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Konflikte im Südwesten am Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit
15.02.2016, 12:31
Beitrag: #12
RE: Konflikte im Südwesten am Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit
Was wäre einmal mit einer etwas anderen Perspektive:

Aus österreichisch-habsburgischer Historiker-Sicht werden Konflikte wie die Mainzer Stiftsfehde oder der Bayerische Krieg als "Stellvertreter"-Krieg im Reich gesehen und in Beziehung zu dem "Erbfolgekrieg" um das Herzogtum Österreich unter der Enns, wobei sich die Lage und alles als recht undurchsichtig und in den Verwickelungen auch sehr komplex darstellt.

(10.03.2013 23:53)zaphodB. schrieb:  Hinzu kam noch folgendes Motiv des habsburgisch-wittelsbachischen Konfliktes:
Die Habsburger waren in der Goldenen Bulle nicht in den Kreis der Kurfürsten aufgenommen worden, was diese neben dem Kaiser Karl IV.(Luxemburg) auch dessen Schwiegervater Pfalzgrafen Rudolf II zuschrieb.

Die Goldene Bulle war wohl eher kein Motiv für den Konflikt Habsburg-Österreich und Wittelsbach-Bayern, zudem es Karl IV. ohnehin gelang, jene Kurstimme an sich zu bringen, die einem Mitglied des Hauses Wittelsbach-Bayern gehörte, sondern höchstens ein Konflikt Habsburg-Österreich mit Luxemburg-Böhmen.

Was den Grafen Rudolf von der Pfalz, den Schwiegervater von Karl IV. betrifft, der es übrigens insgesamt auf vier Schwiegerväter brachte, so starb er bereits 1353, also 3 Jahre vor der Goldenen Bulle.

Zum Privilegium maius, siehe mein folgendes Statement unter Das Privilegium maius - Fälschungen?.

(09.03.2013 19:16)zaphodB. schrieb:  ...
Zum ersten war es ja kein Thronraub sondern eine sogar vom Papst und den Pfälzer Ständen genehmigte Arrogation [...] außerdem bereits beim Regierungsantritt des großen Fritz festgelgt war,daß sein Neffe die Herrschaftsnachfolge in der Pfalz antreten sollte.
...

Eine von Papst und den Pfälzer Ständen genehmigte Arrogation war es offensichtlich nicht. Dagegen spricht, dass Friedrich I. der Siegreiche sich keineswegs darum kümmerte, dass die Stände und der Papst dazu ihre Genehmigung gaben, sondern erst einmal beide vor vollendete Tatsachen stellte und somit nachträglich die Anerkennung einforderte.

Hinzu kommt noch, dass diese Arrogation, mit der Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche nach dem Tod seines Bruders des Pfalzgrafen und Kurfürsten Ludwig IV. dessen Nachfolge für sich sicherte, zumindest im HRR etwas ganz Neues war, jedenfalls mit Blick auf Lösungen, die bisher üblich waren, wenn ein Landesfürst starb und die erbberechtigten Kinder noch nicht volljährig waren.

Gewöhnlich wurde ein Vormund eingesetzt, meistens der Bruder oder nächste Verwandte des Landesfürsten, je nach den Hausgesetzen einer Familie wurden auch andere Verwandte, zum Beispiel die Mutter oder weitere Angehörige zugezogen, manchmal auch ein eigener Rat gebildet. Diese übernahmen bis zur Volljährigkeit des Erben (wobei das Alter je nach Hausgesetz in den Familien des Hochadels varierte) die Herrschaft.

Ein Beispiel dafür sind Graf, später Herzog Eberhard im Bart von Stuttgart(-Urach) und sein älterer Bruder, für die Graf Ulrich V. von Württemberg-Stuttgart als Bruder des Vaters die Vormundschaft übernahm. Allerdings dürfte sich auch Pfalzgraf Friedrich I. der Siegreiche als Bruder der Mutter ständig eingemischt haben. Mit der Arrogation konnte Friedrich I. der Siegreiche übrigens erfolgreich verhindern, dass sich andere in seine "Vormundschaft" über seinen Neffen Philipp den Aufrechten einmischten, so z. B. gerade dieser Ulrich V., der mit dessen Mutter Margarethe von Savoyen verheiratet war. An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass die meisten Reichsfürsten im Südwesten des HRR in engen Verwandtschaftsbeziehungen zueinander standen.)

Dass Vormünder versuchten, auch nachdem der rechtmäßige Erbe volljährig war, ihre Vormundschaft weiterzuführen und den Erben überhaupt nicht an die Macht zu lassen, dafür gibt es auch relativ viele Fälle in dieser Zeit, und gar nicht wenige Fürsten mussten darum kämpfen, dass sie endlich ihr Erbe antreten konnten. (Kaiser Friedrich III. ist da ein recht interessanter Fall, weil er alle diese Positionen selbst erlebt hat.)

Offensichtlich hatte Friedrich I. der Siegreiche von Anfang an die Absicht seinen Bruder zu beerben, wobei er mit der Arrogation etwas Neues durchführte. Er versuchte nicht als Vormund seines Neffen, die Herrschaft über die Pfalz vorübergehend zu übernehmen, dies vielleicht gleich mit der Absicht, dem Neffe auch nach seiner Volljährigkeit diese bis zu seinem Tod vorzuenthalten, sondern er trat gleich selbst die Nachfolge an, die eigentlich dem einjährigen Sohn seines Bruders zugestanden hätte. Allerdings adoptierte er seinen einjährigen Neffen und verpflichtete sich keine Ehe einzugehen, womit er dessen Nachfolge anerkannte. An diese Vereinbarung hat er sich übrigens weitgehend gehalten.

Auf jeden Fall schuf er mit seiner Arrogation, der er durch Rechtsgelehrte eine Legitimation zu geben versuchte, etwas Neues. Durchaus vorstellbar, dass sich die rechtliche Unsicherheit, ob diese Arrogation legal ist, daraus ergab, dass sich das römische Recht erst im 15. Jahrhundert durchzusetzen begann und mit den bisher üblichen Rechtsauffassungen im Widerspruch stand. Eine allgemeine Anerkennung hätte vermutlich einen Präsenzfall geschaffen.

Ob nun rechtlich in Ordnung oder eben nicht, wahrscheinlich hätte das alles, nachdem er sich bei seinen Landständen durchgesetzt hatte, keine politischen Verwicklungen zur Folge gehabt, wenn nicht die Pfalz ein Kurfürstentum gewesen wäre und es für die Kurstimme dank der Goldenen Bulle Auflagen gab. Deswegen war wohl zumindest die Zustimmung des Kaisers / Königs erforderlich oder wurde zumindest für erforderlich gehalten. (Auffallend ist doch, dass Friedrich I. wiederholt versucht hat, sie zu erreichen, obwohl er doch abgesehen vom Kaiser zuletzt doch von fast allen als Kurfürst anerkannt war, und dessen Macht auch tatsächlich ausübte.)

(10.03.2013 23:53)zaphodB. schrieb:  ...Kaiser Friedrich III., des selben Kaisers, der die pfälzische Arrogation entgegen geltendem Recht nicht anerkannte und die fruchtlose weil rechtlich ebenfalls nicht haltbare Reichsacht über Kurfürst Friedrich den Siegreichen verhängte.

War es wirklich entgegen geltendem Recht, dass Kaiser Friedrich III. die pfälzische Arrogation nicht anerkannt hat? Oder ist die Lage, ob diese pfälzische Arrogation zumindest von einem juristischen Standpunkt berechtigt war, doch komplizierter zu beurteilen?

Fakt ist, dass Friedrich I. der Siegreiche jedenfalls keineswegs erst einmal dafür die Zustimmung der Landstände (oder vom Papst oder Kaiser) einholte, sondern alle vor vollendete Tatsachen stellte und dann forderte, dass seine Entscheidung als rechtmäßig anerkannt werden sollte.

Rolf führt in seiner wissenschaftlichen Arbeit (Literaturangabe dazu, siehe unten) aus, wie es Friedrich I. dem Siegreichen allmählich, wenn auch über einige Jahre hinweg, gelang, sämtliche Zustimmungen vom Papst, von den Kurfürsten und einigen wichtigen Reichsfürsten zu bekommen. Allerdings, nur weil letztlich alle mit etwas einverstanden sind oder sein müssen, heißt das noch lange nicht, dass es deswegen gesetzlich dem Recht entspricht. Hinzu kommt, dass auch nicht in allen Fällen diese Anerkennung erfolgte, sondern er sie in einigen Fällen erpresst hat.

So schlug Friedrich I. z. B. den Amberger Aufruhr in der Oberpfalz, einen Widerstand zu seinem Vorgehen, 1454 nieder. (Auch wenn sein Vorgehen gegen die Aufständischen dabei nicht brutaler als das von anderen Zeitgenossen war, im Vergleich zu den Taten manch anderer Zeitgenossen, denen auch ziemlich gewaltsames Vorgehen nachgesagt wird, kommt mir der gute Herr Friedrich I. doch um einiges brutaler vor.

Ein allzu zimperlicher Zeitgenosse dürfte er jedenfalls nicht gewesen sein. (Damit stellt sich auch die Frage, ob das brutale Vorgehen von Ulrich V. von Württemberg-Stuttgart, Karl von Baden oder Georg von Metz in der Mainzer Stiftsfehde mit Blick auf das, was damals bei Kriegen leider üblich war, wirklich um so vieles schlimmer war oder nicht einfach nur aufgebauscht wurde, um der (offensichtlich für seine Zeit ziemlich harten) Behandlung, die Friedrich I. später seinen Gefangenen gegenüber zeigte, nachträglich eine angebliche Rechtfertigung zu geben. Vergessen wir nicht, dass die Geschichtssicht gewöhnlich von den Siegern bestimmt wird.)

Einzig der Kaiser war bis zuletzt nicht zu einem Umdenken zu bewegen, wobei über dessen Gründe gemutmaßt werden kann: weil er es selbst für Unrecht hielt und ihm die Wahrung der rechtlichen Seite wichtig war, weil er von der Rechtmäßigkeit eben nicht überzeugt war, weil er keinen Sonderfall schaffen wollte, weil das eine Einbuße der ohnehin nicht mehr wirklich machtvollen Position des Königs bedeutet hätte, weil er nicht bereit war, sich vom Pfalzgrafen erpressen zu lassen ...

Bei einer negativen Sicht auf den Kaiser wären auch Mutmaßungen möglich, wie weil der Pfalzgraf nicht bereit war, ihm etwas dafür zu bezahlen, weil er einfach ein Sturschädel war, weil er den Pfalzgrafen nicht ausstehen konnte ...

Bei einer negativen Sicht von Friedrich I. dem Siegreichen wäre natürlich auch denkbar, dass der Kaiser auf stur schaltete, da der Pfalzgraf nie die Gelegenheit hatte, ihn tatsächlich selbst unter Druck zu setzen oder ihm die Zustimmung abzupressen oder dass dieser schon das Vorgehen des Markgrafen, erst "Nägel mit Köpfen" zu machen und erst nachträglich die Erlaubnis dafür einzufordern, gestört hat ...

Nun, in den letzten Lebensjahren des Pfalzgrafen ist davon auszugehen, dass vielleicht eine Einigung gar nicht mehr möglich gewesen wäre, bei der Friedrich III. wenigstens hätte sein Gesicht wahren können.

Interessant ist jedenfalls, dass der Papst die Arrogation zwar anerkannte, aber keineswegs versuchte, seine Entscheidung verbindlich zu machen oder damit tatsächlichen Druck auf den Kaiser auszuüben, um ihn ebenfalls zur Anerkennung zu veranlassen.

Fakt ist, dass es letztlich keine Lösung gegeben hat. Als Friedrich III. fast 10 Jahre nach dem Tod von Friedrich I. dessen Nachfolger Philipp dem Aufrechten die Privilegien bestätigte, offensichtlich als Preis für die Kurstimme bei der Wahl seines Sohnes zum deutsch-römischen König, war Friedrich I. kein Thema und dies auch keine postume Rehabilitierung des Pfalzgrafen. (Die Verhandlungen wegen der Kurstimme dürfte übrigens Maximilian I. geführt haben und nicht sein Vater.)
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Was die Konflikte mit Friedrich I. betrifft, darf aber auch nicht übersehen werden, dass es dabei eben nicht ständig um die Arrogation ging bzw. die damit verbundene Anerkennung als Kurfürsten, wegen der ein "böser" Kaiser Friedrich III. einen "armen" Kurfürsten Friedrich I. so verfolgt hätte. So wurde der Pfalzgraf vom Kaiser keineswegs von politischen Funktionen ausgeschlossen, wie z. B. seine Rolle als Schlichter bei Streitigkeiten anderer Fürsten zeigt, die vom Kaiser auch akzeptiert wurde.

Auch die Auseinandersetzungen, in die Friedrich I. verwickelt war, hatten jedenfalls nicht nur mit der Arrogation zu tun.

War die später verhängte Reichsacht gegen den Kurfürst Friedrich den Siegreichen nur deshalb fruchtlos, weil sie eben rechtlich nicht haltbar war?

Oder lag es eher daran, dass es nach der Schlacht von Seckenheim niemand mehr wagte oder Interesse daran hatte, den Vollzug der Reichsacht zu übernehmen? Was aber wieder kein Beweis dafür ist, dass sie rechtlich betrachtet, nicht gerechtfertigt gewesen wäre?

Soweit ich beurteilen kann, wurde die Reichsacht auch nicht einfach so über den Pfalzgrafen verhängt, sondern es gab mehrjährige Verhandlungen (das Vorgehen, für das sie verhängt wurde bzw. das der Vorwand war, geschah bereits um 1470, die Acht wurde erst 1474 verhängt) und Ludwigs IX. von Bayern-Landshut versuchte mehrmals zu vermitteln. Weiter gab es ein Verfahren, und obwohl es natürlich bedenklich ist, dass der Kaiser hier selbst die Anklage geführt hat (und daneben auch der Richter war), kann nicht übersehen, dass es dazu erst kam, als der ursprüngliche Kläger von Friedrich I. abgelehnt wurde.
Ein reiner Willkürakt dürfte die Ächtung jedenfalls nicht gewesen sein, auch wenn ich dem guten Friedrich III. durchaus zutraue, dass er keine Bedenken hatte, die Wahrung des Rechtswegen dafür ein wenig zu missbrauchen.

Wenn wir die Geschehnisse tatsächlich auf eine Auseinandersetzung zwischen den beiden Friedriche reduzieren, ist jedenfalls zu bedenken, dass der Konflikt auch nach dem Tod Friedrichs I. im Jahr 1476 nicht wirklich gelöst war. Die Aussöhnung mit der Pfalz und offizielle Anerkennung von Philipp erfolgte erst um 1486 und dürfte der Preis für die pfälzische Kurstimme bei der Wahl von Maximilian zum deutsch-römischen König gewesen sein, und dabei wurde Friedrich I. jedenfalls vom Kaiser nicht etwa postum rehabilitiert.

Mir ist nicht bekannt, dass das Modell von Friedrichs "Arrogation" in der Folge Nachahmer gefunden hat, was ebenfalls eher dafür sprechen würde, dass die Rechtlichkeit eben doch umstritten war. Jedenfalls wäre es für eine endgültige Beurteilung sicher interessant zu wissen, ob es weitere solche Arrogationsfälle gegeben hat und auch, wie ausgegangen sind und sich die Betroffenen verhalten haben. (Bzw. wie sich so etwas auswirkte, wenn es nicht gerade um eine Kurfürstenwürde ging.)

Was letztlich der Hauptgrund sein dürfte, dass später jedenfalls aus pfälzischer Sicht davon ausgegangen wurde, dass alles schon seine Richtigkeit gehabt hätte, was sich Friedrich der Siegreiche da erlaubt hatte.
Ich vermute, dass dürfte neben dem Umstand, dass Friedrich der Siegreiche, wie schon sein Name sagt, doch der eigentliche Sieger war, mit der Haltung des Pfalzgrafen Philipp des Aufrechten in diesem Konflikt zusammenhängen. An der Entscheidung für die Arrogation, mit dem ihm jedenfalls die rechtmäßige Erbfolge etwas länger vorenthalten wurde, als bei einer Vormundschaft, die tatsächlich mit der Volljährigkeit endet, war er natürlich unbeteiligt, doch er selbst hatte es offensichtlich keineswegs eilig, seinen Onkel schon vor dessen Tod zu beerben. Vielleicht hatten beide auch ein sehr gutes Verhältnis zueinander, jedenfalls stand Pfalzgraf Philipp loyal zu seinem Onkel und ließ sich in keine Aktion gegen ihn verwickeln, obwohl dazu sehr wohl Versuche gegeben hätte.

Und wenn der angeblich "Geschädigte" sich offensichtlich gar nicht geschädigt fühlt, stellt sich natürlich die Frage, ob der ganze Konflikt überhaupt notwendig gewesen wäre. Wahrscheinlich wäre diese "Arrogation", ob rechtlich zulässig oder nicht, spielt da keine Rolle, letztlich gar kein Thema gewesen, wenn es dabei nicht auch um die Kurfürstenwürde gegangen wäre.

Quelle für meine Überlegungen:
Bernhard Rolf: Kurpfalz, Südwestdeutschland und das Reich 1449-1476. Die Politik des Pfalzgrafen und Kurfürsten Friedrich des Siegreichen, Inaugural-Disseration, Univ. Heidelberg, o. J. [1981]

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Wie dieser Konflikt aus heutiger Sicht letztlich zu beurteilen ist, ihn nur auf die Schuld eines "bösen" Kaisers oder eines "bösen" Kurfürsten (ich jedenfalls finde, dass keiner der beiden Herren eine Lichtgestalt oder strahlender Held war) und das Ganze auf einen Konflikt zwischen den beiden zu reduzieren, dürfte doch zu kurz greifen.

Womit wir zum nächsten Punkt kommen?
(10.03.2013 23:53)zaphodB. schrieb:  Wie oben schon gesagt waren aus meiner Sicht Württemberg ebenso wie Baden nur die Marionetten, der eigentliche Spieler war Habsburg.

Darüber scheinen sich die Historiker/innen bis heute nicht wirklich einig zu sein. 1463 wurde ein (Friedens-)Vertrag zwischen dem Kaiser und dem Pfalzgrafen geschlossen, und da wurde weder auf irgendwelche Mitschuld des Kaisers eingegangen oder dieser gar als der eigentliche Verursacher des Ganzen dargestellt. Weil dem Kaiser nicht wirklich etwas nachgewiesen werden konnte, weil der Kaiser trotz allem einfach zu mächtig war, ihm auf solchen Punkten zu bestehen oder weil er nur seine Pflicht als Kaiser zu erfüllen versucht hatte, oder er gar nicht irgendwie schuldig war? Alle Möglichkeiten sind vorstellbar.

Betrachten wir die Beziehung zwischen Friedrich I. und seinen Nachbarn Ulrich V. von Württemberg(-Stuttgart) und Karl von Baden, so fällt auf, dass die Lage jedenfalls ziemlich angespannt war und dies auch aus Gründen, die mit dem Kaiser Friedrich III. nicht unbedingt zu tun hatten.

Nach einigen Briefzitate bei Rolf entsteht der Eindruck, dass Karl von Baden sich und seine Markgrafschaft durch Aktionen von Friedrich I. zunehmend bedroht sah, wobei er auch den Eindruck hatte, dass der Pfalzgraf offensichtlich wagte, doch jede Regel zu brechen. Das spricht eigentlich keineswegs dafür, dass hier erst der Kaiser, mit dessen Schwester er verheiratet war, intrigieren musste, wobei vielleicht noch zu bedenken ist, dass Karl von Baden offensichtlich in den Jahren eindeutig mehr Kontakt mit seinem anderen Schwager, dem Erzherzog (den er auch in den vorderen Landen während dessen "Wechsel" nach Wien vertrat) gehabt hatte. Der wiederum war Verbündeter des Pfalzgrafen (Siehe dazu unten)
Die aktive Verstrickung in die Mainzer Bischofsfehde wird übrigens gewöhnlich mit der Parteinahme für seinen Bruder Georg Bischof von Metz begründet, die den Ausschlag gegeben haben soll.

Auch mit Württemberg-Stuttgart finden sich Konflikte, die mit dem Kaiser nicht wirklich zu tun haben. Ulrich V. war z. B. mit Margarethe von Savoyen verheiratet, der Witwe Ludwigs IV., dem Bruder von Pfalzgraf Friedrich I. Diese führte mit dem Pfalzgrafen einen jahrelangen Streit, wobei es um ihr Wittum und ihre Morgengabe (und auch um Besitzungen von ihr aus der ersten von ihren insgesamt 3 Ehen) ging. Weiter gab es Spannungen zwischen Ulrich und Friedrich wegen der Vormundschaft um die Söhne von Ulrichs Bruder, den Grafen von Württemberg-Urach, und dann finden sich noch andere Konfliktherde.

Jedenfalls ist es keineswegs eindeutig, dass hinter den Konflikten, die Friedrich I. und seine Nachbarn hatten, nur der Kaiser gesteckt hat.

Letztlich dürfte die Frage nicht zu klären sein, ob Friedrich III. Reichsfürsten wie z. B. Ulrich V. von Württemberg- Stuttgart für seine Auseinandersetzung benutzte (oder sie dann schmählich im Stich ließ), was ich ihm schon zutraue, oder ob die mit Friedrich I. ohnehin im Konflikt befindlichen benachbarten Fürsten ihre Auseinandersetzungen durch eine Legitimierung des Kaisers zu rechtfertigten suchten, was allerdings auf mich auch nicht unglaubwürdig wirkt.

Friedrich III. führte zu der Zeit Krieg mit den Grafen von Görz, den er letztlich für sich entscheiden konnte und war außerdem in den Kampf um das Herzogtum Österreich unter der Enns, das sein Bruder für sich beanspruchte, verwickelte, wobei er im Herbst 1462 selbst in eine überaus gefährliche Lage geriet, wo ihm wohl letztlich das Eingreifen des böhmischen Königs vor einer Gefangennahme bewahrte.

Er war jedenfalls eindeutig mit anderen Auseinandersetzungen beschäftigt, weswegen ihm zumindest aus österreichisch-habsburgischer Sicht nicht angelastet wird, dass er sich nicht um die Geschehnisse im Reich gekümmert hat oder in diese aktiv eingreifen konnte. Bei den österreichischen Historikern/innen wird oft der Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg als die treibende Kraft in den kriegerischen Auseinandersetzung Anfang der 1460er-Jahre gesehen. Ob diese Sicht nun richtig oder nicht richtig ist, jedenfalls scheint der Markgraf die treibende Kraft gewesen zu sein, dass sich die "Allianzen" trotz der Niederlagen der "kaiserlichen" Verbündeten letztlich nicht wirklich aufgelöst haben.

Was die Beziehungen der Akteure nach Seckenheim betrifft, so dürfte Ulrich V. dem Kaiser von dem er sich offensichtlich im Stich gelassen fühlte, sein Verhalten während der Mainzer Stiftsfehde und danch sehr übel genommen haben. Allerdings hatte das nicht zur Folge, dass er irgendeine Kehrtwendung vollzogen oder sich andersweitig orientiert hätte.

Die Beziehung zu den Markgrafen von Baden scheinen weiterhin gut gewesen zu sein. Karls Söhne begleiten Maximilian I. später in die Niederlande.

Auch hier lassen sich also keine eindeutigen Schlussfolgerungen ziehen. (Es sei denn, wir selbst haben eine Meinung, die die einzig Richtige zu sein hat.Wink

Einige Quellen für meine Überlegungen (alphabetische Reihenfolge):
- Wilhelm Baum: Friedrich III. und die Grafen von Württemberg, in: Paul-Joachim Heinig (Hrsg.): Kaiser Friedrich III. (1440-1493) in seiner Zeit. Studien anläßlich des 500. Todestags am 19. August 1493, 1993, S. 103-139
- Regine Birkmeyer: Aspekte fürstlicher Witwenschaft im 15. Jahrhundert. Die Versorgung der Witwe im Spannungsfeld der Territorialpolitik am Beispiel der Margarethe von Savoyen (1420-1479), in: Jörg Rogge (Hrsg.): Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter (= Mittelalter-Forschungen 15), 2004, S. 283-300
- Heinrich Koller: Kaiser Friedrich III. (= Gestalten des Mittelalters und der Renaissance. Hrsg. v. Peter Herde), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005
- Bernhard Rolf: Kurpfalz, Südwestdeutschland und das Reich 1449-1476. Die Politik des Pfalzgrafen und Kurfürsten Friedrich des Siegreichen, Inaugural-Disseration, Univ. Heidelberg, o. J. [1981]

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(10.03.2013 23:53)zaphodB. schrieb:  ... der eigentliche Spieler war Habsburg.

Wenden wir uns nun Habsburg zu - der eigentliche Spieler?

Diese Frage lässt sich (mein Eindruck) nicht wirklich beantworten (siehe oben), aber ich vermute einmal, dass sich Kaiser Friedrich III. über deine Aussage sehr gefreut hätte. Denn ich habe den Eindruck, dieser Herr hätte es wirklich sehr gerne gehabt, wenn nur er Habsburg gewesen wäre und somit alleiniger Herrscher über alle "Erblande" und nicht nur der Senior bzw. "Familienchef" im Haus Österreich.Sceptical

Letztlich war es für ihn sicher Pech, dass es da zu Beginn seiner Herrschaft gewisse Verwandte gab, die anderer Ansicht waren, und ihre Forderungen nach der Teilnahme an der Herrschaft bzw. ihrer eigener Herrschaft im Haus Österreich durchzusetzen konnten. In dem einem Fall wohl aufgrund der Willenstärke, Energie und Beharrlichkeit des Betroffenen, und in dem anderen Fall dank von Landständen, denen es offensichtlich gar nicht gefiel, dass Friedrich III. ihre schöne Grafschaft als Geldquelle für sein "geliebtes" Herzogtum Steiermark zu nutzen versuchte.

Spaß beseite, wie verhielt(en) sich die Herrschaft Österreich (oder die Habsburger) in diesem weit gespannten Konflikt, der in der Mainzer Stiftsfehde und im Bayerischen Krieg einen traurigen "Höhepunkt" hatte und in dem zu dieser Zeit noch andere Konflikte wie z. B. der Krieg um das Erbe der albrechtinischen Linie der Habsburger hineinspielten?

Dass Friedrich III. Gegner des gleichnamigen Pfalzgrafen war, ist Fakt, und dass seine Partei oder die, die mit seiner Legitimierung, diese kriegerischen Auseinandersetzung führten, mehr oder weniger alle auf der Verliererseite waren, ist ebenfalls Tatsache. Allerdings dürfte Friedrich III. in dem Konflikt mit dem Pfalzgrafen Positon als Kaiser / König bezogen haben, als Landesfürst hatte er trotz der Interessen seiner Familie in Schwaben, im Elsaß und in der heutigen Schweiz mit Pfalzgraf Friedrich keine Reibungspunkte, da sein Hauptinteresse als Landesfürst vor allem den Nachbarn im Osten und Süden galt. Der Westen der Erblande befand sich zur Zeit der Mainzer Stiftsfehde unter der Herrschaft von den zwei andereren Habsburgern.

Herzog Sigmund der Münzreiche, Cousin des Kaisers, herrschte über die Grafschaft Tirol und nach 1464 auch über die vorderen Lande. Bis in die 1450er-Jahre wahrte er den anderen Reichsfürsten gegenüber weitgehend Neutralität, war allerdings vorübergehend mit Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg verbündet, ein Bündnis, das er nicht mehr erneuerte, nachdem er Ende der 1450er-Jahre zunehmend politischen Kontakt mit den Wittelsbachern hielt und mit denen Bündnisse einging. (Seine späteren Verkaufs- und Verpfändungsaktivitäten, die letztlich seine Entmachtung zur Folge hatten, fallen allerdings erst in die 1480er-Jahre, und sind für die Zeit von Friedrich I. dem Siegreichen somit noch kein Thema.)

In der Mainzer Stiftsfehde und im Bayerischen Erbfolgekrieg stand er nicht auf der Seite der "Kaiserlichen", sondern von Ludwig von Bayern-Landshut, der im Konflikt mit den Eidgenossen, die ihm bzw. der Herrschaft Österreich ihre ohnehin brüchige Machtposition in Thurgau endgültig kostete, vermittelt hatte. Für eine direkte Teilnahme an Kampfhandlungen hatte der Herzog offensichtlich keine Zeit, weil er selbst zu dieser Zeit in eine Auseinandersetzung mit dem Papst und dem Bischof von Brixen verstrikt war, in der er letztlich als Sieger hervorging, obwohl es dabei zur Verhängung von Kirchenbann und Interdikt gegen ihn bzw. Tirol kam. (Diese Auseinandersetzung, der sogenannte "Cusanus"-Konflikt gilt als der letzte große Konflikt zwischen dem Papst und einem Reichsfürsten vor der Reformation.)

Sigmund der Münzreiche unterstützte also keineswegs Kaiser Friedrich III., sondern stand auf dessen Gegenseite. Was auch später oft der Fall sein sollte, wie z. B. seine Unterstützung er Eidgenossen im Krieg gegen Burgund zeigt.

Die Vorderen Landen waren seit 1444 Herzog (seit 1453 auch offiziell Erzherzog) Albrecht VI., dem jüngeren Bruder von Friedrich III. anvertraut. Er versuchte in "Schwaben" die Herrschaft der Habsburger als Landgraf im Sundgau, Graf von Pfirt und Herrscher im Breisgau nach den Verlusten in der Ostschweiz nach Norden hin weiterauszubauen, eine Politik, die nach seinem Tod 1463 von seinem Cousin fortgesetzt wurde (und letztlich an der Haltung von Friedrich III. gescheitert ist, der andere Prioritäten verfolgte).

Allerdings hatte sich das Hauptinteresse von Albrecht VI. zum Zeitpunkt der Mainzer Stiftsfehde bereits nach Osten verlagert, wo er seit ca. 1458 mit Friedrich III. eine Auseinandersetzung um das Erbe der Albrechtinischen Habsburger führte (dieser Familienzweig war 1457 in männlicher Linie ausgestorben), und die 1461 und 1462 in einem offenen Krieg mit seinem Bruder ihren seinen traurigen Höhepunkt fand.

In der Mainzer Stiftsfehde und im Bayerischen Krieg stand der Erzherzog (der mit dem Pfalzgrafen verbündet und seit 1452 mit dessen älterer Schwester Mechthild verheiratet war) ebenfalls auf der Seite von Friedrich I.

Fazit:
Die Herzöge von Österreich standen in den Auseinandersetzung um 1460 auf unterschiedlichen Seiten und bildeten somit auch keine Einheitsfront nach außen.

Quellen:
- Wilhelm Baum: Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter, 1987
- Konstantin Moritz A. Langmaier: Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (1418–1463). Ein Fürst im Spannungsfeld von Dynastie, Regionen und Reich (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Bd. 38), 2015

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