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Richard III und seine Darstellung in der Literatur
19.09.2016, 14:57
Beitrag: #18
RE: Richard III und seine Darstellung in der Literatur
Nun, Philippa Gregory ist das, was zurzeit am Buchmarkt als historischer Roman gilt. Während ich ein Buch wie "Das Erbe der Königin" noch ganz interessant fand, werde ich den Eindruck nicht los, dass sie sich zurzeit durch Ausschlachten der Rosenkriege eine goldene Nase verdient, indem sie zu allen möglichen weiblichen Persönlichkeiten ein eigenes Büchlein schreibt. Bringt auch mehr Kohle, als wenn sie daraus einen umfangreichen Roman gemacht hätte. Soll heißen, ich kann sie nicht mit gutem Gewissen empfehlen, und dass sie sich inzwischen bereits Deutungshoheit anmasst, hat endgültig zur Folge gehabt, dass ich nichts mehr von ihr lese.

Was Richard III. betrifft, ist er bei ihr nicht der Mörder. In "Die Königin der Weißen Rose" gelingt es Elizabeth Woodville einen ihrer Söhne zu retten, indem sie ihn durch ein anderes Kind austauschen lässt, was Gregory für sehr glaubwürdig hält. (Ich hatte eher den Eindruck, dass das vorkommt, weil es für ihr drittes Büchlein um Elisabeth of York notwendig war: "Das Erbe der weißen Rose".

In "Die Königin der Weißen Rose" wird Elisabeth Woodville, nachdem die Prinzen verschwunden sind, von Richard III. besucht, der wissen will, ob sie es war, die ihre Söhne aus dem Tower geholt hat, was er übrigens hofft. Im Roman ist er ratlos, seine Neffen sind verschwunden, er hat keine Ahnung, was da passiert ist.

Im Fortsetzungsroman "Der Thron der roten Königin" mit Margaret Beaufort, der Mutter von Henry VII. als Heldin, erfahren wir dann, dass diese Dame die Prinzen umgebracht und ihre Leichen verschwinden hat lassen.
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Was Josephine Tey betrifft - für mich ist gar nicht entscheidend, ob sie in Bezug auf Richard III. recht hat oder nicht.

Aber ich finde, dass ihr Roman auf großartige Weise zeigt, wie fragwürdig die gängigen Geschichtsdeutungen, selbst wenn sie sogar auf zeitgenössische Überlieferung zurückgehen, sind. Josephine Tey führt im Rahmen ihrer spannenden Kriminalhandlung alle möglichen Probleme in Bezug auf geschichtliche Überlieferung vor, und ihr Buch ist auf jedem Fall ein Plädoyer für eigenständiges Denken und kritische Hinterfragung dessen, was als geschichtliche Fakten verbreitet ist.

Das erscheint mir gerade im 21. Jahrhundert sehr wichtig, wo zurzeit auf dem Unterhaltungssektor wieder mit fragwürdigen Optionen wie Deutungshoheit, angeblich tolle Autoren/innen-Recherche, der einzigen wahren Version etc. geworben wird.
(Mich wundert daher auch nicht, dass eine zeitgenössische Autorin wie Rebecca Gablé auf ihrer Website Autoren/innen wie eben Tey für ihre Sicht auf Richard III. lächerlich macht. Gablé ist - meine Meinung - eine erfolgreiche Schreiberin von historischen Trivialromanen (Marke "Eskapismus). Dagegen wäre auch nichts einzuwenden, aber sie vermarktet sich (und als Erfolgsautorin verfügt sie bei ihren Verlag über entsprechende Extras wie Hardcover, Nachwort, Deutungshoheit etc.) als Historikerin. Das ideale Publikum, das Gablé benötigt, um nicht als "Märchentante", sondern eben als Historikerin auf dem Buchmarkt zu reüssieren, soll "träge" sein und vor allem, sich mit dem, was sie ihm gibt, begnügen, statt sich selbst eine Meinung zu bilden. Ein Buch wie das von Tey ist für Autoren/innen für sie eigentlich gefährlich.

Übrigens gibt es inzwischen (nach Rezensionen bei Amazon schon Leser/innen, die maulen, wenn es Autor/in einmal wagt, Richard III. nicht als den "bösen" Onkel darzustellen.

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Bei Rebecca Gablé "Das Spiel der Könige" (2009) ist Richard III. eindeutig böse und die Tudors die Guten.


"Ginster und Schwert. Eine Liebe zur Zeit der Rosenkriege" (2005) von Kerstin Tomiak ist eine seichte, aber nette Liebesgeschichte mit Richard III. und Anne Neville als Hauptfiguren. Hier ist Richard ein ausgesprochen netter, anständiger Kerl. Positiv finde ich, dass dieser Roman auch keinen höheren Anspruch hat, als eben zu unterhalten.

Empfohlen wurde mir immer wieder "The Sunne in Splendour" (1982) von Sharon Kay Penman, dieses Buch wurde allerdings bis heute nicht ins Deutsche übersetzt. Ich selbst habe es bisher nicht gelesen. Außerdem soll auch Edward Bulwer-Lytton ("Die letzten Tage von Pompeji") und erfolgreicher englischer Autor des 19. Jahrhunderts einen Roman über die Rosenkriege geschrieben haben, in dem Graf von Warwick "the kingsmaker" im Mittelpunkt steht.
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Was Richard III. auf dem Buchmarkt betrifft, kann ich auch ganz gut mit einem bösen Richard leben, solange er im Mittelpunkt einer stimmigen Geschichte steht und als interessanter Charakter dargestellt ist, letzteres ist Shakespeaere zumindest gelungen.

Was seine Schurkenrolle betrifft, finde ich Josephine Teys Argumentation überzeugend, aber selbst wenn Richard III. doch der Böse war, finde ich, dass ihr Buch als historischer Roman eines der besten ist, dem ich diese Bezeichung zugestehe. (Auch wenn sie vielleicht nicht ganz zutrifft.)

Ob es gegenseitige Beeinflussung von Jean Plaidy und Josephine Tey gibt - vielleicht spielte eine Rolle, dass beide durch den Zweiten Weltkrieg geprägt waren. Immerhin war zu ihrer Zeit noch vieles, was inzwischen für (seriöse) Historiker/innen ein Muss ist, noch keineswegs üblich. Mag sein, dass die beiden Weltkriege (und der dort zu findende Missbrauch für Propaganda) wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Fragwürdigkeit von geschichtlicher Überlieferung für sie ein Anliegen wurde.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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Darstellung bei Shakespeare - Bunbury - 18.09.2016, 17:02
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