Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
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15.06.2012, 09:28
Beitrag: #1
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Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
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Eine Immigration in das Römische Reich, die man als 'Völkerwanderung' bezeichnen kann, hat offenbar nie stattgefunden. Wie verlief in der Spätantike diese Immigration? Weshalb brachte sie 476 das Westreich zu Fall? "Der Begriff „Völkerwanderung“ taucht im Deutschen zuerst Ende des 18. Jahrhunderts auf. Das Deutsche Wörterbuch verzeichnet dazu die Abhandlung Geschichte der Deutschen von Michael Ignaz Schmidt aus dem Jahr 1778, in der von der „sogenannten Völkerwanderung“ die Rede ist.[3] Als feste Epochenbezeichnung benutzt ihn 1790/92 Friedrich Schiller in seinem Aufsatz „Ueber Völkerwanderung, Kreuzzüge und Mittelalter“,[4] er fand dann im 19. Jahrhundert recht schnell allgemeine Verbreitung.[5] Außerhalb des deutschen Sprachraums wird bis heute der kriegerische Aspekt dieser Epoche, verbunden mit dem „Einfall der Barbaren“, hervorgehoben (barbarian invasions – nun verstärkt aber auch migration period –, invasion(s) barbare(s), invasioni barbariche).[6] In der modernen Forschung wird der Begriff durchaus kritisch gebraucht, da nach neuerer Einschätzung das in der älteren Forschung entworfene Bild von „wandernden Völkern“ nicht haltbar ist (siehe auch den folgenden Abschnitt zur Ethnogenese).[7] Es kam zwar (aus ganz unterschiedlichen Gründen) in dieser Zeit zu Zügen von verschiedenen mehr oder weniger großen Gruppen, die aber in der Regel heterogen zusammengesetzt waren.[8] Von einem einheitlichen Prozess der „Wanderung“ ganzer Völker kann daher nicht die Rede sein. Ebenso besteht kein zwingender Grund, die Völkerwanderung ausschließlich als radikalen Einschnitt zu verstehen, da das Ende der Antike ein wesentlich vielschichtigerer Prozess war.[9] Davon war die Völkerwanderung ein Teilaspekt, zumal Elemente der antiken Kultur (bisweilen in anderer Form) noch nach dem 6. Jahrhundert fortbestanden. (...)" http://de.wikipedia.org/wiki/Völkerwande...rwanderung . |
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15.06.2012, 09:59
Beitrag: #2
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Jetzt wird dein Ansatz in dem anderen Thread klarer. Dich stört also der Begriff Völkerwanderung mehr, als die akademische Abgrenzung der Epochen?
Der Begriff Völkerwanderung stammt aus dem vorletzten Jahrhundert, damals war es modern, die Menschen in Völker und Nationen einzuteilen. Du hast recht, heute weiß man, dass damals keine kompletten Völker wanderten, sondern bunt gemischte Gruppen versuchten, während einer durch verschiedene Faktoren ausgelösten Krise, durch Mobilität ihre Lebensgrundlage zu verbessern. Eigentlich ein ganz normaler Migrationsvorgang, wie es ihn davor und danach immer wieder gegeben hat und weiter geben wird. |
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24.06.2012, 10:04
Beitrag: #3
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Ihr Lieben,
es sind doch ganze Stämme gewandert. Von den Ost- und Westgoten, zu den Vandalen und Langebarden, die alle Reiche auf römischen Boden errichteten. Auch die Hunnen, die 375 mit dem Sieg über Ermanerich diese Völkerwanderung auslösten sind gewandert und zwar in die ungarische Tiefebene. ![]() Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu |
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24.06.2012, 12:36
Beitrag: #4
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(15.06.2012 09:28)Gotthelf schrieb: . Selbstverständlich gab es den Einbruch germanischer Stämme ins Römische Reich, oder wie willst du den Durchzug der Westgoten, Ostgoten, Sueben, Vandalen, Langobarden, Burgunder anders bezeichnen? Man muss sich allerdings von der Vorstellung frei machen, dass ethnisch geschlossene Völker auf Wanderschaft gingen. Es handelte sich vielmehr um den Zusammenschluss vielfältiger und ethnisch durchaus unterschiedlicher Gruppen und Volkssplitter, die sich einem namengebenden "Traditionskern" im Laufe der Wanderung anschlossen. Man hat das einmal mit einem Firmenschild verglichen, hinter dem sich eine unterschiedliche Belegschaft versammelte. Manche Forscher sprechen sogar von einer zweiten Ethnogenese, die z.B. Goten oder Langobarden im Verlauf ihrer Wanderung und Reichsgründung auf römischem Boden durchmachten. (15.06.2012 09:28)Gotthelf schrieb: Es kam zwar (aus ganz unterschiedlichen Gründen) in dieser Zeit zu Zügen von verschiedenen mehr oder weniger großen Gruppen, Wenn man einmal die frühen Züge der Kimbern und Teutonen außer acht lässt, so war die zentrale Ursache der germanischen Völkerwanderung der Einbruch der Hunnen 375 n. Chr. Er scheuchte germanische Stämme auf, riss andere mit, von denen einige Schutz im Römischen Reich suchten. Dieser Dominoeffekt löste die Wanderzüge germanischer Gruppen und ihre Reichsbildungen aus, die schließlich zum Untergang des Imperium führten. |
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24.06.2012, 12:47
Beitrag: #5
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.06.2012 10:04)dieter schrieb: Ihr Lieben, Das ist wieder so eine Definitionsfrage, haben wir aktuell auch im Fundleere Schichten-Thema http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...136&page=3 Was sind ganze Stämme oder Völker? Normalerweise migrieren Teile der jungen Generation, manchmal nur Krieger. Das können im Fall von Krisen auch mal alle Jüngeren sein. Deshalb frage ich mich, welche Gründe müssen vorliegen, dass sie beim Wegziehen auch die tatterige Oma und den lahmen Opa mitnahmen? Selbst nomadisch lebende Hirten haben oft Winter- oder Basislagerplätze, an denen rudimentäre Landwirtschaft oder Handwerk betrieben wurde und an dem ein Teil der Gruppe dauerhaft lebte. |
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24.06.2012, 13:56
Beitrag: #6
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.06.2012 12:47)Renegat schrieb: Was sind ganze Stämme oder Völker? Ich sagte bereits: Man muss sich von der Vorstellung frei machen, dass ethnisch geschlossene Völker auf Wanderschaft gingen. Es handelte sich vielmehr um den Zusammenschluss vielfältiger und ethnisch durchaus unterschiedlicher Gruppen und Volkssplitter, die sich einem namengebenden "Traditionskern" im Laufe der Wanderung anschlossen. Man hat das einmal mit einem Firmenschild verglichen, hinter dem sich eine unterschiedliche Belegschaft versammelte. Und natürlich blieb in den ursprünglichen Siedlungsgebieten der abgezogenen germanischen Stämme eine mehr oder weniger große Restbevölkerung zurück. Archäologen haben das z.B. im Fall der Burgunder und Vandalen ganz eindeutig ermitteln können. Diese germanische Restbevölkerung wurde allerdings von den seit dem 5./6. Jh. allmählich vorrückenden Westlawen aufgesogen. |
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24.06.2012, 14:09
Beitrag: #7
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.06.2012 13:56)Dietrich schrieb: Ich sagte bereits: Man muss sich von der Vorstellung frei machen, dass ethnisch geschlossene Völker auf Wanderschaft gingen. Es handelte sich vielmehr um den Zusammenschluss vielfältiger und ethnisch durchaus unterschiedlicher Gruppen und Volkssplitter, die sich einem namengebenden "Traditionskern" im Laufe der Wanderung anschlossen. Man hat das einmal mit einem Firmenschild verglichen, hinter dem sich eine unterschiedliche Belegschaft versammelte.Klar, die Traditionskerne kennen wir, irgendwann schaffen wir es auch, die Völkerwanderung umzubenennen. ![]() (24.06.2012 13:56)Dietrich schrieb: Und natürlich blieb in den ursprünglichen Siedlungsgebieten der abgezogenen germanischen Stämme eine mehr oder weniger große Restbevölkerung zurück. Archäologen haben das z.B. im Fall der Burgunder und Vandalen ganz eindeutig ermitteln können. Diese germanische Restbevölkerung wurde allerdings von den seit dem 5./6. Jh. allmählich vorrückenden Westlawen aufgesogen.Die Restbevölkerung ist ja gerade Thema im Fundleere Schichten-Thread. |
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24.06.2012, 14:20
Beitrag: #8
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.06.2012 14:09)Renegat schrieb: Klar, die Traditionskerne kennen wir, irgendwann schaffen wir es auch, die Völkerwanderung umzubenennen. Als "Umbenennung" würde ich das nicht bezeichnen. Es ist schon ein großer Unterschied, ob man die Wanderung eines ethnisch komplett einheitlichen Volks annimmt, oder eine zusammengewürfelte Gruppe vermutet, die sich lediglich um einen Kern des ursprünglichen Volks gruppiert. Von diesem Kern - als Beispiel seien die Goten genannt - bezogen dann alle anderen im Verlauf der Wanderung ihre Identität, sodass eigentlich ein neues Volk entstand, das lediglich dem Namen nach das "alte Volk" repräsentierte. Aber dass da was "wanderte", ist natürlich unbestreitbar! ![]() (24.06.2012 14:09)Renegat schrieb: Die Restbevölkerung ist ja gerade Thema im Fundleere Schichten-Thread. Nach Abzug eines großen Teils der ostgermanischen Stämme gab es im Raum zwischen Oder und Weichsel zwar keine Fundleere, aber doch eine fundärmere Epoche. Das änderte sich erst, als westslawische Stämme den siedlungsarmen Raum ab dem 5./6. Jh. allmählich auffüllten, |
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24.06.2012, 14:31
Beitrag: #9
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.06.2012 14:20)Dietrich schrieb:Super, jetzt machst du sogar die Kurve zu meinem Eingangspost in http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...hp?tid=136(24.06.2012 14:09)Renegat schrieb: Die Restbevölkerung ist ja gerade Thema im Fundleere Schichten-Thread. Ich versuche das mal da rüberzukopieren und hoffe, dass ich Suebes schwäbische 55 Jahre damit nicht störe. ![]() |
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14.08.2016, 11:26
Beitrag: #10
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Neben der Wanderung und Ausbreitung großer Stammesteile gab es auch die Einwanderung von Einzelnen, Familien und Sippen. Das wissen wir z.B. von der sickernden Wanderung der Matthies/Chatten in die Gebiete südlich der Adrana. Es war keine Eroberung, so das sich die Einwanderer friedlich mit den einheimischen Ubiern arangierten und verschmolzen. Die Römer prägten dann den Begriff Chatten.
Die Archäologen konnten auch für andere Regionen eine dauernde Einwanderung von Norden nach Süden feststellen z.B. von nördlichen Germanen ins Gebiet der Latenekultur z.B. zu den Treverern. Eine Westwanderung z.B. von Ubierm ins Treverer Gebiet in vorrömischer Zeit läßt sich archäologisch nur schwierig feststellen. Erst danach war sie so massenhaft, das die Römer darüber schrieben und der Sprachgebrauch sich linksrheinisch änderte. Die Elbgermanen z.B. Sueben/Hermunduren waren schon im 1. vorchristlichen Jahrhundert für eine kleinere Völkerwanderung mitverantwortlich. Sie selbst wurden sicherlich durch ihre Bevölkerungszunahme zum Wandern mötiviert, um nicht zu hungern. Die Sueben ergriffen nicht die Möglichkeit zu einer intensivierung ihrer Landwirtschaft. Die Hermunduren expandierten trotz intensiver Landwirtschaft Richtung Böhmen und Bayern, die Sueben(Quaden) teilweise auch nach Osthessen in das Gebiet der Tenkterer und Usipeter. viele Grüße Paul aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn) in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt |
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18.08.2016, 17:14
Beitrag: #11
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Habe mich vor kurzem wieder mal mit dem Thema "Untergang Westroms" auseinandergesetzt (eigentlich eher am Rande). Das spannende an der Thematik ist das man immer wieder neue Aspekte und Blickwinkel entdeckt und auch auf neue Überlegungen kommt.
Möchte mal nach eurer Einschätzung zu folgender Überlegung fragen: So gigantisch groß waren die eindringenden Völkermassen dann oft ja gar nicht - aber immerhin groß genug um für Unruhe zu sorgen. Unter Honorius und Valentinian III kam es vor das Personen groß gefeiert wurden, die zwar gegen die Germanen unterlagen, aber denen es gelang einen Gegenkaiser zu besiegen - irgendwie habe ich den Eindruck als sah man diese oft sogar als Gefährlicher an, als die eindringenden Völker. Glaubt ihr war das so? Und noch etwas: Auch später kann man ja beobachten das die Macht Westroms ziemlich schwankte je nachdem wer Heermeister oder Kaiser war. Genau das gleiche bei den Germanen. Viele Völker waren nur unter einer einzigen Führungsperson stark. Kann es sein das, dass ganze zumindest Teilweise auch ein hin und her war. So nach dem Motto "die Wandalen (nur als Beispiel)", haben einen erfolgreichen Anführer, da schließen wir uns jetzt an und wenn ein anderer kommt gehen wir halt zu den. Ist nur wieder mal so ein Eindruck, den mir ein Buch, gegeben hat. Was sagt ihr stimmt dieser Eindruck? |
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20.08.2016, 13:57
Beitrag: #12
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(18.08.2016 17:14)WDPG schrieb: So gigantisch groß waren die eindringenden Völkermassen dann oft ja gar nicht - aber immerhin groß genug um für Unruhe zu sorgen. Unter Honorius und Valentinian III kam es vor das Personen groß gefeiert wurden, die zwar gegen die Germanen unterlagen, aber denen es gelang einen Gegenkaiser zu besiegen - irgendwie habe ich den Eindruck als sah man diese oft sogar als Gefährlicher an, als die eindringenden Völker. Der Untergang Westroms ist ein vielschichtiges und mehrdimensionales Problem, bei dessen Entwirrung Schlachten und Armeen nur einen Faktor von mehreren bilden. In der Spätantike und im Mittelalter sah man mögliche Erklärungen im Verfall alter römischer Werte und Tugenden und in der Vergänglichkeit irdischer Macht. Ein Staat, so glaubte man, würde wie ein lebender Organismus nach der Geburt einen kraftvollen Höhepunkt erreichen, schließlich aber dem Zerfall und einem unaufhaltsamen Tod entgegengehen (Dekadenztheorie). Dieses Denken in moralischen und christlichen Kategorien hat die moderne Geschichtswissenschaft natürlich in vieler Hinsicht erweitert. Heute besteht kein Zweifel daran, dass soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme des spätantiken römischen Staats ebenso für seinen Niedergang verantwortlich sind, wie die äußere Bedrohung durch die germanische Völkerwanderung. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Niedergang der Landwirtschaft und eine unerhörte steuerliche Belastung, die die Kosten der Reichsverteidigung und andere staatliche Leistungen aufbringen sollte. Die Steuerreform des Diokletian verstärkte den Druck auf die Reichsbewohner, die sich inzwischen einer übermächtigen Bürokratie und unerträglichen Steuerlast gegenüber sahen. Besonders hart traf es die Landpächter, die Kolonen. Zur Verhinderung der Landflucht fesselte sie der Staat durch Gesetze an die Scholle und erzwang damit - oft vergeblich - die Bebauung des Landes und Steuerzahlungen. Die städtischen Eliten verarmten inzwischen, da der Staat alle Leistungen auf die Kommunen abzuwälzen suchte und dafür städtische Senate und Bürgermeister in Haftung nahm. Das führte schließlich dazu, dass sich niemand mehr für den römischen Staat verantwortlich fühlte, der nur noch als immense Belastung im täglichen Leben wahrgenommen wurde. Als nach dem Hunneneinfall germanische Völker auf die Reichsgrenzen vorrückten, trafen sie im Raum des Weströmischen Reichs auf eine zerrüttete Landwirtschaft mit unzureichender Nahrungsbasis, stellenweise entvölkerte Regionen mit unbebauten Äckern sowie niedergehende Städte. Die Armee bestand sowohl diesseits als auch jenseits der Reichsgrenze aus vielfach unzuverlässigen Barbaren - abgesehen von den Führungskadern - , und an der Spitze des Staates standen entweder Kinderkaiser, die oft korrupte oder unfähige Vormünder hatten, oder rasch wechselnde Kaiser von Gnaden des Militärs. Diese totale Desintergration Westroms, hervorgerufen durch unterschiedliche Faktoren, bewirkte damit zwangsläufig seinen Untergang. Es ist bezeichnend, dass das Oströmische Reich, das innenpolitisch und wirtschaftlich stärker gefestigt war, noch eine weitaus längere Lebensdauer hatte. Der britische Historiker Peter Heather [1] stellt ein anderes Problem in den Vordergrund. Er sagt, nachdem die Germanen ihre Reiche in Gallien, Spanien und Afrika errichtet hätten, habe Westrom kaum noch Steuern eingenommen. Immherhin waren beträchtliche Teile des Imperiums entglitten. Somit fehlte das Geld, um Armeen in ausreichender Zahl aufzustellen, die Rom hätten verteidigen und die Germanen vertreiben können. [1] Peter Heather, Der Untergang des Römischen Weltreichs, London 2005/Hamburg 2010 |
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20.08.2016, 17:47
Beitrag: #13
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(20.08.2016 13:57)Dietrich schrieb: Der Untergang Westroms ist ein vielschichtiges und mehrdimensionales Problem, bei dessen Entwirrung Schlachten und Armeen nur einen Faktor von mehreren bilden. Als jemand, der sich in der Antike nicht so auskennt, habe ich für den Untergang Roms eine vereinfachende Erklärung: Solange Rom expandierte wurden Gewinne gemacht - auf Kosten der eroberten Völker und Regionen. Irgendwann nach der Adoptivkaiser-Zeit oder schon davor, war das Imperium dann zu gross geworden, um noch expandieren zu können. Dabei spielten nicht nur die Germanen im Westen sondern auch die Völker in Osten (Persien) eine Rolle. Um die bestehenden Grenzen des Imperiums zu erhalten, mussten nach wie vor grosse Heere und Armeen unterhalten werden, die von da an allerdings keine Gewinne mehr einbrachten. Die Macht und auch die Wirtschaftspotenz von Rom war eigentlich auf ständiges Wachstum ausgerichtet. Als dieses ins Stocken kam, weil das ganze eine Dimension erreichte, die auch Roms Möglichkeiten überstieg, begann der Niedergang. Das "Prinzip" Roms war auf Expansion ausgerichtet, nicht auf Verteidigung und Erhalt. |
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21.08.2016, 12:23
Beitrag: #14
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(20.08.2016 13:57)Dietrich schrieb: Der britische Historiker Peter Heather [1] stellt ein anderes Problem in den Vordergrund. Er sagt, nachdem die Germanen ihre Reiche in Gallien, Spanien und Afrika errichtet hätten, habe Westrom kaum noch Steuern eingenommen. Immherhin waren beträchtliche Teile des Imperiums entglitten. Somit fehlte das Geld, um Armeen in ausreichender Zahl aufzustellen, die Rom hätten verteidigen und die Germanen vertreiben können. Auch ich bin der Meinung das es ein Bündel an Faktoren war, die zum Untergang Westroms geführt hatten. Ein ganz wichtiger Faktor ist einfach das man mit den Fronten die man zu verteidigen hatte irgendwann überlastet war - das führte auch zu der Sache mit den Steuern die du erwähnt hast. Was den Verlust von Provinzen betrifft: Stimmt und es gibt für mich auch den Beweis, dass man es damals so gesehen hat: Die letzten Kaiser die versuchten Westrom wieder Glanz zu verleihen, haben alle Versucht die wirtschaftlich bedeutenden Provinzen in Nordafrika wiederzuerobern - vergebens. Meine Frage war aber eher die ob es nicht sein könnte das man weniger die Stämme wie Franken, Burgunder, Wandalen, Westgoten usw. als die wichtigste Bedrohung für die "Zentrale" in Ravenna/Rom gesehen hat, sondern eher Einzelpersonen wie Geiserich, Alarich oder auch die zahlreichen Gegenkaiser? Und ob es nicht vielleicht auch so war das der eine oder andere Stamm oder Familienclan einfach mal das Volk Gewechselt hat, wenn eine starke Führungsperson, den Schutz bot, den eben Rom nicht mehr bieten konnte? |
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21.08.2016, 12:26
Beitrag: #15
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(20.08.2016 17:47)Aguyar schrieb: Als jemand, der sich in der Antike nicht so auskennt, habe ich für den Untergang Roms eine vereinfachende Erklärung: Solange Rom expandierte wurden Gewinne gemacht - auf Kosten der eroberten Völker und Regionen. Irgendwann nach der Adoptivkaiser-Zeit oder schon davor, war das Imperium dann zu gross geworden, um noch expandieren zu können. Dabei spielten nicht nur die Germanen im Westen sondern auch die Völker in Osten (Persien) eine Rolle. Um die bestehenden Grenzen des Imperiums zu erhalten, mussten nach wie vor grosse Heere und Armeen unterhalten werden, die von da an allerdings keine Gewinne mehr einbrachten. Die Macht und auch die Wirtschaftspotenz von Rom war eigentlich auf ständiges Wachstum ausgerichtet. Als dieses ins Stocken kam, weil das ganze eine Dimension erreichte, die auch Roms Möglichkeiten überstieg, begann der Niedergang. Das "Prinzip" Roms war auf Expansion ausgerichtet, nicht auf Verteidigung und Erhalt. Für viele Großreiche gilt das was du hier schreibst, ein ganz typisches Beispiel dafür ist jenes der Osmanen. Aber bei Rom habe ich irgendwie eher nicht den Eindruck als wäre, das der wesentliche Faktor beim Niedergang gewesen. So groß waren die Expansionen seit Augustus auch nicht mehr und dennoch erlebt man unter den Adoptivkaisern noch eine Blütezeit. |
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21.08.2016, 13:30
Beitrag: #16
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Ich denke, Aguyar hat schon nicht so ganz unrecht. Die großen Expansionen blieben nach Augustus zwar aus, aber das lag eher daran, dass Rom bereits zu diesem Zeitpunkt seine "ideale" Ausdehnung gefunden hatte. Rom hatte die Regionen, die sich wirklich gelohnt haben, geschluckt- bei jeder weiteren Eroberung, insbesondere, wenn man an den Norden denkt- war das Kosten- Nutzen Verhältnis schlechter.
Rom profitierte davon, dass es seine Infrastruktur überall hin exportierte und die eroberten Regionen möglichst nach römischen Vorbild gestaltete. Je weiter die eroberten Regionen aber vom Mittelmeer entfernt lagen, um so schwieriger und kostenintensiver wurde das- der Ertrag nahm ab. Klima und geographische Verhältnisse wichen zunehmend von Rom ab. Ein paar Eroberungen gab es noch, aber wenn ich z.B. an Britannien denke, waren sie langfristig eher eine Last. Die Römer konnten es nicht wissen- wenn man von unten nach Britannien sieht, muss Britannien lohnend gewirkt haben- der fruchtbare Süden Englands, die weiten Flüsse und einfachen Transportwege, die Metalle Cornwalls. Sieht man von Norden darauf nieder, wird klar, dass es langsfristig zu teuer ist, die Grenzen zu sichern. Britannien und Irland sind, vom Norden her betrachtet, nämlich Seekönigreiche, die zu Boot sehr viel einfacher zu beherrschen sind als zu Lande...Und langfristig hat sich das auch ausgewirkt...Die Römer haben Britannien verlassen. Es war zu teuer, zu aufwändig die Grenzen des Reiches hier zu schützen.... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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21.08.2016, 19:51
Beitrag: #17
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Rom verlor doch auch die nach römischen Muster erschlossenen Regionen z.B. Gallien und Afrika. Es waren dicht besiedelte reiche Regionen und sie schafften es nicht die Verteidigung zu organisieren.
Es war ein falsches Konzept die Sicherheit in die Hände von Fremdenlegionäre zu legen und das darunter die Germanen in Italien dominierten. Zum Thema: In den linksrheinischen und süddeutschen Gebieten bereitete die Germanisierung durch Einwanderung die Machtübernahme durch Germanen vor. viele Grüße Paul aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn) in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt |
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21.08.2016, 22:45
Beitrag: #18
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(21.08.2016 19:51)Paul schrieb: Rom verlor doch auch die nach römischen Muster erschlossenen Regionen z.B. Gallien und Afrika. Es waren dicht besiedelte reiche Regionen und sie schafften es nicht die Verteidigung zu organisieren. Zwangsläufig. Wenn etwas über die Grenzen hinaus gewachsen ist, dann gibt es keinen langsamen Zusammenbruch. Dann gibt es einen Kollaps. (21.08.2016 19:51)Paul schrieb: Es war ein falsches Konzept die Sicherheit in die Hände von Fremdenlegionäre zu legen und das darunter die Germanen in Italien dominierten. Es gab aber nicht mehr genug römische Soldaten, um die römischen Grenzen zu schützen. Rom mußte Söldner anheuern, und tat dies auch. Das einzige andere Konzept wäre gewesen, sich frühzeitig um Rückzug zu bemühen.... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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22.08.2016, 18:50
Beitrag: #19
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(21.08.2016 12:23)WDPG schrieb: Meine Frage war aber eher die ob es nicht sein könnte das man weniger die Stämme wie Franken, Burgunder, Wandalen, Westgoten usw. als die wichtigste Bedrohung für die "Zentrale" in Ravenna/Rom gesehen hat, sondern eher Einzelpersonen wie Geiserich, Alarich oder auch die zahlreichen Gegenkaiser? Ich verstehe die Frage nicht ganz. Ob nun Stammesführer oder Stamm - das kommt doch aufs gleiche heraus. Der Stammesführer kann seine Forderungen nur aufgrund der hinter ihm stehenden militärischen Macht erheben. Und die durchs Römerreich wandernden Stämme waren vor allem auf Beute und Plünderung aus. Es ist ja bezeichnend, dass in den Germanenreichen der Völkerwanderung kein Germane mehr den Pflug in die Hand nahm und Ackerbau betrieb. Sie alle lebten als Parasiten von den Abgaben und Steuern der einheimischen Bauern, von denen nach dem Usus der Hospitalitas zwei drittel der römischen Elite und ein drittel der germanischen Kriegerkaste hörig war. Dass allerdings charismatische Anführer stets in der Geschichte Wirkung zeigen, ist eine bekannte Tatsache. Aber ohne Macht im Rücken sind auch sie erfolglos. |
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22.08.2016, 20:15
Beitrag: #20
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(21.08.2016 13:30)Bunbury schrieb: Ich denke, Aguyar hat schon nicht so ganz unrecht. Die großen Expansionen blieben nach Augustus zwar aus, aber das lag eher daran, dass Rom bereits zu diesem Zeitpunkt seine "ideale" Ausdehnung gefunden hatte. Rom hatte die Regionen, die sich wirklich gelohnt haben, geschluckt- bei jeder weiteren Eroberung, insbesondere, wenn man an den Norden denkt- war das Kosten- Nutzen Verhältnis schlechter. Ja die Lage wie du in sie in Großbritannien beschrieben hast war in anderen Gegenden wohl ähnlich. Bei vielen Gebieten lohnte sich eine Eroberung wohl nicht. Aber war es denn auch so dass, das römische Steuer- und Wirtschaftssystem die ständige Expansion brauchte. Meiner Meinung nach eher nicht. Denke ein Faktor war es, aber ich sehe es nicht als den Hauptfaktor. |
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22.08.2016, 20:20
Beitrag: #21
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(21.08.2016 22:45)Bunbury schrieb:(21.08.2016 19:51)Paul schrieb: Rom verlor doch auch die nach römischen Muster erschlossenen Regionen z.B. Gallien und Afrika. Es waren dicht besiedelte reiche Regionen und sie schafften es nicht die Verteidigung zu organisieren. Sehe ich nicht so. Roms Expanison wurde in der Zeit von Augustus und Tiberius kleiner. Bis Trajan expandierte man noch. Danach kam noch die Blütezeit von weiteren Adoptivkaisern. Und auch wenn es danach teils massive, teils mittlere Probleme gab, existierte das Römische Reich im Westen noch ca. 300 Jahre, im Osten sogar noch viel, viel länger. Angesichts dessen würde ich nicht von einem Kollaps sprechen, nachdem man über die Grenzen hinausgewachsen war. |
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22.08.2016, 20:22
Beitrag: #22
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(21.08.2016 22:45)Bunbury schrieb: Es gab aber nicht mehr genug römische Soldaten, um die römischen Zum Teil war es aber auch eine bewusste Entscheidung lieber Soldaten von außerhalb des Reichs gegenüber eigenen zu fördern. Denn diese waren dem Kaiser weniger gefährlich. |
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22.08.2016, 21:15
Beitrag: #23
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(22.08.2016 20:20)WDPG schrieb: Sehe ich nicht so. Roms Expanison wurde in der Zeit von Augustus und Tiberius kleiner. Bis Trajan expandierte man noch. Danach kam noch die Blütezeit von weiteren Adoptivkaisern. Und auch wenn es danach teils massive, teils mittlere Probleme gab, existierte das Römische Reich im Westen noch ca. 300 Jahre. Existierte- vielleicht. Funktionierte- nein. Aber ich gebe zu, ich beurteile das ganze vor allem in Bezug auf Britannien und Germanien, war also ein wenig voreilig. Eine Expansion wurde hier durch die geographischen und meteorologischen Begebenheiten verhindert. Aber auch in Afrika waren der Expansion durch solche Bedingungen Grenzen gesetzt. (22.08.2016 20:20)WDPG schrieb: , im Osten sogar noch viel, viel länger. Angesichts dessen würde ich nicht von einem Kollaps sprechen, nachdem man über die Grenzen hinausgewachsen war. Im Sinne davon, dass das Reich sich sofort in Luft auflöste natürlich nicht. Dennoch kann man nicht bestreiten, dass, nachdem Rom über die Grenzen hinaus gewachsen ist, der innere Kern zusammengebrochen ist, die römischen Tugenden an bestand verloren. Das Rom vor den Belastungsgrenzen war nicht mehr das gleiche Rom wie danach, sondern allenfalls ein zerrbild davon.... Ach Mist, ich bekomme es jetzt nicht richtig zu fassen. Im Osten hielten sie sich in der Tat länger, aber vermutlich gab es hier einfach ein stärkeres Fundament. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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22.08.2016, 21:19
Beitrag: #24
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(22.08.2016 20:22)WDPG schrieb:(21.08.2016 22:45)Bunbury schrieb: Es gab aber nicht mehr genug römische Soldaten, um die römischen Was auch wieder zeigt, dass das Alte Rom kollabierte... Wenn man den eigenen leuten nicht mehr vertrauen kann, dann stimmt doch etwas nicht... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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22.08.2016, 22:54
Beitrag: #25
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(22.08.2016 21:15)Bunbury schrieb:(22.08.2016 20:20)WDPG schrieb: Sehe ich nicht so. Roms Expanison wurde in der Zeit von Augustus und Tiberius kleiner. Bis Trajan expandierte man noch. Danach kam noch die Blütezeit von weiteren Adoptivkaisern. Und auch wenn es danach teils massive, teils mittlere Probleme gab, existierte das Römische Reich im Westen noch ca. 300 Jahre. Finde das mit der Expansion siehst du schon richtig. Großbritannien und Afrika mit seinen geografischen Grenzen hast du schon erwähnt. Ich denke nicht das es wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre, weitere Vorstöße nach Germanien zu wagen und auch Persien hätte man nur schwer erobern und schon gar nicht halten können. Man hatte irgendwo seine Grenze gefunden - so wie z.B. auf der anderen Seite Eurasiens Han-China. Doch ich sehe diesen sofortigen Zusammenbruch nicht. Bis ins 3. Jahrhundert ging doch noch alles halbwegs gut, dann kam die Reichskrise. OK, aber durch die Politik von Diokletian und Konstantin konnte man auch diese für einige Zeit wieder überstehen. Erst dann kam der endgültige Niedergang. |
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22.08.2016, 22:57
Beitrag: #26
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(22.08.2016 21:19)Bunbury schrieb: Was auch wieder zeigt, dass das Alte Rom kollabierte... Wenn man den eigenen leuten nicht mehr vertrauen kann, dann stimmt doch etwas nicht... Also selbst in den Jahren des Aufstiegs konnte sich eine Führungsperson in Rom nie sicher sein. Die späteren Kaiser vor dem Niedergang auch nicht, das hat also nicht viel mit dem Niedergang zu tun, war eigentlich fast immer so. Das man verstärkt auf Germanen setzte war meiner Meinung nach auch eine Konsequenz aus der Reichskrise des 3. Jahrhunderts. |
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23.08.2016, 10:24
Beitrag: #27
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Wahrscheinlich hast du recht.
Ich ärgere mich einfach nur über die blöden Römer, weil ihre Wert und Moralvorstellungen bis heute darüber entscheiden, was wir als "gut" und "richtig" anzusehen haben. Inbesondere, was das Beurteilen geschichtlicher Fakten angeht. Griechische und römsiche Auoten haben vor 2500 bis 1500 Jahren ihre Gedanken niedergeschrieben, was entsprechendend den Vorstellungen ihrer Zeit und Gesellschaft wichtig und richtig war. Und wir halten uns noch heute daran, weil unsere kulturellen Vorväter es so gemacht haben. Mittlerweile verstehe ich, warum die Kelten so strikt dagegen waren, ihr Wissen aufzuschreiben... ich denke trotzdem, dass Caesar an allem schuld ist. Er hat sich mit einer gigantischen Bestechungkampagne das Amt des Pontifex Maximus gesichert und dann Gallien ausgeplündert, um seine Schulden zu bezahlen. Wobei sein wahres "Verbrechen" meiner Meinung darin bestand, alles -natürlich für seine Zwecke geschönt- niederzuschreiben und somit der Welt bis heute eine Gebrauchsanleitung zu hinterlassen... Aber ich nehme an, das gehört in einen anderen Thread... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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23.08.2016, 13:34
Beitrag: #28
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(23.08.2016 10:24)Bunbury schrieb: Wahrscheinlich hast du recht. Ich teile deine Einschätzung. Allerdings müsste man hinzufügen, dass die Eroberten (Ausgebeuteten) durchaus auch profitierten - technisch und kulturell. Römischer Chic war auch bei den Kelten und Germanen beliebt. Vom Ostgotenkönig Theoderich der Grosse ist explizit überliefert, dass er Äquadukte und Theater wiederherstellen liess. Cäsar ist allerdings nicht alleine schuld - es war Methode, dass militärische Eroberungen letztendlich nur der Versorgung von Rom selbst zu dienen hatten. Die Neuerungen und Annehmlichkeiten (jedem Kaff sein Circus Maximus, sein Bad, seine beheizbaren Villen) welche von den Römern mitgebracht wurden, bewirkten häufig, dass sich die Eroberten mit ihrem Schicksal ausshöhnten (Ausnahmen wie Vercingetorix bestätigen die Regel). Allerdings war dieses System der Versorgung dazu verdammt, ständig weiterzuwachsen (wie die Wirtschaft, die auch ständig wachsen muss, um zu funktionieren ![]() Ich meine nachvollziehen zu können, was du mit den "blöden" Römern, deren Wert- und Moralvorstellungen wir übernommen hätten, meinst. Im Bereich der Justiz sind wir ganz klar "Rom-lastig". Genauso stark geprägt wurden wir allerdings vom Christentum, welches aber nur zum Teil und mit starken Einschränkungen als "spätrömisch" bezeichnet werden kann. Die Wertvorstellungen die wir von den Griechen übernommen haben, möchte ich aber etwas in "Schutz" nehmen. Zwar haben die Römer viele kulturelle Errungschaften und auch die Götterwelt von den Griechen übernommen, aber wesentliche Bestandteile deren Philosophie ignoriert - mit einigen Aspekten davon konnten sie offenbar nichts anfangen. In technischer Hinsicht wiederum haben sie auch von den Etruskern abgekupfert. Die griechische Kultur halte ich (meine persönliche Meinung) u.a. auch deshalb für etwas besonderes, weil es meines Wissens die einzige Hochkultur der Geschichte ist, die nicht gleichzeitig eine militärische Grossmacht war (Alexander war Mazedone, nicht Grieche). Und weiter, so meine ich (meine ganz persönliche These), dass die Griechen das "Individuum" entdeckt hatten (Ägypter und Römer, aber auch Inder, Chinesen oder Inkas hatten einen "Ameisenstaat"). Jedenfalls möchte ich die Gedankenwelt der alten Griechen für unsere heutigen Wertvorstellung auf keinen Fall missen, während ich die Römer durchaus ebenfalls für entbehrlich halte. ![]() |
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23.08.2016, 14:59
Beitrag: #29
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(23.08.2016 13:34)Aguyar schrieb: Allerdings war dieses System der Versorgung dazu verdammt, ständig weiterzuwachsen (wie die Wirtschaft, die auch ständig wachsen muss, um zu funktionieren Tja, und ich frage mich schon die ganze Zeit, ob es reiner Zufall ist, dass "Die Grenzen des Wachstums" von einer Gruppe namens "Club of Rome" geschrieben wurde ![]() (23.08.2016 13:34)Aguyar schrieb: Ich meine nachvollziehen zu können, was du mit den "blöden" Römern, deren Wert- und Moralvorstellungen wir übernommen hätten, meinst. Im Bereich der Justiz sind wir ganz klar "Rom-lastig". Genauso stark geprägt wurden wir allerdings vom Christentum, welches aber nur zum Teil und mit starken Einschränkungen als "spätrömisch" bezeichnet werden kann. Viele römische Strukturen fanden sich aber später im Christentum wieder- zumindest im römisch- katholischen. Was kein Wunder ist, denn ich neige durchaus zu der Auffassung, dass z.B. Paulus als erster das Christentum, wie es aus Galiliea kam, ein bißchen römisch angepaßt hat.(Liebe Christen bitte nicht auf den Schlips getreten fühlen.) Auch das Konzil von Nicea entsprach doch einer sehr römischen Haltung. Andere christliche Zweige, die sich unabhängig von Rom gebildet hatten, wurden in den folgenden von der römisch- katholischen Kirche entweder ignoriert oder gleich verboten. Gerade das christliche Vergeben hat sich weniger durchgesetzt als die römiche Vergeltung, auch in Bezug auf die Stellung der Frau haben sich römische Vorstellungen eindeutig auch in der Kirche durchgesetzt. (Was mich natürlich besonders interessiert und betrifft). Von daher kann ich das Christentum als anderen, Rom gegenüber gestellten Einfluss nicht gelten lassen. Aber das können wir ja bei Gelegenheit an anderer Stelle noch einmal ausführlich diskutieren.... (23.08.2016 13:34)Aguyar schrieb: Die Wertvorstellungen die wir von den Griechen übernommen haben, möchte ich aber etwas in "Schutz" nehmen. Zwar haben die Römer viele kulturelle Errungschaften und auch die Götterwelt von den Griechen übernommen, aber wesentliche Bestandteile deren Philosophie ignoriert - mit einigen Aspekten davon konnten sie offenbar nichts anfangen.Leider. Zumindest was die Bedeutung von Intelligenz und Individualität angeht. Was Schönheitsideale anbetrifft, habe ich mit dne Griechen allerdings auch meine Probleme... Nein, ich bemängele bei den Griechen letztendlich nur das Konzept des Ideals. Leider hat sich das mit der Indiviualität überhaupt nicht durchgesetzt. Aber auch das ist wieder ein wunderbares Diskussionsthema.... (23.08.2016 13:34)Aguyar schrieb: Die griechische Kultur halte ich (meine persönliche Meinung) u.a. auch deshalb für etwas besonderes, weil es meines Wissens die einzige Hochkultur der Geschichte ist, die nicht gleichzeitig eine militärische Grossmacht war (Alexander war Mazedone, nicht Grieche). Und weiter, so meine ich (meine ganz persönliche These), dass die Griechen das "Individuum" entdeckt hatten (Ägypter und Römer, aber auch Inder, Chinesen oder Inkas hatten einen "Ameisenstaat"). Jedenfalls möchte ich die Gedankenwelt der alten Griechen für unsere heutigen Wertvorstellung auf keinen Fall missen, während ich die Römer durchaus ebenfalls für entbehrlich halte. Ja, da gebe ich dir recht. Und wenn die Römer den Weltraum erobert hätten, wissen wir auch, was sie geworden wären. "Wir sind die Borg. Sie werden assimiliert werden..." Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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23.08.2016, 17:33
Beitrag: #30
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(23.08.2016 13:34)Aguyar schrieb: Allerdings war dieses System der Versorgung dazu verdammt, ständig weiterzuwachsen (wie die Wirtschaft, die auch ständig wachsen muss, um zu funktionieren Ich denke, dass kann man so pauschal nicht sagen. Immerhin überlebte das Öströmische Reich Westrom noch um rund 1000 Jahre, wenn auch bei schrumpfendem Staatsgebiet. Möglicherweise war Ostrom/Byzanz innenpolitisch stabiler und wirtschaftlich besser aufgestellt. An Feinden hatte auch Ostrom an seinen West- und Ostgrenzen genug zu tun. Man muss sich wundern, dass Westrom nicht wenigstens sein Kernland Italien behapten konnte, sondern die Desintegration so weit fortgeschritten war, dass sich alle staatlichen Strukturen auflösten. |
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23.08.2016, 19:02
Beitrag: #31
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Mal provokativ gefragt:
Ist Rom überhaupt untergegangen? Besteht das "Römsche Reich" trotz aller Veränderungen über anderthalb Jahrtausenden nicht doch weiter? Sogar die universale "Kaiser-Idee" hat doch noch ein Napoleon Bonaparte durchaus ernst genommen. Die christlichen Kirchen leben die Tradition doch fort. Die EU ist doch nichts anderes als ein modernes "Römisches Reich". Überhaupt der abendländische Kulturkreis ein weiterentwickeltes Römisches Reich. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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23.08.2016, 21:40
Beitrag: #32
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(23.08.2016 10:24)Bunbury schrieb: Wahrscheinlich hast du recht. Sehe es eher so, wie bei den meisten Kulturen, war manches gut und bewundernswert. Manches schrecklich oder negativ. Was hier nicht wirklich reinpasst: Europa würde wohl ganz anders aussehen, wenn es das Römische Reich nicht gegeben hätte. |
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23.08.2016, 22:55
Beitrag: #33
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(22.08.2016 18:50)Dietrich schrieb: Ich verstehe die Frage nicht ganz. Es ließen sich doch massenhaft Germanen als Bauern in Nordfrankreich, dem Elsaß, England, Süddeutschland... nieder. viele Grüße Paul aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn) in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt |
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24.08.2016, 09:56
Beitrag: #34
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(23.08.2016 21:40)WDPG schrieb:(23.08.2016 10:24)Bunbury schrieb: Wahrscheinlich hast du recht. ne, wohl nicht. Aber spannend wäre die Frage schon... Vielleicht sollten wir in Spekulative Geschichte mal ein wenig darüber sinnieren.... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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24.08.2016, 12:53
Beitrag: #35
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(23.08.2016 22:55)Paul schrieb: Es ließen sich doch massenhaft Germanen als Bauern in Nordfrankreich, dem Elsaß, England, Süddeutschland... nieder. Aber nicht die Kriegereliten in den typischen Germanenreichen der Völkerwanderung, wie das Ost- und Westgotenreich, das Langobardenreich, das Vandalenreich oder das Reich der Gepiden. Das Frankenreich hingegen ist kein Germanenreich der Völkerwanderung und natürlich zählen auch die Reiche der Thüringen oder Alemannen nicht dazu. |
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24.08.2016, 12:58
Beitrag: #36
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich? | |||
24.08.2016, 13:08
Beitrag: #37
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.08.2016 12:58)Dietrich schrieb:(23.08.2016 19:02)Suebe schrieb: Mal provokativ gefragt: aber gerne. In Hechingen an der Stiftskirche "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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24.08.2016, 13:45
Beitrag: #38
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich? | |||
24.08.2016, 14:40
Beitrag: #39
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.08.2016 13:45)Dietrich schrieb:(24.08.2016 13:08)Suebe schrieb: aber gerne. die Inschrift über dem Portal "des Römischen Reiches Fürst...." "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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24.08.2016, 17:11
Beitrag: #40
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(23.08.2016 19:02)Suebe schrieb: Mal provokativ gefragt: Irgendwie habe ich deinen Post gestern überlesen. Tut mir leid. Nein, ich glaube nicht, dass das römische Reich wirklich untergegangen ist. Es hat sich weiterentwickelt, ja, sich auch angepaßt, aber ich würde nicht sagen, dass es heute etwas grundlegend anderes ist. Wobei man natürlich sagen muss, dass das Römische reich selbst nie etwas statitsches war. Das römische Reich von 100 v. Chr. war ein anderes als das von 100 nach Christus oder das von 400 nach Christus. Die grundlegenden Gedanken, die das römische Reich begründeten, liegen auch unserem System zugrunde, von daher würde ich die Frage bejahen. Auch wenn ich natürlich weiß, dass heute im Krieg keine Schildkröte mehr gebildet wird. Es ist die Grundidee einer Gesellschaftsordnung, die sich im Römischen reich auf die Art und Weise ausdrückte, wie sie es tat- und es die gleiche Grundidee, die sich heute mit den heutigen Mitteln ausdrückt... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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25.08.2016, 14:34
Beitrag: #41
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.08.2016 17:11)Bunbury schrieb: Nein, ich glaube nicht, dass das römische Reich wirklich untergegangen ist. Du bist demnach ein Verfechter der Kontinuitätstheorie. Als staatliches Gebilde ist das Weströmische Reich untergegangen. In diesem Zusammenhang kann man diskutieren, ob eher das Abreißen von Traditionen, Zuständen und Strukturen (Diskontinuität) zu betonen ist, was in extremster Form als "Katastrophentheorie" bekannt ist. Oder ob die Erhaltung und das Fortbestehen von Traditionen, Zuständen und Strukturen betont werden soll. Ebenfalls wäre zu überlegen, in welchem Ausmaß Transformation oder Verwandlung ein zutreffender Begriff für das Geschehen ist. Beim Städtewesen, in Handwerk, Technik und Wissenschaft erfolgten Einbußen, aber kein völliges Verschwinden. Ferner gab es beträchtliche regionale Unterschiede. Weströmische Administration, Staatsspitze und Heer hatten sich Ende des 5. Jh. aufgelöst. Auf dem einstigen Territorium Westroms befanden sich mit den Reichen der Westgoten, Ostgoten, Vandalen, Sueben, Burgunder und Franken neue Staaten. Das muss man schon als Untergang des Weströmischen Reichs bezeichnen. Dass die spätantike römische Kultur auf die germanischen Reiche und später auch auf die Völker und Staaten des mittelalterlichen Europas auf vielfache Weise einwirkte, ist über das Verschwinden des weströmischen Staatsorganismus hinaus eine unbestreitbare Tatsache. Wenn man schon von Transformation spricht, so betrifft das nicht den weströmischen Staat, sondern die Kultur der Spätantike, die die Fundamente legte, auf denen das abendländische Europa aufbaute. |
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25.08.2016, 14:41
Beitrag: #42
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(24.08.2016 09:56)Bunbury schrieb: ne, wohl nicht. Aber spannend wäre die Frage schon... Vielleicht sollten wir in Spekulative Geschichte mal ein wenig darüber sinnieren.... Darüber gibt es sogar eine Diskussion, in folgenden Tread kamen wir auf die Diskussion wie Europa ohne Rom ausgesehen hätte: http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...php?tid=26 |
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25.08.2016, 17:46
Beitrag: #43
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(25.08.2016 14:34)Dietrich schrieb: Du bist demnach ein Verfechter der Kontinuitätstheorie. Nein, eigentlich nicht. Ich kenne die Theorie nicht einmal. Ich habe mich nur vor Jahren mal sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt, wieviel Rom in der christlichen Kirche steckt und bin zu dem Schluss gekommen, dass da viel überlebt hat. (25.08.2016 14:34)Dietrich schrieb: Als staatliches Gebilde ist das Weströmische Reich untergegangen. Das ist richtig. Dem würde ich auch nicht widersprechen. Aber ich neige dazu, die Dinge eher fließend zu betrachten und nicht statisch- und dann wird das Römische Reich als staatliches Gebilde eher bedeutungslos, dann ist es eher die Struktur und die Idee, die dahinter steht entscheidend. Egal, in welchen physischen Grenzen sie sich abspielt und wie man sie nennt (25.08.2016 14:34)Dietrich schrieb: Ebenfalls wäre zu überlegen, in welchem Ausmaß Transformation oder Verwandlung ein zutreffender Begriff für das Geschehen ist. Auch das hängt wieder davon ab, wie man "Transformation" definiert. Von meinem Standpunkt aus gesehen, sind die grundsätzlichen Muster erhalten geblieben, auch wenn sie sich äußerlich ein bißchen verändert haben. Das wäre in der geistigen Welt, in der ich lebe, aber keine Transformation. Ich würde das ganze eher als "Anpassung" bezeichnen. Die äußerlichen Umstände haben sich geändert, nicht aber das grundliegende System. (25.08.2016 14:34)Dietrich schrieb: Weströmische Administration, Staatsspitze und Heer hatten sich Ende des 5. Jh. aufgelöst. Auf dem einstigen Territorium Westroms befanden sich mit den Reichen der Westgoten, Ostgoten, Vandalen, Sueben, Burgunder und Franken neue Staaten. Das muss man schon als Untergang des Weströmischen Reichs bezeichnen. Ja, wenn man ein festes Staatsgebilde als Definitionsgrundlage des Römischen Reiches zu Grunde legt. Aber wie gesagt, mein Blickwinkel ist ein anderer.... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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25.08.2016, 21:28
Beitrag: #44
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Was das mit dem Untergang betrifft würde ich es so sehen:
Ja politisch, als Großreich ist Rom untergegangen. Ende des 5. Jahrhunderts im Westen und im Osten 1453. Was das mit Kultur/Strukturen/Recht usw. betrifft: Einerseits muss man schon sagen das da vieles einen Niedergang erlebte, man vergleiche eine mittelalterliche Stadt mit einer römischen. Aber eines ist klar, natürlich baut eine Epoche auf der vorherigen auf und so ist Rom natürlich irgendwo ein Teil des Fundamentes für das spätere und auch heutige Europa und verschwand nicht spurlos. |
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26.08.2016, 12:10
Beitrag: #45
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(23.08.2016 17:33)Dietrich schrieb: Man muss sich wundern, dass Westrom nicht wenigstens sein Kernland Italien behapten konnte, sondern die Desintegration so weit fortgeschritten war, dass sich alle staatlichen Strukturen auflösten. Das hing damit zusammen, WIE das Weströmische Reich kollabierte. Nämlich im Wesentlichen von innen heraus ![]() Gallien und Africa gingen nämlich nicht einfach "verloren". Beide Reichsteile (Gallien oft in Verbindung mit Spanien, noch öfter mit Britannien, solange das noch "römisch" war) waren erst mal Schauplatz von Sezessionen, hier bildeten sich "Sonderreiche", die von Italien aus mühsam zurückerobert werden mussten, oft in jahrzehntelanger Arbeit. Dadurch wurde nicht nur Italien geschwächt (und damit das Kaisertum), sondern auch die betroffenen Provinzen zogen meist den Kürzeren. Nach Zeiten der relativen Sicherheit unter einem "Sonderkaiser" erfolgte durch die Rückeroberung eine Phase der Zerstörung und Unsicherheit. Nachdem das oft genug passiert war, war der Weg frei für Germanen (in Gallien Goten und Franken, in Africa die Wandalen). Als die Franken und Goten sich in Gallien etabliert hatten (nominell "abhängig" von Rom/Italien) und die Wandalen ihr Reich in Africa aufgebaut hatten (dieses als einziges Germanenreich auch rechtlich völlig unabhängig von Italien/Rom!), blieb dem Kaiser/Heermeister in Italien eben nur noch Italien als "echtes" Herrschaftsgebiet. Aus Italien war aber nicht mehr viel rauszuholen. Neben älteren Steuerprivilegien (zu Ungunsten des Kaisers) war Italien auch ganz einfach ausgeblutet durch die ständigen Kriege (nicht nur, aber auch die ständigen Raubzüge der Vandalen und zuvor der Goten spielten hierbei eine Rolle, aber eben auch der ständige Bedarf der Kaiser/Heermeister an Geld und Soldaten), es war auch ungeeignet dafür, ein "Rumpfreich" aufrechtzuerhalten. Odoaker hat letzten Endes den logischen Schlussstrich gezogen und ein eigenes Königreich errichtet, das nun ohne die alten rechtlichen Hemmnisse in Italien Steuern einziehen konnte und Soldaten rekrutieren konnte. Die römische Oberschicht konnte einige Privilegien retten, auch weil Odoaker nominell von Ostrom aus "ernannt" bzw. bestätigt worden ist, aber dank der "tabula rasa", die Odoaker sich geschaffen hat, war nun auf italienischem Boden wieder ein eigenständiges Reichsgebilde machbar. Theoderich als Nachfolger Odoakers hat die Anfänge dann zu Ende gebracht und ein mächtiges Reich errichtet - daran war unter den letzten weströmischen Kaisern und Heermeistern die meiste Zeit gar nicht zu denken. Vielleicht auch, weil der Blickwinkel dieser letzten weströmischen Herrscher stets darauf gerichtet war, ehemalige Reichsgebiete zurück zu erobern, was in Gestalt eines "Scheuklappeneffekts" eher hinderlich dabei war, Italien zu beherrschen und vor allem zu halten ![]() |
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26.08.2016, 13:11
Beitrag: #46
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(25.08.2016 21:28)WDPG schrieb: Einerseits muss man schon sagen das da vieles einen Niedergang erlebte, Die Dimensionen dieses "Niedergangs" sollte man sich einmal klar machen. Mit dem Untergang des Römischen Reichs im 5. Jh. verließen die meisten Römer - Beamte, Kaufleute, Gutsbesitzer, Soldaten - die Provinzen und kehrten in ihre Heimat zurück. Die Römerstädte an Rhein, Donau und Rhone verödeten, römische Gutshöfe verschwanden, Straßen und Brücken zerfielen. Der Untergang der römischen Zivilisation führte bei den germanischen Völkern zu einem Niedergang des Wissens und der Kultur und bewirkte einen Rückfall in barbarische Verhältnisse. Dieser Verfallsprozes war so tiefgreifend, dass Karl der Große und seine Berater den Plan fassten, alle Bereiche des Wissens und der Kunst zu erneuern, was mit einem modernen Begriff als Karolingische Renaissance bekannt ist. In diesem Zusammenhang kam es u.a. zu einer Erneuerung des Gottesdienstes und der Liturgie und eine erneuerte Fassung der Bibel, da sich in die zahlreichen lateinischen Bibelabschriften Fehler eingeschlichen hatten, die manche Bibelstellen völlig entstellten. Der bekannte Historiker Henri Pirenne betont in einem vor Jahrzehnten geschriebenen aber immer noch aktuellen Werk: "Obwohl die Kirche so tief gesunken war, blieb sie die einzige kulturelle Macht ihrer Zeit. Durch sie allein setzte sich die römische Tradition fort und dies verhinderte Europas Rückfall in völlige Barbarei. Die weltliche Macht wäre unfähig gewesen, die kostbare Erbschaft der Antike aus sich selbst heraus zu bewahren. Trotz des guten Willens der Könige war ihre rohe Verwaltung den Aufgaben nicht gewachsen ... Die Kirche blieb also inmitten der Anarchie ihrer Umgebung, und trotz der zersetzenden Wirkung, welche diese Anarchie auch auf sie selbst ausübte, unzerstört". (Henri Pirenne, Geschichte Europas, Frankfurt 1961, S. 47) Der Untergang des Imperium Romanum markiert auch das Erlöschen der Spätantike, wobei hier natürlich kein festes Datum zu nennen ist. Es gibt einen allmählichen Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter, der von Historikern meist als breiter Grenzsaum gesehen wird, der von der Teilung des Römischen Reichs in einen Westen und Osten über das faktische Ende Westroms bis hin zur Expansion des Islam im 7. Jh. reicht. Manche sprechen dabei auch von einem "Transformationsprozess" der Antike. Nach Auflösung der römischen Staats- und Ordnungsstrukturen erfolgte neben einem kulturellen Niedergang auch eine wirtschaftliche Verödung. Henri Pirenne berichtet vom Verschwinden der Städte und des Handels als Folge dieser Entwicklung: "Vom sozialen Gesichtspunkt aus ist das bedeutendste Phänomen, das in die Zeit zwischen den muslimischen Eroberungen und der Herrschaft der Karolinger fiel, die schnelle Verminderung und nachher das fast völlige Verschwinden der städtischen Bevölkerung ... Die soziale und verwaltungsmäßige Struktur verlor nun ihren dem städtischen Charakter des römischen Staates entsprechenden Charakter: ein Phänomen, das in Westeuropa ganz neu und sehr erstaunlich war. Das Ende des städtischen Typus im frühen Mittelalter ergab sich zumindest für die Verwaltung daraus, dass die Eroberer des Römischen Reiches außerstande waren, dessen Institutionen in der alten Form weiterfunktionieren zu lassen; denn nur die Institutionen des römischen Staates hatten in den durch Barbaren eroberten Provinzen - in Gallien, Spanien, Italien, Afrika und Britannien - einst die Existenz der Städte gesichert. Nur noch einige Städte an den Küsten des Mittelmeers trieben auch noch nach den Völkerwanderungen einen mehr oder weniger bedeutenden Seehandel." (Henri Pirenne, a.a.O., S. 81) Pirenne beschreibt sehr eindringlich, dass Wirtschaft und Handel nach den Eroberungen des Islam im Mittelmeerraum völlig versandeten: "Daraus aber musste sich ein fast vollkommener Stillstand des Handels ergeben; auch das Gewerbe verschwand fast ganz, wenn man von einigen lokalen Erscheinungen wie der in Flandern noch aufrechterhaltenen Tuchweberei absieht. Der Umlauf von Geld hörte beinahe auf. Seitdem verfielen in den fast entvölkerten Städten die verlassenen Viertel und dienten den wenigen Einwohnern, die sich auf einen Winkel des früheren Stadtinnern beschränkten und dort hausten, als Steinbrüche ... In Gallien erlosch das städtische Leben so völlig, dass die Herrscher nicht mehr in den Städten residierten, denn der vollkommenen Mangel eines Handelsverkehehrs ermöglichte es ihnen nicht mehr, dort genügend Lebensmittel für den Unterhalt des Hofes zu finden. Sie verbrachten das Jahr auf den Domänen und zogen von einer zur anderen." (Henri Pirenne, a.a.O., S. 83) Große Teile des einst von Römern beherrschten Europas verödeten zwischen dem 5. und 8. Jh., der Handel versiegte und man kehrte zur Naturalwirtschaft zurück. Es entstanden besonders in Gallien riesige Domänen, die nahezu autark waren, da der Fernhandel weithin zum Erliegen gekommen war. Es waren also "Dark Ages", die weite Teile Europas nach dem Untergang des römischen Imperiums erfassten, was auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen ist, die einander bedingen und immer neue Auswirkungen haben. Dieser Zustand beginnt sich erst mit den Karolingern und später den Ottonen und Kapetingern zu wandeln. |
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26.08.2016, 15:23
Beitrag: #47
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Den Pirenne hatten wir doch schon einmal.
![]() Das Römische Reich als supranationale Staatsidee ist doch zu keinem Zeitpunkt untergegangen. Völkerbund, Vereinte Nationen nichts anderes Auch das Heilige Römische Reich, niemals ein straff geführter Nationalstaat, wie es die Historiker des 19, Jahrhundert und der verhängnisvollen 12 Jahre gerne gesehen hätten. Aber immer eine supranationale Frieden schaffende Staatsidee. Das Inkareich, das Aztekenreich zB sind untergegangen mehr oderr weniger ohen viel zu hinterlassen, nicht mal die Schrift kann man heute lesen. Aber niemals Rom. Die spezielle römische Kultur, auf die ihr hier abhebt, war eine Kultur der absoluten Eliten, da ist beim Volk schon zur Blütezeit nichts davon angekommen. Nur, verehrte Damen, sehr geehrte Herren, auch die ist nicht untergegangen, nicht unbedingt als Kultur der Elite, aber gepflegt von Randbereichen, in dem Fall zB der Klöster. Andernfalls hätte man sie ja auch nicht wiederbeleben können. ![]() Das ist bis heute bei Toten nicht gelungen, nur bei "Scheintoten". ![]() ![]() "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.08.2016, 15:32
Beitrag: #48
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
Wir haben das "Römische Recht"
wir schreiben "Lateinisch" Vor einem Jahr hat mir ein Medizinmann einen Zettel in die Hand gedrückt "ablatio retinae totalis" stand darauf und mich in die Uniklinik geschickt. alles römisch. ![]() "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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27.08.2016, 13:18
Beitrag: #49
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(26.08.2016 15:32)Suebe schrieb: Wir haben das "Römische Recht" Und das soll uns dann sagen: Das Römische Reich lebt? Auf Kontinuitäten im kulturellen Bereich wurde schon ausführlich hingewiesen. |
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27.08.2016, 22:44
Beitrag: #50
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RE: Wie verlief in der Spätantike die Immigration von Norden ins Römische Reich?
(26.08.2016 15:32)Suebe schrieb: Wir haben das "Römische Recht" Wir haben die "Griechische Philosophie" wir schreiben "Griechisch" (Auto, Giga, Mega, Phon, Antagonist, Phobie, Anarchie, Chaos etc) in fast ganz Europa leben wir in einer Staatsform (Demokratie), welche die Griechen erfunden haben Wir sind keine Römer, wir sind Griechen. ![]() |
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