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Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
28.01.2020, 13:30
Beitrag: #6
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb:  Es ist richtig, dass im Mittelalter der Begriff "Sodomie" nicht die gleiche Bedeutung hatte wie heute. Unter Sodomie verstand man im Mittelalter alle Sexualpraktiken, die nicht der Fortpflanzung dienten. Dazu wurden nicht nur gleichgeschlechtliche Sexualität zwischen Männern gezählt, sondern allgemein Analverkehr, auch zwischen Mann und Frau - und wahrscheinlich alle anderen Praktiken, außer die sogenannte Missionarsstellung. Des Weiteren wurde unter Sodomie auch der Sex mit Tieren verstanden, also im Sinne der heutigen Bedeutung im Deutschen.
Da hast Du recht - sofern Du dich auf die kirchliche Defintion berschränkts. In der Berner Chronik des Diebold Schilling wird ein Fall von Sodomie aus Zürich beschrieben, in welchem der Ritter von Hohenberg mit seinem Knecht verurteilt und in einem Kessel gesotten wird. In der weltlichen Jusiz des Mittelalters wurde auschliesslich gleichgeschlechtliche Sexualität als Sodomie bezeichnet - ansonsten galt Sex welcher nicht der Fortpflanzung diente meist nicht als solcher resp. wurde lediglich durch den Bussenkatalog der Kirche geahndet. Die weltliche Justiz war daran nicht interssiert. Sex mit Tieren war offenbar nicht verboten - mir ist jedenfalls keine Verurteilung durch ein weltliches Gericht bekannt. Ansonsten war natürlich auch der Sex mit dem Teufel verboten, dies galt aber nicht als Sodomie sondern als mit Zauberei verbundene Ketzerei.

(27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb:  Regine Pernoud beschreibt in "Königin der Troubadore - Eleonore von Aquitanien" nur, dass Richard sich selbst "widernatürlicher Sünden" bezichtigte und dass der Eremit ihm 1195 riet: "Erinnere Dich an den Fall Sodom, halte Dich fern von dem, was verboten ist, sonst wird der Herr eine gerechte Rache an Dir nehmen." Das kann, muss aber nicht zwingend ein Hinweis auf Richards Homosexualität sein. Regine Pernoud führt nur die Überlieferung an, sie spekuliert nicht darüber, ob Richard homosexuell war oder nicht.
Ich habe das Buch noch irgendwo (muss ich allerdings suchen). Ich müsste mal nachschauen, ob dort die Primärquelle angegeben wird - Richards diesbezügliche Bezichtigung stammt jedenfalls aus dem Jahr 1190/1191 in Messina. Was die Diskussion angeht, beziehe ich mich nicht auf Pernouds Buch sondern auf Beiträge, die ich in den frühen 80er gelesen hatte (auf französisch). Ich meine mich erinnern zu können, dass nicht nur Pernoud sondern u.a. auch Jacques le Gof beteiligt waren.

(27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb:  Die Meinung, dass Richard ein Homosexueller war, wurde zum ersten Mal 1948 geäußert.
John Harvey

(27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb:  Walter of Guisborough († um 1346), der eine Geschichte Englands von 1066 bis 1345 verfasste, schrieb, dass Richard noch auf seinem Totenbett nach Frauen verlangte und seinem Arzt zum Trotz, auch einige zu sich bringen ließ. Walter nutzte als Quelle die "Geschichte England" von William of Newburgh, die sich mit der Geschichte von 1066 bis 1198 beschäftigte. Mir ist klar, dass Richard erst 1199 starb, somit strenggenommen sein Tod nicht in diesem Werk behandelt wurde, aber möglicherweise hat William dies als Abschluss zu seinem Werk geschrieben. Habe leider keinen Zugang zu Primärquellen. Fakt ist, dass beide Chronisten, der eine in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der andere um 1200 lebend keine Hinweise zu Richards Homosexualität geben.
Den Hinweis hat Richard mit den "wiedernatürlichen Sünden" selbst geliefert. Wie gesagt, ich halte ihn für bisexuell.

(27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb:  Auch wenn dies nur eine Legende ist, zeigt es doch deutlich, dass im 13. und 14. Jahrhundert nie der Verdacht bestand, das Richard ein Homosexueller war. Letztlich werden wir es nicht eindeutig be- oder widerlegen können und es ist auch nicht wichtig, welche sexuellen Neigungen Richard hatte.
Wichtig ist es sogar in zweierlei Hinsicht nicht. Abgesehen von der klerikalen Sicht war es für die weltlichen Zeitgenossen Richards - wenn der Verdacht bestanden hätte - längst nicht so relevant, wie es für nachfolgende "nachmittelalterliche" Epochen gewesen wäre. Im Spätmittelalter beispielsweise muss Florenz eine wahre Hochburg gewesen sein - so dass man in einigen deutschsprachigen Regionen schwule Sexualpraktiken mit "florenzen" bezeichnete. Und für die Kirche war, wie Du bemerkt hast, nicht so sehr gleichgeschlechtlicher Sex wie vielmehr überhaupt Sex der nicht der Fortpflanzung diente verwerflich.
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller? - Aguyar - 28.01.2020 13:30

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