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Finnland, der Kumpan Hitlers
18.08.2012, 00:47
Beitrag: #7
RE: Finnland, der Kumpan Hitlers
Ich versuche einmal die finnische Außenpolitik der 1930-er Jahre darzustellen. Sie ist komplizierter und kann nicht als Kumpanerei mit Hitler-Deutschland betrachtet werden. Finnland musste sich von der Sowjetunion bedroht fühlen. Die durchaus nachvollziehbaren sowjetischen Sicherheitsinteressen hätte seitens der Sowjetunion auch mit einem Bündnisvorschlag gelöst werden können. Aber die Sowjetunion war nicht an einer Partnerschaft mit Finnland interessiert, sie beabsichtigte die Unterwerfung und Einverleibung Finnlands.

Finnland übernahm in den 1930-er in eine aktivere Rolle in der Politik als zum Beispiel seine skandinavischen Nachbarn. Dies liegt vor allem darin begründet, dass es dem Völkerbund nicht gelang, die Sicherheitsinteressen Finnlands ausreichend zu unterstützen. Deshalb schloss Finnland 1932 mit der Sowjetunion einen Nichtangriffspakt und 1935 stimmte der Reichstag dem Regierungsbeschluss zu, sich der skandinavischen Neutralitätspolitik anzuschließen. Diese Politik hatte das Ziel, Finnland aus den Konflikten der europäischen Politik herauszuhalten.

Ende der 1930-er Jahre mussten jedoch die finnischen Politiker erkennen, dass ihre auf Neutralität bedachte Politik zum Scheitern verurteilt ist. Die von sozialdemokratischen Politikern regierten Länder Schweden, Norwegen und Dänemark beargwöhnten die Politik des konservativen (in ihrer Denkweise reaktionären) finnischen Präsidenten Svinhufvud (Amtszeit 1931/37), der 1917/18 ein deutschfreundlicher Reichsverweser gewesen war und Anfang der 1920-er Jahre als Ministerpräsident eine antikommunistische Politik betrieb. Während seiner Präsidentschaft versagte er den Sozialdemokraten strikt eine Regierungsbeteiligung. Hauptsächlich wegen dem Lagerdenken der schwedischen Sozialdemokraten kam es zu keinen Annäherungen zwischen den Finnen und den skandinavischen Ländern. Ebenso misstraute die Sowjetunion Svinhufvud. Finnland war politisch isoliert, auch das Verhältnis zu Deutschland war distanziert.

Bei den Präsidentschaftswahlen 1937 unterlag Svinhufvud dem Politiker Kyösti Kallio von der Bauernpartei. Kallio ließ bald darauf eine neue Regierung wählen, die sich aus einer Koalition aus Bauernpartei, Liberalen und Sozialdemokraten bildete. Die Sozialdemokraten waren damit seit 1918 erstmals wieder in der Regierung. Die neue Regierung hob vor allem ihre außenpolitische Neutralität hervor. Ebenso versuchte die neue Regierung den seit ca. 20 Jahren bestehenden Konflikt um die Aland-Inseln zu lösen. Die Aland-Inseln waren von einer vorwiegend schwedischen Bevölkerung besiedelt, die 1920 auch für Schweden optierten. Dies wurde jedoch aufgrund finnischer Sicherheitsinteressen 1921 vom Völkerbund nicht anerkannt. Als Begründung gab man an, dass der Verbleib der Aland-Inseln das Schwedentum in Finnland festigte(!). 1937/38 entwarfen jedoch schwedische und finnische Politiker einen Plan zur Befestigung der Aland-Inseln, der jedoch infolge weitgehender Kompensationsforderungen der Sowjetunion scheiterte.

Spätestens mit der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts im August 1939 muss man die finnische, aber auch die skandinavische Neutralitätspolitik als gescheitert ansehen. In einer Geheimklausel wurde Finnland der sowjetischen Einflusszone zugeteilt. Deshalb wurde für den 5. Oktober 1939 eine finnische Delegation von Politikern unter Leitung von Juho Kusti Paasikivi nach Moskau bestellt. Paasikivi war ein konservativer Diplomat, der jahrelang in Stockholm akkreditiert war und für eine Politik der Versöhnung mit der Sowjetunion stand. Stalin unterbreitete den Finnen seine territorialen Forderungen, die konkret beinhalteten, dass erstens aus Sicherheitsgründen die gemeinsame Grenze auf der karelischen Landenge nach Norden verschoben werden muss, dass zweitens die finnische Halbinsel Hangö an die UdSSR zur Errichtung einer Militärstation verpachtet werden sollte, dass drittens alle Inseln am finnischen Meerbusen abgetreten werden und dass viertens eine Halbinsel bei Petsamo gefordert wird. Als Gegenleistung bot Stalin Gebiete in Ostkarelien an und er stimmte nun auch der schwedisch-finnischen Befestigung der Aland-Inseln zu.

Die Verhandlungen brachten keine Ergebnisse. Finnland versuchte Hilfe im Westen zu finden, erreichte aber nur ein paar leere Sympathiebekundungen. Am 26. November 1939 forderte die Sowjetunion den Rückzug der finnischen Truppen um 20 bis 25 km hinter die Linien. Dieser Forderung kam Finnland nicht nach. Daraufhin kündigte die Sowjetunion den gemeinsamen Nichtangriffspakt von 1932. Am 30. November 1939 überschritten sowjetische Verbände die Grenze und Helsinki wurde bombardiert. Mitte Dezember gelang es schließlich den finnischen Einheiten die zahlenmäßig überlegenen sowjetischen Truppen zum Stehen zu bringen.

Am 1. Dezember 1939 wurde in einem finnischen Grenzort die Finnische Demokratische Republik gegründet. Führender Politiker dieses von Stalin gebildeten Staates war Otto Kuusinnen, der 1917/18 in den finnischen Roten Garden diente und danach viele Jahre als Politiker im Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI) wirkte. Diese Regierung unterschrieb am 2. Dezember 1939 im Namen der Finnischen Demokratischen Republik einen Friedensvertrag mit der Sowjetunion, in dem die Stalinschen Forderungen anerkannt wurden. Das Bekanntwerden des Vertrages verstärkte jedoch den finnischen Widerstandswillen, da die Finnen zu Recht eine Einverleibung ihres Staates in die Sowjetunion befürchteten.

Kuusinnen wurde dann 1940 Vorsitzender des Obersten Sowjets der Karelischen SSR. Der finnische Verhandlungsführer Paasikivi war 1940/41 Botschafter in der UdSSR und wurde nach dem Krieg finnischer Staatspräsident (1946/56). Er schloss 1948 den finnisch-sowjetischen Vertrag, in dem das bilaterale Verhältnis beider Länder geregelt wurde.

siehe hierzu: Finnisch-Sowjetischer Vertrag von 1948 (Wikipedia)

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Finnland, der Kumpan Hitlers - Sansavoir - 18.08.2012 00:47

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