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Russische Geschichte
24.06.2012, 08:45
Beitrag: #19
RE: Russische Geschichte
Pseudodimitri II. muss besonders anziehend, intelligent und mit einem Machtinstinkt ausgestattet gewesen sein, denn in dieser Zeit zogen Dutzende von falschen Dimitris durch die Gegend und tauchten in verschiedenen Provinzen, in Moskau, ja sogar an den zahlreichen Fürstenhöfen Europas auf, meistens jedoch kamen sie nicht weiter, als auf dem Markt zu stehen und zu versuchen, ein gehetztes Publikum anzusprechen. Allerdings darf man ihn nicht überschätzen, in Wirklichkeit verdankte der zweite falsche Dimitri viel seinen Beratern, Heerführern und „Managern“. Den schnellen Vorstoß nach Moskau organisierte nicht er, sondern Jan Sapieha.
Trotz alledem hatte der zweite Pseudodimitri ein beträchtliches Rede- und wohl auch ein Schauspielertalent. Zusätzlich kam ihm zu Gute, dass weite Teile der Bevölkerung mit dem „richtigen“ Zar Wassili Schuiski unzufrieden waren.
Doch 1609 wechselten viele Anhänger des tuschinischen Hofes die Fronten, unter anderem, da die Kosaken, die auf der Seite des zweiten Pseudodimitris standen, plündernd und raubend durchs Land zogen, und auch, da sein Hof, „ihre“ Regierung, von Polen dominiert wurde.
Der Zar in Moskau war die ganze Zeit hinsichtlich seines schwindenden Machtbereichs erschreckt, aber auch erschreckend tatenlos geblieben, hatte Hilfsangebote des schwedischen Königs sogar zurückgewiesen. Irgendwann jedoch bat er endlich die Skandinavier nun doch um Hilfe. Als Gegenleistung für die Hilfe verzichtete Russland auf den Bezirk Kexholm in Karelien und gab die Ansprüche auf Livland auf. Zudem ging es ein Bündnis mit Schweden gegen Polen ein.
1609 nach Christi Geburt marschierte der schwedische Feldherr Jacob de la Gardie mit seiner Armee in Nowgorod ein und stieß zu den russischen Truppen unter Michail Wassiljewitsch Skopin-Schuiski. Die vereinigten Heere zogen auf Tuschino zu. Auf einmal zog der Polenkönig Sigismund III. (aber ohne Kriegserklärung) nach Russland ein. Da er mit dem Gedanken spielte, sich selbst die Zarenkrone aufzusetzen, brachte er beide Anwärter auf den Zarenthron in Bedrängnis. Jeder versuchte, mit den Polen zu verhandeln. Nun ging die Verwirrung los: Schuiskis Truppen wurden von den Polen bedrängt, aber Dimitri musste die Belagerung Moskaus aufgeben, da ihm diese, seine Soldaten, wegliefen.
Der Usurpator selbst floh vor den Truppen des Zaren mit seiner Armee, die jedoch nur noch aus 6000 Mann bestand, nach Kaluga, wo er die Bauern auf seine Seite bekommen wollte. Doch das misslang, weil die Hauptstützen seiner Herrschaft – die polnischen Militärs und die russischen Bojaren – zum Feind übergewechselt waren. Ein erneuter Zug nach Moskau scheiterte. In Kaluga wurde er kurz darauf am 11. Dezember 1610 von seiner Armee getötet. Den meisten Quellen nach wurde er von dem Tatarenfürsten Peter Ursov erschlagen.
Wieder mal war ein Abenteurer auf dem Zarenthron verschwunden. Doch 1610 wurde auch Zar Schuiski gestürzt und zum Mönch gemacht. Sowohl er als auch Dimitri waren in einer Zeit der Wirren an die Macht gekommen und beide hatten sie auch wieder in einer solchen Zeit verloren. Man glaubte damals, einen Tiefpunkt russischer Geschichte mitzuerleben. Aber nun wurde das Chaos erst richtig schlimm: Die Polen hatten Schuiski besiegt und herrschten in Moskau, der polnische Prinz wurde jedoch nicht gekrönt (ein Machtantritt hätte wegen der russisch-polnischen Feindschaft nicht absehbare Konsequenzen gehabt). Die Bojaren versanken in Bruderkämpfen, und das russische Weltreich lag herrenlos da, besetzt von den Feinden, ohne Verwaltung, ohne Organisation. Aber trotz allem hatte es seine Blütezeit noch vor sich.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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