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Richard III und seine Darstellung in der Literatur
19.09.2016, 15:30
Beitrag: #20
RE: Richard III und seine Darstellung in der Literatur
(19.09.2016 14:57)Teresa C. schrieb:  Was Josephine Tey betrifft - für mich ist gar nicht entscheidend, ob sie in Bezug auf Richard III. recht hat oder nicht.

Aber ich finde, dass ihr Roman auf großartige Weise zeigt, wie fragwürdig die gängigen Geschichtsdeutungen, selbst wenn sie sogar auf zeitgenössische Überlieferung zurückgehen, sind. Josephine Tey führt im Rahmen ihrer spannenden Kriminalhandlung alle möglichen Probleme in Bezug auf geschichtliche Überlieferung vor, und ihr Buch ist auf jedem Fall ein Plädoyer für eigenständiges Denken und kritische Hinterfragung dessen, was als geschichtliche Fakten verbreitet ist.


Ich finde es vor allem hervorragend dargestellt, dass das Bild Richards wirklich nur auf dem Bericht von Thomas Morus beruht. Ob nun John Morton der wahre Verfasser war oder nicht, ist dabei zweitrangig. Was ich daraus gelesen habe, zeigt, dass der Verfasser über all die üblen Eingeschaften verfügt, die er seinerseits Richard andichtet, insbesondere Grausamkeit und Rachsucht. Hier zitiere ich jetzt einmal mich selbst, wenn ich sage, dass der geschriebene Text immer auch ein Abdruck der Seele des Verfassers ist.
(Dagegen paßt der Brief, den Richard über Jane Shore geschrieben hat, überhaupt nicht in dieses Charakterbild.)


(19.09.2016 14:57)Teresa C. schrieb:  Was seine Schurkenrolle betrifft, finde ich Josephine Teys Argumentation überzeugend, aber selbst wenn Richard III. doch der Böse war, finde ich, dass ihr Buch als historischer Roman eines der besten ist, dem ich diese Bezeichung zugestehe. (Auch wenn sie vielleicht nicht ganz zutrifft.)

Kommt es auf die Kategorie an? Ich habe seit Jahren beim Lesen nicht mehr so viel Vergnügen empfunden wie beim Lesen dieses Romans

(19.09.2016 14:57)Teresa C. schrieb:  Ob es gegenseitige Beeinflussung von Jean Plaidy und Josephine Tey gibt - vielleicht spielte eine Rolle, dass beide durch den Zweiten Weltkrieg geprägt waren. Immerhin war zu ihrer Zeit noch vieles, was inzwischen für (seriöse) Historiker/innen ein Muss ist, noch keineswegs üblich. Mag sein, dass die beiden Weltkriege (und der dort zu findende Missbrauch für Propaganda) wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Fragwürdigkeit von geschichtlicher Überlieferung für sie ein Anliegen wurde.

Abgesehen von der zeitlichen Nähe zueinander fällt halt auf, dass sie beide John Morton als den Hauptübeltäter sehen. Und da vermute ich, dass sie sich beide auf die Schrift von Horace Walpole berufen, den sie beide als Quelle angeben.
Ich könnte mir fast vorstellen, dass Tey nach der Lektüre von Plaidys Buch festgestellt hat, dass diese dann einfach nicht genug Mut hatte, mit Richards hsitorischem Bild endgültig zu brechen. Ich glaube, dass es für Tey schon ein wichtiges Anliegen war, Gerüchte aufzudecken. Einer ihrer anderen Kriminalromane, "Die verfolgte Unschuld" dreht sich um genau das gleiche Thema- zwei bis dahin unbescholtene Frauen sehen sich dem Verdacht ausgesetzt, ein junges Mädchen entführt und versklavt zu haben. Auch weist Grants Schwester Laura auf einen Fall in Schottland hin, der sich in der Nähe von Teys Geburtsstadt Inverness ereignet hat.
Ja, ich könnte mir gut vorstellen (aber das ist nur eine Vermutung), dass Tey sich darüber geärgert hat, dass Plaidy nur so halbherzig vorgegangen ist...

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