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Troja, was ist wahr an dem Mythos?
18.04.2016, 19:40
Beitrag: #1
Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Hallo Ihr Lieben,

angeblich soll sich der Fall Trojas zwischen 1334 und 1135 bewegt haben. Die heutige Forschung meint, das sich der Krieg (wenn es tatsächlich an dem gewesen sein sollte) im 12. oder im 13. Jh. v. Chr. stattgefunden hatte.
Der Archäologe Schliemann begann im Jahr 1871 die Stadt auszugraben. Was er fand war bemerkenswert: Es handelte sich hierbei um Ruinen wie einst von Homer
beschrieben; doch diese werden von Historikern recht bezweifelt. Andere Forscher meinen wieder, dass Homer den Krieg um Troja naheliegend geschildert habe. Es wurden tatsächlich Schätze gefunden aus dem 12. Jh. v. Chr.

Mich interessiert hierbei folgendes: Angeblich wurden die Trojaner mit dem hölzernen Pferd überlistet, nachdem die Griechen rd. 10 Jahre die Stadt belagert hatten und feststellen mussten, das sie nur durch eine List in Troja eindringen konnten? Oder ist alles nur ein Mythos wie z. B. die Seherin Kassandra, die schon den Fall vorhergesehen hatte?
Gab es tatsächlich das trojanische Pferd?

Was hatte Schliemann ausgegraben - wenn nicht Troja? Oder wurden bei den Dardanellen die Mauerreste (wie Homer beschrieb) und weitere Funde nur angenommen es müsse sich hier um Troja handeln?

Leider kenne ich nur die Geschichte aus der Mythologie. Da hab ich mich gefragt, was an dem Mythos wohl wahr sein könnte und ob es mit einigen glaubhaften Quellen belegt ist??

Was sagt ihr dazu?

lg Aurora

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19.04.2016, 07:19
Beitrag: #2
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Es spricht nichts dagegen, dass der Mythos um Troja einen historischen Kern hat.

Was die Ausgrabungen von Heinrich Schliemann betrifft, so wird heute davon ausgegangen, dass sich hier tatsächlich die Stadt Troja befand, und von der geografischen Lage her ist gut vorstellbar, dass um die Herrschaft dort aus politischen und wirtschaftlichen Gründen Krieg, wahrscheinlich sogar mehrere Kriege geführt wurden. Inwieweit diese Kriege um Troja direkt die Stadt betrafen (also eher von lokalgeschichtlicher Bedeutung waren) oder Teil einer größeren historischen Auseinandersetzung (z. B. altes Ägypten - Hethiterreich) waren, bleibt allerdings offen.

Wurde Troja letztlich durch einen Krieg endgültig zerstört? Ebenso gut ist vorstellbar, dass die Stadt nach dem Verlust ihrer strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung allmählich aufgegeben wurden und in der Folge verschwand.

Was die Siedlungsgeschichte von Troja betrifft, könnte vielleicht ein Vergleich mit der Zeit der "Völkerwanderung" ganz aufschlussreich sein. Es gibt auf dem Gebiet des früheren römischen Reiches eine ganze Reihe von römischen Kastellen / Siedlungen, die erst im Mittelalter wieder nachgewiesen sind, bei denen aber keineswegs klar ist, ob sie auch während der Völkerwanderung noch existiert haben.

Die heutigen Ausgrabungen zeigen, dass es nicht nur das eine Troja gab. Troja hatte somit eine mehrere Epochen übergreifende Geschichte.
-----------

Was den Mythos betrifft, so dürfte er eine Fiktion oder Überlieferung sein, die allerdings auf einer oder mehreren wahren Begebenheiten entstanden ist. (Vielleicht bietet sich hier bereits der Vergleich mit einem historischen Roman an, der gewöhnlich auch irgendeinen historischen Kern hat, meistens aber doch mehr über seine Entstehungszeit verrät, als über die Zeit, in der er spielt. Oder der vielleicht mehr darüber verrät, wie eine Zeitepoche, ein Geschehnis und Ähnliches von einer oder mehreren späteren Generationen wahrgenommen wurden.

Die Ilias, die Homer zugeschrieben wird und übrigens nur eine Episode aus dem Trojanischen Krieg erzählt, ist so, wie sie überliefert wurde, sicher eine literarische / philosophische Gestaltung der Geschichte / Legenden um den Trojanischen Krieg und keineswegs ein authentischer Bericht darüber. (Was keineswegs ausschließen muss, dass Homers Akteure die Namen von Personen tragen, die zu seiner Zeit noch als historisch "belegt" galten.) Interessant, aber sicher nicht mehr zu klären ist, ob es Homers eigenen Idee war, seine Episode (über Achilles und seinen Kampf mit Hektor) vor dem Hintergrund des tatsächlichen Krieges spielen zu lassen, was der Trojanische Krieg für ihn noch gewesen sein dürfte, oder ob das bereits in seiner möglichen Quelle vorgegeben war.

Was das Trojanische Pferd betrifft - so ist die Geschiche, die sich dahinter verbirgt, keine so originelle. Viele Geschichten beginnen damit, dass es zu Beginn ein Problem bzw. eine Herausforderung gibt, das bzw. die unlösbar scheint. Dem Helden (der keineswegs immer eine eindeutig positive Figur ist) gelingt jedoch das scheinbar Unmögliche - er findet eine Lösung.

Ein Beispiel, wo dieses Thema allerdings bereits auf die Schippe genommen wird: Alexander der Große löst den Gordischen Knoten nicht auf, in dem er ihn etwa entwirrt, wie es zu erwarten gewesen wäre, sondern er löst den Gordischen Knoten, in dem er ihn einfach zerschneidet.

Varianten dieses Themas:
- Die Stadt, das Haus oder Burg oder auch anderes), die de facto nicht erobert / zerstört werden kann, dennoch findet sich der Held (oder Antiheld / Schurke), dem dies gelingt.
- Der Held oder der Schurke, der de facto unbesiegbar ist oder nicht getötet werden kann: auch hier findet sich der, dem diese Tat oder auch Untat gelingt.

Auf den Mythos von Troja übertragen, finden wir übrigens beide Varianten:

Da haben wir einerseits Troja, die Stadt, die von Göttern mit unzerstörbaren Mauern umschlossen wurde. Aber Odysseus (ein Vertreter des Typus des "dunklen" (ambivalenten) Helden hat eine Idee, wie die Mauern umgangen und die Stadt doch erobert werden kann.

Andererseits haben wir Hektor, den Verteidiger von Troja, der letztlich von Achilles getötet wird. (Wobei sich in späteren Gestaltungen in Bezug auf Achilles auch das Motiv vom unbesiegbaren Helden findet, der letztlich doch eine schwache Stelle hat, die ihm zum Verhängnis wird - seine Ferse, und die "Achillesferse" hat bis in die Gegenwart als der übliche Begriff für solchen Schwachstellen überdauert.)

Ein Merkmal des Mythos um den Trojanischen Krieg ist übrigens, dass alle wichtigen Positionen doppelt besetzt sind.

- Zwei Hindernisse sind zur Zerstörung von Troja zu überwinden: der Held Hektor (als ihr Verteidiger) und die Stadtmauern.

- Zwei "Helden" sind zur Zerstörung von Troja notwendig: der (ursprünglich wohl) "strahlende" Held Achilles und der (ursprünglich wohl) "dunkle" Held Odysseus. (Beide sind sicher nicht zufällig aus Randgebieten der "griechischen" Welt und bei beiden findet sich das Motiv, dass sie beinahe nicht am Krieg teilgenommen hätten.)

Auch bei der Entführung der "Schönen Helena", die im Mythos die Ursache für den Krieg ist, sind die Rollen der Akteure doppelt besetzt:
- Agamemnon ist der Anführer der "Griechen", sein Bruder Menelaos aber der Ehemann von Helena und somit der "Geschädigte".
- Hektor bzw. sein Vater Priamus sind die Anführer der "Trojaner", Hektors Bruder Paris aber der "Entführer".
...

Die Frage allerdings, inwieweit die Akteure/innen des Troja-Mythos von Anfang an mit einem tatsächlichen Krieg um die Stadt bzw. die Herrschaft Troja verknüpft waren, fürchte ich, wird sich nicht mehr beantworten lassen. Entwickelte sich der Mythos aus einer Zerstörung der Stadt Troja oder wurden Geschichte um einen Krieg erst später mit der Zerstörung der Stadt Troja verknüpft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass spätere Reiche bzw. Herrscherdynastien ihre Herkunft auf den Mythos von Troja zurückgeführt haben.

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19.04.2016, 11:32
Beitrag: #3
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Rund um Troja ranken sich einige Mythen und Legenden.

Schon die Entdeckung Trojas durch Heinrich Schliemann ist ein solcher Mythos, Nach heutiger Kenntnislage war es mitnichten so, dass Schlieman schon als Junge davon träumte, Troja zu entdecken, dieser Wunsch kam erst wesentlich später und hatte sehr viel profanere Gründe als von ihm später behauptet.
Auch war Schliemann nicht wirklich der Entdecker Trojas, diese Ehre fällt Frank Calvert zu, der Schliemann auf Troja aufmerksam machte. Schliemann war nur der erste Ausgräber.

Bis heute ist umstritten, ob die Stadt am Hisarlik wirklich mit dem Troja Homers identisch war, es gibt Theorien, die den Schauplatz des trojanischen Krieges ins südliche Anantolien verlegen, die aber auch höchst umstritten sind.

Als die große Ausgrabungskmaüagne unter Manfred Korfmann Ende der 80 er, Anfang der 90er jahre begann, galt Troja noch als kleines Piratennest ohne jegliche strategische Bedeutung, eine Auffassung, die Korfmann damals selbst noch vertrat, die er aber im Laufe der Ausgrabungen revidieren mußte. Heute scheint es erwiesen zu sein, dass Troja eine bedeutende handelsmetropole der Bronzezeit war

Weiteres Aufsehen erregte in dieser Zeit der Geoarchäologe Eberhard Zangger mit seiner Theorie, der von Platon beschriebene Untergang von Atlantis sei nichts weiter als eine verzerrte Darstellung des trojanisches Krieges und Troja sei Atlantis. Ich habe mich mit dieser zunächst verückt anmutenden Theorie lange beschäftigt, und wenn ich auch der letztendlichen Schlussfolgerung nicht ganz zustimme, erscheint es mir möglich, dass die gleiche Örtlichkeit sowohl Homer als auch Plato als Vorlage zur Stadtgestaltung diente. (Was aber nicht zwangsläufig das historische Troja war.) Es gibt da einige Übereinstimmungen.

Ein trojanischer Krieg ist zwar nicht nachgewiesen, aber er paßt gut in die beschriebene Zeitepoche- er fällt in das Ende der Bronzezeit, als die ganzen Strukturen des östlichen Mittelmeerraumes zusammenbrachen und sämtliche Reiche außer dem Ägyptischen untergingen. Der trojanische Krieg paßt zeitlich in den großen Rahmen des Seevölkersturms, der in einem anderen Thread ziemlich stark diskutiert wird- möglich, dass der Seevölkersturm mit der Zerstörung Trojas seinen Anfang nahm. (Während Zangger wiederum behauptet, dass die Trojaner zwar der Anfang waren, aber der Trojanische Krieg einen Versuch darstellte, die Seevölkerinvasion zu stoppen. Der krieg wurde zwra gewonnen, aber der Hund war von der kette...)

Die Trojaner hatten möglichweise versucht, die hethiter zu beerben, und die Griechen führten den Krieg gegen sie, um zu verhindern, dass dieser Versuch glückte. Auch dies ist eine viel zu hörende These.

Bedauerlicherweise wird sich diese Frage wohl niemals endgültig klären lassen, weil die Überreste der trojanischen Kernstadt der Bronzezeit bereits zu römscher Zeit schwer beschädigt und vernichtet wurden. Es gibt Hinweise auf feuer und zerstörung in der entsprechenden zeit, aber die sind nicht eindeutig. Sie können auf Krieg, aber auch auf Feuer von innen hindeuten.

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19.04.2016, 12:42
Beitrag: #4
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(19.04.2016 11:32)Bunbury schrieb:  Rund um Troja ranken sich einige Mythen und Legenden.

Schon die Entdeckung Trojas durch Heinrich Schliemann ist ein solcher Mythos, Nach heutiger Kenntnislage war es mitnichten so, dass Schlieman schon als Junge davon träumte, Troja zu entdecken, dieser Wunsch kam erst wesentlich später und hatte sehr viel profanere Gründe als von ihm später behauptet.
Auch war Schliemann nicht wirklich der Entdecker Trojas, diese Ehre fällt Frank Calvert zu, der Schliemann auf Troja aufmerksam machte. Schliemann war nur der erste Ausgräber.

Soweit so klar. Da stimme ich dir zu, dass Schliemann gute Gründe hatte, diese Stadt auszugraben. Soviel wie mir bekannt ist (ich kann mich jetzt auch irren) hatte er so einige Funde nach England gebracht, auch um Anerkennung (die ihm die Fachwelt noch verwehrte) zu erhalten. Diese Funde fanden große Anerkennung.
Hatte nicht Calvert zuerst mit der Grabung begonnen und hatte er nicht Schliemann davon überzeugt, das sich die Grabung als erfolgreich heraus stellen würde?


(19.04.2016 11:32)Bunbury schrieb:  Bis heute ist umstritten, ob die Stadt am Hisarlik wirklich mit dem Troja Homers identisch war, es gibt Theorien, die den Schauplatz des trojanischen Krieges ins südliche Anantolien verlegen, die aber auch höchst umstritten sind.

Das war auch mein Gedanke, ob es sich hier bei dieser Entdeckung tatsächlich um Troja gehandelt hat?
Mein Zitat: Was hatte Schliemann ausgegraben - wenn nicht Troja? Oder wurden bei den Dardanellen die Mauerreste (wie Homer beschrieb) und weitere Funde nur angenommen es müsse sich hier um Troja handeln?

(19.04.2016 11:32)Bunbury schrieb:  Als die große Ausgrabungskmaüagne unter Manfred Korfmann Ende der 80 er, Anfang der 90er jahre begann, galt Troja noch als kleines Piratennest ohne jegliche strategische Bedeutung, eine Auffassung, die Korfmann damals selbst noch vertrat, die er aber im Laufe der Ausgrabungen revidieren mußte. Heute scheint es erwiesen zu sein, dass Troja eine bedeutende handelsmetropole der Bronzezeit war

Soviel ich weis wurde diese These auch sobald verworfen. Die Ruinen deuteten nicht darauf hin, das es nur ein kleines Piratennest war. Denn Troja war angeblich in der Bronzezeit eine bedeutende Handelsmetropole (wie du schreibst)

(19.04.2016 11:32)Bunbury schrieb:  Weiteres Aufsehen erregte in dieser Zeit der Geoarchäologe Eberhard Zangger mit seiner Theorie, der von Platon beschriebene Untergang von Atlantis sei nichts weiter als eine verzerrte Darstellung des trojanisches Krieges und Troja sei Atlantis. Ich habe mich mit dieser zunächst verückt anmutenden Theorie lange beschäftigt, und wenn ich auch der letztendlichen Schlussfolgerung nicht ganz zustimme, erscheint es mir möglich, dass die gleiche Örtlichkeit sowohl Homer als auch Plato als Vorlage zur Stadtgestaltung diente. (Was aber nicht zwangsläufig das historische Troja war.) Es gibt da einige Übereinstimmungen.

Wo haben unterschiedlichen Forscher schon das versunkene Atlantis gesucht? Gab es Atlantis wirklich? Oder entsprang es der Phantasie Platons? Bis heute ist und bleibt wohl Atlantis ein Rätsel. M.E. konnte Troja auch nicht Atlantis gewesen sein; denn es war scheinbar eine Insel für sich im Atlantik?

(19.04.2016 11:32)Bunbury schrieb:  Ein trojanischer Krieg ist zwar nicht nachgewiesen, aber er paßt gut in die beschriebene Zeitepoche- er fällt in das Ende der Bronzezeit, als die ganzen Strukturen des östlichen Mittelmeerraumes zusammenbrachen und sämtliche Reiche außer dem Ägyptischen untergingen. Der trojanische Krieg paßt zeitlich in den großen Rahmen des Seevölkersturms, der in einem anderen Thread ziemlich stark diskutiert wird- möglich, dass der Seevölkersturm mit der Zerstörung Trojas seinen Anfang nahm. (Während Zangger wiederum behauptet, dass die Trojaner zwar der Anfang waren, aber der Trojanische Krieg einen Versuch darstellte, die Seevölkerinvasion zu stoppen. Der krieg wurde zwra gewonnen, aber der Hund war von der kette...)

Kriege (es schienen mehrere davon gegeben zu haben) wurden sicher geführt, doch nicht mit historischen Quellen belegt. Homer hat es in Hinsicht Mythologie verfasst, die sich nicht anlehnte an deiner Aussage, die aber eher passend ist.

(19.04.2016 11:32)Bunbury schrieb:  Die Trojaner hatten möglichweise versucht, die hethiter zu beerben, und die Griechen führten den Krieg gegen sie, um zu verhindern, dass dieser Versuch glückte. Auch dies ist eine viel zu hörende These.

Bedauerlicherweise wird sich diese Frage wohl niemals endgültig klären lassen, weil die Überreste der trojanischen Kernstadt der Bronzezeit bereits zu römscher Zeit schwer beschädigt und vernichtet wurden. Es gibt Hinweise auf feuer und zerstörung in der entsprechenden zeit, aber die sind nicht eindeutig. Sie können auf Krieg, aber auch auf Feuer von innen hindeuten.

So, langer Text und jetzt zurück zur Buchhaltung, freue mich auf weitere Beiträge....

Endgültig stimme ich dir zu, dass der Mythos um Troja wohl niemals aufgeklärt werden kann, schon aus diesem Grund, weil es wohl zu lange in der Zeit zurück liegt.

@Teresa: auch vielen Dank für deinen Text

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19.04.2016, 12:47
Beitrag: #5
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(19.04.2016 07:19)Teresa C. schrieb:  Es spricht nichts dagegen, dass der Mythos um Troja einen historischen Kern hat.

Das Problem beim Trojanischen Krieg ist die fehlende zeitliche Übereinstimmung zwischen dem Ende des mykenischen Griechenlands und der Zerstörung Trojas.

Die trojanische Hochkultur findet sich unzweifelhaft in Schicht VI, die von 1700-1300 v. Chr. reichte. In dieser Zeit entstand die mächtige 8 m hohe Stadtmauer mit Befestigungsanlagen und großen Bastionen, zugleich war die Stadt so dicht besiedelt wie nie zuvor. Die Einwohnerzahl betrug nach Korfmann etwa 5000-10 000 Menschen, was für spätbronzezeitliche Verhältnisse hoch war. Dieses Troja VI ging um 1300 v. Chr. durch ein Erdbeben unter, was sich archäologisch anhand eingestürzter Mauern und anderer Hinweise recht eindeutig bestimmen lässt.

Im darauf folgenden Troja VII a reparierten die Bewohner die Schäden, besserten Mauern und Häuser aus und bewohnten die Stadt noch immer in großer Dichte. Dieses Troja fand sein Ende kurz nach 1200 v. Chr., also etwa um 1180, obwohl ich eine derart exakte Datierung kühn finde. Wie dem auch sei: Troja VII a fand sein Ende durch einen offensichtlich verlorenen Krieg, was sich anhand einer Brandschicht, ausgedehnter Zerstörungen und provisorisch verscharrter Toter nachweisen lässt. Dies könnte nun ein Resultat des Ereignisses gewesen sein, wonach alle suchen: der legendäre Trojanische Krieg.

Obwohl zahlreiche Forscher diese Hypothese vertreten, gibt es ein vertracktes Gegenargument: Als Troja VII a durch ein kriegerisches Ereignis ein Ende fand, nämlich um 1200 v. Chr., war nach Meinung der meisten Forscher Mykene und seine Palastkultur bereits durch die Invasion der Seevölker vernichtet. Insofern könnte es also keinen Krieg gegen Troja geführt haben.

Anhänger der Hypothese meinen, Mykene sei eben später vernichtet und Troja ein wenig früher zerstört worden, also vor dem Einbruch der Seevölker. Andere wiederum vertreten die Auffassung, Troja sei bereits in Schicht VI, die durch ein Erdbeben um 1300 v. Chr. ihr Ende fand, nur erobert worden. Das fehlen kriegerischer Einwirkungen erklären sie damit, dass es keine ghroßen Zerstörungen gegeben habe.

Last not least gibt es bis heute keinen unumstrittenen Nachweis für den Trojanischen Krieg. Zwar hat es Kriege um Troja gegeben, aber DER legendäre der Ilias ist uns noch verborgen.

Natürlich ist es denkbar, dass ein mykenischer Piratenzug um 1200 v. Chr. zur Vernichtung Trojas führte. Das kann entweder kurz vor dem Einbruch der Seevölker gewesen sein oder aber eine Migration von Achäern nach den Verwüstungen mykenischer Zentren im Zusammenhang mit der Seevölkerbewegung.

Beweisbar ist das alles nicht, noch nicht einmal die Identität des legendären Troja mit dem Hissarlik-Hügel - obwohl das heute vom größten Teil der Forscher akzeptiert wird.
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19.04.2016, 20:22
Beitrag: #6
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(19.04.2016 12:42)Aurora schrieb:  Wo haben unterschiedlichen Forscher schon das versunkene Atlantis gesucht? Gab es Atlantis wirklich? Oder entsprang es der Phantasie Platons? Bis heute ist und bleibt wohl Atlantis ein Rätsel. M.E. konnte Troja auch nicht Atlantis gewesen sein; denn es war scheinbar eine Insel für sich im Atlantik?

Was das anbetrifft, würde ich dir empfehlen, den Zangger mal zu lesen. Die Widerlegung der Annahme, Atlantis sei eine Insel im Atlantik ist sehr lesenswert. Sollte der Platotext der Wahrheit entsprechen, dann stammt der Bericht aus Ägypten, und ägyptische Hieroglyphen haben oft mehrere engverwandte, aber nicht eindeutige Bedeutungen. Auch auf die mythologischen Hintergründe geht er ganz gut ein...

(19.04.2016 12:42)Aurora schrieb:  Kriege (es schienen mehrere davon gegeben zu haben) wurden sicher geführt, doch nicht mit historischen Quellen belegt. Homer hat es in Hinsicht Mythologie verfasst, die sich nicht anlehnte an deiner Aussage, die aber eher passend ist.

Was bedeutet "historische Quellen"? Es gibt sicherlich keine Texte dazu, aber dass es Zerstörungen und Brandschatzungen gegeben hat, läßt sich quer durch die ganze Ägäis eindeutig nachweisen. Belegt sind u.a. der Seevölkerüberfall auf Ugarit und der auf Ägypten. Alle fallen in eine bestimmte geschichtliche Epoche, und am Ende dieser Zerstörungen und Brandschatzungen war die alte Ordnung zerstört. Was im übrigen auch bei Homer wieder seinen Anklang findet. Denn als die griechen nach 10 Jahren troja wieder verließen, dann sind sie eben nicht einfach heimgefahren und haben weiterregiert. Agamemnon wurde von seiner Frau und ihrem Liebhaber erschlagen, wofür sein Sohn dann wieder die beiden tötee- das Königreich von Mykene war nicht mehr. Odysseus wurde auf eine Irrfahrt geleitet, um sich nach 10 weitren Jahren auch gegen einen Nebenbuhler durchsetzen zu müssen.
Homer deutet an, dass die Elite zu lange von zu Hause weg war und von jüngeren, unerfahreneren Leuten ersetzt wurden- was aber zum Untergang der Staaten führte. Auch das paßt so gut in das Szenario des Endes der Bronzezeit, wo eben die Paläste nicht mehr aufgebaut wurden, dass ich zwar an eine verzerrte Überlieferung, aber nicht an einen Mythos glaube...

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19.04.2016, 20:32
Beitrag: #7
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(19.04.2016 12:47)Dietrich schrieb:  Das Problem beim Trojanischen Krieg ist die fehlende zeitliche Übereinstimmung zwischen dem Ende des mykenischen Griechenlands und der Zerstörung Trojas.

Die trojanische Hochkultur findet sich unzweifelhaft in Schicht VI, die von 1700-1300 v. Chr. reichte. In dieser Zeit entstand die mächtige 8 m hohe Stadtmauer mit Befestigungsanlagen und großen Bastionen, zugleich war die Stadt so dicht besiedelt wie nie zuvor. Die Einwohnerzahl betrug nach Korfmann etwa 5000-10 000 Menschen, was für spätbronzezeitliche Verhältnisse hoch war. Dieses Troja VI ging um 1300 v. Chr. durch ein Erdbeben unter, was sich archäologisch anhand eingestürzter Mauern und anderer Hinweise recht eindeutig bestimmen lässt.

Im darauf folgenden Troja VII a reparierten die Bewohner die Schäden, besserten Mauern und Häuser aus und bewohnten die Stadt noch immer in großer Dichte. Dieses Troja fand sein Ende kurz nach 1200 v. Chr., also etwa um 1180, obwohl ich eine derart exakte Datierung kühn finde. Wie dem auch sei: Troja VII a fand sein Ende durch einen offensichtlich verlorenen Krieg, was sich anhand einer Brandschicht, ausgedehnter Zerstörungen und provisorisch verscharrter Toter nachweisen lässt. Dies könnte nun ein Resultat des Ereignisses gewesen sein, wonach alle suchen: der legendäre Trojanische Krieg.

Obwohl zahlreiche Forscher diese Hypothese vertreten, gibt es ein vertracktes Gegenargument: Als Troja VII a durch ein kriegerisches Ereignis ein Ende fand, nämlich um 1200 v. Chr., war nach Meinung der meisten Forscher Mykene und seine Palastkultur bereits durch die Invasion der Seevölker vernichtet. Insofern könnte es also keinen Krieg gegen Troja geführt haben.

Letztendlich bist du damit genau mitten drin in dem Szenario, das Zangger in seinen Büchern entworfen hat. Er hielt die Trojaner für den Anfang der Seevölker, wohl weil sie versuchten, nach dem Zusammenbruch des hethiterreichs in das Machtvakuum hineinzustoßen. Sie überfielen Griechenland und brannten die Paläste nieder, es gelang ihnen aber nicht, die griechen endgültig zu besiegen- die dann ihrerseits Mobil machten und gegen Troja zogen. Was sich dann im trojanischen Krieg widerfindet. Und als der krieg dann beendet war, waren auch die Sieger nicht mehr im Stande, aus ihrem Sieg irgendeinen Nutzen zu ziehen- der Krieg hatte zu lange gedauert, zu viel gekostet.

natürlich gibt es keinen Beweis für diese These, aber das Gesamtszenario ist sicherlich nicht uninteressant. ...

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20.04.2016, 07:35
Beitrag: #8
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Interessant finde ich am Mythos von Troja gerade, dass der Krieg letztlich eigentlich fast alle vernichtet, letztlich auch einige der Sieger, wobei das Ganze auch auf Trojanischer Seite eine Milderung erfährt, als es auch dort einige Überlebende gibt, die dann sozusagen zum Gründer neuer Städte (Reiche) werden - nur der Versuch, von gewissen etruskischen Städten (und den Römer) sich eine tolle Abkunft zu schaffen oder verbirgt sich dahinter auch ein wahrer Kern oder eine gewisse über Generationen weiter gegebene Erinnerung.

Interessant ist auch im Zusammenhang mit Troja die beiden, die auf griechischer Seite letztlich doch recht gut davon kommen, auch wenn beiden eine schwierige Heimfahrt nachgesagt wird: neben Odysseus Menelaos und Helena. Das muss nicht zum ursprünglichen Mythos gehört haben, aber auffallend ist es schon, dass Helena bei der ganzen Sache letztlich in den meisten Quellen recht glimpflich davon kommt.

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20.04.2016, 09:53
Beitrag: #9
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Ich möchte mich ganz herzlich für eure bildungsfördernden Texte bedanken.

@Bunbury schreibt: ...würde ich dir empfehlen, den Zangger mal zu lesen. Die Widerlegung der Annahme, Atlantis sei eine Insel im Atlantik ist sehr lesenswert.

Welches Buch (Titel) würdest du mir empfehlen? Er hatte mehrere geschrieben. Ich würde mich auch gerne mal mit dieser Thematik auseinandersetzen.

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20.04.2016, 11:44
Beitrag: #10
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(20.04.2016 07:35)Teresa C. schrieb:  Interessant finde ich am Mythos von Troja gerade, dass der Krieg letztlich eigentlich fast alle vernichtet, letztlich auch einige der Sieger, wobei das Ganze auch auf Trojanischer Seite eine Milderung erfährt, als es auch dort einige Überlebende gibt, die dann sozusagen zum Gründer neuer Städte (Reiche) werden - nur der Versuch, von gewissen etruskischen Städten (und den Römer) sich eine tolle Abkunft zu schaffen oder verbirgt sich dahinter auch ein wahrer Kern oder eine gewisse über Generationen weiter gegebene Erinnerung.

Das sind alles unbeweisbare Hypothesen und Schlussfolgerungen.

Archäologisch belegt ist lediglich die Erosion staatlicher Strukturen im östlichen Mittelmeerraum um 1200 v. Chr., was zum Zusammenbruch der mykenischen Stadtstaaten und des Reichs der Hethiter führte. In Griechenland gab es massive Verwüstungen, was sicher zu Migrationsströmen führte.

Die Ursachen bei Mykene werden heute vielfach in einer innenpolitischen Krise gesehen, z.B. Bürgerkrieg, Aufstände einer unterdrückten Unterschicht und ähnliches. Auch der Zusammenbruch des Hethiterreichs hatte vermutlich innenpolitische Ursachen, wobei ebenfalls Bürgerkrieg und Thronstreitigkeiten angenommen werden. In den Wirren und Flüchtlingsströmen jener Epoche, die in der so genannten "Seevölkerbewegung" gipfelt, wird vermutlich auch Troja untergegeangen sein, wobei niemand die näheren Umstände oder eventuelle Angreifer benennen kann.

Ob wir es schließlich bei den Etruskern mit der Fluchtbewegung einer ägäischen Bevölkerungsgruppe nach Italien zu tun haben, ist ebenfalls eine interessante, aber nicht beweisbare Hypothese.
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20.04.2016, 12:38
Beitrag: #11
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(20.04.2016 11:44)Dietrich schrieb:  Archäologisch belegt ist lediglich die Erosion staatlicher Strukturen im östlichen Mittelmeerraum um 1200 v. Chr., was zum Zusammenbruch der mykenischen Stadtstaaten und des Reichs der Hethiter führte. In Griechenland gab es massive Verwüstungen, was sicher zu Migrationsströmen führte.

Interessant dabei ist allerdings die Frage, ob diese Zusammenbrüche auf Einwirkungen von Außen oder auf Einwirkungen von Innen bedingt wurden. Während man früher häufig die Einwirkungen von Außen als Grund ansah, geht man heute sowohl bei den Hethitern als auch bei den mykenischen Griechen als Einwirkung von Außen aus (und letztendlich läßt sich Homer auch so interpretieren....).

(20.04.2016 11:44)Dietrich schrieb:  Die Ursachen bei Mykene werden heute vielfach in einer innenpolitischen Krise gesehen, z.B. Bürgerkrieg, Aufstände einer unterdrückten Unterschicht und ähnliches. Auch der Zusammenbruch des Hethiterreichs hatte vermutlich innenpolitische Ursachen, wobei ebenfalls Bürgerkrieg und Thronstreitigkeiten angenommen werden. In den Wirren und Flüchtlingsströmen jener Epoche, die in der so genannten "Seevölkerbewegung" gipfelt, wird vermutlich auch Troja untergegeangen sein, wobei niemand die näheren Umstände oder eventuelle Angreifer benennen kann.

Ich glaube nicht so recht daran, daß sowohl die Hethiter als auch die mykenischen Griechen zufälligerweise zeitnah von innen heraus zusammenbrachen. Bei der relativen geographischen und zeitlichen Nähe hing beides sicherlich miteinander zusammen.
Aber hierzu bieten vermutlich andree Wissenschaftsdisziplinen wie z.B. die Wirtschaftswissenschaften oder die Sozialwissenschaften, andere Lösungsmöglichkeiten an als die Altertumskunde, lassen sich letztendlich aber natürlich nicht eindeutig nachweisen.

(20.04.2016 11:44)Dietrich schrieb:  Ob wir es schließlich bei den Etruskern mit der Fluchtbewegung einer ägäischen Bevölkerungsgruppe nach Italien zu tun haben, ist ebenfalls eine interessante, aber nicht beweisbare Hypothese.

Leider weiß ich nicht mehr, in welcher Zeitschrift ich das mal gelesen habe, müßte aber entweder Bild der Wissenschaft oder Spektrum der Wissenschaft gewesen sein. Bei der genetischen Untersuchung einer Männergruppe der Landbevölkerung einer Region Italiens, die den Etruskern zugeschrieben wird, stellte man genetische Übereinstimmung mit Männern aus Anatolien fest. Mal sehen, ob ich den Artikel noch finde. Irgendwo steckt er bestimmt, aber das Chaos in meinen papieren gleicht momentan den Ställen des Augias...
Aber selbst wenn ich ihn finde, kann er heute schon längst widerlegt sein...

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20.04.2016, 13:08
Beitrag: #12
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(20.04.2016 12:38)Bunbury schrieb:  Ich glaube nicht so recht daran, daß sowohl die Hethiter als auch die mykenischen Griechen zufälligerweise zeitnah von innen heraus zusammenbrachen. Bei der relativen geographischen und zeitlichen Nähe hing beides sicherlich miteinander zusammen.

Die Seevölkerbewegung und die "ägäische Wanderung" sind ein komplexes Problem. Das Bündel möglicher Ursachen umfasst Systemzusammenbruch, Aufstände, Missernten und Seuchen, Einbruch kriegerischer Bevölkerungsgruppen in Griechenland usw.

Dass "Seevölker" etwa um 1200 v. Chr. tatsächlich im Raum des östlichen Mittelmeers "wanderten", ist gegenwärtig Stand der Diskussion.

Sicher ist der ägyptische Bericht von Ramses III. über die Seevölker im Grabtempel von Medinet Habu nicht eine neutrale und unmittelbare historische Quelle. Doch gibt es inzwischen Ausgrabungen in Süd- und Westanatolien, Zypern, Syrien und Israel, die eine Präsenz ägäischer Einwanderer zu Beginn des 12. Jh. v. Chr. nachweisen. Die ägäischen Artefakte zeigen allerdings, dass die Migration ägäischer Einwanderer nicht immer mit einer Zerstörung der lokalen Kultur einherging, sondern dass man vielfach von einer friedlichen Koexistenz mit der lokalen Bevölkerung ausgehen kann, die später zu einer Verschmelzung von Autochthonen und Zuwanderern geführt haben wird. Lediglich im Fall der Philister, d.h. der in den Quellen genannten Peleset/Pelischtim, ist ein autonomer Staat mit ethnisch benannter Bevölkerung entstanden.

Der US-Professor Assaf Yaser-Landau sagt dazu in einem Aufsatz über die "Seevölker":

Zitat:Die Wanderung der "Seevölker", unter ihnen auch die Philister, von der Ägäis in die Levante während des frühen 12. Jh. v. Chr., ist eines der faszinierendsten Ereignisse in der Geschichte des Ostmittelmeerraums. Aus kulturgeschichtlicher Sicht ist es ein Wendepunkt, an welchem die Kluft zwischen dem Zusammenbruch der spätbronzezeitlichen Zvilisationen und dem Beginn der Ära der Nationalbewegungen überbrückt wird.

Eine Inschrift aus dem achten Regierungsjahr von Ramses III. in Medinet Habu (ca. 1175 v. Chr.) zeichnet ein dramatisches Bild der Ankunft der fremden Eroberer, die von "Inseln" (offenbar im ägäischen Raum) stammen und auf ihrem Weg durch Anatolien und Syrien in Richtung Ägypten eine Spur der Zerstörung hinter sich ließen. [...]

Während der ägyptische Bericht nicht als unparteiisches und unmittelbares Dokument akzeptiert werden sollte, haben Ausgrabungen in West- und Südanatolien (z.B. Bademgedigi Tepe und Tarsus), Zypern (z.B. Enkomi und Maa Palaeokastro), Syrien (z.B. Ras Ibn Hani) und Israel (z.B. Aschdod, Askalon und Ekron) einen dramatischen Anstieg in der Menge der lokal entstandenen ägäisch geprägten materiellen Kultur zu Beginn des 12. Jh. v. Chr. aufgedeckt.

Die Präsenz ägäischer Einwanderer kann aus dem Auftauchen ägäischer häuslicher Verhaltensmuster geschlossen werden: Essen wurde in Kochtöpfen ägäischer Art gekocht, Wein in Krateren mykenischen Stils gemischt und aus Skyphoi (schüsselartigen Gefäßen) getrunken. Auch die Textilherstellung änderte sich mit der Einführung des Webgewichts ohne Öse zum Aufhängen. Sogar die Wohnarchitektur wandelte sich, und Häuser in Zypern und Israel wurden mit rechteckigen Herdstellen ausgestattet - ein gemeinsamer Zug traditionller ägäischer Architektur der mykenischen Nachpalastzeit (Späthelladisch IIIC). Diese neuen ägäischen Merkmale gingen aber immer Hand in Hand mit dem Fortbestand der jeweils lokalen materiellen Kultur. Nur selten erscheinen sie in der unmittelbaren Folge der Zerstörung eines Ortes der Einheimischen.

Daher ist es wahrscheinlich, dass die ägäische Ansiedlung zumeist nicht gewaltsam verlief, wie von Ramses III. beschrieben, sondern dass sie hauptsächlich durch friedliche Koexistenz mit der lokalen Bevölkerung des Ostmittelmeerraums gekennzeichnet war.

Der genaue Grund für den Aufbruch einer beträchtlichen Zahl an Bewohnern der ägäischen Welt zur Kolonisierung des Ostens wird möglicherweise für immer im Dunkeln liegen. Möglich ist, dass innere Rivalität und Streit in der nachpalastzeitlichen Gesellschaft kulturelle Mobilität ermöglichte und Ansporn für Einzelne wie auch Gruppen bedeutete, ihr Glück auswärts zu versuchen. Die Ost- und Südbewegung wurde zweifellos durch den Untergang des Hethiterreichs und seiner Vasallenstaaten entlang der anatolischen und syrischen Küste kurt nach 1200 v. Chr, bedeutend vereinfacht.

Rückblickend stellt sich das Phänomen "Seevölker" als Erscheinung des unmittelbaren Beginns der Dark Ages Griechenlands dar und es beleuchtet die frühesten Anfänge der Wiederherstellung gesellschaftlicher Strukturen nach dem Ende der mykenischen Paläste. [...]

(Assaf Ysur-Landau, Die Seevölker, in: Zeit der Helden. Die "dunklen Jahrhunderte" Griechenlands 1200-700 v. Chr, Ausstellungskatalog, Karlsruhe 2008, S. 56 f.)

Welche Auslöser im einzelnen für die Seevölkerbewegung maßgebend waren, liegt im Dunkeln. Das sagt auch der von mir oben zitierte Yasur-Landau in seinem Aufsatz zu den "Seevölkern".

Allerdings lassen sich einige konkrete Umrüche nennen, die diese Wanderungen ausgelöst haben könnten. Dazu zählt vor allem das von Brandkatastrophen begleitete Ende der mykenischen Palastkultur und der Untergang des Hethiterreichs. Beide Ereignisse erfolgten um 1200 v. Chr., sodass ein chronologischer Zusammenhang mit dem Auftauchen der Seevölker in Ägypten, Kreta, Zypern und Palästina besteht.

Was sonst noch die Migration bewirkt haben könnte - Klimakatastrophen, Seuchen, Übervölkerung u.ä. - steht in den Sternen und ist bloßer Spekulation überlassen.

Die beiden von mir genannten Ereignisse - Mykene und Hethiter - stehen bei allen Autoren, die sich mit den Seevölkern beschäftigen, an prominenter Stelle. Umwälzungen in Mesopotamien hingegen dürften schon aus geografischen Gründen keine Rolle gespielt. Wie Yasur-Landau oben überzeugend beschreibt, handelte es sich um ägäische Einwanderer, was entsprechende archäologische Funde aus neuerer Zeit eindrucksvoll bestätigen. Betroffen war die gesamte Ägäis einschließlich der großen Inseln Kreta und Zypern.
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20.04.2016, 16:12
Beitrag: #13
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Noch ein Aspekt zur Eroberung Trojas á la Homer: Dass es ausgerechnet das auf eine Idee des Seefahrer-Königs Odysseus zurückgehende "Trojanische Pferd" war, das Troja den Untergang gebracht hat, ist sehr interessant. Poseidon war nämlich nicht nur der Meeresgott der Griechen, er war auch für Erdbeben (vgl. Troja VI und seine Zerstörung durch ein Beben!) zuständig, und ebenso galt er als "Herr der Pferde"... (in klassischer Zeit wurden ihm von den Seefahrern Pferde geopfert, um eine sichere Überfahrt zu erlangen...Wink.

Poseidon ist auf Linear-B-Täfelchen aus Pylos als oberster Gott angesprochen und konkurrierte wohl in der mykenischen Zeit mit Zeus um die Rolle als "Obergott". Neben den Pylos-Täfelchen kann auch die Tatsache, dass das Orakel in Delphi ursprünglich ein Poseidon-Orakel war, diese Aussage unterstützen...Wink

Wenn also Poseidon der oder einer der Hauptgötter der Griechen/Achäer war, dann ist es logisch, dass Homer ihm die Zerstörung Trojas zuschreibt. Zu Homers Zeiten war Poseidon allerdings schon der übellaunige (durch Zeus´ Sieg gefrustete?) Meeresgott; eventuell deshalb wird er in der Episode um das Trojanische Pferd nicht extra erwähnt. Dass er dabei aber eine Rolle spielte, dürfte noch "common sense" bei den homerischen Griechen Kleinasiens gewesen sein, das Pferd deutet darauf hin, evtl. auch das Wissen, dass es in Troja nicht nur häufige und auch sehr starke Erdbeben gibt, sondern auch, dass Troja einst durch ein solches zerstört wurde. Nachdem relativ kurz darauf Troja VIIa durch Krieg zerstört wurde, könnte es durchaus sein, dass hunderte Jahre später, als Homer seine Ilias schrieb, beide Ereignisse ineinander geflossen sind und zur Verquickung der Ereignisse Zerstörung durch ein Erdbeben bzw. Poseidon und Zerstörung durch Krieg geführt haben...
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20.04.2016, 18:08
Beitrag: #14
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(20.04.2016 16:12)913Chris schrieb:  Noch ein Aspekt zur Eroberung Trojas á la Homer: Dass es ausgerechnet das auf eine Idee des Seefahrer-Königs Odysseus zurückgehende "Trojanische Pferd" war, das Troja den Untergang gebracht hat, ist sehr interessant. Poseidon war nämlich nicht nur der Meeresgott der Griechen, er war auch für Erdbeben (vgl. Troja VI und seine Zerstörung durch ein Beben!) zuständig, und ebenso galt er als "Herr der Pferde"... (in klassischer Zeit wurden ihm von den Seefahrern Pferde geopfert, um eine sichere Überfahrt zu erlangen...Wink.

Poseidon ist auf Linear-B-Täfelchen aus Pylos als oberster Gott angesprochen und konkurrierte wohl in der mykenischen Zeit mit Zeus um die Rolle als "Obergott". Neben den Pylos-Täfelchen kann auch die Tatsache, dass das Orakel in Delphi ursprünglich ein Poseidon-Orakel war, diese Aussage unterstützen...Wink

Wenn also Poseidon der oder einer der Hauptgötter der Griechen/Achäer war, dann ist es logisch, dass Homer ihm die Zerstörung Trojas zuschreibt. Zu Homers Zeiten war Poseidon allerdings schon der übellaunige (durch Zeus´ Sieg gefrustete?) Meeresgott; eventuell deshalb wird er in der Episode um das Trojanische Pferd nicht extra erwähnt. Dass er dabei aber eine Rolle spielte, dürfte noch "common sense" bei den homerischen Griechen Kleinasiens gewesen sein, das Pferd deutet darauf hin, evtl. auch das Wissen, dass es in Troja nicht nur häufige und auch sehr starke Erdbeben gibt, sondern auch, dass Troja einst durch ein solches zerstört wurde. Nachdem relativ kurz darauf Troja VIIa durch Krieg zerstört wurde, könnte es durchaus sein, dass hunderte Jahre später, als Homer seine Ilias schrieb, beide Ereignisse ineinander geflossen sind und zur Verquickung der Ereignisse Zerstörung durch ein Erdbeben bzw. Poseidon und Zerstörung durch Krieg geführt haben...

Dieser Zusammenhang ist naheliegend und wird durch Theorien der "weichen" Wissenschaften untermauert. Danke dass du es so schön zusammenfaßt, ich hätte es so nicht mehr zusammenbekommen.
Gibt es eigentlich Überlegungen, warum und wie Zeus Poseidon vom Thron gestoßen hat? Oder anders ausgedrückt- warum er später nicht mehr Obergott war?

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20.04.2016, 18:22
Beitrag: #15
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(20.04.2016 18:08)Bunbury schrieb:  Dieser Zusammenhang ist naheliegend und wird durch Theorien der "weichen" Wissenschaften untermauert. Danke dass du es so schön zusammenfaßt, ich hätte es so nicht mehr zusammenbekommen.
Gibt es eigentlich Überlegungen, warum und wie Zeus Poseidon vom Thron gestoßen hat? Oder anders ausgedrückt- warum er später nicht mehr Obergott war?

Ein wirklich extrem spannender Text von Chris.
Und zu deiner Frage:
Das würde mich jetzt aber auch stark interessieren. Vielleicht schreibt Chris noch etwas dazu?

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20.04.2016, 19:25
Beitrag: #16
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Als quasi Nachfolge und späte Rächer der Trojaner sollten ja nach Vergil via Aeneas die Römer geworden sein; Aeneas und einige Trojaner sollten ja sich nach Italien gerettet haben und Alba Longa gegründet haben, aus dem Rom werden sollte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Aeneas

Hier habe ich übrigens einen alten Thread zum Thema gefunden:

http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...7#pid23267
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21.04.2016, 07:29
Beitrag: #17
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Was Poseidon betrifft, ist noch ein anderer Aspekt nicht uninteressant?

Seine Rolle ist im Mythos um Troja gewissermaßen ambivalent, wenn wir Homers "Odysee" einbeziehen. Denn hier ist Poseidon der Verursacher der Odyssee, in Epos wird das damit begründet, dass er der Vater des Zyklopen Polyphem ist und sich für das, was Odysseus seinem Sohn angetan hat, rächen will. Das Polyphem-Abenteuer des Odysseus findet sich bereits in den ältesten Bilddarstellungen, die als dem Troja-Mythos zugehörig gedeutet werden, weswegen auch für sehr möglich gehalten wird, dass es bereits vor Homers "Odyssee" zur Figur des Odysseus gehört hat.

--------------------

Neben Aeneas wird bei Vergil noch ein weiterer Trojaner namens Antenor zum Ahnherrn einer der Städte auf der Appenninenhalbinsel gemacht.

Interessant ist übrigens, dass es auch eine Version gibt, wonach Aeneas (der gewöhnlich als "positiver" Held gilt) seine Flucht aus Troja dadurch gelang, in dem er die Stadt an die "Griechen" verraten hat. Ein Detail, was wieder zeigt, wie vielfältig dieser Mythos und Stoff um die Zerstörung der Stadt Troja ist, ganz egal, ob hier legendäre oder tatsächliche, wenn gleich "entstellte" Erinnerungen überliefert sind oder diese erst aus politischen, künstlerischen bzw. dramaturgischen Gründen verändert und ausgebaut wurden.

Was aber wiederum eine Möglichkeit ist, die eigene Sicht auf den wahren Gehalt der Geschichtsüberlieferung, wie wir sie heute sehen, zu hinterfragen? Nur ein Beispiel: Ist die Sicht auf die "Römerzeit", die "Völkerwanderung", das "Mittelalter" oder sogar bereits das 19. und 20. Jahrhundert nicht vielleicht längst auf dieselbe Weise beeinflusst, verzerrt oder einschneidend verändert worden?Smile

dass in der Literatur des Mittelalters, in der der Mythos um Troja auch literarisch verarbeitet wurden,

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
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21.04.2016, 10:05
Beitrag: #18
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(21.04.2016 07:29)Teresa C. schrieb:  Was Poseidon betrifft, ist noch ein anderer Aspekt nicht uninteressant?

Seine Rolle ist im Mythos um Troja gewissermaßen ambivalent, wenn wir Homers "Odysee" einbeziehen. Denn hier ist Poseidon der Verursacher der Odyssee, in Epos wird das damit begründet, dass er der Vater des Zyklopen Polyphem ist und sich für das, was Odysseus seinem Sohn angetan hat, rächen will. Das Polyphem-Abenteuer des Odysseus findet sich bereits in den ältesten Bilddarstellungen, die als dem Troja-Mythos zugehörig gedeutet werden, weswegen auch für sehr möglich gehalten wird, dass es bereits vor Homers "Odyssee" zur Figur des Odysseus gehört hat.

Wobei es hier wahrscheinlich so ist, dass Homer mit "odysseus" einen anderen alten Mythos verarbeitet hat. Allein schon,dass die Götter bei Homer sich so zwiespältig verhalten, könnte darauf hindeuten, dass Homer mehrere Versionen der gleichen Geschichten kannte...


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(21.04.2016 07:29)Teresa C. schrieb:  Neben Aeneas wird bei Vergil noch ein weiterer Trojaner namens Antenor zum Ahnherrn einer der Städte auf der Appenninenhalbinsel gemacht.

Nun ja, viele Völker geben an, trojanische Ahnherren zu haben. So sollen auch die britannischen Könige von einem der Gefolgsleute von Äneas abstammen...

(21.04.2016 07:29)Teresa C. schrieb:  Interessant ist übrigens, dass es auch eine Version gibt, wonach Aeneas (der gewöhnlich als "positiver" Held gilt) seine Flucht aus Troja dadurch gelang, in dem er die Stadt an die "Griechen" verraten hat. Ein Detail, was wieder zeigt, wie vielfältig dieser Mythos und Stoff um die Zerstörung der Stadt Troja ist, ganz egal, ob hier legendäre oder tatsächliche, wenn gleich "entstellte" Erinnerungen überliefert sind oder diese erst aus politischen, künstlerischen bzw. dramaturgischen Gründen verändert und ausgebaut wurden.

Das ist in der Tat sehr interessant. Aber bei dem Thema "Verrat" hängt es immer vom sozialen Kontext ab, was dieser "Verrat" eigentlich ist. Es mag durchaus sein, dass die eine oder andere Deutung die Tatsache, dass Aeneas die Stadt verlassen hat und nicht geblieben ist, als "Verrat" interpretiert hat.
In der Artussage heißt es z.B. immer, die Königin Gwenwhyfar habe Ehebruch mit Lancelot begannen- was gewöhnlich als sexuelles Verhältnis angesehen wird. Wird jedoch unterstellt, Gwenwhyfar sei Königin kraft eigenen Rechtes gewesen, hat sie vielleicht in Wahrheit in militärisches Bündis verlassen...Aber da sist ein ganz anderes Thema

(21.04.2016 07:29)Teresa C. schrieb:  Was aber wiederum eine Möglichkeit ist, die eigene Sicht auf den wahren Gehalt der Geschichtsüberlieferung, wie wir sie heute sehen, zu hinterfragen? Nur ein Beispiel: Ist die Sicht auf die "Römerzeit", die "Völkerwanderung", das "Mittelalter" oder sogar bereits das 19. und 20. Jahrhundert nicht vielleicht längst auf dieselbe Weise beeinflusst, verzerrt oder einschneidend verändert worden?Smile

Davon würde ich mal ausgehen. Es gibt keinen objektiven Schreiber und auch keinen objektiven Historiker. Je nach eigenem kulturellen Hintergrund und persönlicher Geschichte kann auch ein um objektivität bemühter Schreiber es nie völlig unterlassen, Sachverhalte zu bewerten.
Und gerade bei vielen anlten Schriften ging es nicht mal um Objketivität. Kein Mensch glaubt heute mehr, dass Caesar mit seinem "Bello Gallico" ein objektives Geschichtswerk verfassen wollte (auch wenn man lange Jahre getan hat als ob.)...
Jede Geschichte wird entprechend des Zeitgeistes neu interpretiert. Weswegen es wohl auch kein Zufall ist, dass so viele historische Romane um das alte Rom heute beim Lesen so vorkommen, als meinten sie eigentlich die Vereinigten Staaten...

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21.04.2016, 14:03
Beitrag: #19
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(21.04.2016 10:05)Bunbury schrieb:  Wobei es hier wahrscheinlich so ist, dass Homer mit "odysseus" einen anderen alten Mythos verarbeitet hat. Allein schon,dass die Götter bei Homer sich so zwiespältig verhalten, könnte darauf hindeuten, dass Homer mehrere Versionen der gleichen Geschichten kannte...
Obwohl ich mich hier jetzt auf ein Gebiet aussrhalb des Mittelalters wage, wo ich nicht sehr viel Ahnung habe, nur soviel: Griechische Götter verhalten sich immer ambivalent - es sind eigentlich nur Menschen mit grösseren Möglichkeiten und denen mehr erlaubt ist als dem gemeinen Menschen.

PS:
Wenn hier die Mythologie bemüht wird, möchte ich darauf hinweisen, dass es Poseidon (zusammen mit Apollo) war, der die Mauern von Troja erbaut hat. Und zwar als von Zeus auferlegte Strafe. Poseidon hat dafür von Troja eine Belohnung verlangt, die ihm zwar versprochen worden war, aber verweigert wurde, als die Trojaner herausgefunden hatten, dass er dazu von Zeus verdonnert worden war. Aus diesem Grund stand Poseidon auch auf Seite der Griechen.

Nicht ausser Acht zu lassen ist auch, das Homer nur das letzt Jahr des zehnjährigen Krieges um Troja beschreibt - in der Realität (wenn überhaupt historisch) dürfte es sich bei trojanischen Krieg also um immer wiederkehrende Kriegszüge gehandelt haben.

Berücksichtigen sollte man bez. der Mythologie vielleicht auch noch, dass Troja bereits vor Agammenon + Co. von Griechen eingenommen worden war - und zwar von Herakles zusammen mit Peleus (Vater von Achill) und Telamon (Vater des grossen Ajax) - also gewissermassen eine "Epigonen-Geschichte". Wink
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21.04.2016, 15:53
Beitrag: #20
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(21.04.2016 14:03)Aguyar schrieb:  
(21.04.2016 10:05)Bunbury schrieb:  Wobei es hier wahrscheinlich so ist, dass Homer mit "odysseus" einen anderen alten Mythos verarbeitet hat. Allein schon,dass die Götter bei Homer sich so zwiespältig verhalten, könnte darauf hindeuten, dass Homer mehrere Versionen der gleichen Geschichten kannte...
Obwohl ich mich hier jetzt auf ein Gebiet aussrhalb des Mittelalters wage, wo ich nicht sehr viel Ahnung habe, nur soviel: Griechische Götter verhalten sich immer ambivalent - es sind eigentlich nur Menschen mit grösseren Möglichkeiten und denen mehr erlaubt ist als dem gemeinen Menschen.

Ach, ich meinte eigentlich nicht dieses typisch launische, kindische Gehabe, das den griechischen Göttern zu eigen ist, sondern dass es auch innerhalb dieses Gehabes gewisse Brüche gibt. Kleine Momente, in denen man denkt, hm das hätte ich bei dem Gott jetzt aber anders erwartet. Leider leide ich momentan an hormonell bedingter Hirnerweichung, so dass ich dir die genauen Stellen nicht nennen kann, aber es betrifft einmal Athene und mindestens zweimal Apollon.


(21.04.2016 14:03)Aguyar schrieb:  PS:
Wenn hier die Mythologie bemüht wird, möchte ich darauf hinweisen, dass es Poseidon (zusammen mit Apollo) war, der die Mauern von Troja erbaut hat. Und zwar als von Zeus auferlegte Strafe. Poseidon hat dafür von Troja eine Belohnung verlangt, die ihm zwar versprochen worden war, aber verweigert wurde, als die Trojaner herausgefunden hatten, dass er dazu von Zeus verdonnert worden war. Aus diesem Grund stand Poseidon auch auf Seite der Griechen.

Interessant, das wußte ich noch nicht. Wobei sich für mich eh die Frage stellt, wie sich das mit den Göttern verhält. Die Trojaner waren nun mal keine Griechen, also dürften die Götter eigentlich nicht die gleichen gewesen sein. Homer hat dann vermutlich in seiner Dichtung versucht, die Götter unter einen Hut zu bringen, anhand der Attribute, die beschrieben wurden (vermutlich stammen auch hiervon die Brüche, die ich erwähnt habe). Wer wohl tatsächlich aus Kleinasien importiert wurde, war, wenn mich nicht alles täuscht, Aphrodite. Kein Wunder, dass sie auf Seiten der Trojaner stand...


(21.04.2016 14:03)Aguyar schrieb:  Nicht ausser Acht zu lassen ist auch, das Homer nur das letzt Jahr des zehnjährigen Krieges um Troja beschreibt - in der Realität (wenn überhaupt historisch) dürfte es sich bei trojanischen Krieg also um immer wiederkehrende Kriegszüge gehandelt haben.

Vermutlich. Wobei sich durchaus auch die Möglichkeit ergibt, dass gewisse Bündnispartner wechselten. Was sich bei Homer wie das beleidigt im Zelt sitzen von Achill liest, kann in Wahrheit auch ein zwischenzeitliches Zerwürfnis von Verbündeten gewesen sein. Eventuell fand sogar auch nur der endkampf wirklich vor Troja statt- und die anderen Kriegszüge galten auch anderen Orten in mehr oder weniger dieser Gegend.

(21.04.2016 14:03)Aguyar schrieb:  Berücksichtigen sollte man bez. der Mythologie vielleicht auch noch, dass Troja bereits vor Agammenon + Co. von Griechen eingenommen worden war - und zwar von Herakles zusammen mit Peleus (Vater von Achill) und Telamon (Vater des grossen Ajax) - also gewissermassen eine "Epigonen-Geschichte". Wink

Wobei ich bei solchen Dopplungen immer ein etwas ungutes Gefühl habe. Wird hier die gleiche Sache zweimal aus zwei Perspektiven erzählt? Zumindest schaue ich mir immer ganz gerne die Möglichkeiten dazu an...

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21.04.2016, 16:59
Beitrag: #21
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(21.04.2016 10:05)Bunbury schrieb:  Wobei es hier wahrscheinlich so ist, dass Homer mit "odysseus" einen anderen alten Mythos verarbeitet hat. Allein schon,dass die Götter bei Homer sich so zwiespältig verhalten, könnte darauf hindeuten, dass Homer mehrere Versionen der gleichen Geschichten kannte...

Vielleicht kannte schon Homer bereits mehrere Versionen von diesem Mythos, da gebe ich dir nur Recht. Daneben aber sollten wir nicht ausschließen, dass schon Homer in seine Epen vieles einfließen ließ, was für ihn damals zeitbedingt war.

Was wir allerdings beim Mythos um Troja nicht übersehen sollten, ist, dass ein Mythos ist, der sich weiterentwickelt hat, und dies wird doch bereits vor Homer gewesen sein, zudem dieser nicht der einzige ist, der uns Geschehnisse, die vor Troja stattgefunden haben (oder angeblich hatten), überliefert. (Gerade die unterschiedlichen Darstellungen in den Tragödien eines Aischylos oder Euripides sind zumindest Hinweise auf unterschiedliche Quellen.)

Bereits für Homer war Troja wohl eine Vergangenheit, die doch schon viele Generationen zurückgelegen haben dürfte. Vielleicht war der Mythos von Troja auch für ihn bereits eine Legende.

Ich selbst gehe davon aus, dass zum Troja-Mythos immer wieder neue Geschichten dazu gekommen sind, die vielleicht ursprünglich gar nichts mit Troja zu tun gehabt haben, dass vielleicht auch später gezielt versucht hat, gewisse Mythen miteinander in Verbindung zu bringen. (Zumindest lässt sich das auch bei anderen Mythologien beobachten.)

Der ursprüngliche Mythos um Troja könnte noch sehr wohl das eine oder andere Detail enthalten hat, das tatsächlich (in irgendeiner Form) stattgefunden hat. Zumindest aber eine Erinnerung, die wenn vielleicht auch "enstellt" erhalten geblieben ist oder einen wahren Kern würde ich schon ausgehen.

Was dieser ursprüngliche Mythos um Troja bereits enthalten hat, schon hier sind wir aber auf Mutmaßungen angewiesen. (Als wichtige Hinweise gelten bildnerische die ältesten bildnerischen Darstellungen.)

(21.04.2016 14:03)Aguyar schrieb:  Nicht ausser Acht zu lassen ist auch, das Homer nur das letzte Jahr des zehnjährigen Krieges um Troja beschreibt - in der Realität (wenn überhaupt historisch) dürfte es sich bei trojanischen Krieg also um immer wiederkehrende Kriegszüge gehandelt haben.

Wenn wir strikt sind, ist anzumerken, dass Homer gar nicht eine Darstellung des gesamten angeblich 10jährigen Krieges gibt, sondern in der "Ilias" eigentlich nur eine Episode aus diesem Krieg erzählt, die sich im letzten Kriegsjahr ereignet hat.

Die 10 dürfte vielleicht auch symbolische Bedeutung haben: 10 Jahre Krieg gegen Troja, 10 Jahre Irrfahrt für Odysseus ...

(21.04.2016 14:03)Aguyar schrieb:  Wenn hier die Mythologie bemüht wird, möchte ich darauf hinweisen, dass es Poseidon (zusammen mit Apollo) war, der die Mauern von Troja erbaut hat. Und zwar als von Zeus auferlegte Strafe. Poseidon hat dafür von Troja eine Belohnung verlangt, die ihm zwar versprochen worden war, aber verweigert wurde, als die Trojaner herausgefunden hatten, dass er dazu von Zeus verdonnert worden war. Aus diesem Grund stand Poseidon auch auf Seite der Griechen.

Daneben könnten hier auch (gewandelte) Wertvorstellungen eine Rolle gespielt haben. Warum wurde Troja dem Erdboden gleich gemacht und die Menschen dort ausgelöscht?

Einen späteren Historiker / Schriftsteller mag damit "moralische" Probleme gehabt haben, vielleicht erfand er deshalb eine solche Geschichte um betrogene "Mauerbauer" (zudem Götter), mit der sich Trojas Ende sozusagen als Strafe für den Frevel eines seiner Herrschers erklärt wird.

Auffallend bleibt aber gerade in dieser Geschichte, dass die beiden betrogenen "Mauerbauer" Götter sind, die im Mythos selbst keineswegs eindeutig als Feinde der Trojanern gezeigt werden.

Apollo gehört zu den Göttern, die auf Seiten der Trojaner sind.

Poseidon ist zwar auf griechischer Seite, zeichnet sich dort aber nicht gerade durch besondere Aktivität aus. (Manche seiner Aktivitäten wie die Schlangen für Laokoon werden in einigen Versionen auch anderen Gottheiten wie z. B. Athene zugeschrieben.)

Seine Rolle wirkt zudem recht ambivalent. Es gibt z. B. auch Interpretationen, die die Odysseeals Racheaktion Poseidons an Odysseus dafür deuten, weil dieser an der Einnahme und Zerstörung Trojas der Hauptschuldige war. (Mit Blick auf die "Mauerbau"-Geschichte ließe sich auch fragen: War Poseidon etwa beleidigt auf Odysseus, weil es dem gelungen war, das Problem mit der von ihm erbauten, unzerstörbaren Mauern zu lösen?Big Grin)

(21.04.2016 14:03)Aguyar schrieb:  Berücksichtigen sollte man bez. der Mythologie vielleicht auch noch, dass Troja bereits vor Agammenon + Co. von Griechen eingenommen worden war - und zwar von Herakles zusammen mit Peleus (Vater von Achill) und Telamon (Vater des grossen Ajax) - also gewissermassen eine "Epigonen-Geschichte". Wink

Diese Geschichte scheint mir eindeutig eine spätere Erfindung zu sein, und Teil des ursprünglichen Mythos.

Das würde nämlich bedeuten: Unsere guten "Griechen" können Troja ganze 10 Jahre nicht erobern. Sie schaffen das erst, als Odysseus mit dem Trojanischen Pferd sozusagen eine Lösung kreirt hatte, wie diese Mauern umgangen werden konnten.
Doch nur eine Generation zuvor war Herkules diese Eroberung Trojas längst und offensichtlich noch dazu in kurzer Zeit gelungen.Wink

Wobei es sich sogar noch um dieselbe Generation handeln dürfte, denm Herkules ist ein Freund von Theseus und der soll die junge Helena bereits entführt haben.Tongue

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21.04.2016, 17:49
Beitrag: #22
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Zu Poseidon und Zeus noch mal.
Poseidon als Pferdegott muss ja eine indogermanische Angelegenheit gewesen sein. Wie ein Pferdegott ins Meer kommt - keine Ahnung. Denkbar jedoch, dass die Form der Schiffsschnäbel, die von je her eine gewisse Ähnlichkeit mit Pferdeköpfen hatten, eine Assoziation weckte. Als Zeus Poseidon als Obergott ablehnte, "entdeckten" die Seefahrer den mächtigen Poseidon als "ihren" Gott.
Zeus übrigens war schon immer ein Himmels- und Wettergott. Scheint auch indogermanischen UIrsrpungs zu sein, aber eventuell hatten die Urbewohner Griechenlands, die sog. "Pelasger", als Obergott auch einen Himmels- udn Wettergott, mit dem Zeus dann verschmolzen ist. Das uralte Heiligtum von Dodona in Epirus ist von anfang an einem Himmelsgott udn Wettergott geweiht gewesen, der dann später evtl. mit Zeus gleichgesetzt wurde. Nachdem die Griechen eingewandert waren, verloren die Pferde ihre Bedeutung und damit auch Poseidon, während das Wetter für die sesshaften Bauern schon immer sehr wichtig war, und demzufolge auch der Wettergott....

Nur ein Versuch von mir, die Zusammenhänge zu entmythologisieren...Wink
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22.04.2016, 14:59
Beitrag: #23
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(21.04.2016 16:59)Teresa C. schrieb:  Ich selbst gehe davon aus, dass zum Troja-Mythos immer wieder neue Geschichten dazu gekommen sind, die vielleicht ursprünglich gar nichts mit Troja zu tun gehabt haben, dass vielleicht auch später gezielt versucht hat, gewisse Mythen miteinander in Verbindung zu bringen. (Zumindest lässt sich das auch bei anderen Mythologien beobachten.)

Eine stets gestellte Frage, ob Homers Troja Erfindung oder bewahrte Erinnerung ist.

Nachdem das Großreich der Hethiter um 1200 v. hr, zerfallen war, danach andere Völker wie die die Phryger Westkleinasien überschwemmten und Trojas endgültiges Siedlungsende um 950 v. Chr, erfolgte, ist eine lokale kleinasiatische Überlieferungstradition unter diesen Umständen unwahrscheinlich. Zumal Griechen erst gegen 700 v. Chr. in die Troas einsickerten.

Der Überlieferungsweg dürfte anders verlaufen sein. Wir wissen dass die Griechen schon im 16. Jh. v. Chr. die prinzipiell gleiche Form des mündlich improvisierten Hexametergesanges pflegten, wie wir sie heute noch in unserem Homer erkennen können. Was dort gerühmt wurde waren große Taten des Adels von "nationaler" Bedeutung. Es ist also wahrscheinlich, dass griechische Hexametersänger der mykenischen Zeit gerade auch die Unternehmungen der mykenischen Machtzentren nach Übersee besangen.

Dazu zählten Konflikte zwischen Hattusa und Achijawa, wie sie in hethitischen Quellen etwa 200 Jahre lang (1400-1200) belegt sind. Sie können an der mykenischen Hexameterdichtung nicht spurlos vorbeigegangen sein und werden den Kern der Troia-Geschichte gebildet haben. Dieser Kern ist dank der Konservativität des Genres durch die Jahrhunderte hindurchgewandert - kondensiert, erweitert, modifiziert und mystifiziert, dabei um je Zeitgemäßes neu bereichert.

Am Ende stand die Form, in der wir die Geschichte vom Krieg um Troija noch heute lesen: die "(W)Ilias" Homers.
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22.04.2016, 18:34
Beitrag: #24
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(22.04.2016 14:59)Dietrich schrieb:  Nachdem das Großreich der Hethiter um 1200 v. hr, zerfallen war, danach andere Völker wie die die Phryger Westkleinasien überschwemmten und Trojas endgültiges Siedlungsende um 950 v. Chr, erfolgte, ist eine lokale kleinasiatische Überlieferungstradition unter diesen Umständen unwahrscheinlich. Zumal Griechen erst gegen 700 v. Chr. in die Troas einsickerten.


Sofern nicht alle ursprünglichen Bewohner der Troas das Gebeit verlassen haben, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Übereste alter Überlieferungen gehalten- und sich dabei mit Überlieferungen der Einwanderer vermischt haben. Das macht es aber natürlich noch schwerer, die urpüngliche Geschichte zu rekonstruieren. Zumal sich vermutlich lokal unterschiedliche Teilgeschichten erhalten habe. Du weißt schon- Held XYZ kam aus der Stadt, deswegen wird seiner hier gedacht, während ABC dort vergessen wird, der aber wiederum aufgrund einer besonderen verbindung zu ort J dort im Gedächtnis geblieben ist.

Ansonsten hast du aber völlig recht.

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23.04.2016, 09:39
Beitrag: #25
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Da auch das mykenische Griechenland nicht vollständig ausgerottet worden ist - einzelne Siedlungen bestanden durchaus weiter fort - und da auch mykenische Griechen im Trojanischen Krieg eine Rlle gespielt haben (vorsichtig ausgerückt...Wink dürften auch in Griechenland Erinnerungen, Mythen, Geschichten an das Ereignis wach geblieben sein. Homer scheint die beiden Entwicklungszeweige, den griechischen und den anatolischen, vereint zu haben. Da er (oder das "Autorenkollektiv", das sich hinter seinem Namen verstecken könnte) aus Anatolien gestammt zu haben scheint und auf griechisch gedichtet hat, ist das m.E. eine durchaus naheliegende These....Wink
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23.04.2016, 17:09
Beitrag: #26
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(23.04.2016 09:39)913Chris schrieb:  Da auch das mykenische Griechenland nicht vollständig ausgerottet worden ist - einzelne Siedlungen bestanden durchaus weiter fort - und da auch mykenische Griechen im Trojanischen Krieg eine Rlle gespielt haben (vorsichtig ausgerückt...Wink dürften auch in Griechenland Erinnerungen, Mythen, Geschichten an das Ereignis wach geblieben sein.

Genau das wollte ich mit meinem obigen Beitrag sagen.

Die in hethitischen Texten belegte Auseinandersetzung zwischen Hattusa und Achijawa in den Jahren 1400-1200 v. Chr. findet sich in Hexametern wieder, die das Geschehen glorifizieren. Diese Heldendichtung wanderte vom griechisch-mykenischen Kulturkreis weiter ins archaische Griechenland und überbrückte auch die Dark Ages zwischen 1100 und 800 v. Chr. Vermutlich haben die meisten in der Ilias genannten Heroen irgendwo einen realen Kern, dessen historische Identität sich heute nicht mehr erschließen lässt.

(23.04.2016 09:39)913Chris schrieb:  Homer scheint die beiden Entwicklungszeweige, den griechischen und den anatolischen, vereint zu haben.

Ob es auch eine anatolische Erzähltradition bzw. einen Sagenkreis um das verschwundene Troja gab, ist ungewiss. Sicher aber nahmen die Griechen ihre Mythen und Sagen mit nach Kleinasien, dessen ägäische Küste ab dem 8. Jh. v. Chr. von Dorern, Ionern, Aiolern besiedelt wurde.
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23.04.2016, 19:01
Beitrag: #27
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Ich habe den Thread geöffnet und ich muss sagen, dass ich eure Antworten extrem spannend finde.
Sie haben mir viel gegeben. Danke dafür. Man lernt eben nie aus..

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02.11.2016, 11:25
Beitrag: #28
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
An dem Mythos Troja ist vor allem wahr, das die Griechen sich erobernd an der dann jonischen Küste angesiedelt haben. Dabei haben sie die Städte der Vorbevölkerung eingenommen und diese weitgehend assimiliert, darunter konnte Troja gewesen sein.

Das mykenische Griechentum ist nicht untergegangen, da es auch heute noch Griechen gibt. Man kann nicht jede Entwicklung in einem Volk gleich als Untergang bewerten.

viele Grüße

Paul

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02.11.2016, 11:48
Beitrag: #29
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Es ist immer wieder verblüffend, wie es dir gelingt, Fakten zu ignorieren...

Der trojanische Krieg hatte mit den "Griechen" überhaupt nichts zu tun. Außer dass ein Teile der Orte später von Griechen besiedelt war.

Nach den Seevölkerstürmen ist es praktisch ausgeschlossen, dass die Mykener alleine sich zu Griechen weiterentwickelten. Das mykenische Griechenland ist untergegangen. Die verbliebenen Überbleibsel der Mykener haben sich mit anderen vermischt, und aus diesem Konglomerat ergaben sich später die Griechen.

Aber der Homo Erectus ist natürlich auch nicht ausgestorben. Die Kultur bliebt ja weiterbestehen, denn Menschen gibt es ja noch heute...

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02.11.2016, 13:37
Beitrag: #30
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 11:48)Bunbury schrieb:  Es ist immer wieder verblüffend, wie es dir gelingt, Fakten zu ignorieren...

Der trojanische Krieg hatte mit den "Griechen" überhaupt nichts zu tun. Außer dass ein Teile der Orte später von Griechen besiedelt war.

Nach den Seevölkerstürmen ist es praktisch ausgeschlossen, dass die Mykener alleine sich zu Griechen weiterentwickelten. Das mykenische Griechenland ist untergegangen. Die verbliebenen Überbleibsel der Mykener haben sich mit anderen vermischt, und aus diesem Konglomerat ergaben sich später die Griechen.

Aber der Homo Erectus ist natürlich auch nicht ausgestorben. Die Kultur bliebt ja weiterbestehen, denn Menschen gibt es ja noch heute...

Hier eine Karte des antiken Griechenlands. Ich habe nicht geschrieben, das die Mykener sich alleine weiterentwickelt haben, sondern nur, das sie nicht untergegangen sind. In deinem 2. Satz gibst du mir dann recht. Warum schreibst du dann zuerst von Untergang?

https://de.wikipedia.org/wiki/Antikes_Gr...Stämme.jpg

Natürlich ist Homo Erectus auch nicht untergegangen, sondern hat sich auf vielfältige Weise in vielen Bevölkerungsgruppen des heutigen Menschen weiterentwickelt.

viele Grüße

Paul

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02.11.2016, 14:51
Beitrag: #31
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 11:48)Bunbury schrieb:  Nach den Seevölkerstürmen ist es praktisch ausgeschlossen, dass die Mykener alleine sich zu Griechen weiterentwickelten. Das mykenische Griechenland ist untergegangen.

Das mykenische Griechenland ist untergegangen, doch hat sich die Bevölkerung natürlich nicht in Luft aufgelöst. Sie siedelte auch nach dem Verschwinden der mykenischen Kriegeraristokratie in Griechenland, bestellte den Boden und trieb Handel. Als die Bevölkerung schlagartig ihre Elite verlor und wenig geklärte Unruhen das Land erschütterten, kam es zu einem Verlust der Schriftlichkeit und einem kulturellen Niedergang. Der mündete von etwa 1200-800 v. Chr. in die "Dark Ages", aus denen wir keine Schriftquellen besitzen.

In diesen 400 Jahren kam es zu sprachlichen Veränderungen. Das archaische mykenische Griechisch, das uns aus den Linear-B-Täfelchen bekannt ist, wandelte sich zum Altgriechischen. Das tritt uns erstmals in den homerischen Epen entgegen, die Griechenlands klassische Zeit einläuten.
Das mykenische Griechenland ist also untrennbar mit späteren griechischen Epochen verbunden, auch wenn sich die Sprache im Lauf der Jahrhunderte wandelte. Das ist ein natürlicher Vorgang, denn Sprachen sind keine starren Konstrukte.
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02.11.2016, 15:19
Beitrag: #32
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 13:37)Paul schrieb:  Nach den Seevölkerstürmen ist es praktisch ausgeschlossen, dass die Mykener alleine sich zu Griechen weiterentwickelten. Das mykenische Griechenland ist untergegangen. Die verbliebenen Überbleibsel der Mykener haben sich mit anderen vermischt, und aus diesem Konglomerat ergaben sich später die Griechen.

Das mykenische Griechenland ist untergegangen, nicht aber die griechische Bevölkerung. Auf die mykenische Epoche folgten zunächst von 1200-800 v. Chr. die Dark Ages, an die sich die klassische Zeit Griechenlands anschloss. Träger aller griechischen Kulturepochen war natürlich die Bevölkerung Griechenlands, die von Mykene bis heute griechisch spricht.

Sprachwissenschaftler unterscheiden dabei mykenisches Griechisch, Altgriechisch, Mittelgriechisch und Neugriechisch. Die Bevölkerungsbasis blieb immer die gleiche auch wenn es besonders mit dem Einbruch der Slawen im 6./7. Jh n. Chr. zu gewaltigen ethnischen Einbrüchen kam. Die kulturelle Kraft der Griechen sorgte dafür, dass die slawischen Elemente assimiliert wurden, was im restlichen Balkangebiet, wo Illyrer und Thraker siedelten, nicht gelang.

Zur Zeit von Mykene gab es noch keine griechischen Siedlungen an der kleinasiatischen Ägäisküste. Lediglich Milet war ein mykenischer Stützpunkt, nachdem es bis etwa 1400 v. Chr. zur minoischen Einflusssphäre gezählt hatte. Die Ausbreitung der Griechen erfolgte erst nach dem Untergang der Hethiter und dem Ende der Dark Ages um 800 v. Chr. Ab da kam es zur griechischen Kolonisation, in deren Verlauf Äoler, Ionier und Dorer Siedlungen und Einflusszonen an Kleinasiens Westküste gründeten.
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02.11.2016, 16:50
Beitrag: #33
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 14:51)Dietrich schrieb:  Das mykenische Griechenland ist untergegangen, doch hat sich die Bevölkerung natürlich nicht in Luft aufgelöst.Sie siedelte auch nach dem Verschwinden der mykenischen Kriegeraristokratie in Griechenland, bestellte den Boden und trieb Handel. Als die Bevölkerung schlagartig ihre Elite verlor und wenig geklärte Unruhen das Land erschütterten, kam es zu einem Verlust der Schriftlichkeit und einem kulturellen Niedergang. Der mündete von etwa 1200-800 v. Chr. in die "Dark Ages", aus denen wir keine Schriftquellen besitzen.

In diesen 400 Jahren kam es zu sprachlichen Veränderungen. Das archaische mykenische Griechisch, das uns aus den Linear-B-Täfelchen bekannt ist, wandelte sich zum Altgriechischen. Das tritt uns erstmals in den homerischen Epen entgegen, die Griechenlands klassische Zeit einläuten.
Das mykenische Griechenland ist also untrennbar mit späteren griechischen Epochen verbunden, auch wenn sich die Sprache im Lauf der Jahrhunderte wandelte. Das ist ein natürlicher Vorgang, denn Sprachen sind keine starren Konstrukte.

Per Defintion wird "mykenisch" nicht an einem Volk, sondern an einer bestimmten Kultur festgemacht. Gib mal aus Spaß "mykenisches Griechenland" bei Google ein- und du landest unweigerlich bei "mykenische Kultur."

Und die ist mit dem Ende der Bronzezeit untergegangen.

Natürlich ist ein Großteil der Bevölkerung geblieben. Bauern bleiben immer, solange der Boden sie noch ernährt. Nur sind die nicht die Träger der Kultur. Und natürlich hat sich die Sprache dieser Bauern weiterentwickelt.

Aber es sind auch neue Kulturtechniken entstanden, neue Kunst, eine neue Lebensart. Es gab keine Paläste mehr etc. Das als eigentlich mykenisch zu bezeichnen...
Oder soll ich dich als Fisch bezeichnen, nur weil unsere Vorfahren irgendwann mal Fische waren?Wink

Es ist sachlich völlig falsch, in der griechischen Kolonialisation der östlichen Ägäisküste den wahren Kern des trojanischen Mythos auszumachen. Diese Kolonialisation erfolgte frühestens vierhundert Jahre nach dem Untergang Trojas.

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02.11.2016, 18:30
Beitrag: #34
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 16:50)Bunbury schrieb:  Per Defintion wird "mykenisch" nicht an einem Volk, sondern an einer bestimmten Kultur festgemacht. Gib mal aus Spaß "mykenisches Griechenland" bei Google ein- und du landest unweigerlich bei "mykenische Kultur."

Und die ist mit dem Ende der Bronzezeit untergegangen.

Wenn ich "mykenisches Griechenland" sage, so meine ich selbstverständlich das bronzezeitliche Griechenland zur Zeit von Mykene, von woher sich der Begriff "mykenische Kultur" ableitet. Und natürlich ging diese bronzezetiliche Kultur um 1200 v. Chr. aus umstrittenen Gründen unter. Nicht aber das griechische Volk. Die Archäologen haben Siedlungskontinuität festgestellt, auch wenn es innerhalb Griechenlands zu Bevölkerungsverschiebungen und kultureller Verarmung kam. Besonders gravierend war hier die Einwanderung des nordwestgriechischen Stamms der Dorer ab etwa 1000 v. Chr., der die innergriechische Bevölkerungsverteilung veränderte.

(02.11.2016 16:50)Bunbury schrieb:  Natürlich ist ein Großteil der Bevölkerung geblieben. Bauern bleiben immer, solange der Boden sie noch ernährt. Nur sind die nicht die Träger der Kultur. Und natürlich hat sich die Sprache dieser Bauern weiterentwickelt.

Aber es sind auch neue Kulturtechniken entstanden, neue Kunst, eine neue Lebensart. Es gab keine Paläste mehr etc. Das als eigentlich mykenisch zu bezeichnen...

Wie viele andere Völker entwickelten auch die Griechen verschiedene Kulturstufen. Und so unterscheidet man das Griechenland zur Zeit der mykenischen Kultur, es gibt ein Griechenland der klassischen Zeit, eins zur Zeit des Hellenismus usw.

Es waren allerdings stets Griechen, die diese kulturellen Entwicklungen trugen, denn einen Bevölkerungswechsel hat es nie gegeben. Es ist wichtig auf diese Kontinuität - mit Brüchen - hinzuweisen.

Die Ahnen der Griechen wanderten Ende des 3. Jahrtausends in ihre heutigen Sitze ein und dort sind sie bis heute geblieben. Dass Völker im Verlauf so langer Epochen kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen erleben, versteht sich von selbst. Auch das deutsche Volk hat sich im Verlauf der letzten 1000 Jahre verändert, dennoch sind wir "Deutsche" geblieben. Was denn sonst?

(02.11.2016 16:50)Bunbury schrieb:  Es ist sachlich völlig falsch, in der griechischen Kolonialisation der östlichen Ägäisküste den wahren Kern des trojanischen Mythos auszumachen. Diese Kolonialisation erfolgte frühestens vierhundert Jahre nach dem Untergang Trojas.

Die griechische Kolonisation hat mit dem Troja-Mythos nichts zu tun. Archäologisch belegt ist der Untergang von Ilios/Troja mit der Siedlungsschicht VII a, und das war 1200 v. Chr. Danach hat es an der Stelle Trojas nur noch eine rudimentäre kleine Siedlung mit unbestimmter ethnischer Bevölkerung gegeben, die Mitte des 12. Jh. v. Chr. durch ein Feuer zerstört wurde.

Ob nun ein mykenischer Überfall vom griechischen Festland, ein Piratenzug der Seevölker oder der Zusammensturz des Hethiterreichs die Ursache für Trojas Untergang waren - oder etwas ganz anderes - lässt sich heute nicht mehr klären.

Als die griechische Kolonisation ab 800 v. Chr. einsetzte, was Ilios/Troja längst eine Trümmerstätte.
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02.11.2016, 19:41
Beitrag: #35
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 13:37)Paul schrieb:  Ich habe nicht geschrieben, das die Mykener sich alleine weiterentwickelt haben, sondern nur, das sie nicht untergegangen sind.

Natürlich ist das griechische Volk der mykenischen Zeit nicht untergegangen. Es kann sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben.

Untergegangen ist lediglich die mykeniosche Kultur.
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02.11.2016, 19:47
Beitrag: #36
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 18:30)Dietrich schrieb:  
(02.11.2016 16:50)Bunbury schrieb:  Es ist sachlich völlig falsch, in der griechischen Kolonialisation der östlichen Ägäisküste den wahren Kern des trojanischen Mythos auszumachen. Diese Kolonialisation erfolgte frühestens vierhundert Jahre nach dem Untergang Trojas.

Die griechische Kolonisation hat mit dem Troja-Mythos nichts zu tun. Archäologisch belegt ist der Untergang von Ilios/Troja mit der Siedlungsschicht VII a, und das war 1200 v. Chr. Danach hat es an der Stelle Trojas nur noch eine rudimentäre kleine Siedlung mit unbestimmter ethnischer Bevölkerung gegeben, die Mitte des 12. Jh. v. Chr. durch ein Feuer zerstört wurde.

Ob nun ein mykenischer Überfall vom griechischen Festland, ein Piratenzug der Seevölker oder der Zusammensturz des Hethiterreichs die Ursache für Trojas Untergang waren - oder etwas ganz anderes - lässt sich heute nicht mehr klären.

Als die griechische Kolonisation ab 800 v. Chr. einsetzte, was Ilios/Troja längst eine Trümmerstätte.

Niemand hat die Mykenische Kultur o. die mykenischen Griechen direkt mit der Kolonisation der heute türkischen Küste in Verbindung gebracht. Ich habe z.B. von der griechichen Besiedlung geschrieben und mich nicht auf den genauen Zeitraum festgelegt.

Das Zitat von 14:37 ist übrigens falsch. Es stammt von Bunbury und nicht von mir, inhaltlich aber nicht relevant.

viele Grüße

Paul

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02.11.2016, 19:55
Beitrag: #37
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 19:47)Paul schrieb:  Ich habe z.B. von der griechichen Besiedlung geschrieben und mich nicht auf den genauen Zeitraum festgelegt.

Die griechische Besiedlung der kleinasiatischen Ägäisküste setzt erst mit Beginn der griechischen Kolonisation ab etwa 800 v. Chr. ein. Zu mykenischer Zeit gab es lediglich mit Milet/Millawanda einen griechischen Stützpunkt. Der war bis etwa 1400 v. Chr. minoisch und ging dann in die Hände der achäischen Nachfolger über.
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02.11.2016, 20:38
Beitrag: #38
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 19:41)Dietrich schrieb:  Natürlich ist das griechische Volk der mykenischen Zeit nicht untergegangen. Es kann sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben.

Untergegangen ist lediglich die mykeniosche Kultur.

Und genau auf diesen Unterschied kam es mir an...

Paul neigt dazu, "Kultur" und "Abstammung" recht willkürlich zu vermischen.

Was noch zu diskutieren wäre, wäre allenfalls, inwieweit die Wirren, die zum Zusammenbruch der bronzezeitlichen Kulturen führten, unmittelbaren Einfluss auf die kulturelle Entwicklung genommen haben- und wieviel mykenische Kultur am Ende noch übrig blieb... Aber ich denke, das sprengt den Rahmen hier....

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02.11.2016, 20:50
Beitrag: #39
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(02.11.2016 20:38)Bunbury schrieb:  
(02.11.2016 19:41)Dietrich schrieb:  Natürlich ist das griechische Volk der mykenischen Zeit nicht untergegangen. Es kann sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben.

Untergegangen ist lediglich die mykeniosche Kultur.

Und genau auf diesen Unterschied kam es mir an...

Tja, da haben wir uns seitenlang missverstanden. Smile

Dass die mykenische Kultur in den Wirren des 13./12. Jh. v. Chr. unterging, ist eine so selbstverständliche Sache, dass ich sie allseits als akzeptiert voraussetzte.

Ab 800 v. Chr. unternahmen die Griechen dann einen neuen Anlauf, der die klassische griechische Kultur der Antike hervorbrachte. Sie unterscheidet sich von der mykenischen so beträchtlich, dass man von einem kulturellen Neuanfang sprechen muss.
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03.11.2016, 09:34
Beitrag: #40
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Die griechische Kultur (800 v. Chr.) hatte auf Europa in Hinsicht Entwicklung entscheidend eingewirkt und mitgeprägt. Auch spielte die Entstehung der humerischen Epen bis 146 v. Chr. eine wesentliche Rolle, indem Griechenland ans Römische Reich bis in die Spätantike angeschlossen wurde.
In vieler Hinsicht brachte die archaische Zeit Grundlagen für die klassische Zeit des antiken Griechenlands hervor.
Zu Beginn standen nach dem "Dunklen Zeitalter" (1200 - 800 v. Chr.) die als frühes Bindeglied der Hellenen so wichtigen homerischen Epen (Ilias und Odyssee 700 v. Chr.??) in schriftlicher Form vor.

Nebenbei vermerkt: In der Mythologie entstanden auch bedeutende Dichtungen des Hesiod (700 v. Chr. griechischer Dichter). Seine Schriften hatten in der weiteren Zeit auf die griechische Kultur eingewirkt.

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03.11.2016, 10:51
Beitrag: #41
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(03.11.2016 09:34)Aurora schrieb:  Die griechische Kultur (800 v. Chr.) hatte auf Europa in Hinsicht Entwicklung entscheidend eingewirkt und mitgeprägt. Auch spielte die Entstehung der humerischen Epen bis 146 v. Chr. eine wesentliche Rolle, indem Griechenland ans Römische Reich bis in die Spätantike angeschlossen wurde.
In vieler Hinsicht brachte die archaische Zeit Grundlagen für die klassische Zeit des antiken Griechenlands hervor.

Das ist halt die spannende Frage, über die sich Wissenschaftler seit Jahren streiten.
Inwieweit ist in Homers Dichtung noch etwas von der alten Kultur Achaias enthalten? Es gibt Hinweise darauf, dass Teile des Epos tatsächlich auf alten Überlieferungen beruhen. (Reimschemen, die nicht ganz stimmen z.B.)

Allerdings ist es doch sehr wahrsheinlich, dass "Homer" (der ja als Einzelperson auch umstritten ist) eine alte Geschichte entsprechend der Vorstellungen seiner Zeit erzählte. Seine Helden entsprechen griechischen Heldenvorstellungen von Homers Zeit.
Ob die Achaier überhaupt Vorstellungen von "Helden" hatten, oder ob diese Vorstellungen Folge der Seevölkerstürme waren (habe da mal einen interessanten Bericht gesehen, dass "Heldenvorstellungen" möglicherweise auf der Seevölkerinvasion beruhen, berühmtestes Beispiel David und Goliath) läßt sich heute zwar trefflich mutmaßen, ist aber umstritten.

Fest steht nur, dass Homer einen alten Stoff verarbeitet hat. Wieviele alte Vorstellungen darin stecken, läßt sich aber nicht mehr sagen....

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03.11.2016, 11:31
Beitrag: #42
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Interessante Aussage!

Ich weiß auch das über Homer nicht mal das Geb.-Datum und Ort bekannt sind. Einige Wissenschaftler stellen sich auch die Frage, ob er wirklich mal gelebt hatte?
Ich habe nochmal etwas nachgelesen und habe bei Tante Wiki auch ein umstritten Punkt (Ursprung) gelesen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Achaier

Besonders interessant scheint dieses Werk zu sein:
Johannes Toepffer: Achaia 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,1, Stuttgart 1893

Also lohnt es sich für mich, alles nochmal zu überdenken.

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03.11.2016, 13:16
Beitrag: #43
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(03.11.2016 09:34)Aurora schrieb:  Die griechische Kultur (800 v. Chr.) hatte auf Europa in Hinsicht Entwicklung entscheidend eingewirkt und mitgeprägt.

Dieser kulturelle Einfluss der Griechen erfolgte indirekt über die Römer, die daraus die klassische griechisch-römische Kultur entwickelten. Die galt dann als Reichskultur im gesamzen Imperium Romanum. Große Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang der Hellenismus, der die griechische Kultur besonders im östlichen Mittelmeerraum verbreitete.

(03.11.2016 09:34)Aurora schrieb:  In vieler Hinsicht brachte die archaische Zeit Grundlagen für die klassische Zeit des antiken Griechenlands hervor.

Wenn du damit die Epoche der mykenischen Kultur meinst, die etwa von 1600-1200 v. Chr. dauerte, so ist das falsch. Was die Griechen nach den Dark Ages in ihrer klassischen griechischen Kultur verwirklichten, war etwas völlig anderes und bedeuetete einen kulturellen Neuanfang. Die mykenische Kultur wurde von einer feudalen Kriegeraristokratie getragen und war eine herrschaftliche Palastkultur, die Krieg und auch Raub künstlerisch stilisierte. Die griechische Klassik hatte hingegen ganz andere Grundlagen, Ideale und Ziele.
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03.11.2016, 19:39
Beitrag: #44
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
Somit hat wohl meine Quelle nix getaugt.Dodgy

Hab auch hier mal gelesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Antikes_Griechenland

Danke auch für eure aufschlussreichen Texte, die mir sehr weiterhelfen.

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04.11.2016, 14:05
Beitrag: #45
RE: Troja, was ist wahr an dem Mythos?
(03.11.2016 19:39)Aurora schrieb:  Somit hat wohl meine Quelle nix getaugt.Dodgy

Hab auch hier mal gelesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Antikes_Griechenland

Da haben wir uns missverstanden, Aurora.

Mit dem Begriff "archaische Zeit" meint der Wiki-Artikel nicht die mykenische Epoche, sondern die Phase nach dem Ende der Dark Ages von etwa 800-600 v. Chr. Diese Zeit bildet natürlich die Grundlage für die anschließende griechische Klassik.
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