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Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
24.01.2013, 18:55
Beitrag: #21
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Im Winter 1923 – die Schar der Jugendlichen war mittlerweile erneut stark angewachsen – teilte Makarenko seine Zöglinge in Gruppen ein, denen jeweils eines der Mitglieder als Kommandeur vorstand. So versuchte er, die Selbstverwaltung zu erreichen, indem er Erinnerungen an die alten Zeiten (zum Beispiel die Partisanenkriege nach der russischen Revolution) mit den „Banden“ weckte, diese aber in eine gewünschte, der Gemeinschaft förderliche Richtung lenkte. So wollte Makarenko einen Kollektivmenschen schaffen, der mit Freude – diese nahm eine wichtige Stellung in Makarenkos pädagogischem Konstrukt ein – später das Wohl der ganzen Sowjetunion und aller kommunistischer Länder vor Auge haben sollte. Der Pädagoge selbst nahm dabei nicht gerade viele Aufgaben ein und hatte lediglich die Oberaufsicht zu führen. Alle Erzieher aßen zusammen mit den Jugendlichen und gestalteten den gemeinsamen Abend mit.
Kommandeur wurde stets der tüchtigste und eifrigste Junge einer Gruppe, doch wer sich besonders anstrengte, konnte auch Kommandeur einer neuen Abteilung werden. Später wurde die „Macht“ dieser Abteilungsleiter weiter gestärkt, da der „Rat der Kommandeure“ alle wichtigen Entscheidungen treffen durfte und Urteile fällte. Nur selten griff Makarenko ein, und höchstens zu Gunsten des Schuldigen. Doch keinesfalls lebten diese Jugendlichen besser oder mussten weniger Arbeit verrichten als die anderen. Für besondere Aufgaben wie das Holzholen oder die Arbeit auf dem Feld wurden für die Dauer von höchstens einer Woche „Einsatzabteilungen“, also Sonderkommandos, eingerichtet, deren Mitglieder für kurze Zeit ihre alte Gruppe verließen. Auch der Kommandeur einer solchen Sondereinheit war sonst einfaches Mitglied einer regulären Abteilung. Dies bedeutete einen ständigen „Wechsel von Arbeits- und Organisationsaufgaben […] [und] Leiten und Sichunterordnen“ (zit. nach besagtem Dokument meines Großvaters, dort nach: A. S. Makarenko: Der Weg ins Leben. Ein pädagogisches Poem. Berlin 1963. S. 228).
Abwechslung erhielt dieses geschickt organisierte System durch gruppenübergreifende Zusammenschlüsse von Jugendlichen, die die gleichen Interessensgebiete hatten und zusammen musizieren, basteln oder anderen Hobbys nachgehen konnten. Neumitglieder (sogenannte „Würzelchen“) erhielten als „Paten“ ein älteres Mitglied, das ihnen (in einer Zweierbeziehung) zur Seite stand. Doch Mitglieder konnten auch als Bestrafung wieder zum „Würzelchen“ erklärt werden. Als solche hatten sie vorerst noch keine Rechte als Person und wurden erst nach einer Bewährungszeit (wieder) Vollmitglied der Kolonie. Als solches besuchte man einen Schulunterricht, arbeitete auf den Feldern für die Versorgung aller und in den Werkstätten.
Doch die Behörden und andere Pädagogen begegneten Makarenko Arbeit mit Misstrauen und gerade von staatlicher Seite legte man ihm immer wieder Hindernisse in den Weg. So legte er 1928 den Posten als Leiter der Gorki-Kolonie nieder und wechselte zur Dzierzynski-Kommune bei Charkow, der er nunmehr als Direktor vorstand. Hier wurden aus den verwahrlosten Jugendlichen künftige Mitglieder der Geheimpolizei Tscheka ausgebildet, weshalb sie unter besonderem Schutz stand. Makarenko wiederholte nicht einfach sein Vorgehen aus der Gorki-Kolonie, sondern vollendete seine Methoden. In diesen Jahren entstanden auch die meisten literarischen Werke, vor allem „Der Marsch des Jahres 30“ und „Der Weg ins Leben. Ein pädagogisches Poem“ – letzteres ein hier mehrfach zitierter Roman, in dem Makarenko von seinen pädagogischen Anfängen, Versuchen und Erfolgen schreibt.
1935 wechselte er zu Arbeitskolonien des Innenministeriums NKWD in Kiew, in denen er der Stellvertreter des Verwaltungsleiters wurde. Ab 1937 lebte er in Moskau und widmete sich nur noch seinem literarischen Schaffen. 1939 erhielt Makarenko den Orden des Roten Banners der Arbeit der UdSSR und starb wenige Wochen später, am 1. April 1939 während einer Eisenbahnfahrt. Er wurde auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau beigesetzt. Mit ihm starb einer der bedeutendsten Pädagogen der Sowjetunion.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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24.01.2013, 19:41
Beitrag: #22
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(21.01.2013 22:44)Bunbury schrieb:  Man könnte es natürlich auch als "Unmündigkeit" bezeichnen, sich in der Definition sklavisch nach Kant zu richten. Wer sagt, daß Kant uneingeschränkt recht hat?


Die Rationalität der Kant'schen Philiosophie, seine Stellung innerhalb der Wissenschaft und die Schlüssigkeit seiner Ausführungen, sind Indizien dafür, dass seine Thesen Hand und Fuss haben und sie daher als Grundlage verwendbar sind.

Ich bin hier ganz bei Popper: Solange sie nicht falsifiziert werden können, solange stimmen sie.


(21.01.2013 22:44)Bunbury schrieb:  Man kann vielleicht sagen, daß "Unmündig im Sinne Kants" genau das bedeutet, was du geschrieben hast, aber das heißt noch lange nicht, daß das "Unmündig" generell bedeutet.
Kant ist nämlich von einer Gesellschaft ausgegangen, in der sich das Individuum sich bemühen muss, sich Informationen zu beschaffen, die der Weiterbildung dienen.

Von einer Gesellschaft, in der Desinformation eine Folge von zuviel Information ist, ist Kant niemals ausgegangen... Deswegen bezweifle ich, daß die Kant´schen Definitionen auf die moderne Kommunikationsgesellschaft anwendbar sind...


Sehe ich anders.
Die Kant'sche Philosophie lässt sich problemlos auf die heutigen Verhältnisse umlegen.
Kants aufgeklärter Mensch, das eigenverantwortliche mündige Indiviuum ist auch für das Informationsüberangebot und die redundanten Pushmedien unserer Zeit bestens gerüstet, weil er die Fähigkeit besitzt, zu relativieren, mit dem Überangebot umzugehen, zu selektieren und Schlüsse über den Wahrheitsgehalt von Informationen zu ziehen.
Diese Fähigkeiten fehlen dem nicht aufgeklärten Menschen völlig.

MfG, Titus Feuerfuchs
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24.01.2013, 21:59
Beitrag: #23
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(24.01.2013 19:41)Titus Feuerfuchs schrieb:  
(21.01.2013 22:44)Bunbury schrieb:  Man könnte es natürlich auch als "Unmündigkeit" bezeichnen, sich in der Definition sklavisch nach Kant zu richten. Wer sagt, daß Kant uneingeschränkt recht hat?


Die Rationalität der Kant'schen Philiosophie, seine Stellung innerhalb der Wissenschaft und die Schlüssigkeit seiner Ausführungen, sind Indizien dafür, dass seine Thesen Hand und Fuss haben und sie daher als Grundlage verwendbar sind.

Ich bin hier ganz bei Popper: Solange sie nicht falsifiziert werden können, solange stimmen sie.

Auch Gott kann man nicht falsifizieren...
Dass seine Thesen Hand und Fuss haben, will ich gar nicht anzweifeln, aber ich denke nicht, daß es in Kants Sinne wäre zu sagen "Kant hat gesagt, daß und deswegen so...."
Strenggenommen muss sich auch Kant der Überprüfung stellen- und jeder muss nach strenger Überprüfung entscheiden, ob er Kants Definitionen teilt oder nicht.
Aber nicht, weil es Kant es gesagt hat- sondern weil man für sich selbst zu dem Schluss gekommen ist, daß die Definitionen richtig sind.



(24.01.2013 19:41)Titus Feuerfuchs schrieb:  Sehe ich anders.
Die Kant'sche Philosophie lässt sich problemlos auf die heutigen Verhältnisse umlegen.
Kants aufgeklärter Mensch, das eigenverantwortliche mündige Indiviuum ist auch für das Informationsüberangebot und die redundanten Pushmedien unserer Zeit bestens gerüstet, weil er die Fähigkeit besitzt, zu relativieren, mit dem Überangebot umzugehen, zu selektieren und Schlüsse über den Wahrheitsgehalt von Informationen zu ziehen.
Diese Fähigkeiten fehlen dem nicht aufgeklärten Menschen völlig.

Den letzten Satz kommentiere ich nicht weiter, da stimme ich einfach zu.Wink

Ich glaube jedoch beim derzeitigen Informationsüberangebot nicht, daß sich der einzelne wirklich ein realistisches Bild verschaffen kann, weil zu viele widersprüchliche Informationen zur Verfügung stehen.
Heute wird eine Information nicht widerrrufen, sondern einfach die gegenteilige Behauptung unter die Leute gebracht. Für beide Behauptungen finden sich auch immer Wissenschaftler, die es belegen oder widerlegen können.
Wenn man letztendlich eine Entscheidung fällt, welche der beiden Behauptungen man für wahrscheinlicher hält, geschieht dies jedoch am Ende dann wieder aus irrationalen Gründen. Es gibt nämlich häufig kein objektives Kriterium, das das eine wahrscheinlicher sein läßt als das andere.
Vielleicht gelingt es dem aufgklärten, kritischen Individuum, sich zu einem oder zwei Fragen ein detailliertes Bild zu verschaffen, aber beim Rest ist dies sicher nicht möglich- einfach, weil der Tag nur 24 Stunden hat und das menschliche gehirn, selbst bei höchstem IQ, nur begrenzt Informationen aufnehmen und verarbeiten kann.

Sofern meine Annahmen stimmen, würde dies bedeuten, daß das Informationszeitalter dazu führt, daß die Menschen immer unaufgeklärter werden, obwohl (bzw weil) die Datenmenge zunimmt...

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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25.01.2013, 06:22
Beitrag: #24
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:  
(24.01.2013 19:41)Titus Feuerfuchs schrieb:  Die Rationalität der Kant'schen Philosophie, seine Stellung innerhalb der Wissenschaft und die Schlüssigkeit seiner Ausführungen, sind Indizien dafür, dass seine Thesen Hand und Fuss haben und sie daher als Grundlage verwendbar sind.

Ich bin hier ganz bei Popper: Solange sie nicht falsifiziert werden können, solange stimmen sie.

Auch Gott kann man nicht falsifizieren...

...aber auch nicht verifizieren. Insofern ist Gott nicht unbedingt das beste Beispiel, da es sich im Gegensatz zu Kants Werken um einen nebulosen metaphysischen Begriff handelt.


(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:  Dass seine Thesen Hand und Fuss haben, will ich gar nicht anzweifeln, aber ich denke nicht, daß es in Kants Sinne wäre zu sagen "Kant hat gesagt, daß und deswegen so...."
Strenggenommen muss sich auch Kant der Überprüfung stellen- und jeder muss nach strenger Überprüfung entscheiden, ob er Kants Definitionen teilt oder nicht.
Aber nicht, weil es Kant es gesagt hat- sondern weil man für sich selbst zu dem Schluss gekommen ist, daß die Definitionen richtig sind.

Natürlich.
Nur sollte man, wenn man wissenschaftlich anerkannten Thesen hinterfragt -was gut und wichtig ist- und geneigt ist, sie anzuzweifeln oder zu widerlegen, das auch argumentieren können.

(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:  
(24.01.2013 19:41)Titus Feuerfuchs schrieb:  Sehe ich anders.
Die Kant'sche Philosophie lässt sich problemlos auf die heutigen Verhältnisse umlegen.
Kants aufgeklärter Mensch, das eigenverantwortliche mündige Indiviuum ist auch für das Informationsüberangebot und die redundanten Pushmedien unserer Zeit bestens gerüstet, weil er die Fähigkeit besitzt, zu relativieren, mit dem Überangebot umzugehen, zu selektieren und Schlüsse über den Wahrheitsgehalt von Informationen zu ziehen.
Diese Fähigkeiten fehlen dem nicht aufgeklärten Menschen völlig.

Den letzten Satz kommentiere ich nicht weiter, da stimme ich einfach zu.Wink


Ich glaube jedoch beim derzeitigen Informationsüberangebot nicht, daß sich der einzelne wirklich ein realistisches Bild verschaffen kann, weil zu viele widersprüchliche Informationen zur Verfügung stehen.
Heute wird eine Information nicht widerrrufen, sondern einfach die gegenteilige Behauptung unter die Leute gebracht. Für beide Behauptungen finden sich auch immer Wissenschaftler, die es belegen oder widerlegen können.


Von welcher Art Information sprechen wir?

Es gibt Informationen, die (zumindest für mich) eindeutig feststehen, z.B. dass Merkel dutsche Kanzlerin ist, dass die Erde eine Kugel (genauer gesagt ein Rotationellipsoid bzw. Geoid) ist, dass der Papst katholisch ist, etc...

Dann gibt es wissenschaftliche divergierende Lehrmeinungen zu bestimmten Sachverhalten (z.B. bezüglich EU Krise) und da ist es fraglich, wem man eher Glauben schenkt.
Aber auch da kann sich der aufgeklärte Rezipient helfen, indem er sich ansieht, ob eine Lehrmeinung logisch und in sich konsistent ist, wer die Studien bezahlt, in welchen Medien werden sie veröffentlicht, was für einen Ruf hat der Wissenschaftler, wie wurde er sozialisiert, welcher Partei steht er ev nahe, was sind die Argumente seiner Gegner,etc, etc...

Weiters einzukalkulieren, ist die Themensetzung der Medien, Fehler von Journalisten, Einfluss der Politik, die wiederum ihrerseits von div. Lobbies beeinflusst ist, etc.

Daher ist es unumgänglich, Informationen zwar aufzunhemen und zu verwerten, sie jedoch nicht als sakrosanktes Dogma zu betrachten.

(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:  Wenn man letztendlich eine Entscheidung fällt, welche der beiden Behauptungen man für wahrscheinlicher hält, geschieht dies jedoch am Ende dann wieder aus irrationalen Gründen. Es gibt nämlich häufig kein objektives Kriterium, das das eine wahrscheinlicher sein läßt als das andere.


Würde ich nicht zwangsweise so sehen, siehe oben.


(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:  Vielleicht gelingt es dem aufgklärten, kritischen Individuum, sich zu einem oder zwei Fragen ein detailliertes Bild zu verschaffen, aber beim Rest ist dies sicher nicht möglich- einfach, weil der Tag nur 24 Stunden hat und das menschliche gehirn, selbst bei höchstem IQ, nur begrenzt Informationen aufnehmen und verarbeiten kann.

Selektion ist dem mündigen Rezipienten durchaus zuzutrauen.

(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:  Sofern meine Annahmen stimmen, würde dies bedeuten, daß das Informationszeitalter dazu führt, daß die Menschen immer unaufgeklärter werden, obwohl (bzw weil) die Datenmenge zunimmt...

Das sehe ich überhaupt nicht.
Erstens setzt deine Annahme voraus, das ein Großteil der Informationen falsch ist, bzw. aus Desinformation besteht (so pessimistisch und paranoid bin nicht mal ich) und zweitens ignoriert sie, dass der Mensch im historischen Kontext noch nie so gut informiert, bzw. gebildet war, wie heute.
Wobei ich mit "heute" den Höhepunkt vor rund 20 Jahren sehe, da die Bildungseinrichtungen und die Bildungspoltik sowie die Gesellschaft seit einiger Zeit beständig abbaut, was aber nichts mit dem Informationsüberangebot zu tun hat.

Zum modernen Medienzeitalter gibt es jedoch die m.E. gute Theorie der sog. "increasing konwledge gap", die besagt, dass die Gebildeten eine höhere Medienkompetenz besitzen, ergo mit dem Informationsangebot besser umgehen können und immer gebildeter werden, während die Ungebildeten die Medien nicht entsprechend nutzen (können) und dementsprechend wissenstechnisch stagnieren.

MfG, Titus Feuerfuchs
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27.01.2013, 23:02
Beitrag: #25
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Natürlich.
Nur sollte man, wenn man wissenschaftlich anerkannten Thesen hinterfragt -was gut und wichtig ist- und geneigt ist, sie anzuzweifeln oder zu widerlegen, das auch argumentieren können.

Nein, das muss man nicht. Warum muss man sich vor sich selbst dafür rechtfertigen, ob man einer Definition folgt oder nicht?
Wenn man sie widerlegen möchte, gut, dann braucht man Argumente. Aber wenn man sich einer Definition einfach nicht anschließen kann, muss man sie gar nicht erst mit Argumenten widerlegen können.

Das klingt dann so ein bißchen nach "Wer Kant nicht argumentativ widerlegen kann und ihm dennoch keinen Glauben schenkt, der ist unmündig."

Und so wie ich Kant verstanden habe, würde der sich dabei im Grab umdrehen. Ihm kam es darauf an, daß man nicht einfach unbesehen glaubt, sondern alles überprüft. Und das kann ich, ohne meine Kritik in logische Worte fassen zu müssen.



(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Von welcher Art Information sprechen wir?

Erst einmal von keiner bestimmten, sondern nur der Information an sich.

(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Es gibt Informationen, die (zumindest für mich) eindeutig feststehen, z.B. dass Merkel dutsche Kanzlerin ist, dass die Erde eine Kugel (genauer gesagt ein Rotationellipsoid bzw. Geoid) ist, dass der Papst katholisch ist, etc...

Da fängt aber die Schwierigkeit schon an. Nur was eindeutig definierbar ist, kann auch eine eindeutge Tatsache ist. Ja, Merkel ist deutsche Bundeskanzlerin, daran führt kein Weg vorbei. Das ist eindeutig definiert. Daß der papst katholisch ist, ist schon wieder schwieriger, weil es kein objektives Kriterium dafür gibt , was "katholisch" genau ist. Das ist Definitionssache. Daß der papst das Oberhaupt der katholischen Kirche ist, ist dagegen eine eindeutige Tatsache.
Die nur leider überhaupt nichts besagen, wenn man sie nicht in Bezug zu anderen Tatsachen setzt.
Was bedeutet es schon, daß Angela Merkel Kanzlerin Deutschlands ist? Es bedeutet nichts, wenn nicht auch klar ist, was "Kanzler" und "Deutschland" ist. Je tiefer man nachbohrt, um so klarer wird, daß der Informationsgehalt einer Information davon abhängig ist, wie sie interpretiert wird. Und das ist objektiv gar nicht mehr möglich.


Als Kant seine Defintionen entwickelte, fing man gerade an zu messen und vermessen, zu wiegen und zu definieren. Man fing gerade an, eindeutige Sachverhalte mit objektivierten Maßen festzustellen.
Und- ganz wichtig- aus diesen neu gewonnen Maßen und eindeutig festgestellten Tatsachen wurden völlig neue und neuartige Theorien abgeleitet. Von aufgeklärten Menschen, die alte Denkmuster hinter sich gelassen hatten und einen neuen, frischen und unverbrauchten Blick auf die wenigen eindeutig messbaren Tatsachen warfen.
Das war es letztendlich, was Kant forderte. Jeder sollte seinen Verstand gebrauchen und die wenigen eindeutigen Tatsachen selbst interpretieren.

Nur sind seit Kant ein paar Jahrhunderte vergangen, und etliche Denker haben Tatsachen interpretiert, in neue Theorien und Modelle gefaßt. Dazu kommt heute, daß die Datenmenge schneller wächst, als der menschliche Verstand sie verarbeiten kann- und ich bezweifle ernsthaft, daß kant diese Möglichkeit vorhergesehen hat...

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27.01.2013, 23:29
Beitrag: #26
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Dann gibt es wissenschaftliche divergierende Lehrmeinungen zu bestimmten Sachverhalten (z.B. bezüglich EU Krise) und da ist es fraglich, wem man eher Glauben schenkt.
Aber auch da kann sich der aufgeklärte Rezipient helfen, indem er sich ansieht, ob eine Lehrmeinung logisch und in sich konsistent ist, wer die Studien bezahlt, in welchen Medien werden sie veröffentlicht, was für einen Ruf hat der Wissenschaftler, wie wurde er sozialisiert, welcher Partei steht er ev nahe, was sind die Argumente seiner Gegner,etc, etc...

Ja, natürlich kann man einer einzelnen Fragen derartig gezielt auf den Grund gehen. Ich kann mir jedes beliebige Thema, das uns heute bewegt, herausnehmen und anfangen, mich mit dieser These intensiv auseinanderzusetzen. ich kann Meinungen und Gegenmeinungen hören, mich darüber informieren, wer was bezahlt usw. Ich kann mich damit beschäftigen, in welchen medien sie veröffentlicht werden (über die ich mir ja letztendlich dann auch wieder ein eigenes Bild verschaffen muss)
Bei wievielen Themen der heutigen Zeit kann das einzelne Individuum genau diese Recherche anstellen?
Wohl kaum bei allen- dazu reicht einfach die zeit nicht.


(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Weiters einzukalkulieren, ist die Themensetzung der Medien, Fehler von Journalisten, Einfluss der Politik, die wiederum ihrerseits von div. Lobbies beeinflusst ist, etc..

Genau das ist aber nicht mehr objektiv messbar. Hier kommt das subjektive Empfinden ins Spiel und somit eine Interpretation von Informationen, die nicht alleine auf objektiven Kriterein beruht, sondern auf persönlichen Neigungen.

(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Daher ist es unumgänglich, Informationen zwar aufzunhemen und zu verwerten, sie jedoch nicht als sakrosanktes Dogma zu betrachten.

Natürlich hast du recht- aber ich vermisse hier näheres darüber, wie du die Informationen verwertest.


(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  
(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:  Vielleicht gelingt es dem aufgklärten, kritischen Individuum, sich zu einem oder zwei Fragen ein detailliertes Bild zu verschaffen, aber beim Rest ist dies sicher nicht möglich- einfach, weil der Tag nur 24 Stunden hat und das menschliche gehirn, selbst bei höchstem IQ, nur begrenzt Informationen aufnehmen und verarbeiten kann.

Selektion ist dem mündigen Rezipienten durchaus zuzutrauen. .

Soll das jetzt ein handfestes Argument sein?
Das ist keines.
Nach welchen Kriterien soll denn der mündige Rezipient selektieren? Woher hat er die denn? Was heißt im übrigen "Mündig"? Wenn er sich für Interesse an den "richtigen" Themen entscheidet? Und wie kann jemand im Kant´schen Sinne mündig sein, der sich nur einem Teil der Fragestellungen widmet? Ist er dann nicht in allen anderen Bereichen unmündig?


(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  
(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:  Sofern meine Annahmen stimmen, würde dies bedeuten, daß das Informationszeitalter dazu führt, daß die Menschen immer unaufgeklärter werden, obwohl (bzw weil) die Datenmenge zunimmt...

Das sehe ich überhaupt nicht.
Erstens setzt deine Annahme voraus, das ein Großteil der Informationen falsch ist, bzw. aus Desinformation besteht (so pessimistisch und paranoid bin nicht mal ich)

Die Fragestellungen der Welt heutzutage sind sehr viel komplexer als früher, und komplexe Fragestellungen erfordern komplexe Antworten. Und je komplexer das ganze ist, umso mehr unterschiedliche Bewertungen kommen zu stande.
Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage, was die EU- Krise ausgelöst hat. Es ist eine komplexe Frage, die eine sehr komplexe Antwort verlangt. Und somit ist sie von vielen Interpretationen getragen- und wahrscheinlich gibt es nicht einmal zwei Wirtschaftswissenschaftler, die darüber wirklich einer Meinung sind.

(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  und zweitens ignoriert sie, dass der Mensch im historischen Kontext noch nie so gut informiert, bzw. gebildet war, wie heute.
Wobei ich mit "heute" den Höhepunkt vor rund 20 Jahren sehe, da die Bildungseinrichtungen und die Bildungspoltik sowie die Gesellschaft seit einiger Zeit beständig abbaut, was aber nichts mit dem Informationsüberangebot zu tun hat.

Das klingt jetzt aber wirr. Zuerst behauptest du, die Leute heute seien nie besser informiert gewesen als heute, dann räumst du ein, daß du eigentlich vor 20 Jahren meintest, behauptest aber, das habe nichts mit dem Informationsüberangebot zu tun, das aber letztendlich in dieser Form erst 15 bis 20 Jahre besteht. Was denn jetzt?
Sind die Leute heute nun besser informiert als vor 20 Jahren oder nicht? Wenn nein- warum kann es dann nicht am Informationsüberangebot liegen?

(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Zum modernen Medienzeitalter gibt es jedoch die m.E. gute Theorie der sog. "increasing konwledge gap", die besagt, dass die Gebildeten eine höhere Medienkompetenz besitzen, ergo mit dem Informationsangebot besser umgehen können und immer gebildeter werden, während die Ungebildeten die Medien nicht entsprechend nutzen (können) und dementsprechend wissenstechnisch stagnieren.

Ich liebe dieses Wort. "Medienkompetenz". Es klingt so gut, so wichtig, so allwissend. Ich habe nur bisher noch niemanden gefunden, der mir genau gesagt hätte, was das Wort nun eigentlich bedeutet. "Medienkompetenz", das sagen zum Beispiel die Werbeleute, wenn sie den Politikern und Eltern einreden wollen, daß Kinder ganz genau wissen, welcher Computer für sie der Beste ist. "Medienkompetenz"- davon reden Politiker, wenn sie gefragt werden, was sie für das Ziel guter Bildung halten. Klingt gut, dieses "Medienkompetenz."
Als mündiger, aufgeklärter Bürger haben meine Recherchen bisher ergeben, daß das Wort "Medienkompetenz" die Erfindung einer Marketingagentur war... Aber ich bin ja noch nicht am Ende. Ich suche noch ein bißchen weiter...

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
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28.01.2013, 22:58
Beitrag: #27
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb:  
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Natürlich.
Nur sollte man, wenn man wissenschaftlich anerkannten Thesen hinterfragt -was gut und wichtig ist- und geneigt ist, sie anzuzweifeln oder zu widerlegen, das auch argumentieren können.

Nein, das muss man nicht. Warum muss man sich vor sich selbst dafür rechtfertigen, ob man einer Definition folgt oder nicht?
Wenn man sie widerlegen möchte, gut, dann braucht man Argumente. Aber wenn man sich einer Definition einfach nicht anschließen kann, muss man sie gar nicht erst mit Argumenten widerlegen können.

Ich formuliere es so:
Ich halte nichts davon, die Erkenntnisse eines Wissenschaftlers, einfach und unbegründet zur Seite zu wischen, ohne ein halbwegs stimmiges Argument zu haben.



(27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb:  Das klingt dann so ein bißchen nach "Wer Kant nicht argumentativ widerlegen kann und ihm dennoch keinen Glauben schenkt, der ist unmündig."[...]


Davon kann keine Rede sein, keine Ahnung wie du wieder darauf kommst...Huh



(27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb:  [quote='Titus Feuerfuchs' pid='19489' dateline='1359087767'] Es gibt Informationen, die (zumindest für mich) eindeutig feststehen, z.B. dass Merkel dutsche Kanzlerin ist, dass die Erde eine Kugel (genauer gesagt ein Rotationellipsoid bzw. Geoid) ist, dass der Papst katholisch ist, etc...

Da fängt aber die Schwierigkeit schon an. Nur was eindeutig definierbar ist, kann auch eine eindeutge Tatsache ist. Ja, Merkel ist deutsche Bundeskanzlerin, daran führt kein Weg vorbei. Das ist eindeutig definiert. Daß der papst katholisch ist, ist schon wieder schwieriger, weil es kein objektives Kriterium dafür gibt , was "katholisch" genau ist. Das ist Definitionssache. Daß der papst das Oberhaupt der katholischen Kirche ist, ist dagegen eine eindeutige Tatsache.


Sollen wir einen Thread mit dem Thema "Ist der Papst katholisch?" aufmachen?Big Grin

(27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb:  Die nur leider überhaupt nichts besagen, wenn man sie nicht in Bezug zu anderen Tatsachen setzt.
Was bedeutet es schon, daß Angela Merkel Kanzlerin Deutschlands ist? Es bedeutet nichts, wenn nicht auch klar ist, was "Kanzler" und "Deutschland" ist. Je tiefer man nachbohrt, um so klarer wird, daß der Informationsgehalt einer Information davon abhängig ist, wie sie interpretiert wird. Und das ist objektiv gar nicht mehr möglich.

Gut, wenn du so argumentierst, kann man gar nichts mehr wissen und nch der Definition jedes Wortes fragen, was den ganzen Diskurs letztlich ad absurdum führt.



(27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb:  Als Kant seine Defintionen entwickelte, fing man gerade an zu messen und vermessen, zu wiegen und zu definieren. Man fing gerade an, eindeutige Sachverhalte mit objektivierten Maßen festzustellen.
Und- ganz wichtig- aus diesen neu gewonnen Maßen und eindeutig festgestellten Tatsachen wurden völlig neue und neuartige Theorien abgeleitet. Von aufgeklärten Menschen, die alte Denkmuster hinter sich gelassen hatten und einen neuen, frischen und unverbrauchten Blick auf die wenigen eindeutig messbaren Tatsachen warfen.
Das war es letztendlich, was Kant forderte. Jeder sollte seinen Verstand gebrauchen und die wenigen eindeutigen Tatsachen selbst interpretieren.

Nur sind seit Kant ein paar Jahrhunderte vergangen, und etliche Denker haben Tatsachen interpretiert, in neue Theorien und Modelle gefaßt. Dazu kommt heute, daß die Datenmenge schneller wächst, als der menschliche Verstand sie verarbeiten kann- und ich bezweifle ernsthaft, daß kant diese Möglichkeit vorhergesehen hat...


Das hindert aber niemanden daran , trotzdem seinen kritischen Verstand zu brauchen, womit Kant weiterhin aktuell bleibt.

MfG, Titus Feuerfuchs
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28.01.2013, 23:24
Beitrag: #28
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:  
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Dann gibt es wissenschaftliche divergierende Lehrmeinungen zu bestimmten Sachverhalten (z.B. bezüglich EU Krise) und da ist es fraglich, wem man eher Glauben schenkt.
Aber auch da kann sich der aufgeklärte Rezipient helfen, indem er sich ansieht, ob eine Lehrmeinung logisch und in sich konsistent ist, wer die Studien bezahlt, in welchen Medien werden sie veröffentlicht, was für einen Ruf hat der Wissenschaftler, wie wurde er sozialisiert, welcher Partei steht er ev nahe, was sind die Argumente seiner Gegner,etc, etc...

Ja, natürlich kann man einer einzelnen Fragen derartig gezielt auf den Grund gehen. Ich kann mir jedes beliebige Thema, das uns heute bewegt, herausnehmen und anfangen, mich mit dieser These intensiv auseinanderzusetzen. ich kann Meinungen und Gegenmeinungen hören, mich darüber informieren, wer was bezahlt usw. Ich kann mich damit beschäftigen, in welchen medien sie veröffentlicht werden (über die ich mir ja letztendlich dann auch wieder ein eigenes Bild verschaffen muss)
Bei wievielen Themen der heutigen Zeit kann das einzelne Individuum genau diese Recherche anstellen?
Wohl kaum bei allen- dazu reicht einfach die zeit nicht.

Das war doch schon zu Kants Zeiten so. Niemand kann alles wissen...



(27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:  
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Weiters einzukalkulieren, ist die Themensetzung der Medien, Fehler von Journalisten, Einfluss der Politik, die wiederum ihrerseits von div. Lobbies beeinflusst ist, etc..

Genau das ist aber nicht mehr objektiv messbar. Hier kommt das subjektive Empfinden ins Spiel und somit eine Interpretation von Informationen, die nicht alleine auf objektiven Kriterein beruht, sondern auf persönlichen Neigungen.


Ist auch nicht nötig.
Intersubjektivität ist in den Sozialwissenschaften ein Kriterium zur Verfizierung von Hypothesen.
Das bedeutet nichts anders, als wenn viele Menschen unabhängig von einander zum selben Schluss kommen, gilt eine These als verifiziert.
Dabei handelt es sich jedoch um Theorien mittlerer Reichweite und nicht um fix bewiesene, wie in den Naturwissenschaften. (klassisches Beispiel: Gravitation)


(27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:  
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Daher ist es unumgänglich, Informationen zwar aufzunhemen und zu verwerten, sie jedoch nicht als sakrosanktes Dogma zu betrachten.

Natürlich hast du recht- aber ich vermisse hier näheres darüber, wie du die Informationen verwertest.

Ich baue sie in mein bestehendes Wissensgerüst ein und überprüfe, ob sie schlüssig , bzw. glaubhaft ist . (So ist z.B. eine Nachricht über einen dreitägigen Regen von Goldmünzen über Wien keines von beiden.)



(27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:  
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Selektion ist dem mündigen Rezipienten durchaus zuzutrauen. .

Soll das jetzt ein handfestes Argument sein?
Das ist keines.
Nach welchen Kriterien soll denn der mündige Rezipient selektieren? Woher hat er die denn? Was heißt im übrigen "Mündig"? Wenn er sich für Interesse an den "richtigen" Themen entscheidet? Und wie kann jemand im Kant´schen Sinne mündig sein, der sich nur einem Teil der Fragestellungen widmet? Ist er dann nicht in allen anderen Bereichen unmündig?

Mündig hat Kant richtig definiert. Mündigkeit hat per se nichts mit Wissen oder Bildung zu tun. Diese Begriffe verwechselst du hier.






(27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:  
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Das sehe ich überhaupt nicht.
Erstens setzt deine Annahme voraus, das ein Großteil der Informationen falsch ist, bzw. aus Desinformation besteht (so pessimistisch und paranoid bin nicht mal ich)

Die Fragestellungen der Welt heutzutage sind sehr viel komplexer als früher, und komplexe Fragestellungen erfordern komplexe Antworten. Und je komplexer das ganze ist, umso mehr unterschiedliche Bewertungen kommen zu stande.
Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage, was die EU- Krise ausgelöst hat. Es ist eine komplexe Frage, die eine sehr komplexe Antwort verlangt. Und somit ist sie von vielen Interpretationen getragen- und wahrscheinlich gibt es nicht einmal zwei Wirtschaftswissenschaftler, die darüber wirklich einer Meinung sind.

Das halte ich für völlig übetrieben. Die Sache ist komplex, aber nicht so komplex, dass daran nichts zu durchschauen wäre. Es gibt ganug Fakten, die von allen Wirtschaftswisssenschaftlern ähnlich bewertet werden, z.B. die wirtschaftlichen Ungleichgewichte als Katalysator der Krise.


(27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:  
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  und zweitens ignoriert sie, dass der Mensch im historischen Kontext noch nie so gut informiert, bzw. gebildet war, wie heute.
Wobei ich mit "heute" den Höhepunkt vor rund 20 Jahren sehe, da die Bildungseinrichtungen und die Bildungspoltik sowie die Gesellschaft seit einiger Zeit beständig abbaut, was aber nichts mit dem Informationsüberangebot zu tun hat.

Das klingt jetzt aber wirr. Zuerst behauptest du, die Leute heute seien nie besser informiert gewesen als heute, dann räumst du ein, daß du eigentlich vor 20 Jahren meintest, behauptest aber, das habe nichts mit dem Informationsüberangebot zu tun, das aber letztendlich in dieser Form erst 15 bis 20 Jahre besteht. Was denn jetzt?
Sind die Leute heute nun besser informiert als vor 20 Jahren oder nicht? Wenn nein- warum kann es dann nicht am Informationsüberangebot liegen?

Information ist m.E. nicht dasselbe wie Bildung. Bei zweiterem beobachte ich eindeutig Verschlechterungen, was freilich nichts daren ändert, dass wir im historischen Kontext der MEnschehitsgeschichte -und da sind die Nuancen der Verschlechterung der letzten Jahre irrelevant- noch nie so gebildet bzw. informiert waren, wie heute.


(27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:  
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:  Zum modernen Medienzeitalter gibt es jedoch die m.E. gute Theorie der sog. "increasing konwledge gap", die besagt, dass die Gebildeten eine höhere Medienkompetenz besitzen, ergo mit dem Informationsangebot besser umgehen können und immer gebildeter werden, während die Ungebildeten die Medien nicht entsprechend nutzen (können) und dementsprechend wissenstechnisch stagnieren.

Ich liebe dieses Wort. "Medienkompetenz". Es klingt so gut, so wichtig, so allwissend. Ich habe nur bisher noch niemanden gefunden, der mir genau gesagt hätte, was das Wort nun eigentlich bedeutet. "Medienkompetenz", das sagen zum Beispiel die Werbeleute, wenn sie den Politikern und Eltern einreden wollen, daß Kinder ganz genau wissen, welcher Computer für sie der Beste ist. "Medienkompetenz"- davon reden Politiker, wenn sie gefragt werden, was sie für das Ziel guter Bildung halten. Klingt gut, dieses "Medienkompetenz."
Als mündiger, aufgeklärter Bürger haben meine Recherchen bisher ergeben, daß das Wort "Medienkompetenz" die Erfindung einer Marketingagentur war... Aber ich bin ja noch nicht am Ende. Ich suche noch ein bißchen weiter...

Das ist eigentlich recht simpel. Es handelt sich dabei um die Fähigkeit, mit Medien richtig umgehen zu können. Ein Kind das jeden Tag x Stunden vorm PC oder Smartphone hängt, hat also z.B. keine Mendienkompetenz.
Und damit ist natürlich nicht gemeint, dass man wissen muss welche technischen Vorteile der PC X gegenüber dem PC Y hat, sondern dass man die Medien eigenverantwortlich zu seinem Vorteil und nicht zu seinem Nachteil einsetzt.

MfG, Titus Feuerfuchs
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29.01.2013, 02:33
Beitrag: #29
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Information ist nicht gleich Bildung. Es gibt Gottseidank noch Familien, die diesen feinen Unterschied kennen. Dabei geht es nicht primär ums Klavierspielen oder Schillers Glocke.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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29.01.2013, 17:53
Beitrag: #30
RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(29.01.2013 02:33)Arkona schrieb:  Information ist nicht gleich Bildung. Es gibt Gottseidank noch Familien, die diesen feinen Unterschied kennen. Dabei geht es nicht primär ums Klavierspielen oder Schillers Glocke.

Das sehe ich letztendlich genauso. Obwohl, vielleicht auch nicht. Du drückst dich so allgemeinverbindlich aus, daß wir auch unterschiedliche Sachverhalte meinen können.

Irgendwer soll Einstein mal nach einer recht trivialen physikalischen Formel gefragt haben, und Einstein soll darauf gesagt haben "Warum soll ich meinen Kopf mit Dingen belasten, die ich jederzeit im Lexikon nachschlagen kann?"

Wichtiger als die Information an sich ist wohl die Bewertung, das Einfügen in ein Wertesystem....

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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