ließ bzw. damit beginnen ließ.
Dessen Schwester war Königin von Frankreich, er ist in seiner Jugend dort gewesen und hat dann französischen Chic nach Bayern importiert, u.a. in Gestalt des sog. "Goldenen Rössls", eines Kunstwerkes aus Frankreich, aber auch in Form der Architektur der genannten Ingolstädter Bauwerke (Türme über Eck!). Über die Schwelle war Ludwig nur in dem Sinne, dass Regenten meist aus der Familie des Königs stammten. Als Schwager des Königs war dies bei Ludwig zumindest indirekt der Fall. Dass er sich gegen die direkten Verwandten des Königs durchsetzen konnte, war mehr der Macht seiner Schwester Isabeau zu verdanken. Tatsächlich Macht über das Königreich konnte Ludwig im Grunde nie erlangen, dazu war z.B. der Zweig Orleans der Königsfamilie zu stark. Auch das Bündnis mit Burgunds Johann Ohnefurcht brachte Ludwig wenig, im Gegenteil, damit machte er sich am Hof in Paris vollends unmöglich. Ludwig war dazu noch ein Visconti über seine Mutter, eine Tochter von Bernabo Visconti, und natürlich Wittelsbacher; er war Urenkel von Kaiser Ludwig dem Bayern, dazu noch nach dem Aussterben der Generation seines Vaters der älteste der in Bayern regierenden Herzöge, mithin das Familienoberhaupt der bayerischen Wittelsbacher. Seinen pfälzischen Verwandten Ruprecht von der Pfalz brachte er in Zusammenarbeit mit seinem damals noch lebenden Vater Stephan dem Kneißl (= dem Prächtigen) auf den deutschen Königsthron; so mächtig war er immerhin. Seine Rolle in Frankreich dürfte diese Position noch verstärkt haben, ebenso sein Eingreifen in Oberitalien, wo er Gian Galeazzo Visconti heftig bekämpfte, allerdings erfolglos. Echte Macht brachte ihm das alles nichts, es fehlte die Hausmacht. So war und blieb Ludwig nicht mehr, aber auch nicht weniger als einer der am höchsten angesehen Adligen Europas, der allerdings relativ wenig tatsächliche Macht hatte. Ludwigs hochfahrendes und jähzorniges Wesen dürfte zusätzlich verhindert haben, dass er Freunde - auch politische Freunde - gewann. Ein "Prozesshansel" war er außerdem, der - weil er es militärisch nicht erreichen konnte - Gott, die Welt und seine Familie verklagte, um sein zerstückeltes Herzogtum Ingolstadt zu arrondieren. Wieder und wieder erfolglos. Dank dieser Art begegneten ihm die meisten Standesgenossen eher mit Vorsicht. VG Christian |
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28.12.2013, 21:46
Beitrag: #5
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Die Wittelsbacher erlangten auch Bedeutung durch nachfolgende Persönlichkeiten:
Die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken herrschten als Karl X., Karl XI. und Karl XII. in Schweden von 1654 bis 1718. Sie führten die Großmachtpolitik Gustavs II. Adolf fort. Christoph III. herrschte von 1439 bis 1448 als König von Dänemark, Norwegen und Schweden. Er war ein Wittelsbacher aus der Linie Pfalz-Neumarkt. Die österreichische Kaiserin Elisabeth (Sisi) war eine Wittelsbacherin. Die bekannte Briefeschreiberin Lieselotte von der Pfalz, Herzogin von Orleans und ihre Tante Sophie von der Pfalz, Kurfürstin von Hannover waren Wittelsbacherinnen. Letztere war über ihre Mutter eine Nachfahrin der Stuart-Könige, ihr Sohn Georg I. konnte deshalb die Herrschaft des Hauses HAnnover in England, Schottland und Irland begründen. Weitere bedeutende Wittelsbacher waren die Renaissancefürsten Ottheinrich von Pfalzgraf von Neuburg und Kurfürst von der Pfalz, sowie Albrecht IV. und Wilhelm IV., Herzöge von Bayern-München. Kaiser Ludwig IV. ist wohl der bedeutendste Wittelsbacher gewesen. Zu den oben genannten Ludwig VIII. und seiner Schwester Isabeau de Bavière und ihrer Mutter aus dem Hause Visconti sei gesagt, dass Isabeaus Schwager Louis (Ludwig), Herzog von Orleans mit Valentina Visconti verheiratet war. Deren Enkel Ludwig XII. von Frankreich nutzte die Abstammung von den Visconti zielgerichtet, um die Sforza aus Mailand zu vertreiben. Und weil wir bei Isabeau schon sind, es gab schon (nicht seriöse) Versuche, Jeanne d'Arc als ihre (uneheliche) Tochter auszugeben. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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28.12.2013, 22:54
Beitrag: #6
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Der Haken dabei war, dass all die von dir erwähnten Wittelsbacher sich nicht primär als Wittelsbacher, sondern eben als Pfälzer oder Zweibrückener sahen und unabhängig von den bayerischen oder pfälzische Wittelsbachern agierten. Sie hätten aus Sicht der Pfälzer oder Bayern genauso gut Habsburger oder Wettiner sein können.
So kam es nie zu einer "konzertierten Aktion" aller Zweige der Witteslbacher. Das wäre aber Voraussetzung gewesen für einen Aufstieg der Wittelsbacher an die absolute Spitze, eben dahin, wo sich die Valois/Orleans/Borubonen, die Stuart, die Welfen/Hannoveraner, die Habsburger, die Hohenzollern befanden. VG Christian |
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14.02.2016, 18:16
Beitrag: #7
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(28.12.2013 22:54)913Chris schrieb: Der Haken dabei war, dass all die von dir erwähnten Wittelsbacher sich nicht primär als Wittelsbacher, sondern eben als Pfälzer oder Zweibrückener sahen und unabhängig von den bayerischen oder pfälzische Wittelsbachern agierten. Sie hätten aus Sicht der Pfälzer oder Bayern genauso gut Habsburger oder Wettiner sein können. Ich habe vor einiger Zeit in einem Fachbuch gelesen, dass die Bezeichnung Wittelsbacher erst im 18. Jahrhundert üblich war. Zuvor sollen sie sich als Bayern bezeichnet haben. Dazu Evemarie Clemens: Luxemburg-Böhmen, Wittelsbach-Bayern, Habsburg-Österreich und ihre genealogischen Mythen im Vergleich, 2001, S. 1f. -------------------- (28.12.2013 20:54)913Chris schrieb: Das war der Ludwig VII. "der Gebartete", der dann Herzog des Teilherzogtums Bayern-Ingolstadt geworden ist und dort Münster und Neues Schloß erbauen ließ bzw. damit beginnen ließ. Ludwig VII. "der Gebartete" hatte also auch ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" - der Grund dafür, dass er als politischer Verlierer (Gefangener seines eigenen Sohnes bzw. Cousins) endete, oder vielleicht doch, weil er letztlich als politischer Verlierer endete. Auffallend aber, dass dies ein Merkmal von "politischen" Verlierern in dieser Zeit überhaupt zu sein scheint. ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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20.02.2016, 11:59
Beitrag: #8
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(14.02.2016 18:16)Teresa C. schrieb: Ich habe vor einiger Zeit in einem Fachbuch gelesen, dass die Bezeichnung Wittelsbacher erst im 18. Jahrhundert üblich war. Zuvor sollen sie sich als Bayern bezeichnet haben. Präzise gesagt, die bayerischen Wittelsbacher haben sich als "Haus Bayern" bezeichnet und verstanden. Deswegen auch die "Eigenart" Ludwigs des Gebarteten, sich als Oberhaupt des Hauses Bayern zu bezeichnen - er war schlicht der älteste unter den seinerzeit herrschenden bayerischen Herzögen (14.02.2016 18:16)Teresa C. schrieb: Ludwig VII. "der Gebartete" hatte also auch ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" - der Grund dafür, dass er als politischer Verlierer (Gefangener seines eigenen Sohnes bzw. Cousins) endete, oder vielleicht doch, weil er letztlich als politischer Verlierer endete. Auffallend aber, dass dies ein Merkmal von "politischen" Verlierern in dieser Zeit überhaupt zu sein scheint. Ein jähzorniger Mensch ist eben oft im Nachteil gegenüber einem kühl kalkulierenden Menschen, weil der jähzornige viel weniger zu Kompromissen bereit sein wird wie der kühle Rechner. Ludwig der Gebartete war in voller Überzeugung, im Recht zu sein, umso wütender, wenn er sein "Recht" nicht bekam, aufgrund des Anschlages in Konstanz auch voller Wut auf die Feiglinge, die ihn nicht offen angriffen - so handelte kein Ritter und Herrscher, so handelte ein Räuber, der nach Ludwigs Überzeugung damit eben kein Fürst mehr sein konnte. Ludwigs Pech war, dass er mit Bayern-Ingolstadt ein schwaches Teilherzogtum bekommen hatte, das zu wenig Einnahmen lieferte, um seine Politik finanzieren zu können. Außerdem war er ein Mensch, der keine Macht abgeben konnte, damit hat er sich - wie viele andere Fürstenväter auch - seinen Nachwuchs zum Feind gemacht. Da dieser Nachwuchs aber viel weniger jähzornig war als der Vater, hatte der Nachwuchs letzten Endes die besseren Karten, auch wenn Ludwig der Bucklige davon letzten Endes nichts hatte, sondern der kühle und rationale Onkel aus Landshut zusammen mit den kühlen und rationalen Rechner-Onkels aus München den Profit einstrich... |
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20.02.2016, 19:26
Beitrag: #9
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(20.02.2016 11:59)913Chris schrieb: ... Ein jähzorniger Mensch mag bei einer Auseinandersetzung im Nachteil sein - aber können wir wirklich sicher sein, dass Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt jähzornig, Ludwig VIII. "der Bucklige" weniger jähzornig und Heinrich XVI. von Bayern-Landshut ein kühler und rationaler Rechner war? So ist z. B. eine beleidigende Bemerkung von Ludwig VII. auf dem Konzil von Kostanz über Heinrich XVI. überliefert und soll diesen zu einem Mordanschlag verleitet haben. Aber abgesehen davon, dass dieser Vorfall zwar gut dokumentiert, aber die Hintergründe etwas undurchsichtig wirken, gibt es über das Konzil von Konstanz doch sehr viele Informationen, die eine gewisse Frag-Würdigkeit haben, da sie durch weitere Quellen nicht bestätigt sind (in vielen Fällen auch widerlegt werden). Abgesehen davon - auch aus dem Umstand, das ein Vorfall überliefert ist, dass Ludwig VII. sich einmal aufgeregt und jemanden beschimpft hat, lässt sich doch kaum schließen, dass dies geschah, weil er ohnehin ein jähzorniger Mensch war. Heinrichs Mordanschlag soll dann eine spontane Reaktion auf diese Beleidigung gewesen sein, wie passt das aber zu einem kühlen und rationalen Rechner? Der Konflikt, den Ludwig VII. später z. B. mit seinem Sohn hatte, dürfte, soweit sich das beurteilen lässt, nicht mit seinem angeblichen Jähzorn zusammenhängen. Dass es Heinrich erfolgreich gelang, Allianzen gegen Ludwig VII. zustandezubringen, muss auch keineswegs mit charakterlichen Defiziten Ludwigs zu tun haben, bei solchen Allianzen fällt auf, dass sich die Bündnispartner davon gewöhnlich Vorteile versprachen und damit auch persönliche Ziele verfolgten. Natürlich kann Ludwig VII. "der Gebartete" ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" gehabt haben, aber in der Biographie auf Wikipedia (mein Eindruck - es dürfte in diesem Fall ein relativ kompetenter Artikel sein) erscheint er doch als relativ mehrschichtiger Charakter, und abgesehen von diesem Mordanschlag auf ihn lässt sich nichts, was das angeführt ist, mit Jähzorn motivieren. Mag sein, dass sich neben dem Umstand, dass die Linie Bayern-Ingolstadt mit Ludwigs Sohn ausstarb und er wie auch dieser letztlich im Konflikt mit der Familie die Verlierer waren, auch seine enge Beziehungen zu Frankreich zumindest bei der Beurteilung der späteren Generationen negativ ausgewirkt haben, da er sowohl aus deutscher, als auch aus französischer Sicht schlecht wegkommt. (Seiner Schwester ist übrigens letztlich auch als Negativfigur in die Geschichte eingegangen ist.) Aber auffallend ist halt, dass die Verlierer/innen gar nicht selten ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" im Spätmittelalter hatten, das wird z. B. auch einem Herzog Karl dem Kühnen nachgesagt, dem mit König Ludwig XI. von Frankreich ein weiterer kühler und rationaler Rechner gegenüber steht. So ein Zufall! ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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21.02.2016, 14:32
Beitrag: #10
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Nun vergesst mir mal meinen Pfälzer Fritz nicht
.Friedrich I. der Siegreiche (* 1. August 1425 † 12. Dezember 1476 ) war 1451–1476 Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz und zu seiner Zeit sicherlich einer der einflussreichsten Reichsfürsten und ein ernst zu nehmender Antipode des Habsburger Kaisers Friedrich III. Seine engen Verbindungen zu Ludwig IX. von Bayern-Landshut und Albrecht IV. von Bayern-München sowie zu seinem Bruder Ruprecht von der Pfalz der ab 1463 Erzbischof von Köln. war war zumindest der Ansatz zu einer gemeinsamen Hausmachtpolitik der Wittelbacher und sein 1465 geschlossenes Bündnis mit Karl dem Kühnen von Burgund stärkte seine Position weiter. Es gelang ihm ,seine Gegner Kaiser Friedrich III. Bischof Georg von Metz, Markgraf Karl I. von Baden ,Graf Ulrich V. von Württemberg , Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg und Herzog Ludwig von Veldenz in die Schranken zu weisen und selbst die 1474 von Kaiser Friedrich III. ausgesprochene Reichsacht über Friedrich I. blieb ohne Wirkung.- Die damals begonnene Konfrontation mit den Habsburgern führte dazu ,dass die pfälzischen Wittelsbacher bis zur Niederlage Friedrichs V. im 30jährigen Krieg 1620 eine führende Rolle in der antihabsburgischen Koalition im Reich und in Europa spielten. |
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21.02.2016, 15:13
Beitrag: #11
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Und dann hätte ich da noch einen, nämlich den Monsieur des cinq églises:
Clemens August Ferdinand Maria Hyazinth von Bayern (* 16. August 1700 † 6. Februar 1761 ) war Kurfürst und Erzbischof von Köln Landesherr des zugehörigen Erzstifts sowie der Nebenländer Vest Recklinghausen und Herzogtum Westfalen,Hochmeister des Deutschen Ordens, Fürstbischof von Regensburg, Münster, Osnabrück, Paderborn und Hildesheim und beherrschte damit den größten Teil Nordwestdeutschlands. Sein Bruder war Karl Albrecht, Herzog von Bayern und als Karl VII. römisch-deutscher Kaiser. Clemens August war auch an der Wittelsbacher Hausunion von 1724 beteiligt die im Kriegsfall vorsah. Beteiligt waren neben ihm Maximilian II. Emanuel von Bayern, der Erzbischof Trier Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, der pfälzische Erbprinz Joseph Karl von Pfalz-Sulzbach , Herzog Ferdinand von Bayern und der Bischof von Regensburg Johann Theodor von Bayern. Diese Allianz, die insgesamt vier Kurstimmen vertrat, bildete zeitweise ein süddeutsches Gegengewicht zu Habsburg. Wäre bei dieser Konstellation nicht der von Karl II. von Spanien zum Universalerben des spanischen Weltreichs eingesetzte weitere Sohn Max Emanuels, Kurprinz Joseph Ferdinand noch am Leben gewesen und hätte sein Erbe antreten können, wäre es zu einer wittelsbacher Großmachtstellung gekommen. |
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21.02.2016, 19:46
Beitrag: #12
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Vergiss dabei aber nicht, dass Max Emanuels Sohn ein Kompromisskandidat war, und dass der Kompromiss zustande kam, weil Bayern eben KEINE Großmacht war. Die Großmachtpolitik Max Emanuels überforderte Bayern bei weitem, entsprechend nachhaltig wäre eine eventuelle Großmachtposition Bayerns unter Max Emanuel auch gewesen. Deutliches Anzeichen dafür, dass Max Emanuel das auch selber so sah, waren seine Bemühungen, Bayern gegen die (spanischen) Niederlande einzutauschen... Immerhin war Bayern zu diesem Zeitpunkt gerade von den Österreichern besetzt, die also auf alle Fälle ein Gegner der imaginären Großmacht Bayern gewesen wären...
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21.02.2016, 20:03
Beitrag: #13
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(20.02.2016 19:26)Teresa C. schrieb: Natürlich kann Ludwig VII. "der Gebartete" ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" gehabt haben, aber in der Biographie auf Wikipedia (mein Eindruck - es dürfte in diesem Fall ein relativ kompetenter Artikel sein) erscheint er doch als relativ mehrschichtiger Charakter, und abgesehen von diesem Mordanschlag auf ihn lässt sich nichts, was das angeführt ist, mit Jähzorn motivieren. Dann schau mal nach unter "Eichstätter Schied". Auch sein Vater, Stephan der Kneißl" (= "der Prächtige") war schon einer, der sich nicht das Geringste gefallen ließ, wenn er den Verdacht hatte, seine Rolle als "Vorstand" des "Hauses Bayern" sei irgendwie in Frage gestellt worden... nicht zuletzt der eigene Sohn griff Stephans Stellung an, als er den Vater quasi entmachtete mit dem Argument, dessen Ausgaben überstiegen die Möglichkeiten des Herzogtums Bayern-Ingolstadt. Dass Ludwig quasi Regent Frankreichs war, dürfte seine von mir jetzt einfach mal als Überheblichkeit charakterisierte Einstellung zur eigenen Rolle nur unterstützt haben... Der Konflikt mit Heinrich von Niederbayern dürfte nicht zuletzt darauf zurückzugehen, dass Heinrich viel reicher war als Ludwig, jedoch einst ein Mündel von Ludwigs Vater gewesen war. Ludwig als der noch dazu Ältere sah sich, das erkennt man auch aus den Quellen, als höherrangig als Heinrich an, was Heinrich naturgemäß ganz anders gesehen haben dürfte. Heinrichs Auftreten verstand Ludwig als anmaßend, was ihn zu dem Ausspruch verleitet ahben dürfte, Heinrich sei "der Sohn eines Kochs" - also illegitim. So einen Frontalangriff auf seine Legitimität konnte Heinrich nicht hinnehmen und er griff Ludwig in Konstanz an, was Ludwig wiederum dazu brachte, hinterher von Heinrich als einem "Bluthund" zu sprechen und andere fiese Schimpfwörter mehr zu gebrauchen... Beim Streit um das "Straubinger Ländchen", den bayerischen Herrschaftsbereich der vierten bayerischen Teildynastie Bayern-Holland-Straubing, die als erste der vier Zweige der Wittelsbacher ausstarb, bringt noch mehr das Selbstverständnis Ludwigs zu Tage: Er bezeichnete sich als der "eltist und wirdigst fürst von Bayrn" und beansprucht den ganzen Straubinger Anteil an Bayern für sich - kein Wunder, dass seine Vettern das verhindern wollten. Als später Ludwig VIII. (der Bucklige) sich im Aufstand gegen den Vater befand (was Wikipedia da von "gutgemeinten Ratschlägen" des Vaters an den Sohn verzopft, stimmt nicht, diese Ratschläge waren gespickt mit Vorwürfen, dass Ludwig sich einfach nicht wie ein Herrscher benehmen könne, er solle sich mal ein Vorbild nehmen an seinem noch dazu illegitimen Halbbruder Wieland, den Favoriten Ludwigs VII. und Grund für den Aufstand Ludwigs VIII. gegen den Vater), versuchte der Eichstätter Bischof auf Geheiß des Königs (!) zu vermitteln, aber die Verhandlungen in Eichstätt fanden keinen befriedigenden Abschluss, und zwar deswegen, weil es Ludwig VII. war, der keinerlei Kompromisse eingehen wollte, obwohl Ludwig VIII. sowie die Münchner und Landshuter Vettern Ludwigs VII. sehr wohl zu Eingeständnissen bereit waren. Wie man aus all dem sieht: Ludwig VII. war sehr wohl jähzornig, hochfahrend, überheblich und schlicht stur, denke ich. |
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21.02.2016, 22:18
Beitrag: #14
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Hi Chris, irgendwie scheint es für dich doch sehr wichtig zu sein, dass du uns davon überzeugen kannst, dass Ludwig VII. jähzornig, hochfahrend und mit einer Reihe weiterer Charaktermängel behaftet war. "Zwinkern"
Nun, ich gebe zu, dass ich mit diesem Wittelsbacher mich nicht direkt beschäftigt habe, sondern er ist immer wieder bei Themen, die mich interessieren, aufgetaucht. Insofern kann ich wohl kaum selbst beurteilen, inwiefern deine Beschreibung von ihm tatsächlich zutrifft. Nichts desto weniger ist mir aufgefallen, das kommt vielleicht daher, dass mein Fokus eben nicht nur auf diesem Herrn liegt, dass die Charakteristik von diesem Wittelsbacher, die du gibst, erstaunliche Parallelen zu anderen Figuren des Mittelalters und darunter mehreren Zeitgenossen zeigt, deren Lebenslauf durchaus Parallelen haben. (Karl der Kühne habe ich deswegen als Beispiel genommen, weil er sehr bekannt ist, aber er ist nicht der einzige Zeitgenosse, der als hochfahrend und jähzornig gilt.) Zunächst einmal - welcher Reichsfürst ließ sich in dieser Zeit etwas gefallen, noch dazu, wenn er die Möglichkeit hatte, sich dagegen wehren zu können. Nehmen wir z. B. Herzog Albrecht III. von Bayern-München, der auf die böhmische Krone verzichtete und offensichtlich auf wesentliche Teile an der Erbschaft Bayern-Ingolstadt. In der Arbeit, die ich neulich zu Heinrich XVI. gelesen habe, ist sehr deutlich herausgearbeitet, dass Herzog Albrecht das nicht tat, weil er eben ein friedfertiger oder nachgiebiger Mensch war, sondern weil er Heinrich XVI. und seine Machenschaften in dieser Erbschaftangelegenheit nichts entgegensetzen konnte. Fazit: Das lag nicht an Albrechts noblen Charakter, sondern er hatte schlicht keine wirkungsvollen Möglichkeiten, um sich da gegen Heinrich XVI. durchzusetzen. Bereits Ludwigs Vater, Stephan der Kneißl" ließ sich nicht das Geringste gefallen, wenn er den Verdacht hatte, seine Rolle als "Vorstand" des "Hauses Bayern" sei irgendwie in Frage gestellt worden. Nun, soweit ich das beurteilen kann, war er da nicht der einzige, der als "Vorstand" einer Familie so reagiert hat. (Da gibt es bei den Habsburgern zum Beispiel auch einige Fälle, nur mit dem Unterschied, dass es dort keine Vater-Sohn-Konflikte gab, da die Väter (von Kaiser Friedrich III. abgesehen), gewöhnlich relativ jung gestorben sind. Die meisten Herrschaftsteilungen innerhalb von Familien im 15. Jahrhundert dürften damit zusammenhängen, dass es den Mitgliedern nicht möglich war, gemeinsam eine Herrschaft zu führen und die Rechte von jüngeren Brüdern z. B. nicht einfach links liegen gelassen werden konnten.) Warum aber wird dann eigentlich nur Ludwig VII. oder seinem Vater Überheblichkeit vorgeworfen? Auf der anderen Seite wäre sicher nicht uninteressant auch einmal die zeitgenössischen Quellen und Mitteilungen zu überprüfen. Nehmen wir z. B. den Mordanschlag auf dem Konzil von Konstanz. Soweit ich es beurteilen kann, dürfte Heinrich XVI. den besseren Draht zu König Sig(is)mund gehabt haben und in den beiden wichtigsten Chroniken über das Konzil (Richental und Windecke, das Werk von letzterem ist uns allerdings nur in späteren Fassungen aus den 1460er Jahren überliefert, die durchaus Bearbeitungen sein dürften) ist eindeutig eine Parteinahme für Sigmund auszumachen. Das könnte sich durchwegs auf eine Darstellung Ludwigs zuungunsten Heinrichs ausgewirkt haben. Ganz aufschlussreich ist für mich jedenfalls, dass der "Mordanschlag" für Heinrich XVI. keineswegs irgendwelche schwerwiegende Konsequenzen hatte. Etwas merkwürdig kommt mir das schon vor. Könnte es nicht sein, dass die Bemerkungen, die Ludwig VII. zuvor und danach gemacht haben soll, vielleicht aufgebauscht wurden, weil sich die Zeitgenossen, die keinen Einblick in die politischen Zusammenhänge hatte, doch irgendwie erklären mussten, wie es zu so etwas kommen konnte und warum dieser "Mordanschlag" offensichtlich keine richtigen Folgen für den Täter hatte. Wie gesagt, mir persönlich ist schon egal, ob Ludwig VII. seinen "schlechten" Ruf zu Recht hatte oder nicht, aber als Historikerin finde ich halt, dass eine gewisse Hinterfragung doch nicht ganz unangebracht ist. (Siehe dazu auch meine Signatur, die das ganz gut ausdrückt.) ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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24.02.2016, 18:18
Beitrag: #15
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Stimmt schon, die Wittelsbacher scheinen immer wieder jähzornige Exponenten gehabt zu haben, man denke nur an Ludwig den Strengen, der, wenn er weniger erfolgreich geherrscht hätte, sicher auch eher "Ludwig der Blindwütige" oder so geheißen hätte...
Aber ich hab mich auch als Historiker mit Ludwig VII. beschäftigt und muss deshalb schon auch sagen, dass gerade die Geschichten rund um den Eichstätter Schiedsspruch ein Bild von dem Herzog von Ingolstadt zeichnen, das auch den Zeitgenossen, die ja jähzornige (nach heutigem Maßstab jedenfalls) Fürsten gewohnt waren, ein Bild von besonderem Starrsinn und Hoffahrt vermittelte...Aber wir waren ja eigentlich bei Wittelsbach als Fast-Großmacht. Ludwig VII. als Regent von Frankreich hatte es sich zum Ziel gesetzt, Bayern (und zwar da wieder in erster Linie sein Teilherzogtum) als Basis für eine Machtpolitik zu nutzen, wie sie auch die ersten beiden Ludwige als bayerische Herzöge gepflegt haben: Die Machtbasis war zwar schmal, aber der Einfluss groß. Nur, dass Ludwig VII. in Heinrich XVI. einen gewieften Gegenspieler hate, der auch noch viel reicher war als er und sich keinen Deut darum scherte, dass der ältere auch der höherrangige sein sollte. Ich habs jetzt grade nicht greifbar, aber nach Konstanz nutzte Ludwig VII. seine Verbindungen zum Ritterbund "vom Georgenschild", um Heinrich doch noch irgendwie an den Karren fahren zu können. Heinrich gründete daraufhin die "Kelheimer Sittichgesellschaft" (laut Wiki eine Anspielung auf Ludwigs persönlichen Wappenvogel, den Raben), der alle Fürsten aneghörten, die Ludwig die Ehre hatte, sie zu seinen Gegnern zählen zu dürfen - in Kürze: Es waren alle anderen bayerischen und in Bayern engagierten Fürsten...allesamt Wittelsbacher. Dass unter diesen Umständen aus dem eigentlich recht machtvollen Bayern nichts großartiges werden konnte, war erst mal klar. Erst mit dem Aussterben erst der Ingolstädter und dann der Landshuter Linie konnten alle Teilgherzogtümer wieder vereint werden und Bayern wieder zu einer Macht aufsteigen, die zwar keine ausdrückliche Großmacht war, mit der man aber im Spiel der Großmächte rechnen musste... |
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25.02.2016, 19:28
Beitrag: #16
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Ich habe mal ein bißchen in die frühe Wittelsbacher Historie geschaut.
Die Wittelsbacher sind Nachfahren der Grafen von Scheyern. Ist das wirklich gesichert? Warum nehmen die denn recht früh den Namen eines ihrer Ministerialen? Sorry, wenn ich hier nachfrage. Der Doyen der Staufer-Forschung der 70er Jahre hat sich da ja einiges geleistet Zitat:Erst nach seinem Tod wurde in Historikerkreisen bekannt, in welchem Umfang seine bereits zu seinen Lebenszeiten umstrittenen genealogischen Studien auf eigenen Quellenfälschungen beruhten.[1] und man kommt da schon auf weitere Ideen. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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25.02.2016, 21:40
Beitrag: #17
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Könnte es nicht sein, dass Decker-Hauff vielleicht seine Zusatzergebnisse aus Arbeiten aus dem 19. Jahrhundert hat, deren Aussagen er unkritisch übernahm, und sich vielleicht das Fehlen in den Originalquellen damit erklärt, dass diese Teile halt inzwischen verloren gegangen waren? (Vielleicht waren ihm auch nicht alle Quellen zugänglich.)
In dem Buch, was ich zurzeit lese, wird übrigens der Umstand, dass die Wittelsbacher diese Bezeichnung schon im Mittelalter nicht mehr verwendeten, darauf zurückgeführt, dass der Name durch Otto von Wittelsbach, der als Schuldiger an der Ermordung des Stauferkönigs Philipp (von Schwaben, Bruder von Kaiser Heinrich VI.) gilt, schwer belastet war. (Quelle: Evemarie Clemens: Luxemburg-Böhmen, Wittelsbach-Bayern, Habsburg-Österreich und ihre genealogischen Mythen im Vergleich (Zugl. Bonn, Univ., Diss, 2001), Trier 2001 ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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26.02.2016, 10:16
Beitrag: #18
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(25.02.2016 21:40)Teresa C. schrieb: Könnte es nicht sein, dass Decker-Hauff vielleicht seine Zusatzergebnisse aus Arbeiten aus dem 19. Jahrhundert hat, deren Aussagen er unkritisch übernahm, und sich vielleicht das Fehlen in den Originalquellen damit erklärt, dass diese Teile halt inzwischen verloren gegangen waren? (Vielleicht waren ihm auch nicht alle Quellen zugänglich.) Ja, genau so hat es Decker-Hauff dargestellt. Er war der letzte, der das unbeschädigte "Rote Buch" des Klosters Lorch wissenschaftlich bearbeitete. Das Buch ist im 2.WK schwer beschädigt worden. War vermeitnlich für immer verloren. Und zur großen Staufer Ausstellung 1977 hat der Hansmartin seine "Alleinstellung" zu einem größeren Fantasieprodukt genutzt. Schon damals gab es erhebliche Zweifel, aber wer wollte diesem Schwergewicht widersprechen. Inzwischen wurden relevante Teile des "Roten Buches" wieder lesbar gemacht, und es gibt keinen Zweifel mehr. Er hat halt den technologischen Fortschritt nicht einkalkuliert.... Dass er dann noch seine Familiengeschichte an Hand selbst gefälschter Quellen powerte, ist da nur noch lustig, passt aber ins Bild. Aber was schreibe ich da, chris wird bei ihm studiert haben, der kennt das ganze noch viel besser. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.02.2016, 10:42
Beitrag: #19
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Tja, die Quelle vergessen.
Sorry https://www.freidok.uni-freiburg.de/data/5266/ Zitat:Der Beitrag thematisiert anhand der im Benediktinerkloster Lorch bei Schwäbisch Gmünd, des staufischen Hausklosters, entstandenen Traditionsbildung die Dialektik von Überlieferungsbildung und Überlieferungsverlust. Er zeigt, dass die von Hansmartin Decker-Hauff angeblich aus dem von Augustin Seiz um 1500 angelegten "Roten Buch" (schwer beschädigt im Hauptstaatsarchiv Stuttgart) exzerpierten und 1977 mitgeteilten Quellen zur frühen staufischen Genealogie dort gar nicht vorhanden waren. Gliederung: Die Gründungserzählung im 'Roten Buch'; Die Texte über die Lorcher Staufergräber; Zur Genealogie der Staufer - Bemerkungen zur Forschungsgeschichte Was den Freiburgern ein "gmäthes Wiesle" gewesen sein wird. Es sind zwei ähnlich renommierte Unis, Freiburg und Tübingen die interessaterweise auch die selbe Gründerin haben. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.02.2016, 11:28
Beitrag: #20
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(26.02.2016 10:42)Suebe schrieb: Was den Freiburgern ein "gmäthes Wiesle" gewesen sein wird. Wobei in neueren Arbeiten zur Forschung der "armen" Mechthild von der Pfalz (einer weiteren Wittelsbacherin) ihre Beteiligung an der Gründung Freiburg inzwischen doch stark relativiert oder sogar in Frage gestellt wurde. Einerseits ist sie in den Schriftquellen zur Gründung nicht präsent, zum anderen hat sie später sogar mit der Universität noch um Einkünfte aus einer Kirchenpfründe gestritten, was für eine Stifterin bzw. Universitätsförderin doch ein etwas seltsames Verhalten ist. Quelle: - Heiko Haumann - Hans Schadek: Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, 2001, Bd. 1 - Konstantin Moritz A. Langmaier: Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (1418–1463). Ein Fürst im Spannungsfeld von Dynastie, Regionen und Reich. Köln u.a. 2015 ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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26.02.2016, 16:07
Beitrag: #21
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Ene Frau mit profunden Kenntnissen, unsere Teresa.
Meinen Respekt und meine Hochachtung. Die Novelle mit der Mechthild von der Pfalz in der Zimmerischen Chronik kennst Du sicher auch. Seis wie es will. Das war jedenfalls eine der bemerkenswertesten Frauen ihrer Zeit. Dass sie, aus Heidelberg mit der ältesten deutschen Universität stammend, die Finger bei den beiden in ihrem Umfeld entstandenen Universitäten im Spiel gehabt haben muss, ist recht naheliegend. Der Vater des o.g. Novellisten hat übrigens seine Finger in einer Wittelsbacher Affäre ganz ganz böse verbrannt. Aber ist natürlich hier alles gewaltig OT. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.02.2016, 16:43
Beitrag: #22
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(25.02.2016 21:40)Teresa C. schrieb: In dem Buch, was ich zurzeit lese, wird übrigens der Umstand, dass die Wittelsbacher diese Bezeichnung schon im Mittelalter nicht mehr verwendeten, darauf zurückgeführt, dass der Name durch Otto von Wittelsbach, der als Schuldiger an der Ermordung des Stauferkönigs Philipp (von Schwaben, Bruder von Kaiser Heinrich VI.) gilt, schwer belastet war. Halte ich für unlogisch, da sich die anderen Wittelsbacher weiterhin sehr gut mit den Welfen wie auch mit den Staufern vertrugen. Das wurde schon so gesehen, wie es war, als private rachetat des pfalzgrafen otto (der immerhin der neffe des amtierenden ersten wittelsbachischen herzogs von bayern war, also recht nah verwandt). Die Wittelsbacher verwendeten irgendwann lieber die Bezeichnung "von Bayern" oder "von der Pfalz", weil sich die Herrschaftsgebiete der verschiedenen Zweige der Familie etabliert und auseinander entwickelt hatten, sodass die Bezeichnung "Wittelsbach" eine familiäre Nähe wiedergespiegelt hätte, die weder existent noch erwünscht war...die Habsburger haben´s in Österreich übrigens ähnlich gemacht, die bezeichneten sich auch irgendwann als "Haus Österreich"... VG Christian |
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26.02.2016, 16:59
Beitrag: #23
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(25.02.2016 19:28)Suebe schrieb: Ich habe mal ein bißchen in die frühe Wittelsbacher Historie geschaut. Das taten sie nicht. Die Grafen von Scheyern benannten sich nach ihrer Stammburg. Als diese 1119 in ein (Haus-)Kloster umgewandelt wurde, zogen sie um nach Wittelsbach am Rand ihres Herrschaftsgebietes (um eben dieses Gebiet in dieser Stelle gegen das Ausgreifen u.a. des Augsburger Bischofs zu sichern, außerdem war Aichach zusammen mit dem nahe gelgenen Kloster Kühbach auch ein alter Herrschaftsschwerpunkt der Grafen von Scheyern) und benannten sich danach als Grafen von Wittelsbach. Gründerin dieses Klosters war übrigens Haziga, die Gattin des ersten urkundlich greifbaren Wittelsbachers (der damals natürlich noch nicht so hieß), eines gewissen Otto...durch Hazigas Erbe (die eventuell der mächtigen Familie der Grafen von Diessen entstammte, aber vielleicht auch der Grafen von Kühbach, was diesen zweiten Schwerpunkt der spätetren Wittelsbacher erklären würde, jedenfalls stammte sie aus dem dunstkreis der späteren Andechs-Meranier) wurden die Wittelsbacher mit einem Schlag zu einer der mächtigsten Familien Bayerns. Haziga hatte ein Kloster gegründet, das zuerst in Fischbachau, dann auf dem Petersberg bei Dachau und dann nach Scheyern verlegt wurde. Die ersten beiden Orte konnten kein Kloster ernähren, aber Hazigas Erbe war offenbar so bedeutend, dass man die Stammburg als neuen/letzten Sitz des von ihr gegründeten Klosters zur Verfügung stellte (und diese damit von künftigen Erbstreitigkeiten ausnahm... |
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26.02.2016, 20:33
Beitrag: #24
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Wittelsbach war sich 1487 mit Sigmund von Tirol einig, dass Wittelsbach Tirol erben würde.
Das heißt, man war schon vorsichtig, und hat sich gegenseitig, so keine Leibeserben da wären zum Erben eingesetzt. Sigmund war über 60 und des 2. mal Kinderlos verehelicht, war ja klar. Der Kaiser Friedrich III. ist jedenfalls wutentbrannt eingeschritten, hat die Sache kassiert, dem Sigmund konnte er schlecht etwas anhaben, und so hat er sich dessen Räte gegriffen, zu denen Johann Werner von Zimmern gehörte, den "bösen Räten" wurde die Acht erklärt, und der Zimmern floh in die Schweiz, wo er bis an sein Lebensende am Walchensee lebte. Erst sein Sohn konnte den Zimmerischen Besitz wieder erlangen. Der Kaisersohn Maximilian wurde zum Regenten Tirols. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.02.2016, 23:28
Beitrag: #25
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Ein derart energisches und mutiges Vorgehen traue ich Friedrich III. gar nicht zu. Sicher ging die Initiative von Maximilian aus, der ja auch der Begünstigte der Aktion war.
Kaiser und Kronprinz waren übrigens auch Gäste bei der Landshuter Fürstenhochzeit, bei der der Kaiser durch seinen Geiz auffiel. |
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27.02.2016, 06:53
Beitrag: #26
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(26.02.2016 16:07)Suebe schrieb: Die Novelle mit der Mechthild von der Pfalz in der Zimmerischen Chronik kennst Du sicher auch. Kenne ich natürlich Wobei diese Chronik erst viele Jahre nach ihrem Tod geschrieben wurde. (26.02.2016 16:07)Suebe schrieb: Seis wie es will. Wobei allerdings anzumerken ist, dass ihr zweiter Ehemann (Erz-)Herzog Albrecht VI. von Österreich immerhin der Großneffe des Gründers der Wiener Universität war, die noch älter ist als die Heidelberger Universität. Da sich Albrecht sehr häufig in Wien aufgehalten hat, wo er übrigens auch die Gründungsurkunde für die Universität Freiburg unterzeichnet hat, spricht doch einiges für Wien als Vorbild für diese Stiftung. ------------------------------ (26.02.2016 16:07)Suebe schrieb: Der Vater des o.g. Novellisten hat übrigens seine Finger in einer Wittelsbacher Affäre ganz ganz böse verbrannt. (26.02.2016 20:33)Suebe schrieb: Wittelsbach war sich 1487 mit Sigmund von Tirol einig, dass Wittelsbach Tirol erben würde. Ob Friedrich III. da wirklich wutentbrannt eingegriffen hat? Dem Herrn wird immerhin nachgesagt, dass er Phlegmatiker war. Dass er eingegriffen hat, ist jedenfalls Tatsache. Heinrich Koller, von dem die zurzeit aktuellste Biographie von Friedrich III. stammt, stellt in dieser die Frage, ob die Landstände von Tirol Friedrich gegen die "bösen Räte" / Sigmunds Aktivitäten mit Bayern zu Hilfe holten, weil sie nicht unter die Herrschaft der Wittelsbacher wollten. Oder ob der "gute" Friedrich III. sie in dieser Sache benutzt hat, um seinen Cousin endlich auszuschalten und dessen "Erblande" endgültig für sich bzw. Maximilian I. zu sichern. (Was Friedrich III. schon vierzig Jahre früher versucht haben dürfte, zumindest wäre das eine plausible Erklärung für sein Verhalten in den 1440er Jahren, als er die Vormundschaft über seinen minderjährigen Cousin ausübte und sie, nachdem dieser volljährig war, jedenfalls zu verlängern versuchte.) Was die Verschreibungen von (Erz-)Herzog Sigmund betrifft, hatten die Habsburger / Österreicher in ihren Hausgesetzen seit dem Vertrag von Neuberg an der Mürz von 1379 ausdrücklich vereinbart, dass die "Erblande" (also Herrschaftsgebiete des Hauses Österreich) nur mit ausdrücklicher Zustimmung aller (männlichen) Familienmitglieder verkauft, weggegeben oder verpfändet werden dürfen und das auch bei Verträgen die Zustimmung aller (männlichen) Familienmitglieder nötig war. (Zudem gab es auch eine ausdrückliche Regelung, dass beim Aussterben eines Familienzweiges in männlicher Linie nicht die Töchter (bzw. die Familien, in die sie heirateten / geheiratet hatten) erben, sondern die männlichen Mitglieder der anderen Familienzweige erben.) Sigmund der Münzreiche und Friedrich III. dürften zwar bei den Verträgen, die sie mit anderen schlossen, auf diese Regelung selbst gewöhnlich nie Rücksicht genommen haben, aber sie gab Friedrich III. in dieser Angelegenheit eine rechtliche Legitimation für sein Vorgehen. Die ganze Sache um Sigmunds "Ausverkauf an Bayern" wirkt übrigens, wie so manches bei den Habsburgern im 15. Jahrhundert recht undurchsichtig, und es stellt für mich schon die Frage, welche Rolle (Erz-)Herzog Sigmund der Münzreiche in dieser Angelegenheit wirklich gespielt haben dürfte. Gewöhnlich wird davon ausgegangen, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht zurechnungsfähig war, tatsächlich glaubte, dass er noch einen Erben zeugen würde, an Alterssenilität litt bzw. unter die Fuchtel der "gierigen" Herzöge von Bayern-München und Bayern-Landshut bzw. seiner "bösen" Räte geraten war. Sigmund hat die Version mit den "bösen" Räten, unter deren Einfluss er angeblich gehandelt hat, auch selbst bestätigt (oder bestätigen müssen), aber ich halte es auch für vorstellbar, dass die "bösen" Räte letztlich nur die Sündeböcke waren und er vielleicht tatsächlich einen Erbfall zugunsten der Wittelsbacher jedenfalls unterstützt hat. Immerhin fällt auf, dass er gerade mit Herzog Ludwig von Bayern-Landshut, seit er sich mit diesem über Vermittlung seines Cousins (Erz-)Herzog Albrecht VI. Ende der 1450er Jahre verbündet hatte, trotz gewisser Differenzen gute Beziehung gehabt und an diesem Bündnis auch festgehalten hat. Die Heirat von Herzog Albrecht IV. von Bayern-München und Kunigunde von Österreich wurde von ihm gebilligt. (Und dass sein Verhältnis zu Kaiser Friedrich III. keineswegs gut war, dafür gibt es auch eine ganze Reihe von Indizien. Heinig weist in seinem Werk zu Friedrich III. ausdrücklich daraufhin, dass er z. B. niemals in irgendeiner offiziellen Funktion, z. B. als "Rat" seines Cousins nachgewiesen ist.) Quelle/n: - Wilhelm Baum: Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter, 1987 - Paul-Joachim Heinig: Kaiser Friedrich III. (1440–1493). Hof, Regierung und Politik (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Bd. 17). 3 Bände, 1997, I(Zugleich: Gießen, Universität, Habilitations-Schrift, 1993) - Heinrich Koller: Kaiser Friedrich III., Darmstadt 2005 (26.02.2016 23:28)Harald schrieb: Ein derart energisches und mutiges Vorgehen traue ich Friedrich III. gar nicht zu. Sicher ging die Initiative von Maximilian aus, der ja auch der Begünstigte der Aktion war. Ich habe den Eindruck, dass der "gute" Friedrich III. ziemlich unterschätzt wird (und vielleicht hat es dieser Herr auch selbst darauf angelegt). Jedenfalls gehörte er nicht zu jenen Herrschern, die sich so leicht in die Karten schauen ließen, wie es so schön heißt. Aber auffallend ist doch, dass er letztlich die meisten seiner Auseinandersetzungen insofern gewann, als er sie für sich bzw. seinen Nachfolger entscheiden konnte. Mut dürfte sein Vorgehen bei diesem Machtkampf um Tirol und die Vorlande nicht erfordert haben, und wenn es die Situation notwendig machte, war der Herr offensichtlich sehr wohl imstande seine eigenen Interessen energisch zu verfolgen und auch durchzugreifen. Da haben wir z. B. seinen Kampf um das ( "österreichische" ) Erbe der Grafen von Cilli (in den späten 1450er Jahren), das er erfolgreich für sich gesichert hat, die Entsetzung von Neuss 1475 und den Zug in die Niederlande 1488 (zu dieser Zeit war er ca. 73 Jahre). Zudem passt sein Durchgreifen in Tirol und den Vorlanden auch ganz gut zu seiner sonstigen politischen Haltung, was die "österreichischen Erblande" betrifft. Um 1440 war es Friedrich III. gelungen, durch zwei Vormundschaften für einige Jahre die Herrschaft über die "Erblande" der Habsburger in seiner Hand zu halten, und es spricht einiges dafür, dass er sie gerne dauerhaft behalten hätte, was ihm damals eben nicht gelang. (Da gab es energische Landstände, die den "rechtmäßigen" Erben bevorzugten, Adelige, die eigenen Pläne verfolgten, einen jüngeren Bruder, der erbittert um seine Mitherrschaft kämpfte etc.) Da sich Maximilian I. zu diesem Zeitpunkt in den Niederlanden aufhielt, wo er mit seine eigenen Kämpfe zu führen hatte, hatte er wahrscheinlich auch gar keine Möglichkeit, sich noch um die Dinge in Tirol zu kümmern. (26.02.2016 23:28)Harald schrieb: Kaiser und Kronprinz waren übrigens auch Gäste bei der Landshuter Fürstenhochzeit, bei der der Kaiser durch seinen Geiz auffiel. Übrigens würde ich Maximilian I. nicht als Kronprinz bezeichnen, bei der Landshuter Hochzeit von 1475 war er erst einmal nur Erzherzog von Österreich. Nachfolger seines Vaters im Reich wurde er erst durch die Wahl zum dt.-röm. König 1486, also elf Jahre später. Was seinen (angeblichen) Geiz betrifft, die Anekdote (oder handelt es sich dabei um einen Fakt), um das Hochzeitsgeschenk liest sich ganz lustig, besonders, wenn man berücksichtigt, dass sich Friedrich III. mit Edelsteinen gut ausgekannt haben dürfte. (Es ist also eher auszuschließen, dass er selbst nicht gewusst hat, dass sein Geschenk nur halb so viel wert war, wie er behauptete.) ------------------------------- (26.02.2016 16:43)913Chris schrieb:(25.02.2016 21:40)Teresa C. schrieb: In dem Buch, was ich zurzeit lese, wird übrigens der Umstand, dass die Wittelsbacher diese Bezeichnung schon im Mittelalter nicht mehr verwendeten, darauf zurückgeführt, dass der Name durch Otto von Wittelsbach, der als Schuldiger an der Ermordung des Stauferkönigs Philipp (von Schwaben, Bruder von Kaiser Heinrich VI.) gilt, schwer belastet war. Wie gesagt, diese Information stammt aus einem Buch, ich halte sie für vorstellbar, aber sie muss natürlich nicht zutreffen. ------------------------------- (26.02.2016 16:07)Suebe schrieb: Ene Frau mit profunden Kenntnissen, unsere Teresa. vielen Dank für das Kompliment Suebe, über Lob freue mich immer ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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27.02.2016, 11:42
Beitrag: #27
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(27.02.2016 06:53)Teresa C. schrieb: Die ganze Sache um Sigmunds "Ausverkauf an Bayern" wirkt übrigens, wie so manches bei den Habsburgern im 15. Jahrhundert recht undurchsichtig, und es stellt für mich schon die Frage, welche Rolle (Erz-)Herzog Sigmund der Münzreiche in dieser Angelegenheit wirklich gespielt haben dürfte. Er machte das, was auch andere Herrscher seiner Zeit machten, insbesondere ungefähr ein Jahrhundert später Kaiser Maximilian II. - er versuchte, althergebrachte dynastische Machtpolitik zu betreiben, die aber mit dem Aufkommen von Söldnerheeren immer teurer wurde und selbst für reiche Herrscher auf die dauer nicht mehr aus eigenen Mitteln finanzierbar war. Im Unterschied zu seinem Vater Friedrich "mit der leeren Tasche", der die gleiche Politik versuchte, aber erstens das Glück hatte, die Rottenburger Fehde gewinnen zu können und damit finanziell erst einmal ausgesorgt zu haben und sich zweitens ab 1425 auf den Landesausbau konzentrieren zu können anstatt weiter ständig neue Länder zu erobern oder sich mit Adelsfehden herumschlagen zu müssen, betrieb Siegmund seine ganze Herrschaftszeit über Gebietswerwerbe per Kauf oder Eroberung und dazu eben auch noch einen sehr teuren Lebenswandel. Friedrich "mit der leeren Tasche" starb ironischerweise als steinreicher Fürst, Siegmund "der Münzreiche" war am Ende seines Lebens pleite und schmachvoll von den eigenen Untertanen bzw. der eigenenFamilie abgesetzt. Da sieht man mal, was man aus fürstlichen Beinamen alles schließen kann, oder eben auch nicht...*grins* Einstweilen sprangen im 15. und 16.Jh. noch bürgerliche Finanziers ein bei den Fürsten ein, die Friedrichs Glück nicht hatten - Gossembrot und Fugger seien hier nur mal als Beispiele genannt - bis etwa in Bayern Herzog/Kurfürst Maximilian I. dazu überging, selber als Investor zu wirken. Die sprichwörtlich "reichen" Herzöge von Landshut waren in dieser Hinsicht uach nicht ungeschickt und nutzten siegmunds finanzielle Notlage aus, um eventuell das im 14.Jh. verlorengegangene Tirol auf diesem Umweg zurück zu gewinnen - und fast hätten sie das ja auch geschafft. |
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27.02.2016, 14:24
Beitrag: #28
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Hi Chris,
ich bin halt etwas vorsichtiger, was die Beurteilung von Sigmund dem Münzreichen betrifft. Immerhin ist zumindest interessant, dass alle drei Habsburger seiner Generation (also außer ihm Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Albrecht VI.) auch bei den Habsburgern selbst keinen so guten Ruf haben, wobei Friedrich III. noch am besten wegkommt (seinen bis heute anhaltenden "schlechten" Ruf dürfte er erst den preußischen / wilhelminischen Historikern des 19. Jahrhunderts verdanken). Friedrich III. ist wiederum der Vater von Maximilian I., und ausgerechnet Maximilian I. ist wiederum derjenige, der, was die Überlieferung der Familie Geschichte betrifft da wesentlich die Weichen gestellt hat. (Zufall?) Sigmund hatte Albrecht VI. hatten (im Unterschied zu Kaiser Friedrich III.) keine (erbberechtigten) Nachkommen. (Vergleicht man das mit anderen Herrscherhäusern: Auch dort fällt auf, dass die mit "schlechter" Presse fast immer die sind, die keine Nachkommen hatten.) Bei Albrecht VI. geht die neuere wissenschaftliche Forschung zu seiner Person zu dem von einer gezielten "damnatio memoriae" durch Friedrich und Maximilian aus. Jedenfalls fällt auf, dass sowohl Albrecht als auch Sigmund bei den Zeitgenossen einen eindeutig besseren Ruf hatten als in späteren Zeiten. Was Sigmunds Beinamen betrifft, der (im Unterschied zu dem seines Vaters) eindeutig als zeitgenössisch nachgewiesen ist, bezog sich dieser eigentlich nicht auf seinen tatsächlichen oder vermeintlichen Reichtum, sondern auf seine Münzreform von 1486, die heute als ein Vorbild für die gesamte Europäische Talerprägung (16.–18. Jahrhundert) gilt. ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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27.02.2016, 16:29
Beitrag: #29
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
ja, ohne nachkommen, die das bild des Vaters irgendwie pflegen, fällt´s halt einfach schwerer, bei den (zeitgenössischen) Geschichtsschreibern gut wegzukommen...die hatten ja alle irgendwelche finanziers, in deren Auftrag sie schrieben, und dass die Familie des Finanziers besunders gut wegkomt, muss dann nicht überraschen...auch dass Herrscher, die eben nicht Vorfahren etwaiger Finanziers sein konnten, umso schlechter wegkamen...
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27.02.2016, 16:43
Beitrag: #30
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
Bei den Zeitgenossen spielt das weniger eine Rolle, da hatten die damaligen Promis selbst noch die Möglichkeit, etwas für ihr Image tun (auch wenn ich den Eindruck habe, dass mancher von denen sich vielleicht einen "Imageberater" hätte zulegen sollen). Anders sah es bei der Generation danach aus.
Dass jemand, der an seiner eigenen Familiengeschichte bastelt, wenn möglich, seine Eltern und seine direkten Vorfahren nicht in ein schlechtes Licht stellt, finde ich nachvollziehbar. Da besteht immer die Gefahr, dass etwas von dem schlechten Ruf auf einen selbst abfällt. Bei der Verwandtschaft, die auch nicht immer dieselben Ziele verfolgt hat oder sogar die Konkurrenten waren, sieht das wieder ganz anders aus. ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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