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Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
27.01.2020, 22:19
Beitrag: #5
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Es ist richtig, dass im Mittelalter der Begriff "Sodomie" nicht die gleiche Bedeutung hatte wie heute. Unter Sodomie verstand man im Mittelalter alle Sexualpraktiken, die nicht der Fortpflanzung dienten. Dazu wurden nicht nur gleichgeschlechtliche Sexualität zwischen Männern gezählt, sondern allgemein Analverkehr, auch zwischen Mann und Frau - und wahrscheinlich alle anderen Praktiken, außer die sogenannte Missionarsstellung. Des Weiteren wurde unter Sodomie auch der Sex mit Tieren verstanden, also im Sinne der heutigen Bedeutung im Deutschen.

Regine Pernoud beschreibt in "Königin der Troubadore - Eleonore von Aquitanien" nur, dass Richard sich selbst "widernatürlicher Sünden" bezichtigte und dass der Eremit ihm 1195 riet: "Erinnere Dich an den Fall Sodom, halte Dich fern von dem, was verboten ist, sonst wird der Herr eine gerechte Rache an Dir nehmen." Das kann, muss aber nicht zwingend ein Hinweis auf Richards Homosexualität sein. Regine Pernoud führt nur die Überlieferung an, sie spekuliert nicht darüber, ob Richard homosexuell war oder nicht.

Ähnliches führt auch John Gillingham in "Richard Löwenherz - Eine Biografie" an. Er weist daraufhin, dass der Eremit ihn aufforderte, unerlaubten Geschlechtsverkehr zu vermeiden und stattdessen mit seiner Gattin zu schlafen, die von Richard offenkundig vernachlässigt wurde. Diese Berengaria von Navarra wird von ihren Zeitgenossen als "Eine Dame von Schönheit und gutem Verstande, eher klug als anziehend" beschrieben.

Die Meinung, dass Richard ein Homosexueller war, wurde zum ersten Mal 1948 geäußert.

Walter of Guisborough († um 1346), der eine Geschichte Englands von 1066 bis 1345 verfasste, schrieb, dass Richard noch auf seinem Totenbett nach Frauen verlangte und seinem Arzt zum Trotz, auch einige zu sich bringen ließ. Walter nutzte als Quelle die "Geschichte England" von William of Newburgh, die sich mit der Geschichte von 1066 bis 1198 beschäftigte. Mir ist klar, dass Richard erst 1199 starb, somit strenggenommen sein Tod nicht in diesem Werk behandelt wurde, aber möglicherweise hat William dies als Abschluss zu seinem Werk geschrieben. Habe leider keinen Zugang zu Primärquellen. Fakt ist, dass beide Chronisten, der eine in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der andere um 1200 lebend keine Hinweise zu Richards Homosexualität geben.

Außerdem ist überliefert, dass der Dominikanermönch, Prediger und Inquisitor Stephan/Etienne von Bourbon († 1261) über Richard folgende Legende verbreitete: Richard hatte ein heftiges Verlangen nach einer jungen Nonne der Abtei von Fontevraud. Er drohte schließlich, die Abtei niederzubrennen, falls ihm nicht die Nonne ausgeliefert würde. Um dieses Unheil abzuwenden, wollte die Nonne von Richard wissen, was es sei, das ihn so sehr anziehe? Er ließ ihr ausrichten, dass es ihre schönen Augen seien. Daraufhin schnitt sie mit einem Messer ihre Augen heraus und sagte: "Schickt dem König, was er so begehrt."

Auch wenn dies nur eine Legende ist, zeigt es doch deutlich, dass im 13. und 14. Jahrhundert nie der Verdacht bestand, das Richard ein Homosexueller war. Letztlich werden wir es nicht eindeutig be- oder widerlegen können und es ist auch nicht wichtig, welche sexuellen Neigungen Richard hatte.

Der Sachverhalt, dass die Ehe zwischen Richard und Berengaria kinderlos blieb, ist historisch gesehen schon bedeutender. Richard baute als Nachfolger seinen Neffen, den Welfen Otto von Braunschweig (später Kaiser Otto IV.) auf. Dazu zählt die Übertragung des Herzogtums Aquitanien auf Otto. Doch nachdem Kaiser Heinrich VI. starb, unterstützte Richard seinen Neffen bei der Wahl zum deutschen König. Da Otto nun vollständig in die Reichsangelegenheiten eingebunden war, stand Richard seit 1198 ohne Nachfolger da.

Ein anderer Neffe - Arthur von Bretagne - war 1198 erst 12 Jahre und zum Zeitpunkt von Richards Tod minderjährig. Ein weiteres Problem war, dass Arthur am Hofe von Philipp II. von Frankreich erzogen wurde. D.h. Richard hatte keinen Einfluss auf Arthur. Deswegen ist es für die englische und französische Geschichte viel nachhaltiger, dass Richard bei dieser schlechten Nachfolgeregelung sich auf riskante Feldzüge einließ. So konnte sich 1199 sein Bruder John als Nachfolger durchsetzen.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller? - Sansavoir - 27.01.2020 22:19

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